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Weltverhältnissen hatte S. den Frieden von Werelä (14. Aug.) zu danken, in welchem es seinen Besitzstand vor dem Krieg behauptete. Gustav warf sich nun ganz in die Arme Rußlands, plante einen Kreuzzug für das französische Königshaus gegen die französische Revolution und gab für die Rüstungen [* 2] hierzu große Summen aus. Das Volk war hiermit höchst unzufrieden, und der Reichstag von Gefle lehnte Anfang 1792 alle Forderungen des Königs ab. Jetzt verschworen sich einige Edelleute zur Ermordung des Königs, der auch auf einer Hofmaskerade von Anckarström tödlich verwundet ward und 29. März starb.
Für den noch unmündigen König Gustav IV. Adolf (1792-1809) übernahm bis der Bestimmung Gustavs III. gemäß, dessen Bruder Karl von Södermanland die vormundschaftliche Regierung. Als Gustav IV. selbst die Regierung angetreten, schädigte er die Interessen seines Reichs im höchsten Grade durch seine unstete, launische Politik nach außen. Nachdem er sich 1800 eng an Rußland angeschlossen und durch seinen Beitritt zur bewaffneten Neutralität der nordischen Mächte England dazu gereizt hatte, Embargo auf alle schwedischen Schiffe [* 3] zu legen und die Insel St.-Barthélemy zu besetzen, verbündete er sich 1802 mit England und trat 1805 der dritten Koalition gegen Frankreich bei.
Obwohl er mit dem schwedisch-russischen Heer, mit dem er in Pommern [* 4] gelandet war, weder 1805 noch 1806 zu einer kriegerischen Aktion gelangte, so schloß er doch aus Haß gegen Napoleon auch nach der Versöhnung Rußlands und Frankreichs in Tilsit [* 5] keinen Frieden und wurde so das Opfer der Versöhnung. Napoleon bemächtigte sich Pommerns und gab Rußland die Erlaubnis, Finnland zu erobern. Als Gustav IV. 1808 die russische Forderung, dem Kontinentalsystem beizutreten und den englischen Schiffen die Häfen der Ostsee zu verschließen, ablehnte, rückte ein russisches Heer plötzlich und ohne Kriegserklärung in Finnland ein, brachte durch Verrat des schwedischen Admirals Cronstedt 6. April Sweaborg nebst der Schärenflotte in seine Gewalt und besetzte hierauf ganz Finnland.
Statt die Wiedereroberung dieses wichtigsten Besitzes zu versuchen, begann Gustav einen Krieg mit Dänemark [* 6] und schickte ein Heer zur Eroberung Norwegens aus, das unter großen Verlusten zum Rückzug gezwungen wurde. Den Beistand Englands verscherzte er, indem er die Ausschiffung des englischen Hilfskorps verbot, den Befehlshaber desselben verhaften und alle englischen Schiffe in schwedischen Häfen mit Beschlag belegen ließ. Währenddessen waren die Russen von den Alandsinseln nach S. selbst hinübergegangen, und das Volk verlangte stürmisch die Beendigung des unglücklichen Kriegs.
Statt dessen forderte Gustav immer neue Opfer und Anstrengungen und erbitterte das Heer, besonders die Garden, durch willkürliche Härte. Daher bildete sich unter den Offizieren eine Verschwörung, durch welche der König entthront und 29. März zu einer Entsagungsakte gezwungen wurde. Der am 1. Mai zusammentretende Reichstag erklärte Gustav IV. Adolf und seine leiblichen Erben der Krone für immer verlustig, proklamierte seinen Oheim als Karl XIII. zum König und änderte die Verfassung dahin, daß der König zwar die ausübende Gewalt behalten, die wichtigsten Angelegenheiten aber in einem der Nation verantwortlichen Staatsrat von neun Mitgliedern entschieden werden sollten. Der Friede mit Rußland kam in Frederikshamn zu stande und kostete S. ganz Finnland und Österbotten (300,000 qkm mit 900,000 Einw.). Mit Dänemark wurde der Friede zu Jonköping ^[richtig: Jönköping] [* 7] ohne Opfer hergestellt; Pommern erlangte S. 1810 von Frankreich zurück, mußte aber der Kontinentalsperre beitreten.
