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Rheinisch-Schwäbischen Städtebund zu stande; aber als die Schweizer den Krieg gegen Österreich [* 2] begannen, blieben sie auf sich allein angewiesen. Dennoch erfochten sie bei Sempach über ein 6000 Mann starkes Ritterheer unter Leopold von Österreich einen glänzenden Sieg. Nachdem auch die Glarner den Österreichern eine vernichtende Niederlage bei Näfels beigebracht hatten, kam ein für die Eidgenossen günstiger Friede zu stande. Die Folge war, daß Appenzell [* 3] sich gegen den Abt von St. Gallen erhob, bei Vögeliseck (1403) und am Stoß (1405) sich siegreich verteidigte und 1411 unter den Schutz der Eidgenossenschaft aufgenommen wurde. Als 1415 Herzog Friedrich von Tirol [* 4] wegen seiner Erhebung gegen das Konstanzer Konzil vom Kaiser Siegmund geächtet wurde, entrissen die Schweizer Österreich den Aargau.
Infolge eines Streits über die
Erbschaft der
Grafen von
Toggenburg brach 1436 zwischen Zürich
[* 5] und Schwyz
der sogen. alte Zürichkrieg aus,
in welchem die
Eidgenossenschaft für Schwyz
Partei ergriff. Da schloß Zürich
einen
Bund mit
Kaiser
Friedrich
III., auf dessen Ansuchen der
Dauphin
Ludwig mit 30,000
Armagnaken (s. d.) in die S. einfiel, aber durch den heldenmütigen
Widerstand von 1200 Eidgenossen bei St.
Jakob
a. d.
Birs zum
Rückzug und zum
Frieden von
Ensisheim
bewogen wurde, dem später ein »ewiger
Freundschaftsvertrag«
folgte; Zürich
mußte sein
Bündnis mit
Österreich aufgeben, und der Schweizerbund wurde aufs neue befestigt.
Als Herzog Siegmund von Tirol vom Papst Pius II. mit dem Bann belegt wurde, erklärten ihm die Eidgenossen den Krieg, eroberten fast den ganzen österreichischen Thurgau (1460) und zwangen Siegmund im Waldshuter Frieden ihnen für eine Kriegskostensumme von 10,000 Guld. den Schwarzwald mit Waldshut zu verpfänden. Siegmund suchte sich von dieser Verpflichtung zuerst mit Hilfe Karls des Kühnen von Burgund zu befreien, schloß aber, als er in drückende Abhängigkeit von demselben geriet, unter Vermittelung Ludwigs XI. von Frankreich mit der S. die ewige Richtung, welchem Bündnis auch die elsässischen Reichsstädte beitraten.
Auf Siegmunds Antrieb erklärten die Eidgenossen 1475 Karl dem Kühnen den Krieg, schlugen 14. Nov. ein burgundisches Heer bei Héricourt, erfochten über Herzog Karl selbst die glänzenden Siege von Granson und Murten (22. Juni) und zogen dann dem Herzog von Lothringen zu Hilfe nach Nancy, [* 6] wo Karl Schlacht und Leben verlor. Mit seinem Erben Maximilian kam im Januar 1478 ein »ewiger Friede« zu stande. In demselben Jahr unternahmen die Eidgenossen einen Kriegszug gegen Mailand [* 7] und sicherten sich durch den Sieg bei Giornico den Besitz des schon in frühern Kämpfen (1403-40) erworbenen Livinenthals.
Begründung der staatlichen Selbständigkeit.
Seit den Burgunderkriegen, in welchen die Eidgenossen reiche Beute und Kriegsruhm gewonnen hatten, wurde die S. der große »Menschenmarkt«, auf welchem die Regenten Europas, besonders Frankreich, ihre Soldtruppen anwarben, nachdem sie durch Bestechung der Regierungen und der einflußreichen Männer die Erlaubnis sich ausgewirkt hatten. Das »Reislaufen« wurde ein gewöhnlicher Erwerbszweig der Schweizer und förderte durch das hereinströmende Geld Wohlstand und Kultur, hatte aber infolge der Käuflichkeit der Großen und der Massen sowie der Verwilderung der Söldner den verderblichsten Einfluß auf das Volksleben.
