herstellen konnte. Von ihrem Waffenplatz Agrigent aus dehnten daher die Karthager ihre Herrschaft immer weiter aus und behaupteten
sie auch gegen den anfangs siegreichen König Pyrrhos von Epirus, bis sie in dem Frieden, der dem ersten Punischen Krieg ein Ende
machte (241), ihren Anteil an der Insel an die Römer abtreten mußten. Die Osthälfte blieb zunächst unter
der Herrschaft von Syrakus und wurde erst nach dessen Eroberung 212 mit dem Westen zur Provincia Sicilia vereinigt.
Als römische Provinz war S. die Kornkammer Italiens; ein Krebsschaden war jedoch die ausgedehnte Sklavenwirtschaft. Wiederholt,
am gefährlichsten 136-133 und 103-98, kam die Erbitterung der auf das grausamste behandelten Sklaven
in blutigen Aufständen (Sklavenkriegen, s. d.) zum Ausbruch. Der Reichtum der Insel und die Kunstschätze der Städte verführten
die Statthalter zu Erpressungen und Räubereien, und nur selten fanden die Geschädigten in Rom einen Fürsprecher, wie in Cicero
gegen Verres.
Griechische Sprache und Sitten blieben jedoch lange herrschend; erst in der römischen Kaiserzeit wurde
die Insel latinisiert. In den letzten Zeiten des weströmischen Reichs von öftern Raubzügen des Vandalenkönigs Geiserich heimgesucht,
kam S. mit dem Untergang des Reichs an Odoaker, nach dessen Sturz an die Ostgoten und 551 n. Chr. an das byzantinische Reich. 827 landeten
die Araber auf S. und nahmen bis auf Syrakus, das erst 878 nach tapferer Verteidigung erobert wurde, die
Insel in Besitz, die ihnen 1062-91 durch die Normannen unter Roger entrissen wurde.
Rogers Sohn, Roger II., vereinigte 1130 S. mit Neapel zu einem Königreich (s. Sizilien, Königreich beider). Durch die Sizilianische Vesper
(30. März 1282) wurde S. wieder von Neapel getrennt und kam unter die Herrschaft Peters von Aragonien, der
es 1285 auf seinen zweiten Sohn, Jakob, vererbte. Als dieser 1291 König von Aragonien wurde, verzichtete er zu gunsten der
Anjous auf S.; doch wollten die Sizilianer ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und erhoben Peters jüngsten
Sohn, Friedrich II. (1291 bis 1337), auf den Thron, der sich siegreich gegen die Anjous und den Papst behauptete und eine Hauptstütze
der Ghibellinen in Italien war.
Nach der kurzen Regierung seines Sohns Peter II. (1337-42) folgten dessen Söhne Ludwig (1342-55) und Friedrich III. (1355-77),
welch letzterer, um vom Kirchenbann losgesprochen zu werden, die Oberlehnsherrlichkeit des Papstes und
Neapels anerkannte und sich zur Zahlung eines Zinses an letzteres verpflichtete. Unter der Herrschaft von Friedrichs III. Tochter
Maria, welche minderjährig war, wurde S. von Parteiungen zerrissen, indem ein Teil der Barone einem italienischen Prinzen die
Hand der Königin und die Herrschaft verschaffen wollte, ein andrer zu Aragonien hinneigte.
Letztere Partei siegte, indem Maria mit dem Enkel Peters IV. von Aragonien, Martin, vermählt wurde; doch starb dieser schon 1409,
ohne männliche Erben zu hinterlassen, und nun fiel S. an Aragonien, das unter Alfons V. 1442 auch Neapel erwarb. Während dieses
1458-1501 wieder selbständig wurde, blieb S. mit Aragonien vereinigt und stand bis 1713 unter der Herrschaft Spaniens. Im
Frieden von Utrecht (1713) wurde S. als Königreich dem Herzog von Savoyen zugeteilt, 1720 aber von demselben gegen Sardinien an
Österreich abgetreten, das nun Neapel und S. unter seiner Herrschaft vereinigte und beide Lande 1738 den
spanischen Bourbonen als Sekundogenitur überließ.