Da Karl XIII. kinderlos war, hatte der Reichstag 1809 den Prinzen Christian August von Augustenburg zum Thronfolger erkoren. Da der Prinz, der bei Bürgern und Bauern sehr beliebt, dem Adel verhaßt war, schon auf eine den Verdacht des Mordes erweckende Weise plötzlich starb, setzte der Adel auf dem Reichstag zu Örebro die Wahl des französischen Marschalls Bernadotte zum Thronfolger durch. Derselbe trat zur lutherischen Kirche über, ward von Karl XIII. adoptiert und zum Generalissimus ernannt und war fortan der eigentliche Regent Schwedens.
Doch hatte das weniger eine Annäherung an Frankreich als eine Entfremdung zur Folge. Zwar mußte S. auf Napoleons Verlangen im Dezember 1810 an England den Krieg erklären, doch wurde derselbe lau geführt und auch die Kontinentalsperre, um den Handel nicht völlig zu vernichten, nicht streng aufrecht erhalten. Napoleon verlangte darauf die Stellung von 2000 Matrosen, die Einführung des Tarifs von Trianon und die Anstellung französischer Zollbeamten in Gotenburg.
Aber Bernadotte, auf Napoleon eifersüchtig, lehnte dies ab, schloß mit England zu Örebro Frieden und mit Rußland ein Schutz- und Trutzbündnis in welchem dies versprach, S. zum Ersatz für Finnland zum Besitz Norwegens zu verhelfen. Aber erst im Sommer 1813 nahm S. gegen die Zahlung englischer Subsidien mit einem kleinen Heer unter der Führung des Kronprinzen am Kriege gegen Napoleon einen sehr zweideutigen Anteil (s. Deutscher Befreiungskrieg, S. 770). Nach der Schlacht bei Leipzig [* 8] wandte sich Bernadotte gegen Dänemark und zwang es im Kieler Frieden zur Abtretung Norwegens, wogegen S. auf Schwedisch-Pommern verzichtete.
Zwar widersetzten sich die Norweger dem Vollzug dieses Friedensschlusses, erklärten sich für unabhängig und wählten den bisherigen dänischen Statthalter, Prinzen Christian, zu ihrem König. Das schwedische Heer drang darauf in Norwegen [* 9] und die überlegene schwedische Flotte in den Meerbusen von Christiania [* 10] ein; die Hauptfestung Frederiksstad fiel, das schwedische Heer umging das norwegische und erzwang den Übergang über den Glommen. Der bald darauf erfolgte Vertrag zu Moß (14. Aug.) nötigte den Prinzen Christian zum Verzicht, und die in Christiania versammelten Stände riefen 4. Nov. Karl XIII. zu ihrem Erbkönig aus, der die von den Norwegern selbst entworfene Verfassung von Eidsvold beschwor und sich mit einer sehr lockern Union Schwedens und Norwegens begnügte. Daher war der Erwerb Norwegens nur ein Gewinn für die Dynastie, nicht für S. selbst, da die Norweger allen Versuchen, beide Reiche inniger zu verschmelzen, hartnäckigen Widerstand entgegensetzten.
Neueste Zeit.
Karl XIII. starb und ihm folgte Bernadotte als Karl XIV. Johann (1818-44). Derselbe widmete sich besonders der Pflege der materiellen Interessen durch Kultur wüster Strecken, Flußbettkorrektionen, Kanal- und Straßenbauten; von den hierfür bis 1837 verausgabten 24 Mill. Thlr. nahm der Götakanal den größten Teil in Anspruch. Trotzdem ferner für die Vermehrung der Land- und Seemacht manches geschah, wurde die auswärtige Schuld völlig getilgt, die innere vermindert und ein ¶
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jährlicher Einnahmeüberschuß von 700,000 Thlr. erzielt. Als die Wunden der Kriegszeiten vernarbt waren, regte sich auch in S. der Drang nach politischen Reformen, namentlich nach einer Umgestaltung der veralteten Verfassung, besonders des Reichstags, der, in vier schroff geschiedene Stände, unter denen Adel und Geistlichkeit das Übergewicht behaupteten, geteilt, mit seiner umständlichen Geschäftsordnung ein Hemmschuh für jede freiere Entwickelung war; jedes über 24 Jahre alte adlige Familienhaupt war auf dem Reichstag stimmberechtigt, während der gebildete Mittelstand so gut wie gar nicht vertreten war.
