Arbeitsmaschinen von Wichtigkeit, bei welchen Arbeits- und Leergangsperioden miteinander abwechseln, z. B. bei vielen einfach
wirkenden Pumpen, bei Stoß-, Durchstoß-, Präge-, Stanz-, Schienenrichtmaschinen, bei Walzwerken etc. Zum Betrieb einer solchen
Maschine steht in der Regel eine dem Durchschnittswiderstand entsprechende Kraft zur Verfügung, die für sich zur Vollführung
der Arbeitsperiode nicht ausreicht, weshalb die während der Leergangsperiode im S. aufgespeicherte lebendige Kraft
zu Hilfe genommen werden muß.
Die Schwungräder bestehen, wie alle Räder, aus dem Kranz, der Nabe und den beide verbindenden Armen oder Speichen, welch letztere
bei kleinen Schwungrädern auch wohl durch eine volle Scheibe ersetzt sind. Der Kranz hat meist einen rechteckigen
oder elliptischen Querschnitt, wird jedoch auch mehrfach nach Art von Zahnrädern, Riemen oder Seilscheiben ausgebildet, um zugleich
zur Kraft Übertragung benutzt zu werden. Große Schwungräder wirken bei demselben Gewicht und derselben Umdrehungszahl kräftiger
als kleine, weshalb man den Schwungrädern gern große Durchmesser gibt; doch darf man damit nicht zu
weit gehen, weil sonst infolge der zu großen Umfangsgeschwindigkeit und der dadurch hervorgerufenen übermäßigen Zentrifugalkraft
ein Zerreißen des Schwungrades (Schwungradexplosion) stattfindet, wobei durch die äußerst heftig fortgeschleuderten Stücke
großer Schade angerichtet werden kann.
Vgl. Köchy, Über Schwungradexplosionen (Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß,
Berl. 1886).
(Assisen, Jury, Geschwornengericht, engl. Jury, franz. Jury, Cour d'assises), dasjenige Gericht, in welchem
nichtrechtsgelehrte Richter aus dem Volke (Geschworne, engl. jurymen, franz. jures) im Zusammenwirken
mit rechtsgelehrten Staatsrichtern (Schwurgerichtshof) urteilen. Die Eigentümlichkeit dieser auf dem europäischen Kontinent
nur Strafsachen betreffenden Einrichtung liegt in der Nichtständigkeit der Gerichtsorgane, in der Verteilung
der Rechtsprechung auf zwei ihrem Wesen nach verschiedene, in der Beratung und Urteilsfällung getrennte Kollegien, in der
Verpflichtung gewisser Bürger zu unentgeltlichen ehrenamtlichen Gerichtsdiensten und in der Anwendung besonderer Regeln des
Verfahrens, die sich von dem nur durch rechtsgelehrte Richter gehandhabten Strafprozeß unterscheiden.
Was den Ursprung der Schwurgerichte anbetrifft, so hat Heinrich Brunner nachgewiesen, daß die allerältesten Anfänge des
Schwurgerichts in dem Beweisverfahren der karolingischen Monarchie lagen und durch die normännische Herrschaft nach England
verpflanzt wurden, um sich dort eigentümlich zu entwickeln. Am richtigsten wären daher die Schwurgerichte eine normännisch-englische
Schöpfung zu nennen. Die älteste Form des Schwurgerichts ist die noch gegenwärtig in England bestehende,
aber auf dem Kontinent nicht aufgenommene Ziviljury, beruhend auf dem altfränkischen Rechte des Inquisitionsbeweises, durch
dessen ausnahmsweise von den Königen gestattete Zulassung das altgermanische Beweisverfahren mittels Zweikampfes oder Gottesurteils
in gewissen Streitigkeiten umgangen werden konnte. Es wurden dabei bestimmte Fragen (inquisitio) den vom
Richter einberufenen und eingeschwornen Gemeindegenossen der streitenden Parteien vorgelegt.
