Bei verschieden großen und entfernten Gegenständen stehen
die
Tangenten der S. im direkten
Verhältnis der wahren
Größen und im umgekehrten der
Entfernungen.
Titel der Abkömmlinge des
Propheten (bei den
TürkenEmir genannt), denen allein es zusteht, einen
grünen
Turban und ein grünes Oberkleid zu tragen. Die Seids stehen bei ihren Glaubensgenossen in großem
Ansehen, und eine
Beleidigung derselben wird streng geahndet. In
Persien
[* 12] gibt es deren mehrere
Zweige (Aliden,
Fatimiden, Dschafariden
etc.), doch auch viele
Pseudo-Seids. Nach dem
Tod werden der
Turban und die
Kuppel auf dem
Grabmal des S. grün angestrichen.
Die Seids heißen auch
Scherif
(»Edler«),
[* 13] der von der
Seidenraupe aus dem
Sekret ihrer
Spinndrüse gefertigte
Faden,
[* 14] aus welchem sie behufs der
Verpuppung
einen
Kokon spinnt. Das aus zwei feinen Öffnungen unter dem
Munde der
Raupe austretende honigdicke
Sekret vereinigt sich zu
einem einzigen massiven
Faden, der an der
Luft sofort erhärtet. DieRaupe erzeugt zuerst ein lockeres,
grobes, durchsichtiges Gespinst
(Flockseide) und innerhalb desselben den dichten, eiförmigen, 33-36
mm langen
Kokon
(Galette)
von 20-25
mmDurchmesser, dessen innerste
Schicht von pergamentartiger
Beschaffenheit ist. Da nun weder die letztere
Schicht noch
das äußere lose Fädengewirr technisch nutzbar ist, so erhält man von denca. 3700
m, aus welchen der
ganze
Kokon besteht, nur etwa 300-600, seltener 900 m brauchbare S. Von frischen
Kokons wiegen durchschnittlich 540 (von den
größten 360, von den kleinsten 1200) 1 kg. Die rohe S. ist weiß, blaß- oder hochgelb, zuweilen
auch rötlichgelb; von dem einfachen Kokonfaden wiegen 2570-3650 m 1
g; er ist bemerkbar abgeplattet,
von 0,013-0,026mmDicke, läßt sich um 15-20 Proz. seiner
Länge ausdehnen und reißt bei einer Belastung mit 43,62 kg pro
QMillimeter (ein Drittel der
Festigkeit
[* 15] besten Eisendrahts). Er ist völlig strukturlos und besteht aus etwa 66 Proz. stickstoffhaltiger
Seidensubstanz
(Fibroin), welche mit oberflächlich anhängenden
Stoffen verunreinigt ist.
Da der auskriechende
Schmetterling
[* 17] mittels eines durch den
Mund abgesonderten Saftes den
Kokon befeuchtet,
erweicht und durchbohrt, so muß die
Puppe vor dem Auskriechen getötet werden. Dies geschieht in einem
Backofen oder in einer
geheizten
Kammer bei einer
Temperatur von 57-75° C., auch durch Wasserdampf, indem man die
Kokons nach dem Abpflücken der
Flockseide in locker geflochtenen
Körben etwa 10
Minuten auf einen
Kessel mit kochendem
Wasser setzt. Nachdem
die
Kokons alsdann sorgfältig sortiert sind, werden sie abgehaspelt
(Spinnen).
[* 18]
Man legt sie in heißes
Wasser und schlägt sie mit einem kleinen
Besen oder mechanisch bewegten
Bürsten oder tränkt sie in
Netzbeuteln mit warmem
Wasser und schüttelt sie dann, um auf die eine oder die andre
Weise den Anfang
des Kokonfadens, der sich an die
Reiser oder Netzmaschen anhängt, zu finden. Die
Kokons werden dann in warmes
Wasser (25-27°)
gebracht und die
Fäden von 3-8, selbst 15-20
Kokons, je nach der
Stärke
[* 19] der darzustellenden S., bereinigt, indem man sie durch
gläserneRinge leitet.
Mittels des vom
Wasser erweichten
Seidenleims kleben die Kokonfäden zusammen und
bilden, ohne eine Drehung erhalten zu haben, einen starken Seidenfaden, der sofort auf einen
Haspel gewickelt wird. 10-16
kg frische, grüne
Kokons oder 7-9 kg gebackene geben 1 kg gehaspelte S., was auf 1
Kokon 150-180 (bis 240)
mg oder 1/8 vom
Gewicht des ganzen
Kokons (mit der
Puppe) beträgt.
Seide (Gewinnung des F
* 20 Seite 14.825.
