Weniger dieser Mißerfolg als die leichtsinnige Finanzwirtschaft des
MinisteriumsGaraschanin, das S. mit
Schulden belastete
und ganz in Abhängigkeit von
Wiener Geldinstituten brachte, war die
Ursache seines
Sturzes worauf Ristitsch ein
liberal-radikales und, als dieses sich mit der radikalen Mehrheit der
Skuptschina nicht verständigen
konnte,
Gruitsch Ende 1887 ein radikales
Kabinett bildete. Da dieses aber nicht verhinderte, daß die
Skuptschina eine beträchtliche
Verminderung des
Heers und neue
Zölle beschloß, die dem
Vertrag mit
Österreich entgegen waren, so wurde es im April 1888 entlassen
und
Christitsch zum
Präsidenten eines energischen Beamtenministeriums ernannt.
Die unaufhörlichen Wühlereien der ehrgeizigen Parteiführer erhielten neue
Nahrung durch den Zwist des
Königs mit seiner
Gemahlin
Natalie Keschko, welche als geborne
RussinRänke zu gunsten Rußlands gesponnen hatte. Nachdem die
Ehe des
Königs durch
den
Metropoliten getrennt worden, berief
Milan, um die
Stellung seiner Dynastie zu befestigen, einen aus
allen
Parteien gebildeten Nationalausschuß, welcher eine neue
Verfassung ausarbeitete. Darauf wurde eine große
Skuptschina
gewählt, die, obwohl weit überwiegend aus
Radikalen bestehend, dennoch die
Verfassung annahm, welche nun verkündet
wurde.
Dieselbe räumte dem
Volk wichtige
Rechte ein, bestimmte aber auch die
Stellung und die Machtbefugnisse
der
Krone genauer. Nachdem dies geregelt war, erklärte König
Milan am Jahrestag der
Erhebung Serbiens zum
Königreich
und dem 500. Jahrestag der
Schlacht von Kossowa, unerwarteterweise seine
Abdankung und proklamierte seinen einzigen Sohn als
König
Alexander I. Teils Überdruß an dem unfruchtbaren Parteitreiben in S., teils Privatverhältnisse
veranlaßten den nervös überreizten König zu diesem Entschluß. Da der neue König (geb.
noch unmündig war, so ernannte
Milan eine
Regentschaft, die aus Ristitsch, Protitsch und Belimarkovitsch bestand. Diese beauftragte
den
Führer der
Radikalen, Tauschanovitsch, mit der
Bildung eines neuen
Kabinetts, welches überwiegend aus
Radikalen bestand,
und stellte sich die
Versöhnung der
Parteien, die Regelung der
Finanzen und die
Förderung des Wohls des
Volkes zur Aufgabe;
die von
Milan befolgte auswärtige
Politik versprach sie nicht zu ändern. König
Milan begab sich auf
Reisen.
Vgl.
Kanitz, S., historisch-ethnographische Reisestudien (Leipz. 1868) und andre Werke des Verfassers;
Milicevic
^[Milićević], Das
Fürstentum S. (Belgr. 1876), Derselbe, Das
Königreich S. (das. 1884) und
V. Karić, S. (das. 1888), alle in serbischer
Sprache;
[* 10] Vilovsky, Die
Serben im südlichen
Ungarn
[* 11] etc.
(Teschen 1884);
Sprache und Litteratur. Die serbische Sprache gehört zur südöstlichen Abteilung der slawischen Sprachfamilie
und ist mit dem
Russischen, Slowenischen und
Bulgarischen ziemlich nahe, weitaus am nächsten aber mit dem
Kroatischen, Slawonischen
und andern in den benachbarten
Provinzen der österreichisch-ungarischen
Monarchie sowie in der
Herzegowina und in
Montenegro
herrschenden
Dialekten verwandt. Mit letztern bildet sie die sogen. Serbo-kroatische Sprachengruppe (s.
Slawische Sprachen).