Als König Ferdinand IV. 1806 von Napoleon seines Throns entsetzt wurde, floh er nach S., das er
unter dem Schutz der englischen
Flotte behauptete, und dem er auf Verlangen des englischen Befehlshabers Lord Bentinck 1812 auch eine freisinnige Verfassung gab. 1815 wurde
die Insel mit Neapel zum Königreich beider Sizilien (s. d.) vereinigt. Als 1820 in Neapel die Revolution ausbrach, versuchte
S. sich wieder loszureißen; nur durch Personalunion wollte es mit Neapel verbunden sein.
Doch wurde der Aufstand mit der Eroberung Palermos (5. Okt.) unterdrückt. Anfang 1848 erneuerte es den Versuch, sagte
sich 13. April förmlich von den Bourbonen los und wählte 11. Juli den Herzog von Genua zum König. Indes wurde es im Mai 1849 von
den Neapolitanern wieder unterworfen. 1860, als Garibaldi in Marsala landete, schloß sich S. ihm sofort an und ermöglichte
hierdurch den Sturz des bourbonischen Königreichs. Doch stieß die italienische Regierung in S. auf große
Schwierigkeiten, da der gesetzlose Sinn der Bevölkerung der Errichtung einer kräftigen Verwaltung und gerechten Handhabung
der Gesetze widerstrebte. Die Korruption und der Widerstand gegen Gesetz und Recht waren in der Mafia (s. d.) förmlich organisiert
und konnten auch durch energische Ausnahmemaßregeln nicht ausgerottet werden.
Vgl. di Blasi, Storia del
regno di Sicilia (Palermo 1844, 3 Bde.);
San Filippo, Compendio della storia di Sicilia (7. Aufl., das.
1859);
La Lumia, Studi di storia siciliana (das. 1870, 2 Bde.);
Duca di Serradifalco, La antichità della Sicilia (das. 1835-42, 5 Bde.);
Holm, Geschichte Siziliens im Altertum (Leipz. 1870-74, 2 Bde.);
Amari, Storia dei Musulmani di Sicilia (Flor. 1853-73, 3 Bde.);
Derselbe, Biblioteca arabo-sicula (Par. u. Leipz. 1856 ff.;
ital. 1880, 2 Bde.; Nachtrag 1889);
Bazancourt, Histoire de la Sicile sous la domination des Normands (Par. 1846, 2 Bde.);
Graf v. Schack, Geschichte der Normannen in S. (Stuttg. 1889, 2 Bde.);
Amari, La guerra del Vespro Siciliano (9. Aufl., Mail. 1885, 3 Bde.);
Derselbe, La Sicile et les Bourbons (Par. 1849);
Querner,
Die piemontesische Herrschaft auf S. (Bern
1879);
»Documenti per servire alla storia di Sicilia« (Pal. 1879 ff.).
Königreich beider (Königreich Neapel), bis 1860 selbständiger Staat, seitdem zum Königreich
Italien gehörig, zerfiel in das Gebiet diesseit der Meerenge (Neapel im engern Sinn) und das jenseit der Meerenge (Insel Sizilien),
umfaßte die Landschaften (compartimenti) Abruzzen und Molise, Kampanien, Apulien, Kalabrien und Sizilien und hatte einen Flächenraum
von 111,900 qkm (2033 QM.) mit 8,703,000 Einw. In ältester
Zeit von Iapygiern und Sikulern, dann von Oskern und Sabellern erobert, zugleich von den Griechen kolonisiert und Großgriechenland
benannt, teilte Unteritalien seit seiner Eroberung durch die Römer (275-266 v. Chr.) die Geschicke Italiens bis zur Zertrümmerung
des weströmischen Reichs.
Als Belisar 535 das ostgotische Reich angriff, wurden Sizilien und Unteritalien sofort für das oströmische Reich
erobert und blieben mit einer geringen Unterbrechung in dessen Besitz, bis 568 die Langobarden in Italien einbrachen, welche
in Benevent, Capua, Neapel, Salerno u. a. O. Fürstentümer errichteten. Sizilien und ein Teil des Festlandes (Apulien und Kalabrien)
blieben dem byzantinischen Reich und wurden von einem kaiserlichen Statthalter verwaltet, der den Titel
Patricius führte und fast unabhängig von Konstantinopel regierte. 827 landeten die Araber auf Sizilien und eroberten es;
auch in Kalabrien drangen sie ein. Die langobardischen Fürstentümer hatten inzwischen die Oberhoheit des
mehr
Heiligen römischen Reichs deutscher Nation anerkannt. Als Kaiser Otto I. 968 auch Unteritalien erobern wollte, scheiterte das
Unternehmen. Seinen Sohn, Kaiser Otto II., halfen bei einem neuen Eroberungszug 982 die Araber besiegen, womit der Versuch, Unteritalien
der direkten Herrschaft der deutschen Kaiser zu unterwerfen, vereitelt war.
