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42 Tage einberufen;
4) die Miliz von Gotland, die aber nicht außerhalb der Insel zu dienen braucht, und 5) die seit 1861 bestehenden freiwilligen Schützenvereine (1886: 8618 Mann stark). Der Formation nach besteht die Infanterie aus 2 Leibgarderegimentern, 2 Leibgrenadierregimentern, 2 Leibgrenadierbataillonen, 17 Infanterieregimentern und 4 Jägerbataillonen (jedes Regiment im Frieden zu 2 Bataillonen à 4 Kompanien, im Krieg zu 3 Bataillonen); die Kavallerie aus 1 Regiment berittener Leibgarde, 4 Husaren- und 2 Dragonerregimentern, 1 Jägerkorps zu Pferde, zusammen 47 Eskadrons.
Die Artillerie umfaßt 3 Regimenter von zusammen 30 Batterien (22 fahrende, 6 reitende, 2 Fußbatterien), dazu 6 Festungskompanien, eine Reserveartillerie von 9 Batterien, 1 Feuerwerkerkorps und 3 Batterien in Gotland. Ein Artillerieregiment wird in 5 Divisionen à 2 Batterien, eine Batterie in 3 Abteilungen zu je 2 Kanonen geteilt. Die Genietruppen bestehen aus 1 Pontonierbataillon, 1 Sappeurbataillon und 1 Feldtelegraphenkompanie. Endlich besteht 1 Trainbataillon.
Von diesen Truppen gehören die 3 Leibgarderegimenter (darunter das zu Pferde), 1 Jägerbataillon, 1 Husarenregiment, die 3 Artillerieregimenter, die Genie- und Traintruppen zu den angeworbenen, die übrigen zu den »eingeteilten« Truppen. Der Bestand der schwedischen Landmacht war 1888 an Linientruppen: 1732 Offiziere, 477 Beamte, 1510 Unteroffiziere, 1550 Spielleute, 33,020 Soldaten, zusammen 38,289 Mann mit 246 Kanonen und 6178 Pferden;
ferner an Reservetruppen (beväring): 156,288 Mann, in Summa 194,577 Mann.
Was die Seemacht betrifft, so geht damit seit 1860 eine zeitgemäße Reorganisation vor. Die Stärke derselben war 1888: 64 Dampfer von 27,350 Pferdekräften und 6 Segelschiffe mit zusammen 150 Kanonen und 4109 Mann. Darunter waren 5 Korvetten (61 Kanonen), 1 Fregatte (16 Kanonen), 15 Panzerkanonenboote, 16 Kanonenschaluppen und 18 Torpedofahrzeuge. Das Personal der schwedischen Flotte besteht seit der Reorganisation vom aus der »königlichen Flotte«, der »Reserve« und der »Seewehr« (sjöbeväring). Die königliche Flotte umfaßt 176 Offiziere (darunter 1 Vizeadmiral, 3 Konteradmirale, 6 Kommandeure). Die Reserve besteht zur Zeit aus 77 Offizieren, 81 Unteroffizieren und 9 Ingenieuren. Die Seewehr umfaßt ca. 50,000 Mann.
Seit dem Verkauf von St.-Barthélemy an Frankreich (1877) besitzt S. keine Kolonien.
[Wappen, Orden etc.]
Das Unionswappen ist ein vertikal in zwei Hälften geteilter Schild, von denen die linke, horizontal in zwei Teile geteilte Hälfte auf blauem Grunde die beiden schwedischen Wappen (s. unten), die rechte Hälfte aber auf rotem Grunde das norwegische Wappen, einen aufrecht stehenden, gekrönten goldenen Löwen, der mit den Vordertatzen die Hellebarde oder Streitaxt des heil. Olaf trägt, mit der goldenen Krone darüber, enthält. Der Schild wird gehalten von zwei aufrecht stehenden, gekrönten, züngelnden Löwen mit doppelten Schwänzen.
