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Griechen im O., später Araber und Berber im W. hinzugekommen, beide noch physisch, in Sprache [* 2] und Sitte nachweisbar. Von geringerer Bedeutung, wenn auch noch heute abgesondert erhalten, sind die Einwanderungen von Lombarden und griechisch redenden Albanesen gegen Ende des Mittelalters (Piana dei Greci, Contessa, Palazzo Adriano). Der sizilische Volksdialekt, der schon im 13. Jahrh. am Hofe Friedrichs II. zur Sprache der Poesie ausgebildet wurde, und in dem zahlreiche, sich durch Tiefe und Wärme [* 3] auszeichnende, noch immer fortlebende Volkslieder gedichtet sind, unterscheidet sich wesentlich von den Dialekten des Festlandes.
Die Zahl der Bewohner beträgt (1881) 2,927,901 und dürfte jetzt ungefähr wieder den besten Zeiten des Altertums gleichstehen, hat aber sehr bedeutende Schwankungen durchgemacht; im 16. Jahrh. z. B. war sie infolge beständiger Kriege, Fehden und Korsareneinfälle auf 800,000 gesunken. Die mittlere Volksdichtigkeit beträgt demnach 113 auf 1 qkm, ist aber sehr verschieden, am stärksten an der Nord- und Nordostseite, am dünnsten im Innern. Eigentümlich ist auch, daß sich die Bevölkerung [* 4] auf wenige Wohnplätze (ca. 800) verteilt, die demnach im Durchschnitt 3660 Einw. haben, so daß Dörfer im deutschen Sinn selten sind und infolgedessen auch die Bewirtschaftung der entlegenen Felder von diesen großen Zentren aus sehr schwierig ist.
Die allgemeine Unsicherheit hat diese Anhäufung meist auf steilen Felsenhöhen veranlaßt; doch beginnt die wiedergekehrte Sicherheit und das neugeschaffene Verkehrsnetz auf die Verteilung der Bevölkerung in kleinere Gruppen über das Land zu wirken. Dieselbe ist jetzt in rascher, stetiger Zunahme begriffen, indem man 1861 nur 2,392,414 Einw. zählte. Die Volksbildung war bis 1860, wo sie ganz in den Händen der zahlreichen Geistlichen lag, völlig vernachlässigt und beginnt sich seitdem erst zu heben; namentlich die großen Städte, Palermo [* 5] voran, bringen dem Schulwesen große Opfer.
Doch steht die Volksbildung trotz der bedeutenden Fortschritte in den südöstlichsten Landschaften Siziliens noch immer tiefer als irgendwo in Italien. [* 6] Günstiger ist der Sekundärunterricht in Lyceen (1883-84: 20), Gymnasien (60) und technischen Schulen (43) bestellt. Von den drei Universitäten zu Palermo, Catania und Messina [* 7] haben namentlich die beiden letztern geringe Frequenz und ungenügende Lehrmittel und Lehrkräfte aufzuweisen. An öffentlichen Bibliotheken ist kein Mangel (32 in ganz S.); die Biblioteca nazionale und die Biblioteca municipale in Palermo sind bedeutende Institute.
Auch für Pflege der Kunst ist gesorgt; das Museum von Palermo entwickelt sich herrlich und ist namentlich durch griechische Kunstwerke jeder Art (Metopen, [* 8] Münzen), [* 9] auch durch mittelalterliche und neuere Werke der Skulptur und Malerei ausgezeichnet. Die Reste griechischer Tempel, [* 10] Theater [* 11] etc. in Selinunt, Girgenti, Segesta, Syrakus [* 12] werden sorgsam erhalten, ebenso die mittelalterlichen der normännischen Zeit. Der Volkscharakter der Sizilianer zeigt außerordentliche Lebhaftigkeit und Beweglichkeit, natürliche Intelligenz, Witz und Sprachgewandtheit, rasches Aufflammen in Liebe und Haß, wogegen Ausdauer in Verfolgung gesteckter Ziele seltener sein mag.
Der Sinn für Bildung, Wissenschaft und Kunst ist jedem Sizilianer eigen und hat sich, seit der Druck des Despotismus gewichen ist, rasch wieder zu zeigen begonnen. Das ganze Land ist, trotz der geringen Förderung seitens der Regierung, seit 1860 in raschem materiellen und geistigen Aufschwung begriffen, der durch die dem Fernstehenden so auffallende Erscheinung der Mafia (s. d.), eines Erzeugnisses jahrhundertelangen Druckes und übler sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse, nicht dauernd beeinträchtigt werden kann.
