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Plan, die Franzosen aus Italien [* 2] zu vertreiben, zu gewinnen. Als Verbündete des Papstes führten sie Moros Sohn Maximilian Sforza 1512 in sein Herzogtum zurück und verjagten die Franzosen durch den Sieg bei Novara aus Italien, während sie für sich selbst zu den schon 1508 von Ludwig XII. erhaltenen Vogteien Bellinzona, Pollenza und Riviera noch Lugano, Mendrisio, Locarno, Salmaggia, Bormio, Veltlin und Chiavenna gewannen. Ludwigs XII. Nachfolger, Franz I., besiegte jedoch die Schweizer in der zweitägigen »Riesenschlacht« bei Marignano (13./14. Sept. 1515) und gewährte ihnen einen »ewigen Frieden« in welchem sie gegen eine Kriegsentschädigung von 700,000 Kronen [* 3] auf weitere Einmischung in Italien verzichteten. Ein Bündnis, welches die Eidgenossenschaft (außer Zürich) [* 4] 1521 mit Frankreich schloß, gestattete diesem gegen Gewährung von Jahrgeldern, Handelsfreiheiten und andern Vorteilen, bis zu 16,000 Mann Söldner in der S. anzuwerben. Damit stellten sich die Eidgenossen ganz in den Dienst des französischen Hofs und verzichteten auf eine selbständige Rolle in der europäischen Politik.
Nachdem 1501 Basel [* 5] und Schaffhausen [* 6] als neue Mitglieder dem Bund beigetreten und Appenzell [* 7] aus einem bloß »zugewandten« Ort zu einem vollberechtigten Bundesglied erhoben worden war, blieb die schweizerische Eidgenossenschaft bis 1798 auf diese 13 Orte beschränkt. Daneben gab es 11 zugewandte Orte, welche teils regelmäßig Gesandte zur Tagsatzung schickten (Socii), wie der Abt von St. Gallen und die Städte St. Gallen, Biel, Mülhausen [* 8] und Rottweil [* 9] in Württemberg [* 10] (1463-1618), teils nur außerordentlicherweise zu derselben zugelassen wurden (Confoederati), wie Gersau, die drei rätischen Bünde, Wallis, Neuenburg, [* 11] das Stift Engelberg und der Bischof von Basel. Fast jeder Ort hatte sich durch Kauf oder Eroberung ein Unterthanengebiet erworben;
außerdem gab es auch Unterthanen mehrerer Orte, die von diesen als gemeine Herrschaften abwechselnd durch Vögte regiert wurden;
so gehörten 12 Orten Lugano, Locarno, Mendrisio und Val Maggia, 8, bez. 7 Baden, [* 12] die Freien Ämter, der Thurgau, Sargans, das Rheinthal, den drei Waldstätten Bellinzona, Pollenza und Riviera;
Schwyz und Glarus besaßen Gaster und Uznach, Bern [* 13] und Freiburg [* 14] Schwarzenburg, Murten, Orbe, Grandson und Echallens gemeinsam.
Erst durch die Unterthanengebiete ward die S. zu einem geschlossenen geographischen Ganzen, und häufig bildeten die gemeinen Vogteien in den nun folgenden Zeiten religiöser Entzweiung das einzige, aber wirksame Band, [* 15] das die Eidgenossenschaft noch zusammenhielt.
Die Reformationszeit.
In geistiger Beziehung blieb die S. auch nach dem Frieden von Basel mit Deutschland [* 16] verbunden, und gleichzeitig mit Luther begann Zwingli in Zürich seine reformatorische Thätigkeit. Dieselbe erstreckte sich nicht nur auf die kirchlichen, sondern auch auf die politischen Verhältnisse. Weil Zwingli besonders den Krebsschaden des Reislaufens durch Verbot beseitigen wollte, waren die fünf innern Kantone (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern [* 17] und Zug), deren wichtigste Erwerbsquelle der fremde Kriegsdienst und das Pensionen nehmen bildeten, um so weniger gewillt, seine kirchliche Reform anzunehmen, während sie in der äußern S. immer mehr Anklang fand. Durch die Disputation zu Bern (Januar 1528) wurde der Übertritt dieses mächtigen Ortes entschieden, Basel, Schaffhausen, St. Gallen folgten, und in Appenzell, Glarus und Graubünden wurde Glaubensfreiheit verkündet. Da die fünf katholischen Orte ihr numerisches Übergewicht in der Regierung der gemeinen Herrschaften rücksichtslos benutzten, um in denselben die Ausbreitung der Reformation zu verhindern, so plante Zwingli schon eine völlige Umgestaltung der Eidgenossenschaft, welche die Übermacht der kleinen Urkantone beseitigen und Zürich und Bern, die mit ihrem Gebiet zwei Drittel der eidgenössischen Macht bildeten, eine Art Hegemonie einräumen sollte.