Das schwedische Reichswappen (s. Tafel »Wappen«) ist ein blauer, ebenfalls von zwei Löwen gehaltener Schild, quadriert durch ein schmales gelbes Kreuz; in den Feldern oben zur Linken und unten zur Rechten ist das schwedische Wappen (drei Kronen) und in den beiden andern das gotische (ein über drei weiße Ströme springender Löwe) angebracht; der Herzschild hat die Wappen der Häuser Wasa und Pontecorvo. Die Landesfarben sind Blau und Gelb. Die Flagge (s. Tafel »Flaggen«) ist blau, durch ein stehendes gelbes Kreuz in vier Quadrate geteilt; auf dem obern innern Quadrat aber befindet sich seit der Vereinigung mit Norwegen das Unionszeichen, bis 1844 aus einem schiefen weißen Kreuz in rotem Feld bestehend, seitdem aber aus einem rechtwinkeligen Kreuz, dessen senkrechter Strich blau mit weißen Rändern, der horizontale aber gelb ist; die vier dadurch gebildeten Felder werden durch diagonale Linien in acht abwechselnd blaue und rote Dreiecke geteilt. S. hat fünf Ritterorden: den Seraphinen- (gestiftet 1285, erneuert 1748), Schwert-, Nordstern- (beide 1748 gestiftet), Wasaorden (seit 1772, s. Tafel »Orden«, Fig. 17) und den Orden Karls XIII. (seit 1811);
letzterer wird nur dem höchsten Grade des Freimaurerordens erteilt.
[Geographische Litteratur.]
Tuneld, Geographie öfver konungariket Sverige (Stockh. 1827-33, 5 Bde.);
Dahlmann, Inledning till Sveriges physikalska geographie (das. 1857);
Hofberg, Illustrerad Sverige (das. 1875);
Agardh und Ljungberg, Statsökonomisk statistik öfver Sverige (Karlstad 1852-62, 4 Bde.);
Thomée, Statistik (Stockh. 1859-61);
Törnebohm, Geognosie der schwedischen Hochgebirge (das. 1873);
Almquist, La Suède, ses progrès sociaux etc. (das. 1879);
Jonas, S. und seine Entwickelung (Berl. 1875);
Sidenbladh, Royaume de Suède, exposé statistique (Stockh. 1878);
Rosenberg, Geografiskt-statistiskt handlexicon öfver Sverige (das. 1882-1883, 2 Bde.);
Aschehoug, Staatsrecht der vereinigten Königreiche S. und Norwegen (Freiburg 1887);
Dahl, Der Handelsverkehr Schwedens mit dem Ausland 1829-79 (Stockh. 1884).
Eine Hauptquelle für die Kenntnis Schwedens ist die vom statistischen Zentralbüreau seit 1862 herausgegebene Zeitschrift »Statistisk Tidsskrift«; als besonderes Heft erscheint »Sveriges officiela statistik i sammandrag«; deutsche Reisehandbücher von Nielsen (5. Aufl., Leipz. 1887), Bädeker (3. Aufl., das. 1885). Kartenwerke: Eine topographische Karte in 1:100,000 wird seit 1859 publiziert, für die Läns teilweise auch in 1:200,000 (seit 1874), doch beziehen sich dieselben nur auf Südschweden;
ferner M. Roth, Geografisk Atlas öfver Sverige (1:400,000, seit 1878);
»Generalkarta öfver Sverige« (1:1,000,000, 3 Blatt, seit 1870);
»Geologische Übersichtskarten« von Angelin (über Schonen, 1861-68) und Olbers (über Westschweden, 1858-67);
Forsell, Geognostisk karta öfver södra Sverige (1863, 18 Blatt).
Geschichte.
Schweden unter einheimischen Königen im Mittelalter.