Späterhin wurden diese Beweiszeugen (juratores) als eine Einheit oder Körperschaft (jurée,
jurata) behandelt, um nicht von
den einzelnen Mitgliedern, sondern von der Gesamtheit einen Ausspruch zu erlangen. In dieser Gestalt gelangte die Beweisjury
von der Normandie nach England und trat dort in Zusammenhang einerseits mit den angelsächsischen, die
normännische Eroberung überdauernden Gemeindeeinrichtungen, anderseits mit der eigenartig von den Königen zentralisierten
Reichsjustiz.
Aus dieser Beweisjury für Eigentumsprozesse, in der die Geschwornen als Zeugen erschienen, gestaltete sich in langsamen Übergängen
schließlich die Urteilsjury, wahrscheinlich in der Weise, daß lange Zeit hindurch die Geschwornen nebeneinander
eine Doppelstellung als Zeugen und Urteiler innehatten, ehe sie zu dem Amte des Urteilens endgültig gelangten. Weit später
als die Ziviljury der Engländer entwickelte sich die Kriminaljury für Strafsachen und zwar in einer doppelten Grundgestalt:
1) als Anklagejury und 2) als Urteilsjury, von denen auch die erstere noch heute den Engländern
verblieben ist, ohne auf dem Kontinent Wurzel fassen zu können.
Der altgermanische Strafprozeß beruhte nämlich auf der strengen Regel des sogen. Anklageprinzips, wonach ohne eine vom Beschädigten
erhobene Anklage der Richter nicht thätig werden durfte. Ein Einschreiten von Amts wegen (sogen. Offizialprinzip)
war ausgeschlossen. In der karolingischen Zeit bildete sich indessen die eigentümliche, nachmals von der Kirche in ihren
Sendgerichten nachgebildete Einrichtung eines Frageverfahrens, der Rüge, wobei von königlichen Beamten die Gemeindegenossen
von Zeit zu Zeit eidlich befragt wurden, ob in ihren Bezirken gewisse amtlich zu bestrafende Missethaten begangen worden seien.
Durch die Normannen gelangte auch dieses Rügeverfahren nach England, woselbst es besonders darum einen
fruchtbarern Boden fand, weil nach angelsächsischem Recht vermöge der Friedensbürgschaft (fridborg) die Gemeinden für gewisse
in ihrem Bezirk begangene Verbrechen haftpflichtig waren. Bis zum 14. Jahrh. erhielt sich der Brauch dieser Rügejury;
das Verfahren hieß Presentement oder Indictement. Der Gerügte verteidigte sich ursprünglich durch
Gottesurteil, später durch eine Beweisjury. Im 14. Jahrh. aber trat an Stelle dieser alten, aus 12 Personen bestehenden Rügejury
eine neue Form unter dem Titel der Großen Jury (grand inquest), bestehend aus 24 der Grafschaft entnommenen, vor den königlichen
Justitiarien versammelten Geschwornen ritterlichen Standes.
Mit der Ausbildung des friedensrichterlichen Amtes entstand in England fernerhin die bis auf die Gegenwart vererbte Übung der
Quartalsitzungen (quarter sessions), in denen drei Friedensrichter zusammentreten, um in Verbindung mit einer sogen. Großen Jury
Kriminaljurisdiktion auszuüben. Die englische Anklagejury, nachmals aus 23 Mitgliedern bestehend, streifte die Funktion des
Rügens allmählich von sich ab und nahm dagegen ihrerseits Denunziationen und Informationen entgegen.
Gegenwärtig reicht der öffentliche oder Privatankläger seine Anklageschrift bei der Anklagejury oder Großen Jury (grand
Jury) ein, damit diese auf Grund ihrer Prüfung und vorläufigen Ermittelungen entscheide, ob die beschuldigte Person in den
förmlichen Anklagestand versetzt werden solle oder nicht. Die Stimmen über den Wert dieser Einrichtung
sind jedoch sehr geteilt. Von großer Bedeutung aber war die neben der Zivil- und Anklagejury sich entwickelnde Urteilsjury
für Strafsachen. Nach altgermanischem Recht fand der Zeugenbeweis in Kriminalsachen keine
mehr
Anwendung. Der Ankläger hatte sich regelmäßig zum Kampfbeweis zu erbieten. Bei Kampfunfähigen trat an Stelle des gerichtlichen
Zweikampfes das Gottesurteil. Allmählich erlangten aber in der Normandie und in England Angeklagte durch königliche Gnadenbriefe
das Recht, sich auf eine Beweisjury zu berufen, um ihre Unschuld darzuthun. Eine naturgemäße Verbindung mit dem
Rügegericht ergab sich dabei ohne Schwierigkeit, indem man das, was anfangs eine königliche Gnadensache für den einzelnen
Fall war, auch den Gerügten zugestand.
