mehr
Endglied der Kiefertaster ist löffelförmig ausgehöhlt und enthält einen spiralig gebogenen Faden nebst hervorstreckbaren
Anhängen. Bei der Begattung füllt das Männchen dies Glied mit Samen und führt es in die weibliche Geschlechtsöffnung ein,
wo sich ein besonderes Behältnis zur Aufbewahrung des Samens (Samentasche) befindet. Zuweilen leben beide Geschlechter friedlich
nebeneinander in benachbarten Gespinsten oder selbst eine Zeitlang in demselben Gespinst; in andern Fällen
stellt das stärkere Weibchen dem schwächern Männchen wie jedem andern Tier nach, und selbst bei der Begattung ist dieses
gefährdet. Die Entwickelung im Eie ist insofern interessant, als der Embryo eine Zeitlang einen deutlich aus 10 bis 12 Segmenten
bestehenden Hinterleib besitzt, an dem sich auch die Anlagen von Gliedmaßen zeigen, die aber im weitern Verlauf samt der Gliederung
wieder verschwinden. Die ausschlüpfenden Jungen erleiden keine Metamorphose, bleiben aber bis nach der ersten Häutung im Gespinst
der Eihüllen. - Alle Spinnen nähren sich vom Raub: die vagabundierenden überfallen die Tiere im Lauf oder
Sprung;
andre bauen Gespinste, welche bei den verschiedenen Gattungen sehr wesentlich voneinander abweichen und zum Fang von
Insekten dienen;
oft finden sich in der Nähe derselben röhren- oder trichterartige Verstecke zum Aufenthalt der Spinnen.
Die
meisten Spinnen ruhen am Tag und jagen in der Dämmerung. Junge Spinnen erzeugen im Herbst lange Fäden (sogen.
Alterweibersommer, s. d.), mittels welcher sie sich hoch in die Luft erheben, vielleicht um sich zur Überwinterung an geschützte
Orte tragen zu lassen.
Man kennt mehrere tausend Arten Spinnen; fossil finden sie sich namentlich in Bernstein eingeschlossen vor. Man ordnet sie in
zwei größere Gruppen:
1) Vierlunger (Tetrapneumones), mit 4 Lungensäcken und 4 Stigmen, 4, selten 6 Spinnwarzen. Hierher nur die Familie der Vogelspinnen
(Theraphosidae), s. Vogelspinne.
2) Zweilunger (Dipneumones), mit 2 Lungensäcken und 2 oder 4 Stigmen (in diesem Fall führt das hintere Paar zu Tracheenstämmen),
stets 6 Spinnwarzen. Sie zerfallen in mehrere kleinere Gruppen: a) Springspinnen (Saltigradae), b) Wolfsspinnen
(Citigradae), unter andern mit der Gattung Lycosa (Tarantel, s. d.), c) Krabbenspinnen (Laterigradae), unter andern mit der
Gattung Thomisus (umherschweifende Krabbenspinne, T. viaticus C. L. Koch), d) Röhrenspinnen (Tubitelariae), zu denen Tegenaria
(Hausspinne, T. domestica L.) und Argyroneta (gemeine Wasserspinne, A. aquatica L.) gehören, e) Webspinnen
(Retitelariae) mit der Gattung Theridium (bekränzte Webspinne, T. redimitum L.), f) Radspinnen (Orbitelariae) mit der Gattung
Tetragnatha (gestreckte Strickerspinne, T. extensa Walck.) und Epeira (Kreuzspinne, s. d.).
Vgl. Walckenaer und Gervais, Histoire naturelle des Insectes aptères (Par. 1836-47, 4 Bde.);
Walckenaer, Histoire naturelle des Aranéides (das. u.
Straßb. 1806);
Hahn und Koch, Die Arachniden (Nürnb. 1831-49, 16 Bde.);
Koch, Übersicht des Arachnidensystems (das. 1837-50);
Lebert, Bau und Leben der Spinnen (Berl. 1878).