Die älteste Geschichte Schwedens ist dunkel und sagenhaft. Die Urbevölkerung, finnische Stämme, wurde von kriegerischen germanischen Stämmen nach und nach in die unwirtbaren Gegenden des Nordens verdrängt. Die Einwanderer im Süden, in Schonen und Gotland, gehörten dem gotischen Volk an, während die am Mälarsee seßhaften und von da über das nördliche und südliche Küstenland verbreiteten Svea (Schweden) hießen. Beide Stämme hatten als Mittelpunkt ihres Königtums und ihrer Religion ein gemeinsames Heiligtum in Sigtuna am Mälarsee, dann in Upsala. Unter dem Oberkönig, aus dem Geschlecht der Ynglinger, der zugleich Oberpriester war und in der Volksgemeinde (alljärharthing) zu Upsala den Vorsitz hatte, standen Gaukönige an der Spitze der Fylken (Stämme), welche die Macht desselben immer mehr einschränkten. Wilde Kämpfe
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erfüllten daher die ersten Jahrhunderte der schwedischen Geschichte. Um 600 n. Chr. versuchte Ingiald Ildrade, sich zum alleinigen König über das ganze Land zu erheben; doch fanden er und sein ganzes Geschlecht dabei den Untergang. Hierauf war Ivar Widfadme zum König erwählt; sein Geschlecht erlosch schon mit seinem Tochtersohn, dem gewaltigen Krieger Harald Hildetand, der in der berühmten Schlacht auf der Heide von Bråvalla in Ostgotland (um 740) gegen seinen Brudersohn Sigurd Ring fiel.
Sigurd gründete eine neue Dynastie, welche nach und nach zur Alleinherrschaft über ganz S. gelangte, und unter welcher die Schweden ebenso wie die Dänen und Norweger Eroberungszüge in die Nachbarlande unternahmen; Sigurds Nachfolger, Ragnar Lodbrok und Björn Jernsida (Eisenseite), waren berühmte Wikinger. Anderseits faßte seit dem 9. Jahrh. das Christentum in S. Fuß. König Björn der Alte (gestorben um 935) und sein Sohn Erich der Siegreiche hielten zwar noch fest am alten Glauben.
Aber der Sohn Erichs (der um 1000 starb), Olaf Schoßkönig, trat zum Christentum über, das jedoch nur im Süden, in Gotland, zur Herrschaft gelangte, während Svealand dem Heidentum treu blieb. Als daher mit Olafs zweitem Sohn, Edmund Gammal (dem Alten), 1061 das Königsgeschlecht ausstarb, brach zwischen Goten und Schweden ein Krieg aus, der sowohl unter dem Geschlecht Stenkils (1061-1129) als auch besonders unter den beiden nun auftretenden feindlichen Dynastien, der gotischen Sverkers und der schwedischen Erichs des Heiligen (1133 bis 1250), 200 Jahre dauerte, und in dem nicht nur die Kriegsgeschlechter sich aufrieben, sondern auch der Wohlstand des Volkes zerrüttet wurde. Ein kriegerischer Adel kam empor, der, steuerfrei und im Besitz eignen Gerichtsstandes und andrer Vorrechte, sich der obersten Gewalt bemächtigte, die er später nur mit dem Klerus teilte, und die königliche Gewalt zu einem Schatten herabminderte.
Nachdem Stenkil das Christentum begünstigt und sein Sohn Inge den Göttertempel zu Upsala hatte verbrennen lassen, verhalf Erich IX. oder der Heilige dem Christentum in S. zum Sieg; derselbe unterwarf und bekehrte auch einen Teil Finnlands, wurde aber von einem Kronprätendenten, dem dänischen Prinzen Magnus Henrikson, gefangen und enthauptet. Unter seinem Nachfolger Karl VII., dem Sohn Sverkers, welcher den Titel »König der Schweden und Goten« annahm, ward 1163 das Erzbistum Upsala errichtet. 1167 kehrte Knut, Erichs des Heiligen Sohn, aus Norwegen, wohin er sich geflüchtet hatte, mit Heeresmacht zurück, besiegte und tötete mit Hilfe der Upländer 1168 auf Wisingsö den König Karl und regierte bis an seinen Tod 1195, worauf Sverker II., Karls Sohn, zur Herrschaft gelangte.