Diese nicht eigentlich organisierten, sondern aus dem stillschweigenden Einverständnis aller gegenüber einer fremden, kein Recht achtenden, brutalen Gewalt bestehenden Gesellschaften werden verschwinden, und die immer nur reichen Grundbesitzern gegenüber gefährdete Sicherheit wird zurückkehren, wenn es gelingt, den allgemeinen Wohlstand und die allgemeine Bildung zu heben und vor allen Dingen der Masse der Bevölkerung die Möglichkeit zu gewähren, selbst Besitz zu erwerben.
Bisher ist dies nämlich in den meisten Gegenden Siziliens nicht möglich, sondern aller Besitz als eine Erbschaft der Feudalzeit in wenigen Händen vereinigt; selbst der Verkauf der Kirchengüter seit Ende der 70er Jahre in kleinern Losen hat bei der völligen Mittellosigkeit der großen Menge, lauter kleinen Pächtern und Arbeitern, da sich erst in den Städten durch Handel und Handwerk ein Mittelstand zu entwickeln begonnen hat, nur dazu geführt, Spekulanten zu bereichern u. den Großgrundbesitz noch mehr abzurunden. Derselbe ist meist in den Händen des zahlreichen, mit Fürsten-, Herzogs- und Markgrafentiteln geschmückten Adels, der in den Städten lebt und seine Güter fast nie besucht. Verwalter bewirtschaften dieselben und vermitteln zwischen dem unbekannten Herrn und den zahlreichen kleinen Pachtern.
[Erwerbszweige.]
Trotz schlechter Bewirtschaftung, primitiver Werkzeuge [* 13] und noch immer ungenügender Verkehrswege ist der Ackerbau, von dem die bei weitem überwiegende Masse der Bevölkerung lebt, ebenso lohnend wie im Altertum. Am meisten wird Weizen gebaut (1886: 4,5 Mill. hl), der noch immer hochgeschätzt ist und meist zum Export gelangt, wogegen geringerer eingeführt wird. Neben Weizen spielen Gerste [* 14] (1885: 1,3 Mill. hl) und Bohnen (600,601 hl) eine große Rolle.
Sehr wichtig ist der Weinbau, der hier durch den Einfluß Fremder rationeller betrieben wird als sonst in Italien; über 211,000 Hektar sind der Rebe gewidmet und geben eine Ernte [* 15] von durchschnittlich 7,6 (1886 sogar 8) Mill. hl, wovon immer bedeutendere Mengen zur Ausfuhr fähig und haltbar hergerichtet werden; vor allem die Weine von Marsala, die Weine von der Nord- und Ostküste, welche in Milazzo, Messina (Farowein), Riposto (Mascaliwein vom Ätna), [* 16] Catania, Syrakus und Vittoria (süße Muskatweine) zum Export gelangen, sind Naturweine und werden vielfach zur Vermischung mit leichtern Sorten nach den Wein fabrizierenden Ländern, insbesondere Frankreich, verschifft (vgl. Puglisi, La Sicilia e i suoi vini, Palermo 1885). Von Bedeutung ist ferner die Olivenkultur, deren Ertrag seit 1883 etwas gesunken ist (von 575,000 hl auf 323,000 hl in 1885), welche aber noch immer für ca. 20 Mill. Lire Öl zur Ausfuhr liefert, das freilich noch meist unrationell behandelt wird, dann die Agrumenkultur, besonders die Kultur von Orangen und Limonen.
