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doch ist die Behandlung des Weinstocks und seines Produkts noch sehr mangelhaft. Von Handelsgewächsen wird im Kreis [* 2] Podrinje an den Ufern des Jadar und der Save, dann auch in dem Morawathal im Kreis Alexinatz etwas Tabak [* 3] gebaut, der zum größten Teil im Land selbst verbraucht wird. In demselben Kreis und in den Kreisen Nisch und Wranja wird auch viel Hanf gebaut. Von hoher Wichtigkeit ist die Viehzucht, [* 4] welche einen sehr bedeutenden Exportartikel liefert. Der einheimische Pferdeschlag (1879: 159,850 Stück) ist zwar nicht besonders schön, aber von seltener Ausdauer und Kraft. [* 5]
Das Rind [* 6] ist von mittlerer Größe und schlank und wird, außer für die Ausfuhr, besonders als Arbeitstier gezogen. Man zählte 1879: 963,850 Stück Hornvieh. Schafe [* 7] werden in großer Anzahl (1879: 3,480,500 Stück) gehalten und versehen das Haus mit Milch, Butter, Käse und Wolle. Sehr bedeutend ist die Schweinezucht (1879: 1,678,500 Stück), in den gebirgigen Gegenden werden auch viele Ziegen gehalten (1879: 586,580 Stück). Bienenzucht [* 8] gibt es nur in einigen Kreisen, und die Zahl der Bienenkörbe vermindert sich immer mehr (1867 im ganzen nur 109,152), wogegen die Seidenzucht immer mehr in Aufschwung kommt.
Die Fischerei [* 9] in den Gebirgsbächen und Flüssen liefert Forellen in Menge, die in der Donau besonders Hausen zur Kaviargewinnung. Die Jagd beschränkt sich meist auf Geflügel; Wild ist nur wenig vorhanden, wohl aber hausen in den Gebirgen noch Bären und Wölfe. Das Land hat zwar große Waldungen (1885: 582,453 Hektar), doch hat der für die Zukunft zu besorgende Holzmangel zu einer polizeilichen Beaufsichtigung der Waldbestände geführt, wie sich auch die Staatsgewalt von einem großen Teil der Waldungen das Eigentumsrecht vorbehalten hat.
Der Bergbau, [* 10] früher von großer Bedeutung, ist erst neuerlich wieder etwas in Aufnahme gekommen. Er ist Regal und wird von der Staatsregierung als Monopol betrieben. Das Eisen- und Kupferwerk in Majdanpek ist seit 1868 auf 90 Jahre einer englischen Gesellschaft zum Betrieb übergeben, welche vorderhand nur Kupfer [* 11] gewinnt. Ein andres Werk, Majdan Kutschajna, ist ebenfalls in die Hände der Engländer übergegangen. Wichtig ist das Eisenbergwerk zu Massaritza (Kreis Wranja), ebenso die zu Krupanj im Podrinjer Kreis 1872 mit großem Aufwand gegründete Bleihütte.
Auf andre Mineralien [* 12] als Eisen, [* 13] Kupfer und Steinkohlen, welche sich bei Dobra und Duboka im Kreis Poscharewatz befinden, wird bis jetzt nicht gebaut. Ein großartiges Steinkohlenlager befindet sich im Kreis Tschupria beim Dorf Senje und ist von der größten Wichtigkeit für den serbischen Eisenbahnbetrieb. Gewerbliche Industrie ist in dem nur Landwirtschaft treibenden Land erst in schwachen Anfängen vorhanden; doch zeigt das Volk ein ungewöhnliches Geschick zu mechanischen Arbeiten, welches sich in der bedeutend entwickelten Hausindustrie der Landbewohner bethätigt.
Dieselbe liefert Leinen-, Woll- und Seidengewebe und gewirkte Zeuge sowie Metall- und Holzwaren aller Art, und beinahe in jedem Dorf trifft man Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Wagner, Huf-, Sensen- und Waffenschmiede, Böttcher, Schneider etc. Eigentliche Gewerbsleute sind nur in den Städten ansässig. Nach der Gewerbeordnung vom sind 20 Gewerbe für zünftig erklärt, die daher nur von geschlossenen Korporationen betrieben werden dürfen, während alle übrigen frei sind und zu ihrem Betrieb bloß polizeiliche Konzession erforderlich ist. Größere industrielle Etablissements sind: eine Staatsdruckerei und lithographische Anstalt zu Belgrad, [* 14] eine Stückgießerei zu Kragujewatz, eine Pulvermühle zu Stragari, eine Tuchfabrik zu Uschitza und Paratschin, eine Glasfabrik zu Jagodina, Fabrikation von Teppichen in Pirot, von Seilerwaren zu Wranja und eine große Bierbrauerei [* 15] und Spiritusbrennerei in Belgrad.