Derselbe ward jedoch von Knuts Sohn Erich X. 1208 bei Leva besiegt und in der zweiten Schlacht bei Gestilren 1210 getötet. Erich ließ sich darauf vom Erzbischof krönen, wodurch die Macht und das Ansehen der Geistlichkeit zu einer Höhe stiegen, die nachher den Königen äußerst gefährlich wurde, besonders nachdem auf der Kirchenversammlung zu Skenninge (1248) das Cölibat eingeführt und den Geistlichen verboten worden war, dem König den Eid der Treue zu schwören, wodurch sie allein vom Papst abhängig wurden.
Das Geschlecht Sverkers war schon 1222 mit Johann ausgestorben, der letzte König aus dem Erichschen Stamm war Erich XI. Unter ihm war Birger, »Jarl der Schweden und Goten«, aus dem Geschlecht der Folkunger, der eigentliche Regent Schwedens und blieb es als Dux Sueciae auch nach Erichs Tod (1250), als die schwedischen Großen seinen noch unmündigen Sohn Waldemar, den ersten Folkunger, zum König wählten, bis zu seinem Tod 1266. Er besiegte die aufrührerischen Folkunger, seine eignen Verwandten, durch Verrat und ließ eine große Anzahl derselben hinrichten, stiftete einen allgemeinen Land- und Kirchenfrieden, hob durch Handelsverbindungen mit der Hansa den Wohlstand in S. und gründete 1255 Stockholm, fügte aber dem Land großen Schaden zu, indem er seinen drei jüngern Söhnen Herzogtümer verlieh und dadurch den Grund zur Uneinigkeit unter den Brüdern legte. 1275 empörte sich einer derselben, Herzog Magnus von Södermanland, gegen Waldemar, der besiegt und bis an seinen Tod (1302) auf dem Schloß zu Nyköping gefangen gehalten wurde.
Magnus I. wurde 1249 zu Upsala gekrönt und erwarb sich durch eine gute Regierung große Verdienste um das Land. Er schützte die Bauern vor dem gewaltsamen »Gasten« der Edelleute, weshalb er den Ehrennamen Ladulas, d. h. Scheunenschloß, erhielt, unterdrückte 1280 die Folkunger, worunter man alle Adelsverbindungen zu gegenseitiger Waffenhilfe verstand, suchte aber auch den Adel durch Erteilung von Vorrechten und Erweckung des ritterlichen Ehrgefühls an den königlichen Dienst zu knüpfen und begünstigte die Kirche. Bei seinem Tod teilte er seinen jüngern Söhnen Erich und Waldemar Herzogtümer zu, während er dem ältesten, aber noch unmündigen Sohn, König Birger II., den Marschall Torkel Knutsson als Vormund bestellte.
Derselbe regierte vortrefflich und blieb auch, als Birger 1303 selbst die Herrschaft antrat, sein Ratgeber, wurde aber, als die Brüder des Königs einen Aufruhr anstifteten, diesen als Preis der Versöhnung geopfert und zu Stockholm hingerichtet. Dennoch wurde Birger acht Monate später von seinen Brüdern bei Håtuna am Mälar verräterisch überfallen, gefangen und 1310 zur Teilung des Reichs gezwungen. Er rächte sich, indem er seine Brüder, die Weihnachten 1317 im Schloß zu Nyköping bei ihm zu Gaste waren, verhaften und in einem unterirdischen Gefängnis in Eisen schmieden ließ, wo sie den Hungertod starben.