(hierzu Tafel »Spinnfaserpflanzen«),
vegetabilische oder animalische Gebilde, die sich zur Verarbeitung
auf Gespinste und Gewebe eignen und daher fest, geschmeidig und
womöglich bleichbar sein müssen. Die Zahl der tierischen
S. ist verhältnismäßig gering. Von größerer Bedeutung sind nur Wolle, Seide und die Haare einiger Ziegen, des Alpako u.
der Vicunna, das Kamelhaar und Pferdehaar. Viel größer ist die Zahl der vegetabilischen S., welche auch in ihrer Natur und
Beschaffenheit viel mehr voneinander abweichen.
Wir finden darunter Haargebilde, Gefäßbündel und Gefäßbündelbestandteile. Die erstern sind fast ausschließlich Samenhaare,
wie die Baumwolle, die Wolle der Wollbäume und die vegetabilische Seide; viele S. setzen sich aus den Gefäßbündeln
der Blätter, Stämme oder Wurzeln monokotyler Pflanzen zusammen, wie der neuseeländische Flachs, die Agavefaser, die Aloefaser
und die Ananasfaser, der Manilahanf und die Tillandsiafaser. Am häufigsten werden aber Gefäßbündelbestandteile dikotyler
Pflanzen als S. benutzt.
Hanf, Flachs, Jute, Sunn etc. sind Bastbündel oder Fragmente von solchen aus den Gefäßbündeln der Stengel
der betreffenden Stammpflanzen. Die Farbe der S. ist sehr verschieden: Schwarz, Braun, bei den vegetabilischen ins Gelbe, Grüne,
Graue geneigt, auch Weiß;
sie sind glanzlos bis seidenglänzend, zum Teil sehr hygroskopisch, so daß wenigstens bei den
animalischen (Seide, Wolle) im Handel der Wassergehalt der Ware in besondern Anstalten (Konditionierungsanstalten)
festgestellt zu werden pflegt.
Aber auch Baumwolle, welche lufttrocken 6,5 Proz. Feuchtigkeit enthält, kann über 20 Proz.,
Manilahanf sogar über 40 Proz. Wasser aufnehmen. Die Hygroskopizität der S. wechselt bei den Kulturvarietäten einer und
derselben Pflanze und steigt bisweilen bei derselben Faser, wenn diese beim Lagern an der Luft dunkler wird.
Über die Festigkeit der S. liegen vergleichbare Angaben bis jetzt nicht vor; weitaus am festesten ist Seide, die übrigen
zeigen die mannigfachsten Abstufungen der Zerreißbarkeit.
Die chemische Zusammensetzung der vegetabilischen S. ist eine sehr gleichartige; die Hauptsubstanz bildet überall Cellulose,
und die Fasern, welche nur aus letzterer bestehen, sind biegsam, geschmeidig und fest, während diejenigen,
bei denen außer Cellulose noch Holzsubstanz oder ähnliche Stoffe auftreten, spröde und brüchig erscheinen und erst nach
Entfernung derselben weicher und biegsamer werden. Eine solche Vervollkommnung der Fasern wird z. B. durch den Prozeß des Bleichens
erreicht; doch ist die weiße Farbe einer Faser keineswegs ein Beweis, daß sie frei von Holzfaser sei.
Selbst sehr geringe Mengen von letzterer kann man durch Betupfen mit einer Lösung von schwefelsaurem Anilin nachweisen, welche
die Holzsubstanz bräunt. Alle S., die der Hauptmasse nach aus Cellulose bestehen, werden durch Jod und Schwefelsäure blau gefärbt
und durch Kupferoxydammoniak aufgelöst; die übrigen, denen größere Mengen von Holzsubstanz oder andern organischen Stoffen
anhaften, werden durch ersteres Reagens gelb oder braun oder grün bis blaugrün gefärbt und durch Kupferoxydammoniak entweder
nicht verändert, oder nur unter mehr oder minder deutlicher Quellung gebläut. Alle S. enthalten mineralische Stoffe und lassen
daher beim Verbrennen Asche zurück. Die tierischen S. weichen in ihrer Zusammensetzung vollständig von den vegetabilischen
ab: sie enthalten sämtlich Stickstoff und unterscheiden sich sehr bestimmt von den vegetabilischen durch ihr Verhalten beim
Verbrennen, indem sie vor der Flamme gleichsam schmelzen und unter Verbreitung eines übeln Geruchs eine schwammige Kohle
hinterlassen, während die
mehr
Pflanzenfasern bis auf die Asche vollständig und ohne Geruch verbrennen. Eine Unterscheidung der einzelnen tierischen und
vegetabilischen S. ist nur durch methodische Prüfung mittels des Mikroskops und chemischer Reagenzien möglich; letztere aber
leisten im allgemeinen für die rohen Fasern nicht viel und für die gebleichten, welche sämtlich aus reiner Cellulose
bestehen, naturgemäß sehr wenig oder nichts.