Auch den innern
Frieden zerstörte es. Die
»Länder« waren auf die
»Städte« eifersüchtig, die den größten Vorteil von den
Soldverträgen und der Kriegsbeute zogen, ihre Gebiete erweiterten und immer mehr die Leitung der
Eidgenossenschaft
an sich rissen. Als daher
Berns alte Verbündete, Freiburg
[* 8] und Solothurn,
[* 9] um
Aufnahme in den
Bund nachsuchten, wurden sie von den
Ländern hartnäckig
zurückgewiesen, worauf die
Städte mit denselben ein »ewiges
Burgrecht« schlossen
einen
Sonderbund, dem die
Länder mit Aufwiegelung der
Unterthanen
Luzerns antworteten.
Nach langen Verhandlungen, auf welche der fromme Einsiedler Niklaus von der Flüe einen hervorragenden Einfluß ausgeübt haben soll, wurde auf einer Tagsatzung zu Stans der Sonderbund der Städte aufgelöst, Freiburg und Solothurn in den Ewigen Bund aufgenommen und das sogen. Stanser Verkommnis vereinbart, der wichtigste Bundesvertrag der alten S., der Bestimmungen zum Schutz des Landfriedens und der obrigkeitlichen Gewalt traf sowie die Verteilung der Kriegsbeute nach der Anzahl der Mannschaft und der Eroberungen nach den Orten festsetzte.
Das Band, [* 10] welches die S. mit dem Deutschen Reich verknüpfte, lockerte sich immer mehr, zumal der alte Haß gegen die Habsburger sich auf die deutsche Kaiserkrone übertrug, deren Träger [* 11] jene waren. Die Einladung zum Eintritt in den Schwäbischen Bund lehnten die Eidgenossen ebenso ab wie die Aufforderung, zum Reichskammergericht und zum Gemeinen Pfennig beizutragen. Als dennoch das Kammergericht eine Klage gegen die Stadt St. Gallen annahm, sie verurteilte und, als sie Gehorsam verweigerte, mit der Reichsacht belegte, ergriff Kaiser Maximilian, über die Widersetzlichkeit der Schweizer und ihren Bund mit Frankreich längst erbittert, die Gelegenheit zu einem Kriege gegen die Eidgenossenschaft, die sich inzwischen durch den Beitritt der rätischen Bünde vergrößert hatte; derselbe begann mit der Besetzung des bündnerischen Münsterthals durch die Tiroler (Januar 1499). Aber in allen Gefechten zeigte sich die Unfähigkeit des deutschen Reichskriegswesens gegenüber den kampfgeübten Schweizerscharen. Im Heer des Schwäbischen Bundes, das unvollständig und schlecht bewaffnet zusammenkam, herrschten Zwietracht und Unlust am Kampf, welche Maximilian selbst nicht zu überwinden vermochte.
Wiederholt wurden die Deutschen besiegt, das Gebiet um den Bodensee verwüstet und endlich ein größeres Reichsheer unter dem Grafen von Fürstenberg von den Schweizern bei Dorneck a. d. Birs überfallen und vernichtet. Da gab Maximilian den Kampf auf und schloß unter Vermittelung Lodovico Moros von Mailand den Frieden von Basel, [* 12] welcher die S. von den Reichssteuern und dem Kammergericht lossprach. Als »Verwandte« gehörten die Eidgenossen zwar noch bis zum Westfälischen Frieden zum Deutschen Reich, thatsächlich aber waren sie fortan unabhängig.