Unter Führung des tapfern Mats Kettilmundsson empörte sich das ganze Volk, vertrieb Birger, der 1321 in Dänemark starb, und dessen Sohn Magnus 1320 hingerichtet wurde, und rief Erichs Sohn Magnus II. 1319 am Mornstein bei Upsala zum König aus, der 1333 selbst die Regierung antrat. Er erbte von seinem mütterlichen Großvater Hakon Norwegen, das er seinem jüngern Sohn, Hakon, 1350 abtrat, und gewann Schonen, Halland und Blekinge, bedrückte aber das Volk mit Steuern und duldete die Gewaltthaten der Großen, so daß 1350 sein ältester Sohn, Erich XII., vom Volk auf den Thron erhoben wurde und er ihm einen Teil des Reichs abtreten mußte.
Nach Erichs frühem Tod (1359) erlangte Magnus wieder die Alleinherrschaft, geriet aber in Streit mit den Großen, trat an Dänemark 1360 Schonen, Blekinge und Gotland gegen das Versprechen bewaffneter Hilfe ab, wurde aber dennoch von den Großen abgesetzt, die seinen Schwestersohn, Albrecht von Mecklenburg, in Stockholm zum König wählten. Magnus wurde 1365 in der Schlacht bei Enköping gefangen und erhielt erst 1371 gegen den Verzicht auf die schwedische Krone seine Freiheit wieder; er ertrank 1374 in der Nähe von Bergen in Norwegen, und mit ihm erlosch das Geschlecht der Folkunger in S.
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Schweden ein Teil der Skandinavischen Union.
Albrecht war nur dem Namen nach König und ganz von den Großen abhängig, die, als er 1386 einen Teil der Reichsgüter von ihnen zurückforderte, ihm sofort den Gehorsam aufkündigten und die schwedische Königskrone Margarete, der Witwe des Königs Hakon von Norwegen, die bereits Königin von Dänemark und Norwegen war, anboten. Albrecht wurde bei Axelwalde geschlagen und gefangen und mußte nach sechsjährigem harten Gefängnis auf die Krone Verzicht leisten.
Margarete wurde nun allgemein als Herrscherin anerkannt und ihr Thronfolger in Dänemark und Norwegen, ihr Großneffe Erich (XIII.) der Pommer, zu Kalmar als schwedischer Thronfolger gekrönt. Gleichzeitig wurde die Union von Kalmar abgeschlossen, welche die drei nordischen Reiche vereinigte. Doch ordnete sich S. nur ungern den Unionskönigen unter, u. schon 1434 kam es zu einem Aufstand der Dalekarlen unter Engelbrecht Engelbrechtsson gegen Erich XIII. (seit 1412), der zwei mächtigen Großen, Christian Wasa und Karl Knudson Bonda, die Gewalt übertragen mußte.
Letzterer wurde 1436 zum Reichsvorsteher gewählt und Engelbrecht ihm als Mitregent beigegeben, der jedoch kurz darauf von einem seiner Verwandten ermordet ward. Im September 1439 wurde Erich förmlich abgesetzt und sein Schwestersohn Christoph von Bayern, der bereits in Dänemark als König anerkannt war, auch vom schwedischen Reichstag zum König erwählt; doch lag die Gewalt ganz in der Hand Karl Knudsons. Christoph erwarb sich dadurch ein Verdienst, daß er dem schon unter Magnus Smek ausgearbeiteten Gesetzbuch 1442 allgemeine Annahme verschaffte, welches bis 1734 als »Gesetzbuch des Königs Christoph« gegolten hat.
Als er aber schon 1448 ohne Erben starb, wurde Karl Knudson von dem Volk und dem niedern Adel gegen den Willen der Geistlichkeit und des hohen Adels auf den schwedischen Königsthron erhoben sowie 1449 auch zum König von Norwegen gewählt und gekrönt; aber letzteres ging schon 1450 wieder verloren, und der neue dänische König, Christian I. von Oldenburg, brach 1452 mit einem Heer in S. ein, wo er an den mächtigsten Großen, vor allen dem Erzbischof von Upsala, Jöns Bengtsson Oxenstierna, Anhänger fand. Nach verheerendem Krieg floh Karl, vom Volk verlassen, nach Danzig, worauf Christian I. im Dom zu Upsala die Krone empfing und so die Kalmarische Union wiederhergestellt wurde. Doch war er nicht beliebt und behauptete sich nur durch die Eifersucht der Großen. Es gelang daher Karl Knudson, 1467 zum drittenmal den Thron zu besteigen, den er bis zu seinem Tod innehatte.