Nur wird das Serbische mit dem Cyrillischen (russischen), jene andern
Dialekte dagegen mit dem lateinischen
Alphabet geschrieben. Früher hatte die serbische Schriftsprache aus einem künstlichen Gemisch von
Kirchenslawisch und serbischen
Volksdialekten bestanden, bis im Anfang des 19. Jahrh. Patriotische
Männer, darunter namentlich der gefeierte Vuk Karadžić
für die
Erhebung der Volkssprache, wie sie sich in den alten serbischen Nationalliedern zeigt, zur Schriftsprache
eintraten und nach langem
Kampf mit einem tief eingewurzelten Herkommen ihr Vorhaben auch glücklich durchsetzten (s.
unten). Zugleich führte
¶
mehr
Vuk auch eine gründliche Reform der Orthographie ein. Durch die hohe Altertümlichkeit (besonders ihrer Laute), welche die
serbische Sprache vor allen lebenden slawischen Sprachen auszeichnet, ist sie von großer Bedeutung für den Sprachforscher
und durch ihre poetische Kraft
[* 15] und Frische anziehend für den Litterarhistoriker. Die beiden litterarischen Mittelpunkte der
serbo-kroatischen Dialekte sind Belgrad
[* 16] und Agram,
[* 17] und sie werden von etwa 6 Mill. Menschen gesprochen, unter
denen die Serben im engern Sinn die Minderheit bilden.
Die erste wissenschaftliche Bearbeitung der serbischen Sprache ist die kleine serbische Grammatik von Karadžić, die er seinem
Lexikon (s. unten) als Einleitung voranschickte, und welche JakobGrimm ins Deutsche
[* 18] übersetzte und mit
einer interessanten Einleitung versah (Berl. 1824). AndreSprachlehren des Serbischen lieferten Daničić (Wien 1850 u. öfter),
Berlić (das. 1854), Fröhlich (2. Aufl., das. 1870), Bošković (3. Aufl.,
Pest 1878), Parčić (Prag
[* 19] 1877), Vymazal (Brünn
[* 20] 1883) u. a. Wörterbücher veröffentlichten namentlich Karadžić (Wien 1818; 2. Aufl.
u. d. T.: »Lexicon serbico-germanico-latinum«, Wien 1852; auch »Deutsch-serbisches Wörterbuch«, hrsg.
von Miklosich, das. 1877),
Popović (»Wörterbuch der serbischen und deutschen Sprache«, 2. Aufl., Pancsova 1886). Seit 1880 erscheint das groß angelegte
serbo-kroatische Wörterbuch der AgramerAkademie (»Rječnik krvatskoga ili srpskoga jezika«).
Die ältesten Überreste der altserbischen Litteratur sind in der slawischen Kirchensprache abgefaßt und reichen bis in das 13. Jahrh.
Sie bestehen aus Legenden, Homilien, Kirchenbüchern, dürftigen annalistischen Aufzeichnungen, Abschriften altbulgarischer
Originale und einigen Lebensbeschreibungen serbischer Könige und Erzbischöfe, die indessen auch durchaus kirchlich-panegyrischer
Natur sind. Zu letztern gehören die Biographien des KönigsStephan Nemanja (Simeon) von dessen Söhnen, dem
heil. Sava (gest. 1237) und König Stephan dem Erstgekrönten (hrsg. von Šafařik: »Život sv. Simeuna«, Prag 1868); die Biographien
des heil. Sava (1241) und des Stephan Nemanja (1264) von demMönch Domentijan (hrsg. von Daničić: »Život sv. Simeuna i sv.
Save«, Belgr. 1865) und das auf dem BergAthos in Handschrift befindliche Geschlechtsregister »Rodoslov« vom
ErzbischofDaniel, der als Zeitgenosse die Lebensgeschichte der serbischen Könige von 1272 bis 1325 erzählt (hrsg. von Daničić:
»Životi kraljeva i archiepiskopa srpskih«, Agram 1866). Als ein wichtiges Denkmal nicht mönchischen Ursprungs ist das »Gesetzbuch«
(»Zakonik«) des serbischen ZarenStephanDuschan (1336-56) zu nennen, das zugleich als Beitrag zur Sittengeschichte
große Beachtung verdient (hrsg. von Novaković, Belgr. 1870; von Zigel, Petersb. 1872). Im Volk selbst waren daneben apokryphische
und populär-religiöse Schriften, die mit den Irrlehren der Bogomilen (s. d.) in Verbindung standen, weit verbreitet, und auch
Werke der byzantinischen Sagenlitteratur, wie der »Alexanderroman«,
der »Trojanische Krieg«, »Stephanit und Ichnilat« etc., waren vorhanden. Dagegen sind Spuren einer nationalen Poesie im Schriftschatz
jener frühen Litteraturperiode nicht zu finden. Proben aus den Werken der letztern enthalten: Karadžić, Primjeri srpsko-slavenskoga
jezika (Wien 1857);
Jagić, Prilozi k historii književnosti (Agram 1868), und Novaković, Primjeri književnosti
etc. (Belgr. 1878).