Die Zahl der Agrumenbäume beläuft sich auf mehr als 10 Mill., die der Früchte durchschnittlich auf 2½ Milliarden Stück. Ein großer Teil der Früchte sowie der hieraus bereiteten Essenzen gelangt zur Ausfuhr (nach Nordamerika, [* 17] Großbritannien, [* 18] Österreich [* 19] etc.). Wichtig ist noch, namentlich in der Provinz Palermo, die Kultur des Sumach (Rhus coriaria) als Gerbstoff; er trägt jährlich mit 20 Mill. Lire zur Ausfuhr bei. Auch die Kultur der Opuntien ist wichtig, da dieselben die in S. fast gar nicht gebauten Kartoffeln ersetzen und im ¶
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Herbst vier Monate die Masse der Bevölkerung vorwiegend nähren. Im großen werden ferner gezogen: Johannisbrot, Mandeln, Haselnüsse, Feigen, Mannaeschen, Süßholz etc. Die Viehzucht [* 21] ist unbedeutend und liefert infolge schlechter Behandlung geringen Ertrag, Krankheiten treten oft verheerend auf; am zahlreichsten sind noch Schafe [* 22] (1881: 477,493) und Ziegen (171,558). Sehr lohnend und ein wichtiger Faktor in der Ernährung der Bevölkerung ist die Fischerei, [* 23] namentlich auf Sardellen und Thunfische, die in zahlreichen großen Tonnaren rings um die Insel gefangen werden. An trefflichen, zum Teil sehr edlen Bausteinen ist S. reich, obschon es ihm auch an lohnendem Bergbau [* 24] fast völlig fehlt.
Nur die Schwefelproduktion ist bedeutend, wenn auch die Methode der Gewinnung noch sehr primitiv ist. Sie ist von 300,000 metr. Ztr. im J. 1830 in den letzten Jahren auf 3,300,000 gestiegen, die im Wert von 25 Mill. Lire zur Ausfuhr gelangen, während nur etwa 60,000 metr. Ztr. im Land selbst verbraucht werden. Die reichen Steinsalzlager werden noch kaum ausgebeutet, da man Seesalz in den Salzgärten von Syrakus, Augusta, Trapani und Marsala massenhaft und billiger gewinnt.
Ein eigentümliches Erzeugnis Siziliens ist auch Bernstein, [* 25] der an der Küste des Golfs von Catania gefunden und in Catania verarbeitet wird. Mineralquellen hat S. 82, meist Schwefelquellen, wovon die bedeutendsten und schon seit alter Zeit besuchtesten die von Termini und Sciacca (Thermae Selinuntinae) sind. Die Industrie ist in S., soweit sie nicht mit der Urproduktion unmittelbar zusammenhängt (Gewinnung von Essenzen, konzentriertem Zitronensaft, Öl, Weinstein, Mahlen von Getreide [* 26] und Sumach, Schwefelraffinerie etc.), sehr gering; es bestehen nur einige Fabriken für Maschinen, Messingbetten, Zement, Thonwaren, [* 27] Handschuhe, Teigwaren und Seife.
Bedeutender, wenn auch noch immer viel in den Händen von Deutschen, Schweizern und Engländern, ist der Handel, der sich seit 1860 rapid entwickelte, seit sich die Bodenkultur im Innern gehoben hat und Verkehrswege geschaffen sind, die ihre Erzeugnisse an die Küste zu bringen erlauben. Seit dem Jahr 1863 hat sich allmählich das Eisenbahnnetz der Insel entwickelt, eine Linie verbindet Palermo mit Girgenti und Porto Empedocle, eine zweite Palermo mit Trapani, eine dritte Messina mit Syrakus, eine vierte geht von Catania durchs Innere über Caltanissetta nach Licata und entsendet zwei Abzweigungen zur Linie Palermo-Girgenti.
Das Gesamtnetz umfaßt gegenwärtig 805 km. Auch auf Hafenbauten in Palermo, Messina und Porto Empedocle sind bedeutende Summen verwendet worden. Landstraßen gibt es verhältnismäßig wenig (ca. 3500 km) und in mäßigem Zustand. Der Verkehr war daher immer hauptsächlich auf das Meer angewiesen. In sämtlichen (60) Häfen von S. liefen 1886: 31,337 Schiffe [* 28] mit 5,292,798 Ton. ein. Die Handelsmarine der sizilischen Häfen hatte Ende 1886 einen Stand von 1491 Schiffen mit 122,384 T., worunter sich 76 Dampfer mit 52,828 T. befanden.
Der Warenverkehr in sämtlichen Häfen betrug in der Einfuhr 1,050,000 T., in der Ausfuhr 1,488,000 T. Hauptartikel sind in der Einfuhr: Getreide und Mehl, [* 29] Kohlen, Eisen, [* 30] andre Metalle und Maschinen, Garne und Gewebe, [* 31] Holz [* 32] und Petroleum;
in der Ausfuhr: Schwefel, Wein, Agrumen, Seesalz, Gerbstoffe, Getreide und Hülsenfrüchte, Mehl, Johannisbrot, Mandeln, sonstige Früchte, Farbstoffe, Fische, [* 33] Öl etc. Zu S. gehören auch noch die Liparischen Inseln nebst Ustica auf der Nord-, die Ägatischen Inseln auf der Westseite und die Insel Pantelleria nebst den Pelagischen Inseln (Lampedusa, Linosa, Lampione) an der Südseite.