Das Normannenreich.
Die der That nach völlig unabhängigen langobardischen Fürsten lagen in fast fortwährendem Hader und
Streit miteinander. In einem solchen unterstützten 1027 die Normannen den Herzog Sergius von Neapel gegen Pandulf von Capua und
erhielten zum Lohn dafür einen Strich Landes in Apulien, in welchem sie die Stadt Aversa anlegten und eine unabhängige
Herrschaft gründeten. Einen neuen Aufschwung erhielten die normännischen Unternehmungen, als von den zwölf Söhnen des Grafen
Tankred von Hauteville zehn nacheinander aus der Normandie nach Italien kamen und sowohl die langobardischen Fürsten unterwarfen
als Apulien und Kalabrien den Griechen entrissen.
Der vierte Sohn Tankreds, Robert Guiscard, der die letzte griechische Stadt, Bari, eroberte, erhielt 1060 vom
Papst Nikolaus II. die Belehnung mit den eroberten Ländern. Der jüngste Bruder, Roger, setzte nach Sizilien über, wo sich die
Macht der Sarazenen in eine Menge kleiner Herrschaften, mit Palermo als Mittelpunkt, aufgelöst hatte. Mit ganz geringen Streitkräften
wurde 1091 die Eroberung der Insel vollendet und die Normannenherrschaft auf derselben begründet.
Robert Guiscard überließ dieselbe seinem Bruder als Lehen, der sich Graf von Sizilien nannte. Nach dem Tod Robert Guiscards (1085)
teilten seine Söhne Bohemund und Roger das väterliche Erbe in der Art, daß Roger Apulien und die Herzogswürde, Bohemund Tarent
und einen Teil von Kalabrien bekam. Bohemund erwarb im ersten Kreuzzug das Fürstentum Antiochia, starb aber
schon 1111 in Syrien, und sein Geschlecht erlosch 1130 im Mannesstamm; auch der jüngere Zweig ging 1127 mit Rogers Sohn Wilhelm
zu Ende. Sobald Roger II., der Sohn des gleichnamigen Eroberers von Sizilien, davon Kunde erhalten hatte,
setzte er nach dem Festland über, brachte die widerspenstigen Großen zur Unterwerfung und ließ sich vom Papst Anaklet II.
zum König von Neapel und Sizilien krönen (25. Dez. 1130), welche Würde Papst Innocenz II. 1139 gegen Anerkennung der päpstlichen
Lehnshoheit bestätigte.
Unter Rogers II. Regierung (1130-54) erhob sich das Königreich rasch zu großer Blüte: Palermo und Amalfi
wetteiferten in Handelsthätigkeit mit Venedig und Pisa;
berühmt waren Neapel und Amalfi durch ihre Lehranstalten für Rechtskunde,
Salerno durch seine medizinische Schule.
Nicht am wenigsten dankte es dies der Toleranz gegen Griechen und Sarazenen, die ebenso
wie die Normannen mit Ämtern betraut wurden. Aber Rogers Sohn Wilhelm I., »der Böse« (1154-66),
lebte wie
ein orientalischer Fürst in Wollust und Üppigkeit, und mit dessen Sohn Wilhelm II. (1166-89),
mit dem Beinamen »der Gute«,
unter dem eine kurze Periode des Glücks für das Königreich zurückkehrte, erlosch die rechtmäßige männliche Nachkommenschaft
Tankreds von Hauteville. Die reichen, schönen Länder fielen an den Hohenstaufen, Kaiser Heinrich VI., den
Gemahl Konstanzes, der Tochter Rogers II. Aber der Wechsel des Herrschergeschlechts war der Anfang neuer Drangsale für das
Königreich, denn ein natürlicher Enkel Rogers II., Tankred, und dessen Sohn Wilhelm erhoben ebenfalls Ansprüche auf den Thron.