Ein »christliches Burgrecht«, das Zürich mit Konstanz [* 18] schloß, wurde durch den Beitritt Berns, St. Gallens und Mülhausens zum reformierten Sonderbund erweitert, wogegen die fünf katholischen Orte ein Bündnis mit Ferdinand von Österreich [* 19] eingingen Als die Schwyzer einen Züricher Pfarrer, der auf ihrem Gebiet die neue Lehre [* 20] verkündete, verbrannten, feuerte Zwingli die Züricher zum Krieg an; aber ihr Auszug scheiterte an der Kriegsunlust der Berner, so daß durch die Vermittelung von Glarus der erste Landfriede von Kappel zu stande kam, der das Bündnis der fünf Orte mit Ferdinand aufhob, gegenseitig Glaubensfreiheit zusicherte und in den gemeinen Herrschaften die Entscheidung in Religionssachen den Gemeinden überließ.
Als sich die fünf Orte aber der Züricher Auslegung des Landfriedens, daß auch in ihrem Gebiet die freie Predigt gestattet sein müsse, entschieden widersetzten und deswegen seitens der reformierten Orte eine Lebensmittelsperre über sie verhängt wurde, griffen die fünf Orte zu den Waffen [* 21] und rückten mit 6000 Mann gegen Kappel, wo ihnen der in Eile zusammengeraffte erste Auszug der Züricher erlag und Zwingli selbst fiel Eine zweite Niederlage der Reformierten bei Gubel (24. Okt.) erzeugte unter ihnen Zwietracht und eine solche Entmutigung, daß sie im zweiten Frieden von Kappel ihre Sonderbündnisse aufgaben.
Die katholischen Orte geboten jetzt der Weiterverbreitung der Reformation Stillstand; ja, sie ging zurück, und die S. zerfiel kirchlich in das zusammenhängende katholische Gebiet der fünf Orte mit Wallis, den freien Ämtern und den italienischen Vogteien, mit Freiburg und Solothurn [* 22] als vorgeschobenen Posten, in die paritätischen Lande Glarus, Appenzell, Baden, Thurgau, St. Gallen, Rheinthal und Graubünden und in die reformierten Kantone Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen. Nur in der Westschweiz machte die Reformation noch größere Fortschritte.
Genf, [* 23] das, um seine Freiheit gegen den Herzog von Savoyen zu verteidigen, 1526 sich mit Bern und Freiburg verbündet hatte, wurde durch Farel der evangelischen Lehre gewonnen und, als hierauf der savoyische Adel die Stadt bedrängte, 1536 durch die Berner befreit, welche gleichzeitig Savoyen die Waadt sowie Gex, Genevois und Chablais entrissen; dadurch wurde Genf dauernd mit der Eidgenossenschaft verbunden. Nun begann Calvin dort seine welthistorische Wirksamkeit, durch die er Genf zum Mittelpunkt einer europäischen Religionsgemeinschaft erhob. Gegen den endgültigen Verzicht auf Waadt erhielt der Herzog von Savoyen im Vertrag von Lausanne [* 24] Gex, Genevois und Chablais zurück; alle Versuche Savoyens, im Bund mit den katholischen Orten sich Genfs wieder zu bemächtigen, waren aber vergeblich, auch der unter dem Namen »Escalade« bekannte Überrumpelungsversuch 12./22. Dez. 1602.