Durch
die Türkenherrschaft in Serbien, die 1389 mit der Schlacht auf dem Amselfeld begann und durch die völlige Eroberung des
Landes 1459 endgültig entschieden ward, war auf lange Zeit jede weitere Entwickelung des geistigen Lebens zum Stillstand gebracht,
und nur in dem FreistaatRagusa
[* 21] und dem dalmatischen Küstengebiet blühte das serbo-kroatische Schrifttum
fort. Diese dalmatische Litteraturperiode, die sich anfangs der kroatischen Sprache, allmählich aber immer entschiedener
der südserbischen Mundart bediente, reicht vom Ende des 15. bis zum Ausgang des 17. Jahrh. und stand ganz unter dem Einfluß
der Italiener; ein national-slawischer Charakter geht ihr ab. Sie trägt ein vorwiegend poetisches Gepräge
und hat sowohl auf dem Gebiet der lyrischen, namentlich der Liebesdichtung als auf dem der Didaktik, in der poetischen Erzählung
wie im größern Kunstepos, im Fach der Tragödie wie der Komödie namhafte Leistungen aufzuweisen, während eine eigentliche
Prosalitteratur fehlt.
Der erste bedeutende, diese Periode eröffnende Dichter ist Marko Marulić aus Spalato (1450-1524), der
eine »Geschichte der heil. Judith« (1521) und andre biblische Poesien verfaßte und auch in Italien
[* 22] in großem Ruf stand. Als
Stammvater der eigentlich ragusanischen Dichter gilt S. Menčetić (Sigismundo Menze, 1457-1501), neben welchem Georg Držić
(gestorben um 1510) zu nennen ist, beide die Hauptvertreter der Liebespoesie nach dem Muster der italienischen
Sonettendichtung.
Andre hervorragende Dichter sind: Hannibal Lucić (gest. 1540), ebenfalls Lyriker, aber auch Verfasser eines Dramas: »Robinja«
(»Die Sklavin«),
»Putnik« (»Der Wanderer«) und »Italija« hervorzuheben sind, und Pater Hektorović (gest. 1572),
der Verfasser des beschreibend-erzählenden
Gedichts »Ribanje« (»Der Fischfang«).
Eine neue Reihe dalmatischer Dichter beginnt mit Andrija Čubranović (gest. 1550),
der besonders durch sein Gedicht »Jedjupka«
(»Die Zigeunerin«) berühmt ward. In diese Reihe gehört unter andern der Komödien- und Schäferspieldichter
Nik. Nalješković (gest. 1587), der aber auf demselben Gebiet von Marin Držić (gest. 1580) übertroffen ward. Zu den bekanntesten
Dichtern des 16. Jahrh. gehörten ferner Dinko Ranjina (gest.
1607), der Liebeslieder, Episteln, didaktische und idyllische Gedichte schrieb, und Dinko Zlatarić (gest.
1610), vorzugsweise Didaktiker.
Den Höhepunkt erreichte aber die ragusanische Poesie in IvanGundulić (1588-1638), dem Verfasser des berühmten Epos »Osman«,
neben dem nur noch Junius Palmotić (Giugno Palmotta, 1606-1657),
der Verfasser zahlreicher Dramen, einer »Christiade« (nach
dem gleichnamigen Gedicht des Hieron. Vida) und lyrischer Gedichte, meist geistlichen Inhalts, Erwähnung erfordert,
der jenem, wenn auch nicht an poetischem Gehalt, doch in der meisterhaften Behandlung der Form und in der Gewandtheit des
Versbaues gleichkommt. Nach der Zerstörung Ragusas durch das Erdbeben
[* 23] vom geriet mit dem Wohlstand der Stadt sehr
schnell auch die Litteratur in Verfall, so daß sie während des 18. Jahrh. nur noch ein äußerst
kümmerliches Dasein fristet. Aus dieser spätern Zeit verdienen noch Jakob Palmotić (gest. 1680), ein ragusanischer Patrizier,
der das Epos »Dubrovnik ponovljen« (»Das
erneuerte Ragusa«) aus Anlaß jenes Erdbebens¶