Radikalen, ja selbst die
Minister ergingen sich, um ihre
Popularität zu vermehren, in kriegerischen Prahlereien und
Drohungen.
Nur der König blieb
fest in seinem
Widerstand gegen eine verhängnisvolle Überstürzung und ermöglichte hierdurch eine ehrenvolle
Verständigung mit
Deutschland.
[* 2] Leider starb er schon
Alfons XII. hinterließ als
Witwe seine zweite Gemahlin,
MariaChristine, eine österreichische Erzherzogin,
welche sofort als Regentin proklamiert wurde und einen Sohn,
Alfons XIII., gebar. Die Veränderungen auf dem
Thron
[* 3] vollzogen sich, abgesehen von einigen durch
Zorrilla angestifteten republikanischen Militärrevolten in
Cartagena und
Madrid
[* 4] und von
RänkenMontpensiers, die aber wirkungslos blieben, ohne
Störung.
Canovas hielt es für nützlich,
die liberalen
Parteien für die
Erhaltung der Dynastie zu interessieren, und empfahl daher der Regentin, an seiner
StelleSagasta
zum
Ministerpräsidenten zu ernennen (27. Nov.). Derselbe verschaffte sich durch
Neuwahlen die Mehrheit in den
Cortes, welche eröffnet
wurden, die Einführung von
Geschwornengerichten genehmigten und die Beratung der vom Kriegsminister
Cassola vorgelegten Heeresreform mit allgemeiner
Wehrpflicht in
Angriff nahmen.
Die
Einnahmen wurden durch
Verpachtung der Postdampferlinien und des
Tabaksmonopols vermehrt. Die Regentin verstand es, durch
ihr würdiges und kluges Benehmen die
Achtung und
Liebe des
Volkes in demselbenGrad zu gewinnen wie ihr
verstorbener Gemahl.
Spaniens Zustände sind indes noch durchaus unfertig. Der alte klerikale
Absolutismus ist zwar durch die
Unfähigkeit seiner Vertreter und das Eindringen liberaler
Ideen äußerlich gestürzt und lebensunfähig, aber im
Geiste des
Volkes so wenig überwunden und vertilgt, daß sich auch keine liberale
Regierung auf die
Masse des
Volkes
selbst stützen kann, sondern die
Hilfe der Parteiführer und ehrgeizigen
Generale in Anspruch nehmen muß, die wieder ihren
Schützling ausnutzen, diskreditieren und schließlich ins Verderben fortreißen. Im
Bund mit andern
Parteien ist jede
Partei
im stande, nach einigen
Jahren das herrschende
Regiment zu stürzen.
[Litteratur.]
Lembke, Geschichte von S. (Bd. 1, Hamb.
1831; Bd. 2 u. 3 von
Schäfer, Gotha
[* 5] 1844-1861; fortgesetzt von
Schirrmacher, das. 1881 ff.);
Litteratur. Die spanische
Nationallitteratur, hervorgegangen aus dem durch heldenhafte Anstrengung erstarkten
eigentümlichen Selbstgefühl eines
Volkes, dessen
Phantasie in den
Erinnerungen einer thatenreichen Vergangenheit schwelgte,
und durch
Reichtum und Originalität der
Produktion auf allen Gebieten der
Dichtkunst gleich ausgezeichnet, reicht in ihren
Anfängen bis in die Zeit zurück, wo sich nach derEroberung des
Landes durch die Araber die ersten christlichen
Staaten im
Norden
[* 11] der
Halbinsel gebildet hatten.
Von der alten echten Volksdichtung haben sich jedoch nur wenige
Denkmäler und auch diese nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt
erhalten können, da sie
Jahrhunderte hindurch nur im
Munde des
Volkes und in diesem stets sich verjüngend
und verändernd fortlebte und erst aufgezeichnet wurde, als auch die Kunstpoesie diese
Lieder ihrer Beachtung wert fand, d. h.
zu Anfang des 16. Jahrh. Diese ältesten spanischen
Volkslieder, bekannt unter dem
NamenRomanzen, waren epischen oder episch-lyrischen
Charakters und hatten hauptsächlich die Thaten der
Helden in dem großen
National- und Glaubenskampf gegen
die Araber zum
Inhalt. Unter diesen
Romanzen sind diejenigen, welche die Thaten und
Schicksale des
Cid el
Campeador (gest. 1099)
feierten, vorzugsweise berühmt. Die frühsten auf uns gekommenen Schriftdenkmäler rühren aus dem 13. Jahrh.
her, und mit dieser Zeit beginnt die erste
Periode der spanischen Litteratur.