Mit rücksichtsloser Härte wurde sowohl von den reformierten als den katholischen Kantonen die Religionseinheit durchgeführt und die widerstrebenden ¶
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Einwohner ausgetrieben. Aufs eifrigste schlossen sich die katholischen Orte den gegenreformatorischen Bestrebungen an; 1574 nahm Luzern die Jesuiten und 1579 einen ständigen Nunzius bei sich auf, und schlossen die fünf Orte nebst Freiburg und Solothurn den »goldenen« oder »Borromeischen Bund«, wie er zu Ehren des bekehrungseifrigen Kardinal Carlo Borromeo genannt wurde; der Vertrag verpflichtete die Mitglieder, sich gegenseitig, nötigen Falls mit den Waffen, beim alten Glauben zu erhalten.
Damit war die Eidgenossenschaft so gut wie gesprengt; die katholischen Orte hielten ihre Tagsatzungen zu Luzern, die reformierten in Aarau, [* 26] und die gemeinen Herrschaften waren das einzige Band, das die beiden Parteien noch zusammenhielt. 1587 folgte ein Bund von sechs katholischen Orten mit Philipp II. von Spanien, [* 27] und der sich immer steigernde Religionsfanatismus führte 1597 zur Trennung des Kantons Appenzell in die katholischen innern und die reformierten äußern Roden.
Mehr als einmal wurde der Bürgerkrieg nur durch Frankreich abgewendet, das jeden thätlichen Konflikt zwischen den Eidgenossen zu verhindern suchte, um nicht in seinen Werbungen beeinträchtigt zu werden. Schweizerische Soldtruppen nahmen an den Hugenottenkriegen in beiden Lagern hervorragenden Anteil, vornehmlich aber auf seiten der katholischen Liga, und die Schweizergarde des Herzogs von Anjou war in der Pariser Bluthochzeit thätig. Während des Dreißigjährigen Kriegs verhielt sich die S. neutral, konnte jedoch die Neutralität nicht unbedingt aufrecht erhalten.
Die katholischen Orte gewährten spanischen, Zürich schwedischen Truppen den Durchzug; Graubünden wurde infolge wilder Parteikämpfe der Tummelplatz der fremden Mächte und, von den unter sich zwiespältigen Eidgenossen preisgegeben, nur durch die Verschlagenheit Georg Jenatsch' (s. d.) gerettet, der zuerst 1635 mit Hilfe der Franzosen die Österreicher und dann 1637 mit Hilfe der Spanier die Franzosen zum Abzug zwang. Wiederholte Versuche des Reichskammergerichts, seinen Gerichtszwang auf Basel und Mülhausen auszudehnen, veranlaßten die evangelischen Orte Ende 1646, den Baseler Bürgermeister Rudolf Wettstein nach Münster [* 28] zu senden, wo derselbe, unterstützt von Frankreich und Schweden, [* 29] die Anerkennung der Souveränität der S. durch den Westfälischen Frieden durchsetzte.
Umwälzungen in der Revolutionszeit.
