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Nordamerika [* 2] der Negerhandel zur See verboten worden, insofern es sich um Angehörige dieser Staaten handelte. Verhandlungen der Großmächte zu London [* 3] führten sodann 1816 zur Aufhebung des französischen Sklavenhandels, nachdem bereits zuvor 1814 im Frieden von Wien [* 4] Spanien [* 5] und Portugal auf den Sklavenhandel nördlich vom Äquator verzichtet hatten. Spanien gab ihn dann 1817 gegen eine Entschädigung von 400,000 Pfd. Sterl. und Portugal 1823 gegen eine solche von 300,000 Pfd. Sterl. gänzlich auf.
Ebenso untersagte Brasilien [* 6] denselben auf Grund von Verträgen mit England von 1826 und 1830. Insgeheim freilich wurde der Negerhandel immer noch fortbetrieben, und die Freigabe der vorhandenen farbigen Sklaven erfolgte in den amerikanischen Staaten und Kolonien nur zögernd und teilweise unter den größten Schwierigkeiten. Nachdem nämlich zunächst die britische Regierung 1830 sämtliche Kronsklaven freigegeben hatte, erfolgte die völlige Emanzipation der Sklaven in den englischen Kolonien gegen Entschädigung der Pflanzer mit 20 Mill. Pfd. Sterl., so daß hier mit einemmal nahezu 639,000 Sklaven, auf Jamaica allein 322,000, frei wurden.
Ebenso wurde 1848 in den französischen Kolonien infolge der Revolution die S. abgeschafft, und ebendasselbe geschah nach und nach in den nördlichen Staaten der nordamerikanischen Union. In den Südstaaten dagegen nahm dieselbe mehr und mehr überhand, so daß man 1860 hier nicht weniger als 3,949,557 farbige Sklaven zählte. Vielfache Anläufe zur Beseitigung der S. waren erfolglos. Man blieb dabei stehen, daß ihre Beibehaltung für die Südstaaten eine Lebensfrage, daß die dortige Baumwollkultur ebenso wie der Tabaks- und Zuckerbau nur mit der Sklavenarbeit erfolgreich zu betreiben seien. So ward denn das sogen. Missourikompromiß von 1820, wonach in den Gebieten nördlich vom 36.° die S. für immer aufgehoben sein sollte, 1854 durch die Kansas-Nebraska-Akte wieder aufgehoben, in welcher Einführung, Beibehaltung oder Abschaffung der S. lediglich für eine partikuläre Angelegenheit jedes einzelnen der unierten Staaten erklärt wurde.
Dieser der S. günstigen Strömung arbeitete aber nunmehr die republikanische oder Freibodenpartei entgegen, und die Wahl Lincolns zum Präsidenten 1860 bedeutete den Sieg dieser Partei, aber auch zugleich die Losung zum Bürgerkrieg und zum offenen Aufstand der elf südlichen Sklavenstaaten. Die erfolgte Emanzipationsproklamation für alle Sklaven und ihre Nachkommenschaft war zunächst nur eine Kriegsmaßregel, wurde aber durch Kongreßbeschluß vom zum Gesetz erhoben und der nordamerikanischen Verfassung einverleibt.
Die 1865 erfolgte Niederwerfung der Südstaaten verschaffte diesem Gesetz die thatsächliche Anerkennung, und wirksame Gesetze, welche zur Ausführung des erstern erlassen wurden, sorgten für die praktische Verwirklichung desselben. Namentlich sind durch die sogen. Rekonstruktionsbill allen Farbigen die politischen Rechte (aktive und passive Wahlrechte) eingeräumt worden. Hieran schloß sich dann 1871 das Sklavenemanzipationsgesetz in Brasilien, und ebenso wurde auf Cuba die Befreiung der Sklaven unter harten Kämpfen durchgeführt. Ein Gesetz vom beseitigte die S. auf dieser Insel gänzlich. In den westindischen Kolonien Dänemarks, Hollands und Schwedens war die S. schon zuvor aufgehoben worden.