Einen hervorragenden Anteil nahmen die Schweizer an den Kämpfen in Italien. [* 13] Mit ihrer Hilfe eroberte Karl VIII. 1494 vorübergehend Neapel [* 14] und gewann Ludwig XII. 1500 Mailand, nachdem Lodovico Moro von seinen ebenfalls aus Eidgenossen bestehenden Söldnern verlassen und verraten worden war. Papst Julius II. wußte sie jedoch durch den Bischof von Sitten, Kardinal Schinner, für seinen ¶
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Plan, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, zu gewinnen. Als Verbündete des Papstes führten sie Moros Sohn Maximilian Sforza 1512 in
sein Herzogtum zurück und verjagten die Franzosen durch den Sieg bei Novara aus Italien, während sie für sich
selbst zu den schon 1508 von Ludwig XII. erhaltenen Vogteien Bellinzona, Pollenza und Riviera noch Lugano,
Mendrisio, Locarno, Salmaggia, Bormio, Veltlin und Chiavenna gewannen. Ludwigs XII. Nachfolger, Franz I., besiegte jedoch die Schweizer
in der zweitägigen »Riesenschlacht« bei Marignano (13./14. Sept. 1515) und gewährte ihnen einen »ewigen
Frieden«
in welchem sie gegen eine Kriegsentschädigung von 700,000 Kronen
[* 16] auf weitere Einmischung in Italien verzichteten.
Ein Bündnis, welches die Eidgenossenschaft (außer Zürich)
1521 mit Frankreich schloß, gestattete diesem gegen Gewährung von Jahrgeldern,
Handelsfreiheiten und andern Vorteilen, bis zu 16,000 Mann Söldner in der S. anzuwerben. Damit stellten sich die Eidgenossen
ganz in den Dienst des französischen Hofs und verzichteten auf eine selbständige Rolle in der europäischen
Politik.
Nachdem 1501 Basel und Schaffhausen [* 17] als neue Mitglieder dem Bund beigetreten und Appenzell aus einem bloß »zugewandten« Ort zu einem vollberechtigten Bundesglied erhoben worden war, blieb die schweizerische Eidgenossenschaft bis 1798 auf diese 13 Orte beschränkt. Daneben gab es 11 zugewandte Orte, welche teils regelmäßig Gesandte zur Tagsatzung schickten (Socii), wie der Abt von St. Gallen und die Städte St. Gallen, Biel, Mülhausen [* 18] und Rottweil [* 19] in Württemberg [* 20] (1463-1618), teils nur außerordentlicherweise zu derselben zugelassen wurden (Confoederati), wie Gersau, die drei rätischen Bünde, Wallis, Neuenburg, [* 21] das Stift Engelberg und der Bischof von Basel. Fast jeder Ort hatte sich durch Kauf oder Eroberung ein Unterthanengebiet erworben;
außerdem gab es auch Unterthanen mehrerer Orte, die von diesen als gemeine Herrschaften abwechselnd durch Vögte regiert wurden;
so gehörten 12 Orten Lugano, Locarno, Mendrisio und Val Maggia, 8, bez. 7 Baden, [* 22] die Freien Ämter, der Thurgau, Sargans, das Rheinthal, den drei Waldstätten Bellinzona, Pollenza und Riviera;
Schwyz und Glarus besaßen Gaster und Uznach, Bern [* 23] und Freiburg Schwarzenburg, Murten, Orbe, Grandson und Echallens gemeinsam.
Erst durch die Unterthanengebiete ward die S. zu einem geschlossenen geographischen Ganzen, und häufig bildeten die gemeinen Vogteien in den nun folgenden Zeiten religiöser Entzweiung das einzige, aber wirksame Band, das die Eidgenossenschaft noch zusammenhielt.
Die Reformationszeit.
In geistiger Beziehung blieb die S. auch nach dem Frieden von Basel mit Deutschland [* 24] verbunden, und gleichzeitig mit Luther begann Zwingli in Zürich seine reformatorische Thätigkeit. Dieselbe erstreckte sich nicht nur auf die kirchlichen, sondern auch auf die politischen Verhältnisse. Weil Zwingli besonders den Krebsschaden des Reislaufens durch Verbot beseitigen wollte, waren die fünf innern Kantone (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern [* 25] und Zug), deren wichtigste Erwerbsquelle der fremde Kriegsdienst und das Pensionen nehmen bildeten, um so weniger gewillt, seine kirchliche Reform anzunehmen, während sie in der äußern S. immer mehr Anklang fand. Durch die Disputation zu Bern (Januar 1528) wurde der Übertritt dieses mächtigen Ortes entschieden, Basel, Schaffhausen, St. Gallen folgten, und in Appenzell, Glarus und Graubünden wurde Glaubensfreiheit verkündet. Da die fünf katholischen Orte ihr numerisches Übergewicht in der Regierung der gemeinen Herrschaften rücksichtslos benutzten, um in denselben die Ausbreitung der Reformation zu verhindern, so plante Zwingli schon eine völlige Umgestaltung der Eidgenossenschaft, welche die Übermacht der kleinen Urkantone beseitigen und Zürich und Bern, die mit ihrem Gebiet zwei Drittel der eidgenössischen Macht bildeten, eine Art Hegemonie einräumen sollte.
