Schwingung
[* 2] (Oszillation, Vibration), die hin- und hergehende Bewegung, welche Körper oder Teilchen derselben, die durch Kräfte in einer bestimmten Gleichgewichtslage festgehalten werden, diesseit und jenseit dieser Gleichgewichtslage ausführen, wenn sie aus dieser durch irgend eine Ursache entfernt und dann der Wirkung jener Kräfte, die das Gleichgewicht [* 3] wiederherzustellen streben, überlassen worden sind. An einem senkrecht herabhängenden, schraubenförmig gewundenen Metalldraht (sogen. Hosenträgerdraht) werde eine Messingkugel, welche unten mit einem Häkchen versehen ist, aufgehängt.
Die Elastizität des Drahts hält die Kugel, indem sie dem Gewicht derselben entgegenwirkt, in einer bestimmten Gleichgewichtslage fest. Hängt man nun an das Häkchen ein Gewicht von 100 g, so verlängert sich der elastische Spiraldraht, und die Kugel rückt z. B. um 1 cm herab; durch ein Gewicht von 200 g wird die Verlängerung [* 4] verdoppelt auf 2 cm, das dreifache Gewicht bringt eine dreimal so große Verlängerung zuwege etc. Die Kraft [* 5] also, welche aufgewendet werden muß, um die Kugel der elastischen Wirkung des Drahts entgegen aus ihrer ursprünglichen Gleichgewichtslage zu entfernen, nimmt in demselben Verhältnis zu wie diese Entfernung.
Nachdem die
Gewichte entfernt sind und die
Kugel in ihre anfängliche
Lage zurückgekehrt ist, werde sie nun mit den
Fingern
um 1
cm herabgedrückt; indem man sie in dieser
Lage festhält, muß man mit derselben
Kraft von 100 g nach
unten ziehen, welche vorhin für diese
Verlängerung notwendig war, und läßt man die
Kugel jetzt los, so kehrt sie mit eben
dieser
Kraft in ihre Gleichgewichtslage zurück. In der Gleichgewichtslage angelangt, kommt sie aber nicht sofort zur
Ruhe,
sondern steigt 1
cm hoch über dieselbe empor, geht dann wieder unter die Gleichgewichtslage herab etc.:
kurz, sie vollführt auf- und abwärtsgehende Schwingungen
, welche in diesem
Falle langsam genug sind, daß man sie mit Bequemlichkeit
zählen kann.
Man rechnet dabei einen vollständigen Hin- und Hergang, z. B. aus der tiefsten
Lage in die höchste und
wieder zurück in die tiefste, als eine
S., und bezeichnet die Anzahl der in einer
Sekunde erfolgenden Schwingungen
als Schwingungszahl.
Führt man die
Kugel um 2
cm herab und läßt sie dann schwingen, so hat sie von ihrer äußersten bis zur Gleichgewichtslage
einen doppelt so großen Weg zurückzulegen wie vorhin, oder ihre Schwingung
sweite
(Amplitude) ist jetzt
die doppelte.
Zählen wir aber ihre Schwingungen
, so finden wir die nämliche Schwingungszahl wie im ersten
Fall; denn da nicht nur der zu
durchlaufende Weg, sondern auch die Kraftäußerung des gespannten Schraubendrahts jetzt auf das
Doppelte gewachsen ist, so
muß der größere Weg dennoch in der nämlichen Zeit durchlaufen werden. Ebenso bleibt die Schwingung
szahl
unverändert, wenn die
Kugel um 3
cm aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt, also ihre Schwingung
sweite verdreifacht wird.
Die Schwingungen
sind sonach immer von gleicher Dauer oder sie sind isochron, mag der schwingende
Körper weiter oder weniger
weit aus seiner Gleichgewichtslage entfernt worden sein. Aus diesem Verhalten geht hervor, daß die Schwingung
szahl
nur von den dem schwingenden
Körper eignen
Kräften, welche sein gestörtes
Gleichgewicht wiederherzustellen streben (hier
von der
Elastizität des Schraubendrahts), abhängig ist, aber keineswegs von der
Stärke
[* 6] des äußern Antriebs, der die Schwingungen
wachrief; die
Stärke des Antriebs findet vielmehr ihren
Ausdruck in der
Größe der Schwingungsweite.
Indem man die Kugel um 2 cm herabführt, hat man mit der Hand [* 7] nicht nur einen zweimal so großen Druck auszuüben, sondern auch einen zweimal so großen Weg zurückzulegen, als wenn man sie nur um 1 cm herabführt. Die Arbeit, welche man in jenem Fall zur Überwindung der elastischen Kraft des Drahts leisten muß, ist daher viermal so groß als in diesem Fall, und wenn man mit dreifacher Kraft die Kugel in die dreifache Entfernung bringt, so hat man die neunfache Arbeit aufzuwenden von derjenigen im ersten Fall. Indem man die Hand entfernt, geht die von ihr geleistete Arbeit auf die Kugel über und offenbart sich in der Wucht oder Energie ihrer schwingenden Bewegung.
Bei doppelter Schwingungsweite erfolgt also die S. mit vierfacher, bei dreimal so großer Schwingungsweite mit neunfacher Wucht etc., oder allgemein ausgedrückt: die Wucht der schwingenden Bewegung wächst im quadratischen Verhältnis der Schwingungsweite. Schwingungen, welche, wie in dem hier zu Grunde gelegten Beispiel, durch die Elastizität unterhalten werden, nennt man elastische Schwingungen; zu ihnen gehören die schallerregenden Schwingungen der Saiten, Stäbe, Stimmgabeln, Glocken etc.; auch die Schwingungen der Luftteilchen bei der Fortpflanzung des Schalles, der Ätherteilchen bei der Fortpflanzung des Lichts, die Schwingungen der Moleküle und Atome erwärmter und leuchtender Körper, endlich die durch die Schwerkraft unterhaltenem Schwingungen des Pendels (s. d.) befolgen die oben dargelegten Gesetze.