Wichtig war, daß nach dem Grundbrief der englischen Verfassung, nach der Magna Charta von 1215 (Art. 36), sich jeder Beklagte
auf eine Jury berufen kann. Nachdem dann wenige Jahre später (1219) die Gottesurteile in England reichsgesetzlich
verboten worden waren, und nachdem der gerichtliche Zweikampf nach und nach abgekommen, blieb überhaupt kein andres Beweismittel
außer der Jury übrig. Diese Urteilsjury besteht jetzt aus 12, in Schottland aus 15 Mitgliedern.
Aus diesem Entwickelungsgang der englischen Schwurgerichte erklären sich folgende Eigentümlichkeiten:
1) Der Ausspruch der Geschwornen heißt Verdikt oder Wahrspruch, weil die Jury in dem Stadium der alten Beweisführung dahin vereidigt
wurde, nach ihrem Gewissen die Wahrheit zu sagen, was offenbar nur für die Bezeugung von Thatsachen passend war) 2) Die in England
konsequent eingetretene Scheidung der Thatfrage (d. h. Beweisfrage) von der Rechtsfrage (d. h. Urteilsfrage).
Über die Thatfrage allein urteilen die Geschwornen, über die Rechtslage der königliche Richter, dessen Rechtsbelehrung für
die Geschwornen noch heutzutage bindend ist.
3) Das in England bis jetzt festgehaltene Erfordernis der Stimmeneinhelligkeit der Geschwornen für ihre Verdikte, denn ein
»Wahrspruch« im Beweisverfahren ist bei widersprechenden Aussagen nicht zu erlangen. Freilich
haben sich gegen die Stimmeneinhelligkeit in England gewichtige Stimmen erhoben; überwiegend ist jedoch die öffentliche Meinung
der Einstimmigkeit günstig, indem man darin eine Garantie gründlicher Beratung erblickt.
4) Sobald ein Angeklagter des Verbrechens geständig ist, bleibt für die Beweisjury kein Platz mehr. Nur der leugnende
Angeklagte hatte einen Anspruch auf das Zeugnis der Jury. In Erinnerung an diese anfängliche Einrichtung wird auch heute der
Angeklagte vor dem Beginn der Verhandlung gefragt, ob er sich schuldig bekenne (guilty) oder nicht schuldig (not guilty).
Geschieht ersteres, so wird ohne Mitwirkung der Geschwornen die Verurteilung vom Richter ausgesprochen.
5) Auch darin ist beim englischen S. die mittelalterliche Sitte festgehalten, daß der Angeklagte seinerseits vor einem Gericht,
das bestimmt war, ihm als Entlastungszeugnis zu dienen, nicht genötigt werden kann, sich einem Verhör zu unterwerfen. Dem
englischen Strafprozeß fehlt daher auch diese auf dem Kontinent überall wesentliche Prozedur der Wahrheitsermittelung.
In manchen wesentlichen Stücken abweichend gestaltet sich das S. in Schottland, Irland und Nordamerika. In Frankreich stand das
S. unter den Forderungen der ersten französischen Revolution in erster Linie. Die Nationalversammlung beantragte 1789 die Einführung
des Schwurgerichts und veranlaßte damit zuerst das Gesetz vom und das Gesetz vom Zu
einer gedeihlichen Wirksamkeit bot indessen die französische Revolutionszeit den Geschwornen keinen Raum. An Stelle des schwerfälligen
Apparats setzte man für die wichtigsten, insbesondere politischen, Vergehen die Revolutionstribunale und
militärischen Ausnahmegerichte.