Ein »christliches Burgrecht«, das Zürich mit Konstanz [* 26] schloß, wurde durch den Beitritt Berns, St. Gallens und Mülhausens zum reformierten Sonderbund erweitert, wogegen die fünf katholischen Orte ein Bündnis mit Ferdinand von Österreich eingingen Als die Schwyzer einen Züricher Pfarrer, der auf ihrem Gebiet die neue Lehre [* 27] verkündete, verbrannten, feuerte Zwingli die Züricher zum Krieg an; aber ihr Auszug scheiterte an der Kriegsunlust der Berner, so daß durch die Vermittelung von Glarus der erste Landfriede von Kappel zu stande kam, der das Bündnis der fünf Orte mit Ferdinand aufhob, gegenseitig Glaubensfreiheit zusicherte und in den gemeinen Herrschaften die Entscheidung in Religionssachen den Gemeinden überließ.
Als sich die fünf Orte aber der Züricher Auslegung des Landfriedens, daß auch in ihrem Gebiet die freie Predigt gestattet sein müsse, entschieden widersetzten und deswegen seitens der reformierten Orte eine Lebensmittelsperre über sie verhängt wurde, griffen die fünf Orte zu den Waffen [* 28] und rückten mit 6000 Mann gegen Kappel, wo ihnen der in Eile zusammengeraffte erste Auszug der Züricher erlag und Zwingli selbst fiel Eine zweite Niederlage der Reformierten bei Gubel (24. Okt.) erzeugte unter ihnen Zwietracht und eine solche Entmutigung, daß sie im zweiten Frieden von Kappel ihre Sonderbündnisse aufgaben.
Die katholischen Orte geboten jetzt der Weiterverbreitung der Reformation Stillstand; ja, sie ging zurück, und die S. zerfiel kirchlich in das zusammenhängende katholische Gebiet der fünf Orte mit Wallis, den freien Ämtern und den italienischen Vogteien, mit Freiburg und Solothurn als vorgeschobenen Posten, in die paritätischen Lande Glarus, Appenzell, Baden, Thurgau, St. Gallen, Rheinthal und Graubünden und in die reformierten Kantone Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen. Nur in der Westschweiz machte die Reformation noch größere Fortschritte.
Genf, [* 29] das, um seine Freiheit gegen den Herzog von Savoyen zu verteidigen, 1526 sich mit Bern und Freiburg verbündet hatte, wurde durch Farel der evangelischen Lehre gewonnen und, als hierauf der savoyische Adel die Stadt bedrängte, 1536 durch die Berner befreit, welche gleichzeitig Savoyen die Waadt sowie Gex, Genevois und Chablais entrissen; dadurch wurde Genf dauernd mit der Eidgenossenschaft verbunden. Nun begann Calvin dort seine welthistorische Wirksamkeit, durch die er Genf zum Mittelpunkt einer europäischen Religionsgemeinschaft erhob. Gegen den endgültigen Verzicht auf Waadt erhielt der Herzog von Savoyen im Vertrag von Lausanne [* 30] Gex, Genevois und Chablais zurück; alle Versuche Savoyens, im Bund mit den katholischen Orten sich Genfs wieder zu bemächtigen, waren aber vergeblich, auch der unter dem Namen »Escalade« bekannte Überrumpelungsversuch 12./22. Dez. 1602.
Mit rücksichtsloser Härte wurde sowohl von den reformierten als den katholischen Kantonen die Religionseinheit durchgeführt und die widerstrebenden ¶