Ist sonach in Amerika [* 7] die S. als abgeschafft anzusehen, so ist dies in Asien [* 8] und namentlich in Afrika [* 9] keineswegs der Fall. Allerdings hat die türkische Verfassung vom die S. für das ganze osmanische Reich rechtlich beseitigt; aber thatsächlich besteht sie in den türkischen Gebieten immer noch, wenn auch in beschränkterm Umfang als früher. Islam und Vielweiberei sind eben der S. besonders günstig. Ebenso hat sich Ägypten [* 10] Großbritannien [* 11] gegenüber zwar zur Unterdrückung des Sklavenhandels verpflichtet, ohne jedoch die Beseitigung desselben innerhalb der Grenzen [* 12] der ägyptischen Herrschaft durchführen zu können.
Allerdings sollte das Verbot des Sklavenhandels teilweise erst in sieben, teilweise sogar erst in zwölf Jahren, vom an gerechnet, in Kraft [* 13] treten; letzteres für den Sudân und für die jenseit Assuân gelegenen ägyptischen Provinzen. Die Erfolge des rebellischen Mahdi im Sudân haben diese Bestrebungen jedoch wesentlich beeinträchtigt, so daß das obere Nilgebiet immer noch als ein Hauptherd der S. gelten muß. In Zentralafrika aber bestehen S., Sklavenjagden und Sklavenhandel in der abscheulichsten und grausamsten Weise fort.
Die Ergebnisse der entsetzlichsten Menschenraubzüge, welche ganze Länderstriche veröden, sind vielfach zur Ausfuhr nach den Küstenstrichen und nach Arabien, aber auch nach Marokko, [* 14] Tunis und Tripolis bestimmt. An der ostafrikanischen Küste sind es namentlich arabische Sklavenhändler, welche den Negerhandel betreiben und ihre Beute, soweit die Geraubten die Küste lebend erreichen, auf ihren Sklavenschiffen (Dhaus) fortschaffen. Die Sklavenjagden sind in neuerer Zeit durch die Forschungen und Mitteilungen von Cameron, Livingstone, Stanley und Wißmann in ihrer ganzen Verabscheuungswürdigkeit erkannt worden.
Livingstone berechnete, daß jährlich mindestens 350,000 Menschen geraubt würden, von denen aber nur etwa 70,000 lebend ihren Bestimmungsort erreichten. Er rechnete auf jeden Sklaven mindestens fünf Opfer; zuweilen komme sogar nur einer auf zehn Geraubte wirklich zum Verkauf. Der Primas von Afrika, Kardinal Lavigerie, aber nimmt sogar an, daß in ganz Afrika etwa 2 Mill. Menschen jährlich infolge des Sklavenhandels das Leben verlieren. In Süd- und Westafrika ist die S. allerdings zum Teil ganz beseitigt, teils hat sie mildere Formen angenommen. Auf Madagaskar [* 15] wurde die S. 1877 abgeschafft.
Was die gegenwärtige völkerrechtliche Beurteilung der S. seitens der zivilisierten Staaten anbetrifft, so ist dieselbe als schlechthin völkerrechtswidrig noch nicht aufzufassen. Wohl aber gilt dies von den Sklavenjagden und von dem Sklavenhandel. Die Abschaffung der S. in Afrika selbst ist von dem Fürsten Bismarck im Reichstag als zur Zeit unthunlich bezeichnet worden. Auf die Beseitigung des afrikanischen Sklavenhandels aber wird nach dem Vorgang Englands auch von Deutschland [* 16] hingewirkt.