Pflanzen, welche zur Darstellung von Gespinsten taugliche Fasern liefern, finden sich in zahlreichen Familien und bilden, soweit
sie größere Wichtigkeit besitzen, den Gegenstand ausgedehnter Kulturen. Die wichtigsten Spinnfaserpflanzen (vgl. beifolgende
Tafel) gehören zu den Malvaceen (Gossypium-Arten liefern die Baumwolle, Hibiscus-Arten den Gambohanf; auch sind
Abelmoschus tetraphyllus, Sida retusa, Thespesia lampas und Urena sinuata zu erwähnen), den Kannabineen (Hanf von Cannabis sativa),
Lineen (Flachs, Linum usitatissimum), Tiliaceen (Jute von Corchorus-Arten), den Urtikaceen (Chinagras und Ramé von Boehmeria-Arten,
Nesselfasern von Urtica-Arten), den Palmen (Arenga, Caryota, Piassava von Attalea funifera, Kokosfaser von Cocos nucifera etc.),
den Musaceen (Manilahanf von Musa-Arten), den Bromeliaceen (Agavefasern von Agave-Arten, Ananasfaser von Ananassa
sativa, Silkgras von Bromelia karatas, Tillandsiafaser von Tillandsia usneoides), den Asphodeleen (neuseeländischer Flachs von
Phormium tenax), den Papilionaceen (Sunn von Crotalaria juncea, auch Spartium-Arten).
Erwähnung verdienen ferner: die Bombaceen mit den Bombax-Arten Eriodendron anfractuosum und Ochroma Lagopus, die Datisceen
mit Datisca cannabina, die Kordiaceen mit Cordia latifolia, die Asklepiadeen mit Beaumontia grandiflora, Calotropis gigantea,
Asclepias-Arten etc., welche sämtlich vegetabilische Seide liefern, die Moreen mit Broussonetia-Arten, die Pandaneen mit Pandanus
odoratissimus und die Gramineen mit dem Espartogras (Stipa tenacissima). Weitaus die größte Bedeutung von allen haben aber
Baumwolle, Flachs und Hanf, welchen sich noch die Jute anschließt.
Die übrigen Spinnfaserpflanzen, zum Teil seit alter Zeit in Gebrauch, haben in der neuern Industrie doch erst angefangen,
einen Platz sich zu erobern, was der Jute, in gewissem Grad auch dem Chinagras, Ramé, der Piassava, der Agavefaser, dem Manilahanf,
der Kokosfaser und einigen andern bereits gelungen ist und voraussichtlich noch weiter gelingen wird.
Beherrscht Nordamerika durch seine Baumwolle das ganze Gebiet, so wird es doch an Mannigfaltigkeit der dargebotenen Fasern weit
übertroffen von Asien, speziell von Indien, woher wir wohl die wichtigsten Bereicherungen auch ferner noch zu erwarten haben.
Vgl. Royle, The fibrous plants of India (Lond. 1855);
Wiesner, Beiträge zur Kenntnis der indischen Faserpflanzen
(Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Bd. 62);
Derselbe, Rohstoffe des Pflanzenreichs (Leipz. 1873);
Richard, Die Gewinnung der
Gespinstfasern (Braunschw. 1881).