Die gehaspelte S. (rohe S.,
Grège-, Rohseide,
Grezseide) wird meist gezwirnt, indem man zwei und mehr
Fäden durch Zusammendrehen
vereinigt. Aber auch wenn dies nicht geschieht, muß der
Faden der Rohseide eine Drehung erhalten; er wird dadurch runder,
dichter und verliert die
Eigenschaft, beim spätern
Entschälen in einzelne Kokonfäden zu zerfallen. Das
Zwirnen
(Filieren,
Moulinieren) ist eine sehr einfache
Operation, die auf
Spulmaschinen, Dubliermaschinen und Zwirnmaschinen (Spinnmühlen, Filatorien)
ausgeführt wird. Nach den Verschiedenheiten in der
Zusammensetzung und Drehung der
Fäden unterscheidet man: Organsin (Orsoyseide,
Kettenseide), aus den schönsten
Kokons, aus 2, seltener 3
Fäden gezwirnt, deren jeder aus 3-8
¶
mehr
Kokonfäden besteht und vor dem Zusammenzwirnen einzeln sehr stark gedreht ist; dient zur Kette der meisten seidenen Stoffe.
Tramseide (Trama, Einschlagseide), aus geringern Kokons, besteht entweder aus nur einem mäßig gedrehten oder aus 2-3 nicht
gedrehten, schwach zusammengezwirnten Rohseidefäden, deren jeder aus 3-12 Kokonfäden gebildet ist; dient zum Einschlag,
zu Schnüren etc. Marabutseide besteht aus drei (selten zwei) Fäden weißer Rohseide, die nach Art der
Trama gezwirnt, dann ohne vorhergehendes Kochen oder Entschälen gefärbt und schließlich sehr scharf gezwirnt sind, hat peitschenschnurartige
Härte, wird in der Weberei
[* 21] benutzt.
Soie ondée, aus einem groben und einem feinen Rohseidefaden gezwirnt, von welchen der erstere in Schraubenwindungen
um den letztern sich herumlegt; dient zu leichten Modestoffen. Pelseide (Pelo), aus den geringsten Kokons gewonnen, ist ein
einziger grober, gedrehter Rohseidefaden aus 8, 10 oder mehr Kokonfäden, dient als Grundlage zu Gold- und Silbergespinsten
und wird mit geplättetem Draht
[* 22] umwickelt. Nähseide (Cusir) ist aus 2, 4, auch 6 gedrehten oder ungedrehten
Rohseidefäden (à 3-42 Kokonfäden) zusammengezwirnt.
Strickseide, der vorigen ähnlich, aber dicker und schwächer gezwirnt, weil sie weich sein muß, enthält 3 bis etwa 18 Rohseidefäden.
Kordonnierte S., bestehend aus schönen Rohseidefäden, die man zunächst rechts dreht, worauf 4-8 Fäden links zusammengezwirnt
und 3 gezwirnte Fäden durch eine Zwirnung rechts vereinigt werden, ist drall und derb, sehr rund und
glatt, schnurähnlich, dient zu gestrickten, gehäkelten Arbeiten etc. Stickseide (flache S., Plattseide) ist ein schwach gedrehter
einfacher Rohseidefaden oder aus 2-10 und mehr nicht gedrehten Rohseidefäden durch eine sehr schwache Drehung gebildet.
Der ganze Faden breitet sich flach aus, und man kann nach dem Kochen und Färben die einzelnen Kokonfäden
unterscheiden. Die aus den Seidenfilatorien (Seidenmühlen) hervorgehende S. heißt filierte oder moulinierte S. im Gegensatz
zur Rohseide.
Zur Bestimmung der Feinheit der filierten S. (Titrierung) gibt man das Gewicht einer bestimmten Fadenlänge an und zwar das
Gewicht einer Strähne von 9600 PariserAunes (11,400 m) in Deniers (à 24 Gran).
[* 23] Ein Denier ist beim französischen Seidengewicht
= 1,275, beim piemontesischen = 1,281, beim mailändischen = 1,224 Gran. Man haspelt ein Gebind von 400 Aunes (475 m) ab und
bestimmt dessen Gewicht in Gran. So viel Gran die Probe wiegt, so viel Deniers wiegen 9600 Aunes. In Frankreich
setzt man die 400 Aunes rund = 480-500 m. Der einfache Kokonfaden wiegt 2-3,5 Deniers, feinste ungezwirnte Rohseide 7-10, feinste
Organsin 21-24, gröbste 50-85, feinste Trama 12-24, gröbste 60-80 Deniers.