Dem sogen. Quintupelvertrag vom war Preußen [* 17] bereits beigetreten. Dieser von Großbritannien, Österreich, [* 18] Preußen und Rußland, nicht aber von Frankreich ratifizierte Vertrag statuierte ein wechselseitiges Anhalt- und Durchsuchungsrecht gegenüber den unter den Flaggen [* 19] der kontrahierenden Staaten fahrenden Schiffen zum Zweck der Unterdrückung des Sklavenhandels und eine Beschlagnahme von Sklavenschiffen in einem bestimmten Meeresgebiet um Afrika herum. An Stelle Preußens [* 20] trat das Deutsche Reich [* 21] in jenen Vertrag ein, und der Reichstag erteilte hierzu die Genehmigung. Die Congoakte vom erklärt aber im Art. 9 folgendes: »Da nach den Grundsätzen ¶
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des Völkerrechts, wie solche von den Signatarmächten anerkannt werden, der Sklavenhandel verboten ist und die Operationen, welche zu Land oder zur See diesem Handel Sklaven zuführen, ebenfalls als verboten anzusehen sind, so erklären die Mächte, welche in den das konventionelle Congobecken bildenden Gebieten Souveränitätsrechte oder einen Einfluß ausüben oder ausüben werden, daß diese Gebiete weder als Markt noch als Durchgangsstraße für den Handel mit Sklaven, gleichviel welcher Rasse, benutzt werden sollen. Jede dieser Mächte verpflichtet sich zur Anwendung aller ihr zu Gebote stehenden Mittel, um diesem Handel ein Ende zu machen und diejenigen, welche ihm obliegen, zu bestrafen.« Diese Verpflichtung erstreckt sich auf die 14 Staaten, welche die Berliner [* 23] Generalakte unterzeichnet haben, sowie auf den Congostaat. Um aber der Sklavenausfuhr in Ostafrika wirksam zu begegnen, welche namentlich von Sansibar [* 24] aus auf arabischen Dhaus unter französischer Flagge schwunghaft betrieben ward, erklärten Deutschland und England vom ab die Küstenlinie des Sultanats von Sansibar in den Blockadezustand; doch ward diese Blockade nur gegen die Einfuhr von Kriegsmaterial und die Ausfuhr von Sklaven gerichtet. Im Anschluß hieran erklärte auch Portugal den nördlichen Teil des portugiesischen Gebiets an der Ostküste von Afrika in den Blockadezustand.
Demnächst schloß sich auch Italien [* 25] der ostafrikanischen Blockade an. Die Bemühungen des Kardinals Lavigerie, welcher im Sommer 1888 in Brüssel, [* 26] Paris, [* 27] London und Lissabon [* 28] Missionsvorträge über die S. in Afrika hielt, fanden den Beifall und die Unterstützung des Papstes. Sie wurden in Deutschland von Versammlungen in Köln [* 29] und Freiburg [* 30] i. Br. und von der Zentrumsfraktion des Reichstags unterstützt, welch letzterer eine gegen den Negerhandel und die Sklavenjagden gerichtete Resolution »Windthorst« annahm.
Die im Februar 1889 mit Unterstützung des Reichs ermöglichte Expedition des Hauptmanns Wißmann nach Ostafrika ist mit auf die Bekämpfung des Sklavenhandels gerichtet.
Vgl. Kapp, Die Sklavenfrage in den Vereinigten Staaten [* 31] (2. Aufl., Götting. 1858);
Derselbe, Geschichte der S. in den Vereinigten Staaten (Hamb. 1861);
Wilson, History of the rise and fall of the slave power in America (Bost. 1872, 3 Bde.);
Cooper, Der verlorne Weltteil (deutsch, Berl. 1877);
Gareis, Der Sklavenhandel, das Völkerrecht und das deutsche Recht (das. 1885);
»Wider die S.« (Düsseld. 1888);
Wißmann, Unter deutscher Flagge quer durch Afrika (2. Aufl., Berl. 1889);
Wallon, Histoire de l'esclavage dans l'antiquité (2. Aufl., Par. 1879, 3 Bde.).