Der Reichstag von 1840 arbeitete zwar eine Verfassungsreform aus, die aber bei der Abneigung des Königs und der bevorzugten Stände gegen eine solche nicht zur Ausführung gelangte; nur der Antrag, daß der Reichstag alle drei, nicht, wie bisher, alle fünf Jahre zusammentreten solle, wurde zum Beschluß erhoben. Unter Karls XIV. Johann Sohn Oskar I. (1844-59) rückte die Verfassungsreform auch nicht vorwärts. Die Beratungen des Ausschusses, den die Regierung nach dem fruchtlosen Verlauf des Reichstags von 1844 einsetzte, blieben ohne Ergebnis; nur die alten Erb- und Ehegesetze wurden aufgehoben und die Gewerbefreiheit erweitert. Da die Finanzen überdies nicht in bester Ordnung waren und zur Bestreitung der erheblich erhöhten Ausgaben neue Steuern oder Staatsanleihen in Aussicht gestellt wurden, so wuchs die Unzufriedenheit im Volk so sehr, daß es nach der Pariser Februarrevolution in Stockholm [* 12] sogar zu Unruhen kam.
Daher legte der König dem Reichstag eine neue Reichstagsordnung vor, welche der Ausschuß genehmigte, auf dem nächsten zur Beschlußnahme erst berechtigten Reichstag von 1850 die Geistlichkeit und der Ritterstand, schließlich auch der Bauernstand aber verwarfen; nur der Bürgerstand nahm sie, übrigens mit geringer Mehrheit, an. Damit ruhte die Verfassungsreform für längere Zeit. Der 1848 ausgebrochene Streit zwischen Deutschland [* 13] und Dänemark über Schleswig-Holstein [* 14] erregte in S. lebhafte Teilnahme, besonders unter der Jugend, in der im Gegensatz zu dem frühern Haß gegen Dänemark skandinavische Einheitsideen Anklang gefunden hatten. Es wurden auch vom Reichstag 2 Mill. Thlr. Banko zu Rüstungen bewilligt und ein enges Bündnis mit Dänemark abgeschlossen. S. schickte Truppen, um Fünen zu besetzen, und vermittelte den Waffenstillstand von Malmö [* 15] aber vom Kampf hielt es sich fern.
Auch während des Krimkriegs (1854-56) blieb es neutral, obwohl in der Bevölkerung [* 16] die Stimmung entschieden russenfeindlich war und man die Gelegenheit für die Wiedergewinnung Finnlands gekommen glaubte. Die Regierung rüstete auch und schloß mit den Westmächten ein Schutzbündnis, verlangte aber von diesen im Fall eines Einfalls in Finnland die Stellung von 100,000 Mann Hilfstruppen und die Zahlung von Subsidien, was abgelehnt wurde. Dennoch ging Rußland 1856 auf eine Grenzregulierung ein und verpflichtete sich auch im Pariser Frieden, die Alandsinseln nicht zu befestigen.
Nachdem König Oskar schon im September 1857 wegen dauernder Erkrankung die Regentschaft seinem Sohn Karl hatte übertragen müssen, starb er und sein Sohn folgte ihm nun als Karl XV. (1859-72). Derselbe brachte die öffentlichen Verhältnisse wieder in lebhaftern Fluß. Eine engere Union mit Norwegen zu stande zu bringen, vermochte der König freilich nicht, obwohl man sie in S. sehr wünschte, weil man von ihr eine Erhöhung der Macht und des Einflusses der vereinigten Reiche sowie eine Besserung der Handels- u. Rechtsverhältnisse erwartete; das norwegische Storthing lehnte alle dahin abzielenden Anträge hartnäckig ab und verlangte sogar die Abschaffung der Statthalterwürde, als der reinen Personalunion nicht entsprechend.