Die Insel zerfällt in sieben Provinzen: Caltanissetta, Catania, Girgenti, Messina, Palermo, Syrakus und Trapani.
Vgl. Hoffweiler, S., Schilderungen aus Gegenwart und Vergangenheit (Leipz. 1870, illustriert);
Gregorovius, Siciliana (6. Aufl., das. 1888);
Franchetti und Sonnino, La Sicilia nel 1876 (Flor. 1877);
v. Adrian, Prähistorische Studien aus S. (Berl. 1878);
Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer, besonders Siziliens (Leipz. 1877);
v. Lasaulx, S., ein geographisches Charakterbild (Bonn [* 34] 1879);
Schneegans, S., Bilder aus Natur, Geschichte und Leben (Leipz. 1886);
Gsell Fels, Sizilien [* 35] (in »Meyers Reisebüchern«, das. 1889);
»Carta geologica della Sicilia«, 1:500,000 (hrsg. vom Ufficio geologico, Rom [* 36] 1885).
Geschichte.
S., früher Trinakria (»Dreispitzen«),
führt seinen Namen von den Sikelern oder Sikulern, die einst den ganzen Westen der Apenninenhalbinsel südlich vom Tiber bewohnten, bis sie, von den Oskern vertrieben, um 1100 v. Chr. nach S. hinübergingen, wo sie die Ureinwohner, die Sikaner und Elymer, in den westlichsten Teil der Insel zurückdrängten. Wegen ihrer günstigen Lage im Zentrum des Mittelländischen Meers wurde S. bald das Ziel der Handelsthätigkeit der Phöniker, die zahlreiche Niederlassungen hier gründeten, unter denen eine der ältesten das heutige Palermo (Machanath choschbim, später Panormos) ist.
Ihnen folgten seit dem 8. Jahrh. ionische Griechen, welche den Norden [* 37] der Ostküste, dann dorische, welche den südlichen Teil derselben kolonisierten und dann sich auch über die Nord- und Südküste ausbreiteten. Ionische Städte waren: Naxos, Zankle (später dorisch Messana), Katane, Leontinoi, Himera;
dorische: Syrakus, Megara, Kamarina, Gela, Akragas oder Agrigent, Selinus.
Die griechische Kolonisation der sogen. Sikelioten (sizilischen Griechen) war so zahlreich und mächtig, daß sie bald die ganze Insel, auch den später karthagischen Teil, hellenisierte.
Die Herrschaft in den griechischen Kolonien lag anfangs in den Händen der edlen Geschlechter, während die niedern Stände und die spätern Ansiedler ohne Teilnahme an der Regierung waren. Diese Rechtsungleichheit erzeugte Unzufriedenheit in der niedern Bürgerschaft, die von ehrgeizigen Männern zur Gründung von Tyrannenherrschaften benutzt wurde. Den Anfang machte 565 v. Chr. Phalaris [* 38] in Agrigent; einem seiner Nachfolger, Theron, und Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, war zur Zeit der Perserkriege der größte Teil der Insel unterthänig.
Dadurch wurden die Besitzungen der Karthager, welche an Stelle der Phöniker getreten waren, im Westen der Insel gefährdet, und es kam infolgedessen zwischen ihnen und den Griechen zum Kampf, welcher mit dem Sieg der letztern bei Himera (480) endete. Die Tyrannis, welche sich bald durch hohe Steuern und Bedrückung des Volkes verhaßt machte, wurde zuerst (465) in Syrakus und bald darauf in allen übrigen Städten der Insel beseitigt. Das ehrgeizige Streben von Syrakus nach der Vorherrschaft über die sizilischen Hellenen hatte die Einmischung der Athener in die Verhältnisse der Insel (sizilische Expedition, 415-413, s. Syrakus) zur Folge. Zwar wurde diese zurückgewiesen, und Dionysios von Syrakus vereinigte 376 fast ganz S. unter seiner Herrschaft. Nach dessen Tod jedoch zerfiel die Macht von Syrakus, die auch Agathokles nicht auf die Dauer ¶