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»Araucana« des Alonso de Ercilla (gest. 1595), in welche der Verfasser einen Teil seiner eignen Lebensgeschichte verflochten hat. Mit dem neubelebten Nationalbewußtsein war dabei auch bei den Kunstdichtern ein historisches oder ästhetisches Interesse an den alten Volksromanzen erwacht, die neu aufgezeichnet und gesammelt wurden. Auf diese Weise entstanden von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrh. eine Reihe von Romanzensammlungen (»Romanceros«),
die allerdings neben den echten alten epischen Volksromanzen eine Unzahl gemachter chronikenartiger oder rein lyrischer Produkte, Werke von Gelehrten und Kunstdichtern, enthalten. Die reichhaltigste dieser Sammlungen ist der 1604 erschienene »Romancero general« (s. Romanze).
Befruchtend wirkten die epischen Elemente der alten Volksromanzen in Verbindung mit der kunstmäßig ausgebildeten Lyrik auf die Entwickelung der Comedia, des nationalen Dramas, des eigentlichen sprechenden Ausdrucks des poetischen Lebens der Nation. Dieses hatte gleich beim Beginn seiner Entwickelung in den bereits früher erwähnten Dichtern Naharro und Gil Vicente die Repräsentanten der Hauptrichtungen gefunden, die später eingeschlagen wurden, indem der erstgenannte mehr idealisierend zu den phantasiereichen Schöpfungen der heroischen Verwickelungs- und Intrigenstücke (comedias de ruido, comedias de capa y espada) anregte, der letztere aber der Vorläufer jener Dramatiker wurde, welche in der Darstellung des Volkslebens in seiner Wirklichkeit ihre Aufgabe suchten.
Letztern schlossen sich zunächst Lope de Rueda (um 1560), Verfasser der Stücke: »Comedia de las engañas« und »Eufemia«, und Alonso de la Vega sowie die zahlreichen Verfasser der sogen. Vor- und Zwischenstücke (loas, pasos, farsas, entremeses, sainetes und comedias de figuron) an. Neben diesen Gattungen bestanden die geistlichen Schauspiele, aus denen zunächst das spanische Drama hervorgegangen ist, fort und bildeten sich in der Folge nach verschiedenen Richtungen, als Autos sacramentales (Fronleichnamsspiele) und Autos al nacimiento (zur Feier der Geburt Christi), selbständig aus (s. Auto).
Die gelehrten Klassizisten versuchten zwar um die Mitte des 16. Jahrh. durch Übersetzung und Nachbildung antiker Stücke auch das spanische Drama nach den Mustern des klassischen Altertums umzugestalten, und mehrere Dramatiker, z. B. Geronimo Bermudez, der unter dem Namen Antonio de Silva Tragödien mit Chören schrieb, schlossen sich dieser antikisierenden Richtung an; allein sie vermochten die volle originale Entwickelung des spanischen Dramas nicht zu hemmen, und die begabtesten Dichter folgten bald ausschließlich der nationalen Fahne. Zu diesen gehörten namentlich: Juan de la Cueva (um 1580), Verfasser der Komödie »El infamador«, der in seinem Buch »Exemplar poetico« auch eine spanische Poetik aufstellte, Rey de Artieda, Dichter der »Amantes de Teruel«, eines Stücks von hoher Schönheit, und Cristoval de Virues (gest. 1610),
dessen Tragödien (besonders »Semiramis« und »Cassandra«) wahres tragisches Pathos und ein kräftiger, ungezwungener Dialog nachzurühmen sind.
Die Entwickelung der spanischen Prosa blieb im 16. Jahrh. hinter den poetischen Fortschritten nicht zurück; durch das immer allgemeiner werdende Studium des Altertums gewann dieselbe an Klarheit, Kraft [* 2] und Eleganz. Der erste, welcher sie auch für didaktische Werke, für die Darstellung philosophischer Gedanken und Betrachtungen mit Erfolg anwandte, war Fernan Perez de Oliva (gest. 1534), der Verfasser des gediegenen Werkes »Dialogo de la dignidad del hombre«, zu welchem Francisco Cervantes de Salazar eine nicht minder treffliche Fortsetzung lieferte, und seinem Beispiel folgte eine große Anzahl von Schriftstellern, von denen nur Antonio de Guevara (gest. 1545) mit seinem Hauptwerk: »Relox de principes, o Marco Aurelio«, einer Art didaktischen Romans, und seinen (zum größern Teil erdichteten) »Epistolas familiares« erwähnt sei.