Bei der Veränderung der französischen Justizverhältnisse war es lange Zeit hindurch zweifelhaft, ob das S.
in der Strafgerichtsverfassung einen Platz finden werde. Napoleon I. selbst war dem Schwurgerichte sehr abgeneigt. Schließlich
behielten jedoch in den Vorberatungen der 1808 ergangenen französischen Strafprozeßordnung (Code d'instruction criminelle)
die Anhänger des Schwurgerichts die Oberhand, nachdem sie Napoleon davon überzeugt hatten, daß die Geschwornen, denen man
die Beurteilung der schweren politischen Verbrechen entziehen könne, nicht nur ungefährlich sein würden,
sondern auch dem Einfluß der Regierung bei richtiger Handhabung der administrativen Mittel zugänglich seien.
Namentlich ergab sich ein starkes Element der Beeinflussung durch den Zusammenhang der in England fehlenden, in Frankreich völlig
abhängigen Anklagebehörde mit den Verwaltungsstellen der Polizei. Während man ferner in England an dem
Erfordernis der Stimmeneinhelligkeit der Verdikte festhielt, schwankte unter den verschiedenen Regierungen in Frankreich das
zu einer Verurteilung des Angeklagten erforderliche Stimmenverhältnis zwischen größern und kleinern Majoritäten, so daß
die auf größere Machtentfaltung bedachten Regierungen sich an einfachen Majoritäten von sieben zu fünf genügen ließen.
Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs erhielt zudem ein weitgehendes Ermessen in der Leitung der Schwurgerichtsverhandlungen,
in der Behandlung und Vorführung der Beweismittel, in der Begünstigung der Anklagebehörde auf Kosten der Verteidigung, in der
Einrichtung seines Schlußvortrags (sogen. Resümee) an die Geschwornen, in dem er, nicht gehindert durch irgend welche Rücksichten
und nicht gehemmt durch Rechtsmittel, seiner persönlichen Auffassung über Schuld oder Unschuld als Vormund
der Geschwornen Ausdruck geben konnte.
Die Gesamtheit dieser weitgehenden Rechte bezeichnete man als diskretionäre Gewalt (pouvoir discrétionnaire). Das Resümee
ist übrigens in neuester Zeit in Frankreich ebenso wie in Deutschland abgeschafft. Was endlich die Zuständigkeit der Schwurgerichte
in Frankreich anbelangt, so war diese nach dem Grundsatz der Dreiteilung (Verbrechen, Vergehen, Übertretungen)
geregelt. Die schwersten Fälle der sogen. Verbrechen im engern Sinn (crimes), die eine entehrende oder peinliche Strafe nach
sich ziehen können, sind den Schwurgerichten zugewiesen, obwohl bei der richtigen Ausübung der Strafgewalt nicht sowohl
die Schwere der Strafe als vielmehr die eigentümliche Natur des Thatbestandes als entscheidend ins Gewicht
fallen sollte. In einem Punkt geht freilich die Funktion der französischen Geschwornen über die in England üblichen Grenzen
hinaus. Die Geschwornen können nämlich das Vorhandensein mildernder Umstände (circonstances atténuantes) in ihrem Schuldspruch
erklären und damit einen bedeutenden Einfluß auf das Strafmaß ausüben.
In dieser französischen Gestalt gewann sich das S. nach der Abtretung ehemals französischer Landesteile auch in Deutschland
viele Freunde, vornehmlich in West- und Süddeutschland. Namentlich fand das S. Verteidiger unter den Germanisten, die darin
Anknüpfungspunkte an die alte deutsche Gerichtsverfassung erkennen wollten. Daher erklärt es sich, daß
der Germanistenkongreß 1847 in Lübeck sich für die Einführung des Schwurgerichts aussprach. Übrigens wurden die Schwurgerichte
in Rheinpreußen während der Zwischenzeit von 1815 bis 1848 in manchen Punkten abgeändert. Im großen und ganzen war aber
die
mehr
öffentliche Meinung in der Rheinprovinz dem S. entschieden günstig. Entscheidend für die allgemeine Einführung der Schwurgerichte
in den verschiedenen deutschen Staaten war jedoch erst die politische Bewegung von 1848. Als dann später die Vorbereitungen
zur einheitlichen Ordnung des Strafprozeßrechts für das Deutsche Reich in Angriff genommen wurden, stellte man das
S. noch einmal in Frage. Das preußische Justizministerium wünschte die Ersetzung der Schwurgerichte durch sogen. Schöffengerichte,
und der erste Entwurf zur deutschen Strafprozeßordnung war auf das Schöffengericht basiert.
