mehr
15 Jahre alt, wurde er vom Herzog von Braunschweig, [* 2] zum Kammermusikus ernannt und erhielt zugleich das Versprechen, daß der Herzog ihn zu weiterer Ausbildung noch irgend einem großen Meister übergeben wolle. Die Wahl fiel endlich auf Franz Eck in München, [* 3] als dieser eben im Begriff war, eine Kunstreise nach Rußland anzutreten. S. begleitete ihn und kehrte erst im Juli 1803 nach Braunschweig zurück. Hier traf er Rode an, dessen Spiel nachhaltigen Einfluß auf seine weitere Entwickelung übte.
Spohrs
Ruf als ausgezeichneter Violinvirtuose verbreitete sich nun infolge einiger Kunstreisen so rasch, daß er schon 1805 die
Konzertmeister
stelle in Gotha
[* 4] erhielt. In dieser
Stellung verblieb er, nachdem er sich ein Jahr später
mit der
Harfen- und Klaviervirtuosin Dorette Scheidler verehelicht hatte, abgesehen von mehreren mit seiner
Gattin unternommenen
Kunstreisen, bis 1813, in welchem Jahr er einem
Ruf als
Kapellmeister des
Theaters an der
Wien
[* 5] folgte. Zwistigkeiten mit dem
Direktor desselben,
Grafen
Pálffy, waren die
Ursache, daß er dies
Amt bereits nach zwei
Jahren niederlegte
und wiederum Kunstreisen antrat, die sich diesmal auch auf die
Schweiz,
[* 6]
Italien
[* 7] und
Holland erstreckten, bis er im
Winter 1817 die
Kapellmeister
stelle am
Theater in
[* 8]
Frankfurt
[* 9] a. M. übernahm.
Hier brachte er 1818 seine
Oper
»Faust« und 1819 »Zemire und
Azor« zur Aufführung, welche beide enthusiastischen
Beifall fanden; gleichwohl verließ S. schon im
September d. J.
Frankfurt und begab sich von neuem auf Kunstreisen nach
Belgien,
[* 10] Paris
[* 11] und 1820 nach
London.
[* 12] Nach viermonatlichem Aufenthalt ruhmgekrönt zurückgekehrt, ließ er sich in
Dresden
[* 13] nieder, erhielt
jedoch schon im folgenden Jahr auf Veranlassung
K. M. v.
Webers die
Berufung als Hofkapellmeister
nach
Kassel
[* 14] und trat im
Januar 1822 in sein neues
Amt ein.
Größere Virtuosenreisen unternahm er von nun an nicht mehr; dagegen entfaltete er die ersprießlichste Thätigkeit zur Hebung [* 15] der musikalischen Zustände Kassels, insofern er sowohl das Orchester zu einer zuvor nie gekannten Höhe hob, als auch außerdem einen Gesangverein für Oratorienmusik gründete. Nicht minder bedeutend war seine Thätigkeit als Lehrer und Komponist. In ersterer Eigenschaft wurde er das Haupt einer Violinschule, wie sie Deutschland [* 16] seit Franz Benda nicht besessen, und von allen Teilen Europas strömten ihm die Schüler zu. Gleichzeitig entwickelte er eine erstaunliche Produktionskraft auf allen Gebieten der Komposition und bethätigte sich als Dirigent zahlreicher Musikfeste in Deutschland und England.
Auch der Verlust seiner Gattin (1834), für den er in einer zweiten Ehe mit der Klavierspielerin Marianne Pfeiffer nur einen annähernden Ersatz fand, vermochte seinen Arbeitseifer und seine Pflichttreue nicht zu vermindern, so wenig wie die kleinlichen Schikanen, die er später von seinem Fürsten zu erdulden hatte, dies namentlich nach dem Jahr 1848, obwohl er das Jahr zuvor durch die Ernennung zum Generalmusikdirektor ausgezeichnet war. 1857 gegen seinen Wunsch und mit teilweiser Entziehung seines Gehalts pensioniert, blieb er bis zu seinem Tod als Mensch wie als Künstler ein Gegenstand der allgemeinen Verehrung.
Als
Komponist hat S. die
musikalische Litteratur auf jedem ihrer Gebiete durch Meister
werke von unvergänglichem Wert bereichert.
Auf dem der dramatischen
Musik wurde er neben
K. M. v.
Weber und
Marschner der Hauptvertreter der romantischen
Oper, wenn er auch hinsichtlich des szenisch Wirksamen hinter diesen beiden zurücksteht und infolgedessen seine
Opern, mit
Ausnahme von »Jessonda«, noch zu seinen Lebzeiten von den deutschen
Bühnen verschwanden. Auch in seinen Oratorien: »Die letzten
Dinge«, »Der
Fall
Babylons« u. a. folgt er zu ausschließlich seinem subjektiven
Naturell, um auf die Nachwelt
zu wirken, wiewohl hier seine
Neigung zum Elegischen und das konsequente Festhalten eines erhabenen
Pathos sowie endlich der
für alle seine
Arbeiten charakteristische, nicht selten in Überfülle ausartende
Reichtum der
Modulation die
Wirkung weniger
beeinträchtigen als in seinen
Opern.
Unbedingte Bewunderung verdienen seine zahlreichen, ausnahmslos durch Adel der Empfindung und formale Abrundung hervorragenden Instrumentalwerke, sowohl für Orchester als für Kammermusik, unter den erstern die Symphonien in C moll und »Die Weihe der Töne«, unter den letztern die Quintette und Quartette, sowohl für Streichinstrumente allein als mit Klavier. Den größten und verdientesten Erfolg aber haben die speziell für sein Instrument geschriebenen Werke gehabt, und seine 15 Violinkonzerte, darunter namentlich das 7., 8. (»in Form einer Gesangsszene«) und 9., sowie seine Violinduette, endlich seine große Violinschule stehen noch heute an klassischem Wert unübertroffen da.
Vgl. Spohrs »Selbstbiographie« (Götting. 1860-61, 2 Bde.; bis 1838 von ihm selbst geschrieben und von da bis zu seinem Tod von den Angehörigen ergänzt);
v. Wasielewski, Die Violine und ihre Meister (2. Aufl., Leipz. 1883);
Malibran, Louis S., sein Leben und Wirken (Frankf. a. M. 1860);
Schletterer, Louis S. (Leipz. 1881).