Vor seinem Ende übertrug Karl seinem Neffen Sten Sture die Regierung; derselbe wurde vom Volk auf dem Reichstag zu Arboga zum Reichsverweser gewählt und vertrieb durch den Sieg am Brunkeberg Christian I. aus S. Zwar erkannten die Geistlichkeit und ein Teil des Adels Christians I. Sohn Johann II. durch den Kalmarischen Rezeß als König an; doch behielt Sture, der sich auf die Bauern stützte und den Adel in Uneinigkeit zu erhalten wußte, bis zu seinem Tod die Herrschaft.
Ihm folgte sein Freund Svante Sture in der Würde eines Reichsvorstehers und wies die dänischen Oberhoheitsansprüche kraftvoll zurück. Sein Gehilfe in der Regierung war Hemming Gadd, ein gelehrter Geistlicher, aber zugleich tüchtiger Krieger und Staatsmann, der, von Lübeck unterstützt, Kalmar, Öland und Bornholm den Dänen entriß. Als Freunde und Verteidiger des Bürger- und Bauernstandes gegen die Härte des Adels und die Habgier und Herrschsucht der Geistlichkeit erwarben sich die Stures so sehr die Anhänglichkeit des Volkes, daß nach Svantes plötzlichem Tod sein einziger Sohn, Sten Sture der jüngere, gegen den Willen des hohen Adels zu seinem Nachfolger als Reichsverweser ernannt wurde.
Dagegen bemühte sich der unversöhnliche Feind der Stures, Erzbischof Gustav Trolle von Upsala, den Dänenkönig Christian II. auf den Thron zu erheben. Bei einem ersten Landungsversuch wurde Christian bei Brännkyrka geschlagen, siegte aber bei einem zweiten Einfall in S. über den Reichsverweser in der Schlacht auf dem Eis des Sees Asunden bei Bogesund in Westgotland; Sten Sture starb an seinen Wunden auf der Flucht nach Stockholm. Christian II. wurde auf einem Herrentag zu Upsala als König anerkannt, Stockholm von Sten Stures Witwe Christina Gyllenstjerna übergeben und der neue König 4. Nov. in der Kathedrale gekrönt.
Kaum war dies geschehen, so ließ Christian auf den Rat Dietrich Slaghöks, um seinen Thron durch blutigen Schrecken zu befestigen, alle ehemaligen Gegner der dänischen Herrschaft, Bischöfe, Edelleute und Bürger, verhaften und 8. Nov. auf dem Markt zu Stockholm hinrichten (Stockholmer Blutbad): 94 Häupter fielen am ersten Tag; in der nächsten Zeit starben in Stockholm und in den Provinzen noch viele am Galgen oder auf andre martervolle Weise; auch Hemming Gadd wurde enthauptet.
Diese Grausamkeit, welcher 600 Menschen im ganzen zum Opfer fielen, machte den Tyrannen so verhaßt, daß Gustav Wasa (s. Gustav 1), ein Schwestersohn des ältern Sten Sture, sich in Dalarne an die Spitze der freiheitliebenden Bewohner stellte und die Dänen von da vertrieb. Nachdem er 1521 in Wadstena zum Reichsvorsteher und 1523 in Strengnäs zum König erwählt worden war und das ganze Land erobert hatte, wurde 1524 durch den Malmöer Rezeß mit Dänemark die Kalmarische Union für immer gelöst.
Schweden unter dem Haus Wasa.