Der Handel ist vornehmlich Ausfuhrhandel und gewinnt täglich größere Bedeutung. Die Einfuhr ist bei dem unbedeutenden Bedarf ausländischer Erzeugnisse gering und beschränkt sich auf Salz, [* 16] feineres Mehl [* 17] und einige Kolonial- und Manufakturwaren, namentlich Kaffee, Eisen- und Glaswaren, Waffen [* 18] und Schießbedarf. Die Hauptausfuhrartikel sind: Rindvieh, Schweine, [* 19] Blutegel, [* 20] Schaf- und Ochsenhäute, Wolle, Talg, Wachs, Honig und Knoppern. Die Haupthandelsplätze des Landes sind: Belgrad (der Stapelplatz für ganz S.), Schabatz, Smederewo, Poscharewatz, Negotin, Nisch, Pirot und Wranja. 1887 wurden ausgeführt: 43,093 Stück Rinder, [* 21] 216,230 Stück Schweine, 91,290 Schafe und Ziegen.
In der Periode 1884-87 betrug der durchschnittliche Wert der jährlichen Ausfuhr 38,610 Mill. Frank und der der Einfuhr 44,898 Mill. Fr., dagegen in der Periode 1871-75 der Wert der jährlichen Ausfuhr 35,014 Mill. Fr. und der Einfuhr 31,219 Mill. Fr. Der größte Teil der Ausfuhr geht nach Österreich, [* 22] von wo wieder das meiste eingeführt wird. Märkte werden in jedem Kreis an einem bestimmten Ort abgehalten; die besuchtesten sind die zu Waljewo und Tschupria. Unbedeutend ist der Durchfuhrhandel. 1875 war der Gesamtwert der durchgeführten Artikel 5,957 Mill. Fr., 1887 dagegen nur 959,368 Fr. Der vom Finanzministerium verwaltete Staatsfonds vertritt die Stelle einer Hypothekenbank.
Eine Handels- und Gewerbekammer wurde 28. Febr. in Belgrad als Organ des Handels- und Gewerbestandes gegründet. Außerdem bestehen solche Institute noch in Schabatz, Smederewo, Poscharewatz und Waljewo. Belgrad verbindet die Eisenbahn mit Konstantinopel [* 23] und mit Saloniki. [* 24] Die Linie Belgrad-Nisch-Wranja ist 366,5 km lang, die Zweigbahnen Nisch-Pirot 97,5, Lapovo-Kragujewatz 29,2 und Velika Plana-Smederewo 44,6, im ganzen 537,8 km. Wenigstens die Hauptorte sind durch gute Landstraßen verbunden; als Wasserstraßen für den Verkehr werden nur die Donau und Save benutzt. Handelsfreiheit ist durch das Staatsgrundgesetz als Nationalrecht anerkannt. In S. ist nach dem Münzgesetz vom die Dinar (Frank-) Rechnung eingeführt, und kursieren folgende einheimische Münzen: [* 25] Kupfermünzen zu je 5 und 10 Para, Silbermünzen zu ½, 1, 2 und 5 Dinaren (Fr.) und Goldmünzen zu 20 und 10 Dinaren (Milansdor). Durch das Gesetz vom wurde in S. das metrische System der Maße angenommen und ist jetzt ausschließlich im Gebrauch.
Verfassung und Verwaltung.