Auch die Stimmen unter den Theoretikern waren geteilt. Eine Anzahl hervorragender Männer (Schwarze, Zachariä, Meyer) wirkte
für die Verallgemeinerung der Schöffen-, andre (Mittermaier, Gneist, Glaser, Wahlberg) verteidigten mit
Geschick, Überzeugung und Eifer die Institution der Schwurgerichte. In Süddeutschland war das S. jedenfalls so volkstümlich
geworden, daß man es vorzog, den Plan einer allgemeinen Durchführung des Schöffeninstituts rechtzeitig aufzugeben und das
S. lieber beizubehalten, als sich im Reichstag oder schon im Bundesrat einer Niederlage auszusetzen. In
neuester Zeit macht sich in juristischen Kreisen wieder eine Strömung gegen die Schwurgerichte bemerklich.
Der 18. deutsche Juristentag hielt zwar im Plenum an dem S. fest, erklärte dasselbe aber für einer Reform dringend bedürftig.
Der Wert des Schwurgerichts ist von einer Reihe von Thatsachen und Umständen abhängig; es kann zu verschiedenen
Zeiten und bei verschiedenen Völkern ungleiche Resultate liefern. Die Verbreitung, die das S. innerhalb des letzten Jahrhunderts
gefunden hat, läßt aber erkennen, daß ihm ein wertvoller Grundgedanke innewohnt. In der Strafrechtspflege kommt es nämlich
darauf an, die Schuld eines Angeklagten zu ermitteln, indem man sein persönliches Verhältnis zum Strafgesetz
feststellt.
Trug der Angeklagte ein rechtswidriges Bewußtsein in sich? Erkannte er den Widerspruch, in dem die ihm zur Last gelegte Handlung
gegenüber dem gesetzlichen Verbot stand? Diese Fragen vermag nach der herrschenden Ansicht ein tüchtiger Geschworner besser
und richtiger zu beantworten als ein rechtsgelehrter Richter, der sich durch seinen Beruf daran gewöhnt
hat, nach abstrakten Kategorien zu urteilen. Unsre Beurteilung der Menschen und unsre Einsicht in die Motive des menschlichen
Handelns gehen überall von der innern Erfahrung unsres eignen Seelenlebens aus.
Alle Psychologie beruht auf der Beobachtung zunächst des eignen Seelenlebens. Ebendeswegen geht der Richter, der das
Schuldbewußtsein des Angeklagten an seinem Bildungsgrad zu messen pflegt, leichter irre als der Geschworne, der die laienhafte
Auffassung des Strafgesetzes mit dem Angeklagten teilt. Der Vorzug der Geschwornen liegt also keineswegs, wie früher geglaubt
wurde, in der richtigen Würdigung aller Thatfragen und Beweispunkte und noch viel weniger in dem bessern
Verständnis oder der gerechtern Handhabung des Gesetzes, sondern hauptsächlich in der zuverlässigern Erkenntnis der subjektiven
Schuldmomente, welche unter dem Titel der Zurechnungsfähigkeit, vornehmlich aber des rechtswidrigen Bewußtseins und der Fahrlässigkeit
nicht sowohl durch scharfe juristische Deduktion als durch Festhaltung eines dem wirklichen Leben entnommenen Vergleichungspunktes
ermittelt werden müssen.
Auch aus dem Gesichtskreis der größern politischen Unabhängigkeit hat man das S. gepriesen oder angefochten.