Die s. L. erscheint in dieser
Periode, welche bis zu der
RegierungJohanns II. von
Kastilien (1406) reicht, als volkstümlich-nationale
mit vorherrschend epischer und didaktischer
Richtung. Das älteste auf uns
¶
mehr
gekommene Werk derselben ist das »Poema del Cid«, ein größtenteils auf alten Volksdichtungen beruhendes Epos in Form und Geist
der französischen Chansons de geste, welches in oft sehr malerischer Darstellung und kräftigen Zügen, wenn auch in noch ziemlich
roher Form die Thaten und Abenteuer des Nationalhelden schildert. Verschieden von ihm ist die »Crónica
rimada del Cid« (s. Cid Campeador). Außerdem gehören hierher als frühste Erzeugnisse spanischer Kunstpoesie unter dem Einfluß
der kirchlich-ritterlichen Zeitideen: das »Poemade los Reyes Magos« und die Legende von der Maria Egipciaca aus dem 13. Jahrh.),
die Bearbeitung
der ritterlichen Irrfahrten Alexanders d. Gr. (»Poema de Alexandro Magno«) von Juan Lorenzo Segura, die spanische Bearbeitung
des Romans »Apollonius von Tyrus« sowie die »Votos de pavon« (ebenfalls
noch aus dem 13. Jahrh.) und ein chronikenartiges Gedicht, das die Thaten des GrafenFernanGonzalez, des Stifters von
KastiliensGröße, besingt (aus dem 14. Jahrh.). Diese Gedichte sind teils in einreimigen Alexandrinerstrophen,
teils in den nationalen Grundrhythmen der Redondilien (s. d.) abgefaßt.
Noch in das 14. Jahrh. ist wohl auch die Abfassung der längern, epenartigen Romanzen von Karl d. Gr. und seinen Paladinen zu
setzen. Neben diesen vorwiegend epischen Dichtungen begann sich während der RegierungAlfons des Weisen
von Kastilien (1252-84) eine didaktische Richtung der Litteratur zu entwickeln, deren Hauptrepräsentant König Alfons selber
war. Er ließ die Landesgesetze aus der lateinischen Sprache
[* 13] in die Landessprache übertragen, und auf seine Veranlassung geschah
die Abfassung einer Weltchronik und der Geschichte der Kreuzzüge (»La gran conquista de Ultramar«),
abgedruckt
in der »Biblioteca de autores españoles«, Bd.
44) sowie einer spanischen Chronik, der berühmten »Crónica general« (Vallad.
1604),
ebenfalls in kastilischer Sprache. So wurde Alfons der eigentliche Schöpfer der spanischen Prosa. Von poetischen Werken
schreibt man ihm außer dem sogen. »Libro de las
querellas«, von dem sich nur einige Bruchstücke erhalten haben, ein didaktisches Gedicht alchimistischen
Inhalts, das »Libro del tesoro o del candado«, zu, das jedoch nach
einigen spätern Ursprungs ist. Am wichtigsten sind seine in galicischer Sprache verfaßten und provençalischen Mustern nachgebildeten
»Cantigas«, Loblieder auf die JungfrauMaria, welche zum großen Teil in sechs- bis zwölfzeiligen Versen
bestehen und durch ihre Form die spätere Kunstlyrik der Spanier vorbereiten.
Alfons' Beispiel wirkte ermunternd auf seine Nachfolger. Sein Sohn Sancho IV., genannt der Tapfere (gest. 1295), schrieb ein
moralisierend-philosophisches Werk: »Los castigos e documentos«, das Lebensregeln für seinen Sohn Ferdinand IV. enthielt,
und des letztern Sohn Alfons XI., genannt der Gute (gest. 1350),
gilt für den Verfasser einer Reimchronik
in Redondilienstrophen, wie er auch mehrere Werke in kastilischer Prosa abfassen ließ, namentlich ein Adelsregister (»Becerro«)
und ein Jagdbuch (»Libro de monterías«, hrsg.