Auf dem Gebiet der Geschichtschreibung gab man den alten Chronikenstil jetzt gänzlich auf und suchte die historische Kunst in pragmatischer Darstellung und schöner Form den Griechen und Römern abzulernen. Dieses Bestreben zeigt sich bereits bei den Historiographen Karls V., Pero Mexia und Juan Ginez de Sepulveda (gest. 1574), entschiedener aber noch bei den eigentlichen Vätern der spanischen Geschichtschreibung: Geronimo Zurita aus Saragossa [* 3] (gest. 1580), Verfasser der wichtigen »Anales de la corona de Aragon«, welche später in dem Dichter Bartol. Leonardo Argensola einen Fortsetzer fanden, und Ambrosio de Morales (gest. 1591), der die von Florian de Ocampo begonnene Geschichte Kastiliens mit Umsicht und Kritik weiterführte. Als das erste spanische Geschichtswerk aber von klassischem Wert muß die Geschichte des Rebellionskriegs von Granada [* 4] (»Historia de la guerra de Granada«) des oben als Dichter erwähnten Diego de Mendoza (gest. 1575) genannt werden.
Weiter sind zu erwähnen die Berichterstatter über die Neue Welt: Fernandez de Oviedo, der eine »Historia general y natural de las Indias« (1535) schrieb, und der edle Las Casas (gest. 1566),
dessen »Historia de las Indias« 1876 zum erstenmal veröffentlicht wurde, namentlich aber der Jesuit Juan de Mariana (gest. 1623),
Verfasser einer »Historia de España«, die bis zur Thronbesteigung Karls V. (1516) reicht und rhetorische Kraft mit Anschaulichkeit der Charakteristik und freimütiger Gesinnung verbindet. Eine Stelle in der spanischen Litteraturgeschichte beanspruchen auch die nach seiner Flucht aus Spanien [* 5] geschriebenen, in klassischem Stil abgefaßten Briefe des berühmten Geheimschreibers Philipps II., Antonio Perez (gest. 1611), denen man die der heil. Teresa de Jesus (gest. 1582), obschon ihrer Art nach ganz verschieden von jenen, an die Seite stellen kann; ebenso die asketischen und religiösen Erbauungsbücher von Fray Luis de Leon (Klostername des Dichters Ponce de Leon) und dem Kanzelredner Fray Luis de Granada (gest. 1588), die Schriften ähnlicher Art von San Juan de la Cruz und Malon de Chaide (»La conversion de Madalena«) u. a. Auch der erste spanische Versuch eines historischen Romans, die vortreffliche »Historia de las guerras civiles de Granada« von G. Perez de Hita (um 1600), fällt in diese Zeit. In ihrer höchsten Vollendung zeigte sich aber die kastilische Sprache [* 6] erst in dem größten und tiefsinnigsten Schriftsteller Spaniens, Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616), der alle Richtungen der Zeit in sich vereinigte, aber über denselben stand und nicht nur in seinem unübertroffenen satirisch-komischen Roman »Don Quijote«, der dem herrschenden Unwesen der Ritterromane den Todesstoß versetzte, und in seinen »Novelas« Meisterleistungen aufstellte, sondern auch den Schäfer- und den Liebesroman kultivierte und sogar auf dramatischem Gebiet mit seiner »Numancia« und den »Entremeses« Werke von nationaler Bedeutung schuf.