Der neue Herrscher Gustav I. Wasa war der Reformation geneigt und um so eher entschlossen, die katholische Hierarchie zu stürzen, als dieselbe wegen ihrer landesverräterischen Haltung die Erbitterung des Volkes erregt hatte. Er ließ die Bibel übersetzen und verbreiten und gestattete die lutherische Predigt, und nachdem ein von den Bischöfen erregter Aufstand unterdrückt worden, wurde im Juni 1527 auf dem Reichstag zu Westerås, zu dem auch Vertreter des Bürger- und Bauernstandes sowie der Bergleute zugezogen wurden, die Macht der katholischen Hierarchie gebrochen, die freie Predigt des Evangeliums gestattet und dem König die freie Verfügung über Klöster und Kirchengüter erteilt, aber auch dem Adel ein Anteil an denselben gewährt; hierdurch gewann das Königtum selbständige Einkünfte.
Mit Hilfe seines Kanzlers Olaus Petri führte nun Gustav die Reformation mit Schonung und ohne jegliche Gewaltthat ein. Allerdings hatte er gegen den Adel in Westgotland, gegen das von Nils Dacke irre geleitete Volk in Smaland, gegen Christian II., der, auch aus Dänemark vertrieben, von Norwegen aus seine verlornen Länder wiederzuerobern suchte, gegen die Lübecker, welche durch die ihnen bewilligte unbeschränkte Handelsfreiheit übermütig geworden waren, und gegen die Russen zu kämpfen. Aber Gustav überwand alle Schwierigkeiten, sammelte einen ansehnlichen Schatz,
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wahrte das königliche Recht auf die Regalien, regelte das Steuerwesen und gewann die Mittel zur Aufstellung einer ansehnlichen Landmacht und einer Kriegsflotte; Acker- und Bergbau, Handel und Gewerbe hoben sich in überraschender Weise. Daher erklärte der Reichstag von Westerås den Thron für erblich im Haus Wasa, und 1560 folgte auf Gustav I. ohne Widerspruch sein ältester Sohn, Erich XIV. (1560 bis 1568), während die jüngern Söhne Lehnsfürstentümer erhielten: Johann Finnland, Magnus Ostgotland, Karl Södermanland.
Doch Erich war verschwenderisch, argwöhnisch gegen seine Umgebung, namentlich seine Brüder, und gewaltthätig. Mit Dänemark führte er einen kostspieligen, aber nutzlosen Seekrieg. 1567 brach bei ihm die Geistesstörung offen aus, und 1568 wurde er von seinem Bruder Johann, den er aus Mißtrauen vier Jahre in Haft gehalten, gestürzt und in den Kerker geworfen, in dem er 1577 vergiftet wurde. Es folgte ihm Johann III. (1568-92), der die Jesuiten bei ihrem Bestreben, S. wieder für die römische Kirche zu gewinnen, begünstigte, ohne doch den Mut zum offenen Abfall von der Reformation zu besitzen, und durch Verschwendung und Günstlingswirtschaft sowie durch einen eigensinnig unternommenen und fortgesetzten Krieg gegen Rußland das Ansehen des Königtums schwächte.
Sein Sohn Siegmund (1592-99), der 1587 zum König von Polen gewählt worden und offen zum Katholizismus übergetreten war, mußte zwar vor seiner Krönung (1594) versprechen, die protestantische Kirche in S. zu schützen; da er jedoch sein Wort zu brechen suchte und den Adel übermäßig begünstigte, um an ihm eine Stütze zu haben, ward sein Oheim Karl von Södermanland, ein eifriger Protestant, 1595 in Söderköping zum Reichsverweser und, nachdem Siegmund, der den schwedischen Thron mit Waffengewalt wiedererobern wollte, bei Stångebro besiegt und 1599 abgesetzt worden, zum regierenden Erbfürsten und 1604 zum König ernannt.