In der Zeit zwischen dem Westfälischen Frieden und der französischen Revolution genoß die S. völlige Ruhe nach außen, und auch im Innern wurde sie selten gestört. Die Bedrückung des Landvolkes durch die Städte hatte 1653 einen Aufstand der Bauern Luzerns, Berns, Solothurns und Basels zur Folge, der aber rasch überwältigt wurde. 1656 brach ein neuer Religionskrieg aus, der mit einer großen Niederlage der Berner bei Villmergen (23. Jan.) endete. In einem neuen Religionskrieg jedoch, welcher anläßlich eines Streits zwischen dem Abt von St. Gallen und seinen reformierten Unterthanen in Toggenburg entstand, wurden die katholischen Orte in der zweiten Schlacht bei Villmergen von den Bernern völlig geschlagen und im Frieden von Aarau (11. Aug.) von der Mitherrschaft der Vogtei Baden und des untern Freiamtes ausgeschlossen. Damit ging das Übergewicht von den katholischen Orten, die es seit der Schlacht bei Kappel 1531 besessen hatten, auf die evangelischen über. Wie die unterthänigen Landschaften von den herrschenden Kantonen mit rücksichtsloser Selbstsucht regiert wurden, so riß auch in den Kantonen eine Anzahl altgesessener Familien die Herrschaft an sich; in einigen, wie in Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn, waren diese Oligarchien, sogen. Patriziate, sogar gesetzlich anerkannt. In fast allen Kantonen suchte das Volk die oligarchische Herrschaft abzuschütteln, und es fanden im 18. Jahrh. heftige innere Kämpfe statt, die indessen überall mit dem Sieg der Oligarchen endeten und die Fortdauer zahlreicher veralteter Mißbräuche, wie Zensur, Zunftzwang, Feudallasten, ja hier und da selbst der Leibeigenschaft, zur Folge hatten. Trotzdem blühten Handel und Industrie auf, in der Ostschweiz die Baumwollenfabrikation, in Zürich und Basel die Seidenweberei, in der Westschweiz die Fabrikation von Uhren, [* 30] und die Schweizer wurden allmählich aus einem Volk von Kriegern ein Industrie- und Handelsvolk. In geistiger Beziehung war das 18. Jahrh. die Blütezeit der S. Gelehrte, Schriftsteller und Künstler von europäischem Ruf, wie die Baseler Bernouilli und Euler, der Berner Albrecht v. Haller, die Züricher Bodmer, Breitinger, Lavater und Pestalozzi, der Schaffhauser Joh. v. Müller, die Genfer Bonnet, de Saussure, Rousseau u. a., verliehen ihr einen geistigen Glanz, der das gesunkene politische Ansehen ersetzte.
Schon vor dem Ausbruch der französischen Revolution hatte die »helvetische Gesellschaft«, eine 1762 gestiftete Vereinigung aller hervorragenden deutschen und französischen Schweizer zu jährlichen Zusammenkünften, die politische Wiedergeburt der S. im Sinn größerer Einheit und Freiheit erstrebt. Der Ruf nach einer solchen wurde lauter, als die Bewegung in Frankreich begann. Aber hartnäckig wiesen die Regierungen jede Konzession von der Hand; [* 31] noch 1795 wurde ein Versuch der Landgemeinden am Zürichsee, ihre alten verbrieften Rechte wiederzuerlangen, mit Einkerkerung ihrer Führer bestraft.
Die revolutionäre französische Regierung legte sich daher gegen die S. keine Rücksichten auf und verleibte im März 1793 das Pruntrut, das sich gegen den Bischof von Basel erhoben und als »raurakische Republik« konstituiert hatte, der französischen Republik ein. Der Waadtländer Laharpe und der Baseler Oberzunftmeister Peter Ochs riefen aber die französische Regierung auch zum Einschreiten in der S. selbst auf, um mit ihrer Hilfe sie nach den Grundsätzen der Revolution umzugestalten, und als Bonaparte 1797 für die geplante ägyptische Unternehmung Geld brauchte, beschloß das französische Direktorium die Zertrümmerung der bisherigen Eidgenossenschaft.
Das Veltlin, Bormio und Chiavenna wurden im Oktober 1797 mit der Cisalpinischen Republik, im Dezember das Ergual (St. Immerthal) und das Münsterthal, im Januar 1798 Mülhausen und im April Genf mit der französischen Republik vereinigt. Gleichzeitig rückte ein französisches Heer in die zu Bern gehörige Waadt ein, die sich als unabhängige Lemanische Republik konstituierte. Jetzt stürzte in Basel, Solothurn, Luzern, Freiburg, Zürich und Schaffhausen das oligarchische Regiment von selbst zusammen, die gemeinen Vogteien und andern Unterthanenländer verwandelten sich in demokratische Freistaaten.
Nur Bern hielt zäh am Alten fest und gab dadurch den Franzosen den erwünschten Vorwand zu bewaffnetem Einschreiten. Zwei französische Heere unter Brune und Schauenburg rückten in das Bernische ein, überwältigten den Widerstand der Berner Truppen bei Fraubrunnen und Grauholz und zwangen die Stadt 5. März zur Kapitulation; 41 Mill. Frank an barem Geld und Vorräten schleppten die Franzosen aus Bern weg. Am proklamierte Brune die eine und unteilbare ¶