Im allgemeinen läßt sich nun zwar nicht nachweisen, daß Geschworne überall unabhängiger sind als Staatsrichter, wenn
diesen alle Bürgschaften verfassungsmäßiger Unabhängigkeit geboten sind und die Regierung auch keine Mittel indirekter Beeinflussung
zur Herbeiführung politischer Verurteilungen anzuwenden vermag. Jedenfalls ist aber das Vertrauen des
Angeklagten zu der Unparteilichkeit eines Volksgerichts größer als zu derjenigen von Berufsrichtern, und dies ist in der
That nicht der geringste Vorzug der schwurgerichtlichen Institution.
Von der technischen Seite her ist gegen das S. eingewendet worden, daß eine sichere Trennung der Thatfrage von der Rechtsfrage
und folgeweise die Abgrenzung der den Geschwornen zum Unterschied von dem Schwurgerichtshof zu stellenden Aufgabe mit Gewißheit
nicht zu erreichen sei, daß die Fragestellung schwere Verwickelungen herbeiführe, und daß das Ansehen der Justiz durch die
Häufigkeit der durch fehlerhafte Fragestellung verursachten Nichtigkeitsbeschwerden (Revisionen) beeinträchtigt werde. Daß
dies Bedenken ein begründetes sei, läßt sich nicht in Abrede stellen. Die Teilung der Arbeit zwischen
Geschwornen und Richter bedingt mancherlei Übelstände. Allein diese Mängel lassen sich nicht nur verringern, sondern sie
treten auch im Vergleich zu den vielen Vorzügen der Schwurgerichtseinrichtungen zurück, sobald es darauf ankommt, Licht-
und Schattenseiten richtig gegeneinander abzuschätzen.
Durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz vom sind dem S. alle eigentlichen Verbrechen (im Gegensatz zu den Vergehen
und Übertretungen) überwiesen, soweit sie nicht, wie das gegen Kaiser oder Reich gerichtete Verbrechen des Hochverrats oder
des Landesverrats, vor das Reichsgericht oder ausnahmsweise vor die landgerichtlichen Strafkammern gehören. Die politischen
und Preßvergehen, welche die belgische Gesetzgebung den Geschwornen zuweist, gehören nicht vor die Schwurgerichte; doch ist
es in denjenigen Staaten, in denen die Geschwornen vor für Preßprozesse zuständig waren, bei den bisherigen Bestimmungen
der Landesgesetzgebung geblieben, nämlich in Baden, Bayern, Oldenburg und Württemberg.
Auch in Österreich wurden 1869 die Preßsachen den Geschwornen überwiesen, obgleich dort angesichts des
Kampfes zwischen widerstrebenden Nationalitäten die Bedingungen eines gedeihlichen Wirkens weitaus weniger günstig lagen als
in Deutschland. Nach dem Zeugnis eines der erfahrensten Kenner der Schwurgerichtseinrichtungen, Julius Glasers, des frühern
österreichischen Justizministers, eignen sich Preßdelikte aus juristischen Gründen vorzugsweise für Schwurgerichte,
und auch in Bayern hat sich dieser Ausspruch bewahrheitet.
Nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz sind alljährlich die Urlisten in den Gemeinden aufzustellen, in welche die Namen
aller zum Schwurgerichtsdienst verpflichteten und berechtigten Personen einzutragen, und die zum Zweck etwaniger Berichtigungen
öffentlich bekannt zu machen sind. Die Regeln, welche für den Schöffengerichtsdienst gelten, beziehen
sich auch auf das S. Gewisse Personen, die an sich befähigt und berechtigt sein würden, als Geschworne zu dienen, sind vom
Gesetz ausdrücklich befreit, wesentlich mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Staatsdienstes (z. B. gewisse höhere Beamte,
Militärpersonen, Schullehrer). Aus den Urlisten eines Amtsgerichtsbezirks ergibt sich dann im Weg der
Sichtung die sogen. Vorschlagsliste (gleichfalls jährlich), bei deren Anfertigung gerichtliche
Beamte mit der Verwaltung und unabhängigen Männern zusammenwirken. Aus den Vorschlagslisten der Amtsgerichte stellt dann
das Landgericht die Jahreslisten der
mehr
Haupt- und Hilfsgeschwornen zusammen. Als Hilfsgeschworne für den Fall der Verhinderung von Hauptgeschwornen sind Personen zu
wählen, welche am Sitzungsort des Schwurgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen. Auf Grund der Jahresliste der
Hauptgeschwornen werden für die Sitzungsperiode 30 Geschworne von dem Präsidenten des Landgerichts ausgelost. Auf diesem Weg
entsteht die sogen. Spruchliste. Für die Aburteilung des einzelnen Falles wird das S. alsdann durch Auslosung
von zwölf Geschwornen gebildet, wobei das Ablehnungsrecht der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten in der Weise wirksam
wird, daß jeder von beiden Teilen die Hälfte der möglichen Ablehnungen bewirken, d. h. die Hälfte der Gesamtzahl der Geschwornen
abzüglich zwölf, ablehnen kann.