von Navarro 1878) sowie mehrere Chroniken (Ferdinands des Heiligen, Alfons' des Weisen, Sanchos des Tapfern
etc., abgedruckt in dem Werk »Cronicas de los Reyes de Castilla etc.«, Bd. 1,
Madr. 1876). Der hervorragendste unter den fürstlichen Autoren jener Zeit ist der InfantDon JuanManuel (gest. 1347),
am bekanntesten
durch sein Werk »El conde Lucanor« oder
»Libro
de Patronio«, eine zum Teil aus orientalischen Quellen geschöpfte Rahmenerzählung, in welcher dem Grafen
Lucanor sein Ratgeber Patronio moralische und politische Ratschläge in Form von Novellen erteilt (s. Manuel 3). Bei weitem
der genialste Dichter jener Periode war aber der Erzpriester von Hita, JuanRuiz (gest. 1351), Verfasser eines merkwürdigen,
allegorisch-satirischen Werkes in Alexandrinerversen (»Libro
de cantares«),
worin in der WeiseJuanManuelsFabeln, Schwänke und Geschichten, fromme und Liebeslieder etc. aneinander gereiht
sind, denen eine gemeinsame Erzählung zu Grunde liegt, nur daß hier der Schwerpunkt
[* 14] weniger in der moralischen Tendenz als
in der naiv anmutigen und kunstvollen Darstellung liegt. Ein didaktisches Gedicht mit eingewebten lyrischen
Partien ist auch das wieder zumeist in Alexandrinern abgefaßte Buch über das Hofleben (»Rimado de palacio«) des alten Chronisten
und als Übersetzer des Livius berühmten PedroLopez deAyala (gest. 1407). Ebenso macht sich in den Gedichten des RabbiDonSanto,
[* 15] genannt »der Jude von Carrion«, welcher für den König Peter den Grausamen von Kastilien Ratschläge und
Lebensregeln in Versen abfaßte, in dem Gedicht vom Totentanz: »Danza general de la muerte«, der ältesten Dichtung dieser Art,
in der spanischen Nachahmung der lateinischen »Rixa animae et corporis« u. a.
die didaktische Richtung geltend.
Sämtliche bisher genannte Gedichte sind in Bd. 57 (»Poetas
castellanos, anteriores al siglo XV«) sowie die hauptsächlichsten Prosawerke in Bd. 51 (»Escritores
en prosa, anteriores al siglo XV«) der erwähnten »Biblioteca de autores
españoles« enthalten. Die Ausbildung der damaligen historischen Prosa bekunden die ChronikenAyalas, JuanNuñez de Villaizans,
die Prosachronik vom Cid, die Reisebeschreibung Ruy Gonzalez de Clavijos u. a. Auch die Abfassung des »Amadis
von Gallien« (s. Amadisromane), des Ahnherrn der zahllosen spanischen Ritterromane, gehört dem Schluß dieser Periode an.
Mit der RegierungJohanns II. von Kastilien (1406-54) begann die zweite Periode der spanischen Nationallitteratur, welche bis
zur RegierungKarls V., somit bis zum Schluß des Mittelalters, reicht. Der Sinn für die alten Volkspoesien
war allmählich erloschen, und es kam eine reflektierte Dichtkunst, eine höfische Kunstlyrik nach dem Muster der Troubadourpoesie
zur Entwickelung, welch letztere in limousinischer Mundart an den Höfen der Grafen von Barcelona und der Könige von Aragonien
schon längst blühte. Zu der bereits vorherrschenden didaktischen Richtung gesellten sich gelehrte, mythologische
und allegorische Elemente, die schlichten Reime der Vorzeit wurden mit verschlungenen Versmaßen vertauscht, und spitzfindige
Geistesspiele und überflüssiger Schmuck traten an die Stelle der edlen Einfalt, welche die alten Poesien auszeichnete.
Die Dichter dieser neuen Richtung gehörten fast alle den Hofkreisen an, und ihre Werke tragen einen gemeinsamen
konventionellen Charakter. Der Horizont
[* 16] ihrer immer wiederkehrenden poetischen Ideen war ein enger, auf den Kreis
[* 17] höfischer
Galanterie beschränkter und eine gewisse Monotonie daher die unausbleibliche Folge dieser Armut an Ideen und Anschauungen. Zu
den hervorragendsten und einflußreichsten unter diesen Hofdichtern gehörten: Don Enrique de Aragon, Marques
de Villena (gest. 1434), Verfasser didaktisch-allegorischer Dichtungen und einer Abhandlung über die Dichtkunst: »La gaya cienzia«
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