Auf den internationalen Kongressen von 1873 und 1874 wurde beschlossen, die Feinheitsnummer der Seidengespinste
durch den zehnfachen Wert der Zahl auszudrücken, welche das absolute Gewicht eines Fadenstücks von 1 m Länge in Milligrammen
darstellt; als Einheitslänge soll hierbei 500 m, als Einheitsgewicht 0,05 g angenommen werden. Die S. ist ungemein hygroskopisch;
sie nimmt in Kellern 30 Proz. Feuchtigkeit auf, ohne eigentlich Nässe zu zeigen, und je nach der Beschaffenheit
des Aufbewahrungsorts und der Luft schwankt ihr Gewicht leicht um mehrere Prozent. Um nun dem Seidenhandel mehr Sicherheit zu
geben, wird die S. in besondern Anstalten (Konditionieranstalten) probeweise bei 20-30° getrocknet und danach ihr Wert bestimmt.
Richtig
konditionierte S. enthält 9-10 Proz. Feuchtigkeit; man trocknet aber auch eine Probe bei 110°,
wägt sie und schlägt zu dem Gewicht dieser absolut trocknen S. 10 Proz. hinzu.
Rohe S. ist hart, rauh, steif und ohne Glanz (ungekochte, unentschälte S., écru) und wird zu Gaze und Blonden verarbeitet;
meist aber wird sie entschält, d. h. von dem Seidenleim und Farbstoff befreit, wodurch sie glänzend und
weich wird (gekochte, entschälte, linde S.) und sich leichter und besser färbt. Man behandelt sie zu dem Zweck mit starker
Seifenlösung bei 90° (Degummieren), windet die Strähnen aus, bringt je 20-30 kg in einen leinenen Sack, kocht sie in
schwächerer Seifenlösung, spült und trocknet.
Gute S. erleidet hierbei einen Gewichtsverlust von 27 Proz.; die Kokonfäden sind wieder vollständig
voneinander getrennt, und die S. erscheint daher lockerer, gleichsam aufgequollen. Gelbe S. ist nun weiß und kann auch mit
hellen Farben gefärbt werden; die weiß zu verarbeitende wird mit schwefliger Säure vollständig gebleicht
und dann mit Indigolösung gebläut oder mit Orlean schwach rötlich gefärbt (Chinesischweiß). Rohe S. kann ohne Entschälung
gebleicht werden, indem man sie 48 Stunden mit einem Gemisch aus 1 Teil Salzsäure und 23 Teilen Weingeist digeriert.
Florettseide (Fleurett, Filoselle, Florett) wird aus den Seidenabfällen (Galettseide) bereitet und besteht
nicht, gleich der gehaspelten S., aus ununterbrochenen langen Fäden, sondern aus mehr oder weniger kurzen, durch einen wirklichen
Spinnprozeß zu Fäden vereinigten Fasern. Die Abfälle bestehen aus der Flockseide und den pergamentartigen innern Häutchen
der Kokons (beide Sorten werden als Strusi bezeichnet) sowie aus beschädigten oder durchgebissenen Kokons. 8-10 kg
Kokons liefern etwa 1 kg gehaspelte S. und 1-2 kg Abfälle.
Die Strusi werden 8-10 Tage in Wasser maceriert und dann gewaschen; die Kokons kocht man mit Seifenwasser und wäscht sie dann
ebenfalls; das so gewonnene Material wird nun wie Baumwolle
[* 24] gekrempelt und gesponnen. Bisweilen zerschneidet man auch das Material
zunächst in Längen von 40-70 mm, oder man hechelt oder kämmt die langen Sorten, wie Flachs oder lange Wolle, auf der Dressingmaschine
und erhält als Abfall Stumpen- oder Seidenwerg. Zum Spinnen dient das Handrad oder Maschinen, wie sie bei der Baumwoll-, Flachs-
oder Kammwollspinnerei benutzt werden. Die Gespinste (Seidengarn) kommen als Chappe, Crescentin, Galettam,
Galette in den Handel; auch die Abfälle bei der Florettseidenfabrikation (Strazza) werden ebenfalls noch versponnen. Man benutzt
die Gespinste zu Geweben, Hutfelbel, groben Bändern und Schnüren, als Stickseide, auch zum Stricken und in der Strumpfwirkerei.
Für gewisse Waren wird Florettseide auch mit Baumwolle oder Wolle versponnen.
Seidenbau und Seidenmanufaktur wurden zuerst in China
[* 25] betrieben; schon 4000 Jahre v. Chr. war die S. den Chinesen bekannt, doch
geschieht der Seidenzucht erst 2602 Erwähnung. Eine chinesische Kaiserstochter verpflanzte die Seidenzucht 140 v. Chr. nach
Japan und eine andre im 6. Jahrh. nach Tibet. Nach Ritter wanderte die Zucht wohl in der Sassanidenperiode
nach Sogdiana, Baktriana und Iran und kam von dort nach Serinda. Bei den Griechen spricht zuerst Aristoteles von der S. und der
Seidenraupe, und zwar scheint Alexander durch seinen Feldzug diese Kenntnis vermittelt zu haben. Ward nun schon hier die S. ein
beliebter Gegenstand des Luxus,
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