Erst
1194 gelang es Heinrich VI., den Widerstand der Großen gegen seine Herrschaft mit grausamer Strenge
zu brechen und das ganze Königreich in Besitz zu nehmen. Nach Heinrichs VI. Tod (1197) folgte sein dreijähriger Sohn Friedrich
I. (als Kaiser Friedrich II.) unter der Vormundschaft seiner Mutter Konstanze und des Papstes Innocenz III. als Oberlehnsherrn
beider Sizilien. Während seiner Selbstregierung (seit 1209) verlegte er die Residenz von Palermo nach Neapel, wo er 1224 eine
Universität gründete, und veröffentlichte im August 1231 eine Gesetzgebung unter dem Namen »Konstitutionen des Königreichs
Sizilien«, welche nicht sowohl eine neue Schöpfung als, gleich den Gesetzen Justinians, nur eine Bestätigung derjenigen
Verordnungen war, welche von nun an Gesetzeskraft haben sollten.
Durch dieselben ging schon ein moderner Hauch, denn an die Stelle der die Macht des Herrschers einschränkenden Lehnsaristokratie
trat ein festgeschlossener Beamtenstand, der vom König eingesetzt wurde und mit ihm über Aufrechthaltung der Gesetze zu
wachen hatte. Das Land wurde militärisch eingeteilt und ein aus Deutschen und Sarazenen bestehendes Söldnerheer
zum Schutz des Königtums errichtet. Auch für die Hebung des materiellen Wohlstandes sorgten die Konstitutionen.
Der Handel wurde erleichtert durch die Ermäßigung der Aus- und Eingangszölle, durch Beseitigung der Zollschranken zwischen
den einzelnen Provinzen des Reichs und durch Handelsverträge mit fremden Staaten; das Steuerwesen und die
Finanzwirtschaft wurden neu geregelt. Friedrichs Nachfolger Konrad IV. (1250-54) hinterließ den unmündigen Konradin, dessen
Oheim Manfred die Reichsverwesung übernahm, sich aber 11. Aug. 1258 auf ein falsches Gerücht von Konradins Tod mit Bewilligung
der Reichsstände zum König krönen ließ. Die Päpste verfolgten aber auch Kaiser Friedrichs edle Nachkommen
mit unversöhnlichem Haß, und Papst Clemens IV. verlieh Sizilien 1265 dem Grafen Karl von Anjou, Bruder Ludwigs IX. von Frankreich,
als päpstliches Lehen, gegen den Manfred 26. Febr. 1266 bei Benevent Thron und Leben verlor. Auch Konradin büßte den Versuch, das
Erbe seiner Väter wiederzubringen, nach seiner Niederlage bei Tagliacozzo (23. Aug. 1268) mit dem Tod auf dem
Schafott (29. Okt.).
Die Herrschaft der Anjous.
Karl I. (1266-84) erklärte alle Schenkungen und Belehnungen Friedrichs und seiner Nachfolger für ungültig und verlieh die
dadurch frei gewordenen Guter an französische Große mit ausgedehnten Feudalrechten über die Landbevölkerung und die
Städte. An die Stelle der städtischen Verfassung der Konstitutionen trat wieder eine selbstsüchtige Feudalherrschaft, während
alle Lasten, die man Friedrich einst so sehr zum Vorwurf gemacht hatte, bestehen blieben.
Dazu kam die Begünstigung der zahlreich einwandernden Franzosen. Am schwersten lastete der Druck der französischen Herrschaft
auf der Insel Sizilien, und die Mißstimmung war eine um so größere, je milder das Regiment Manfreds gewesen
war. Nachdem Johann von Procida eine Verschwörung gebildet und das Volk zur Rache aufgereizt hatte, brach am zweiten Osterfeiertag
(30. März) 1282 um die Vesperzeit, als die Franzosen sich Unziemlichkeiten gegen sizilische Frauen erlaubten, in Palermo der
Aufstand (Sizilianische Vesper) aus und endete mit der allgemeinen Ermordung der Franzosen auf der Insel. Die Sizilianer setzten
darauf eine provisorische Regierung ein und verteidigten sich gegen Karls