Bei ungleicher Anzahl der anwesenden Geschwornen kann der Angeklagte einen mehr ablehnen als der Staatsanwalt. Die zwölf Geschwornen
bilden die Geschwornenbank. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden (Schwurgerichtspräsidenten).
Letzterer wird für jede Sitzungsperiode von dem Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichts ernannt. Die Beisitzer
bestimmt der Präsident des Landgerichts aus der Zahl der Mitglieder des letztern.
Die Geschwornen haben die ihnen am Schluß der Hauptverhandlung vorgelegten Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten. Es ist ihnen
aber auch gestattet, eine Frage teilweise zu bejahen und teilweise zu verneinen. Zur Leitung ihrer geheimen Beratung und
Abstimmung wählen die Geschwornen einen Obmann. Dieser gibt dann im Sitzungszimmer den Wahrspruch kund und zwar in der Form,
daß er die Worte spricht: »Auf Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch der Geschwornen«, hierauf aber die von dem Vorsitzenden
gestellten Fragen samt den von den Geschwornen gegebenen Antworten verliest.
Zur Verurteilung ist eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln erforderlich. Von den Eigentümlichkeiten des schwurgerichtlichen
Verfahrens sind endlich noch zu erwähnen das Eingreifen der sogen. notwendigen Verteidigung und der nach dem Abschluß des
Beweisverfahrens und der Parteivorträge stattfindende Schlußvortrag des Schwurgerichtspräsidenten (sogen.
Rechtsbelehrung) im Sinn einer Belehrung über die rechtlichen Gesichtspunkte, welche die Geschwornen bei
Lösung der ihnen gestellten Fragen in Betracht zu ziehen haben. In Gemäßheit des von ihnen gefällten Wahrspruchs (Verdikts)
ergeht dann entweder die Freisprechung oder die Strafverhängung seitens des Schwurgerichtshofs, nachdem die Parteien noch
einmal gehört worden sind. Fast alle europäischen Staaten, auch Rußland, haben sich nach und nach für
Schwurgerichte entschieden; doch fehlt das S. noch in Holland, Spanien und in den skandinavischen Ländern.
Vgl. Mittermaier, Die öffentliche mündliche Strafrechtspflege u. das Geschwornengericht (Landsh. 1819);
Derselbe, Erfahrungen
über die Wirksamkeit der Schwurgerichte (Erlang. 1865);
Gundermann, Über die Einstimmigkeit der Geschwornen (Münch. 1849);
Köstlin, Die Geschwornengerichte, für Nichtjuristen dargestellt (Leipz. 1851);
Biener, Das englische Geschwornengericht
(das. 1852-55, 3 Bde.);
Brunner, Die Entstehung der Schwurgerichte (Berl. 1872);
Hye, Über das S. (Wien 1864);
Schwarze, Das
deutsche S. (Erlang. 1868; die beiden letzten gegen das S.);
Heinze, Parallelen zwischen der englischen Jury u. dem deutsch-französischen
Geschwornengericht (das. 1864);
Derselbe, Ein deutsches Geschwornengericht (das. 1865);
Glaser, Zur Juryfrage
(Wien
1864);
Meyer, That- u. Rechtsfrage im Geschwornengericht (Berl. 1860);
v. Bar, Recht und Beweis im Geschwornengericht (Hann.
1865);
Pollwein, Hilfsbuch für den Geschwornendienst (Nördling. 1885);
Schmidt, Das schwurgerichtliche Verfahren (Bresl. 1887).