Was die Staatsverfassung anlangt, so ist S. seit ein konstitutionelles Königreich und hat seit der Abdankung des Königs Milan I. gegenwärtig zum König dessen minderjährigen Sohn Alexander (geb. 1876), für welchen eine Regentschaft eingesetzt wurde (s. unten, S. 881). Nach der Staatsverfassung (Ustav) vom (a. St.) ist die Königskrone in der Familie Obrenowitsch erblich. Der König ist der Träger [* 26] der Staatsgewalt und übt das Recht der Gesetzgebung mit der Volksvertretung, die vollziehende Gewalt aber allein und durch Minister aus, welche ihm und der Volksvertretung verantwortlich sind. Der Senat besteht aus 16 Mitgliedern, welche in der Weise gewählt werden, ¶
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daß der König und die Nationalversammlung sich gegenseitig je 16 Kandidaten zur Wahl vorschlagen, aus deren Mitte der König und die Nationalversammlung je 8 wählen. Mitglied des Senats kann nur werden, wer in S. geboren oder gesetzmäßig naturalisiert, 35 Jahre alt ist, wenigstens 10 Jahre im Staatsdienst verbracht hat und eine Fakultät absolvierte. Allgemeine Volksvertretung ist die Skuptschina, durch die das Volk früher volle Souveränität besaß, und von der auch die Fürsten gewählt wurden.
Für die Gemeindeverfassung gilt das Gemeindegesetz vom wonach jeder Serbe einer Gemeinde des Landes als Mitglied angehören muß. Jede Gemeinde verwaltet ihre Angelegenheiten selbst; die Staatsgewalt übt nur in bestimmten Fällen ihr Oberaufsichtsrecht durch die Polizeibehörden, die Kreis- und Bezirksvorstände aus. In jeder Gemeinde besteht zur Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten ein Friedensgericht, welches sowohl als administrative wie als gerichtliche Behörde fungiert.
Die Staatsverwaltung wird im Namen und Auftrag des Königs von der Zentralregierung ausgeübt, welche in acht Ministerien zerfällt, nämlich in die Ministerien des Innern, des Äußern, der Finanzen, der Justiz, des Kriegs, für öffentliche Bauten, für Volkswirtwirtschaft und das für Kultus und Unterricht. Die Minister wählt der König aus den höhern Staatsbeamten. Behufs der Provinzialverwaltung zerfällt das Königreich in 21 Kreise [* 28] (okružije, nach der neuern Staatsverfassung sollen nur 15 Kreise sein): Alexinatz, Belgrad, Jagodina, Knjaschewatz, Kragujewatz, Krajina, Kruschewatz, Nisch, Pirot, Podrinje, Poscharewatz, Rudnik, Smederewo, Toplitza, Tschatschak, Tschupria, Uschitza, Schabatz, Waljewo, Wranja und Zrna Reka, welche in 69 Bezirke (srez) eingeteilt sind.
Die Landeshauptstadt Belgrad und die Bergstadt Majdanpek bilden besondere Distrikte. Höchste zivil- und strafgerichtliche Behörde des Königreichs ist der oberste Gerichts- und Kassationshof zu Belgrad. Zweite Instanz ist das Appellationsgericht daselbst; Gerichte erster Instanz sind 21 Kreisgerichte und das Stadtgericht zu Belgrad sowie die Friedensgerichte in den 625 Gemeinden des Landes. Als Schiedsgericht in Handels- und Gewerbesachen fungiert das Handelsgericht zu Belgrad. Das Budget für 1887 ergibt 45,439,335,62 Fr. Einnahme und 45,405,851,34 Fr. Ausgabe. Eine Staatsschuld hat S. erst seit 1876. Ende 1887 betrug die gesamte serbische Staatsschuld 286 Mill. Fr.
Das serbische Heer besteht nach einer neuen, vom König genehmigten und 1883 vollendeten Organisation aus der Feldarmee, welche die Altersklassen vom 20. bis 30. Lebensjahr begreift, den Depottruppen und der Reservearmee. Die Feldarmee umfaßt im Frieden 5 Regimenter Infanterie (à 3 Bataillone zu je 4 Kompanien), 6 Schwadronen Kavallerie, 5 Regimenter Artillerie (à 4 Batterien) und 1 Regiment Gebirgsartillerie (à 3 Batterien), 2 Kompanien Festungsartillerie, 7 Kompanien Genietruppen und 5 Trainkompanien, zusammen 13,213 Mann mit 132 Geschützen. Im Kriegsfall steigt die Feldarmee auf 60 Bataillone Infanterie, 20 Schwadronen Kavallerie, 46 Batterien Artillerie, 4 Kompanien Festungsartillerie, 11 Kompanien Genietruppen und 5 Regimenter Train, zusammen 70,000 Mann mit 264 Geschützen.