Mit dem 17. Jahrh., in das Cervantes' »Don ¶
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Quijote« (1604) überleitet, tritt das spanische Drama in die Periode seiner höchsten und glänzendsten Entwickelung, die bis fast zum Ausgang des Jahrhunderts dauert, und die übergroße Zahl von Bühnendichtern, welche diese Zeit aufzuweisen hat, teilt sich in zwei große Gruppen, als deren Mittelpunkt zwei der größten und fruchtbarsten dramatischen Genien aller Zeiten: Lope de Vega Carpio (1562-1635) und Calderon de la Barca (1600-1681) glänzen. Von den Anhängern des ältern Lope nennen wir als die bedeutendsten: Perez de Montalvan (gest. 1638), Verfasser des lange Zeit beliebten Schauspiels »Los amantes de Teruel« (ein Stoff, den früher bereits Artieda behandelt hatte) sowie geschichtlicher Dramen, mit trefflicher Charakterschilderung (z. B. »Juan d'Austria«) und höchst eigentümlicher Autos (»Polifema«);
Tarrega (»La enemiga favorable«);
Guillen de Castro (gest. 1638),
dessen Hauptwerk: »Las mocedades del Cid«, das Vorbild von Corneilles »Cid« war;
Gabriel Tellez, als Dichter den Namen Tirso de Molina führend (gest. 1648),
nach Lope, der fruchtbarste spanische Schriftsteller, Verfasser von »El burlador de Sevilla«, [* 8] der ersten Dramatisierung der Don Juan Sage;
Juan Ruiz de Alarcon (gest. 1639),
ein origineller Dichter voll glühender Phantasie und plastischer Kraft, dessen »Tejedor de Segovia« und »Ganar amigos« unter die Meisterstücke der heroisch-romantischen Gattung gehören (sein Lustspiel »La verdad sospechosa« wurde das Vorbild von Corneilles »Menteur«);
ferner: Luis Velez de Guevara (gest. 1646),
der die Erscheinungen des äußern Lebens in wirkungsvoller Weise darzustellen weiß und besonders durch sein Drama »Mas pesa el rey que la sangre«, eine Verherrlichung der Lehnstreue, berühmt ist;
Antonio Mira de Mescua (um 1630),
dessen »Esclavo del demonio« Calderon in seiner »Andacht zum Kreuz« [* 9] benutzt hat, u. a. Viele vortreffliche Stücke stammen auch aus der Zeit des Lope, deren Verfasser unbekannt geblieben sind, und die gewöhnlich unter dem Titel: »Comedias famosas par un ingenio de esta corte« angezeigt wurden;
am meisten Aufsehen unter denselben erregte »El diablo predicador«.
Die genannten Dichter, ausgezeichnet durch reiche Erfindungsgabe und geniale Konzeption, sind denn die eigentlichen Schöpfer des spanischen Dramas, und sie schufen dasselbe aus rein nationalen Elementen, aus volkstümlicher Begeisterung und frischer, glühender Phantasie. Da bei Calderon zu dieser Originalität und sprudelnden Fülle noch die künstlerische Reflexion [* 10] und die sorgsamere Ausführung im einzelnen hinzukamen, so erreichte in ihm das spanische Drama den Gipfel der Vollendung.