Dagegen gelang es, die Verfassungsreform durchzuführen. Nachdem die ländlichen Ortschaften und die Städte 1860 eine neue Gemeindeverfassung erhalten hatten, wurde im Januar 1863 dem Reichstag von der Regierung ein Entwurf vorgelegt, wonach der Reichstag fortan aus zwei Kammern bestehen und von diesen die Erste aus dem Großgrundbesitz hervorgehen, die Mitglieder der Zweiten alle drei Jahre vom Volk gewählt werden sollten; jedes Jahr vom 15. Jan. ab solle der neue Reichstag vier Monate tagen.
Der bisherigen Verfassung gemäß konnte erst der Reichstag von 1865 über den Vorschlag beschließen; derselbe wurde von allen Ständen, auch von der Ritterschaft, mit 361 gegen 274 Stimmen angenommen und veröffentlicht. Am fanden die ersten Wahlen nach dem neuen Gesetz statt, und trat der neugewählte Reichstag zum erstenmal zusammen. Wenn der König freilich gemeint hatte, daß derselbe seinen Lieblingswunsch, eine Heeresreform nach preußischem Muster, bewilligen werde, so hatte er sich getäuscht.
Die Zweite Kammer, in welcher Bürger und Bauern jetzt die Mehrheit hatten, war vor allem sparsam gesinnt und mehr auf Erweiterung der politischen Rechte als auf Vermehrung des schwedischen Einflusses in Europa [* 17] bedacht. Die Heeresreform wurde daher wiederholt vertagt, dann definitiv verworfen, dagegen die drückenden Religionsgesetze aufgehoben und die Gleichberechtigung der Dissidenten und Juden beschlossen. Man traute dem König kriegerische Absichten zu, die vom Volk nicht gebilligt wurden. Schon 1864 hatte Karl XV. mit Dänemark ein Bündnis gegen Preußen [* 18] schließen wollen, gegen das er eine Abneigung hegte, und er betrieb nach der Besiegung Dänemarks den Abschluß einer skandinavischen Union, um mit Unterstützung Frankreichs der Machtausbreitung Preußens [* 19] im Norden [* 20] einen Damm entgegenzusetzen. Der Ausbruch des Kriegs von 1870 erfüllte ihn daher mit Hoffnungen, die sein Verlauf allerdings bald vernichtete.
Karl XV. starb ohne männliche Leibeserben, und ihm folgte daher sein Bruder, der bisherige Herzog von Gotland, als Oskar II. Friedrich. Auch ihm gegenüber machte die Landmanns- (oder Bauern-) Partei, welche im Reichstag jetzt die Mehrheit hatte, ihre Sparsamkeitsgrundsätze rücksichtslos geltend, verwarf die Bewilligung der Kosten für die als veraltet bezeichnete Krönung, verminderte die Zivilliste und lehnte den von neuem vorgelegten Wehrgesetzentwurf ab; nur für Artilleriematerial und Kriegsschiffe wurden 1875 erhöhte Mittel bewilligt und eine Reorganisation der Flotte genehmigt.
Selbst ein Kompromißministerium, das de Geer 1875 bildete, konnte bei der Mehrheit der Zweiten Kammer nichts ausrichten, so daß der König 1880 den frühern Führer der Landmannspartei, Grafen Posse, an die Spitze des Ministeriums berief. Aber auch der Entwurf dieses Kabinetts, welcher mit der Reform des Heerwesens zugleich eine Umgestaltung des Steuer- und Zollwesens vorschlug, wurde 1883 vom Reichstag abgelehnt, und Posse erhielt daher seine Entlassung. Nachdem der Vorsitz im Ministerium mehrere Male gewechselt hatte, ging er 1884 auf den bisherigen Finanzminister Themptander über, welcher endlich 1885 das Wehrgesetz zur Annahme brachte, allerdings ¶