Die Depottruppen liefern im Kriegsfall 15 Bataillone, 5 Schwadronen und 6 Batterien, die Reservearmee 60 Bataillone, 10 Schwadronen, 60 Batterien, 5 Kompanien Pioniere etc. Das Wappen [* 29] bildet ein zweiköpfiger weißer Adler, [* 30] der auf der Brust einen roten Schild [* 31] trägt, in welchem sich ein silbernes Kreuz [* 32] mit vier Feuerstählen (Halbmonden) in den Ecken befindet, und wird von einem mit einer Krone bedeckten Purpurmantel umhüllt. Die Nationalflagge ist rot, blau und weiß, mit vier goldenen Sternen im obersten roten und mit dem Wappen im blauen Mittelfeld (s. Tafel »Flaggen«). [* 33] Orden [* 34] hat S. drei und zwar: das Takowokreuz (1865 gestiftet), den Weißen Adlerorden und den Orden des heil. Sava (beide seit 1883). Daneben bestehen eine goldene und eine silberne Tapferkeitsmedaille und eine goldene und silberne Verdienstmedaille der Königin Natalie. Hauptstadt des Königreichs ist Belgrad.
Geschichte.
Kurz vor Christi Geburt von den Römern unterworfen, bildete S. die Provinz Moesia superior. Es entstand damals eine Reihe von Städten an den Ufern der Donau und Morawa, die bald zu Wohlstand gelangten. Während der Völkerwanderung überzogen die Hunnen, Ostgoten und Langobarden nacheinander dieses Land; dann brachte es der byzantinische Kaiser Justinian 550 unter seine Herrschaft. Seinen Nachfolgern entrissen es die Avaren, die es zur Einöde machten. 638 wanderte ein slawischer Volksstamm, die Serben (Serbli), in das Land ein, und von ihnen erhielt es den Namen S., welches damals auch Bosnien [* 35] und Montenegro mit in sich begriff.
Sie erkannten die Oberhoheit der oströmischen Kaiser an und bekehrten sich im 8. Jahrh. zum griechisch-katholischen Christentum. Ihr Oberhaupt hieß Groß- oder Oberzupan, später Zar oder Kralj (König), residierte als Lehnsträger des byzantinischen Kaisers in Desniza an der Drina und hatte andre Zupane als Häuptlinge der sieben Bezirke unter sich. Seit 870 bemächtigten sich die Bulgaren zu mehreren Malen der Oberherrschaft in S., wurden jedoch stets wieder vertrieben.
Nachdem 934 ihre Macht durch die Griechen gebrochen worden, gehorchte S. wieder den byzantinischen Kaisern, bis Stephan Dobroslaw (bei den griechischen Schriftstellern Boistlaw genannt) 1043 die Unabhängigkeit des Landes errang und die andern Zupane unterwarf. Sein Sohn Michael (1050-80) nahm den Titel eines Königs (Kralj) von S. an und ließ sich denselben vom Papst Gregor VII. bestätigen. Kriege mit Byzanz und innere Zerwürfnisse vernichteten darauf die Blüte [* 36] des Landes, bis sich 1165 Stephan Nemanja, nachdem er das byzantinische Joch abermals gebrochen, zum Fürsten der Serben aufschwang. Er wurde der Gründer eines Reichs unter der Dynastie der Njemaniden, das nach der Residenz, der Stadt Rassia (jetzt Novipasar), die Großzupanie Rassia, später serbisches oder rascisches (wovon der Name Raizen) Reich genannt ward.
Stephan Duschan (1336-56), der größte aller serbischen Herrscher, herrschte auch über Makedonien, Albanien, Thessalien, Nordgriechenland und Bulgarien. [* 37] Er nahm 1346 den Titel eines Kaisers (Zar) an, ließ sich als solcher krönen, gab seinem Reich eine treffliche Organisation, sicherte in seinem 1349 gegebenen Gesetzbuch Freiheit, Leben und Eigentum der Einwohner und begünstigte Wissenschaften und Handel. Nachdem er das Reich in Statthalterschaften abgeteilt, die er mächtigen Bojaren anvertraute, verteilte sein schwächerer Sohn Urosch V. das Land förmlich unter Fürsten oder Knese, welche sich bald ganz unabhängig machten, und brach dadurch die Macht der Serben. 1359 ging das Banat Machow und 1362 die Herzegowina verloren. Mit Urosch V. erlosch 1367 das Haus der Njemaniden, und der Woiwod Wukaschin ¶