Die namhaftesten unter seinen Zeitgenossen und Nachfolgern sind: Agostin Moreto (gest. 1668), der weniger durch die Originalität und Kühnheit der Erfindung als durch sorgfältige Entwickelung fein ausgearbeiteter Entwürfe glänzt (Hauptwerk: »El valiente justiciero«);
Francisco de Rojas (um 1650),
der sowohl im Intrigenstück als in der Tragödie Ausgezeichnetes leistete (am populärsten: »Del rey abajo ninguno«, eine Schilderung des Konflikts zwischen Königstreue, Ehre und Liebe);
Matos Fragoso, durch liebenswürdige Wärme [* 11] der Darstellung und Eleganz des Stils ausgezeichnet (bestes Drama: »El villana en su rincon«, eine gelungene Bearbeitung des gleichnamigen Stückes von Lope),
und Juan Bautista Diamant e [* 12] (blühte um 1674),
dessen geschichtliche Dramen (z. B. »El hijo, honrador de su padre«, das die Geschichte des Cid zum Vorwurf hat, und »Judia de Toledo«) [* 13] historischer Geist und feines Verständnis beleben;
Juan de la Hoz Mota, dessen Lustspiel »El castigo de la miseria« allezeit ein Stolz der Spanier war;
der oben genannte, auch als Dramendichter ausgezeichnete Historiker Antonio de Solis (gest. 1686),
von dessen heroischen Schauspielen besonders »El alcasar del secreto« und die »Gitanella de Madrid« [* 14] zu den Lieblingsstücken damaliger Zeit gehörten;
Antonio Enriquez Gomez (um 1650),
Verfasser zahlreicher Komödien sowie lyrischer Gedichte und satirischer Charakterbilder in Prosa (s. unten);
Agustin de Salazar (gest. 1675), der sich wenigstens in einigen seiner Dramen, wie »Elegir al enemigo«, und in dem feinen Sittengemälde »Segunda Celestina« als echter Dichter bewährte;
Antonio de Leyba, Fernando de Zarate, Cristoval de Monroy, Geronimo de Cuellar u. v. a. Der Reichtum der spanischen Bühne jener Zeit ist in der That unübersehbar, und die ungeheure Wirkung, welche dieselbe dauernd ausübte, lag darin, daß es der Geist und die Seele des ganzen Volkes waren, welche in ihren Schöpfungen pulsierten und sie zum Gemeingut dieses Volkes machten.
Gegen den Ausgang des Jahrhunderts beginnt die dramatische Poesie endlich zu ermatten, aber selbst die bereits der Verfallzeit angehörenden Schauspiele von Franc. Bances Cándamo (gest. 1709; »Por su rey y por su dama«, »Esclavo en grillos de oro«),
Cañizares (gest. 1750), der mit sogen. Comedias de figuron (worin irgend eine lächerliche [* 7] Figur den Mittelpunkt bildet) seine Haupterfolge erzielte, und Antonio Zamora (gest. 1730) atmen immer noch echt spanischen Geist. Mit dem durchaus volkstümlichen Drama konnte sich die gelehrte Kunstpoesie im 17. Jahrh. weder an vielseitiger Ausbildung noch an Beliebtheit messen.
Die phantasievolle Weise Lope de Vegas hatte in der Lyrik Eingang gefunden, wurde jedoch bald von einzelnen Dichtern durch gezierte und schwülstige Wendungen und Ausdrücke bis zur Karikatur verzerrt, und an die Stelle der Gedanken und Empfindungen traten leeres Gepränge hochtönender Worte, abenteuerliche und gesuchte Bilder und Gleichnisse und geschraubte, in erhabene Dunkelheit gehüllte Phrasen. Der Hauptträger dieser geschmacklosen Richtung war Don Luis de Gongora (gest. 1627), der Erfinder des sogen. Estilo culto und Begründer einer besondern Dichterschule, der Gongoristen oder Kulturisten, die mit der Zeit einen verderblichen Einfluß auf den Geschmack der Zeit ausübte, und als deren ausgezeichnetstes Mitglied der durch sein tragisches Geschick bekannte Graf von Villamediana (ermordet 1621) zu nennen ist. Von den Gongoristen unterschieden sich die sogen. Konzeptisten insofern, als sie das Hauptgewicht auf den gedanklichen Inhalt der Dichtung legten, der sich nicht selten ins Mystische verlor; an ihrer Spitze standen Felix de Arteaga (gest. 1633) und Alonso de Ledesma (gest. 1623; »El monstruo imaginado«).
Die talentvollern Dichter gehörten gleichwohl zu den Gegnern Gongoras, obschon auch sie der herrschenden Mode Zugeständnisse machen mußten, so die beiden Brüder Lupercio Leonardo und Bartolome de Argensola (gest. 1613 und 1631), zwei Lyriker, die, Horaz und den Italienern nacheifernd, klassische Korrektheit des Stils mit poetischem Gefühl und glücklichem Darstellungstalent verbinden;
Estevan Manuel de Villegas (gest. 1669), als der erste unter den erotischen Dichtern anerkannt;
Francisco de Rioja (gest. 1659), Verfasser vortrefflicher Lieder und Oden;
Juan de Arguijo (um 1620), ein zartsinniger ¶