Karl IX. (1604-11) befestigte die lutherische Kirche, schritt gegen den übermütig gewordenen Adel mit blutiger Strenge ein, förderte den Bergbau und Handel und gab auch den anfangs unglücklich geführten Kriegen gegen Rußland, Polen und Dänemark eine günstigere Wendung, starb aber schon 1611. Ihm folgte sein Sohn Gustav II. Adolf (1611-32). Derselbe versöhnte den Adel mit der Krone, indem er durch die »Ritterhausordnung« von 1626 die Ritterschaft, nach drei Ordnungen geteilt, als ersten Stand dem niedern Adel sowie dem Bürger- und Bauernstand überordnete, vermehrte 1617 durch eine neue Reichsordnung die Mitwirkung der Stände an der Reichsverwaltung, wahrte aber gleichzeitig der Krone die Initiative und die Entscheidung über die Beschlüsse der getrennt beratenden Stände.
Der Adel nahm dafür einen Teil der Kriegssteuern auf sich und diente fortan dem König im Krieg und Frieden mit Aufgebot aller Kräfte. Das Vertrauen des Volkes erwarb sich Gustav Adolf, indem er die Verwaltung neu organisierte, ein tüchtiges, unterrichtetes Beamtentum schuf, die Rechtspflege durch eine neue Gerichtsorganisation und Prozeßordnung verbesserte, ein neues Stadtrecht gab, Kirchen- und Schulwesen, Handel und Schiffahrt hob und den Bergbau in Aufschwung brachte.
Mit dem Heer, das er durch ein Konskriptionssystem meist aus Landeskindern gebildet hatte, und das von schwedischen Edelleuten geführt wurde, und mit einer starken Kriegsflotte beendete er zunächst den Krieg mit Dänemark durch den Frieden von Knäröd (Januar 1613), durch den er Kalmar, Öland und Elfsborg zurückerhielt. Den Krieg mit Rußland führte er so erfolgreich, daß S. im Frieden von Stolbowa (Februar 1617) Karelien und Ingermanland erwarb. Im Krieg mit Polen erlangte S. im Waffenstillstand von 1629 den Besitz von Esthland, Livland und Kurland, von denen es im Frieden von Stuhmsdorf (1635) Kurland wieder abtrat.
Gustav Adolf hatte damit den Grund zu einer schwedischen Großmacht gelegt, welche die Ostsee beherrschte, und nahm, um diese zu behaupten und zu vermehren, ferner um die Herrschaft seiner Dynastie gegen einen Versuch der polnischen Wasas, mit Hilfe des übermächtigen Katholizismus auf den Thron von S. zu gelangen, zu sichern, 1630 mit Zustimmung des Reichstags den Kampf gegen das katholische Habsburg in Deutschland aus. Seine unerwarteten Erfolge erweckten in ihm den Gedanken, auch die deutschen Ostseeküsten zu erwerben und die evangelischen Stände des Deutschen Reichs zu einem Bund unter schwedischer Hegemonie zu vereinigen. Sein Heldentod bei Lützen machte letzterm Plan allerdings ein Ende.
Aber auch unter seiner Nachfolgerin, der fünfjährigen Christine (1632-54), wurde durch Oxenstiernas weise Leitung der auswärtigen Politik und die Tüchtigkeit der schwedischen Feldherren und Truppen das schwedische Machtinteresse gewahrt. Im Innern freilich begünstigten die vom Reichstag eingesetzte vormundschaftliche Regierung (bis 1644), die neue Verfassung vom und der durch Christinens Freigebigkeit und die Kriegskosten notwendig gewordene Verkauf der Domänen, der nur an Edelleute erfolgen durfte, das Emporkommen des Adels.
Torstenssons Siege vergrößerten im Frieden von Brömsebro (1645) S. auf Dänemarks Kosten durch Jemtland u. Herjeådalen, die Inseln Gotland und Ösel, sowie Halland (auf 30 Jahre) und befreiten die schwedischen Schiffe von dem Sundzoll. Der Westfälische Friede aber verschaffte S. 1648 Vorpommern und Rügen mit den Odermündungen, Wismar, die Stifter Bremen und Verden mit den Mündungen der Elbe und Weser, die deutsche Reichsstandschaft und das Recht der Garantie des Westfälischen Friedens. S. wurde hierdurch der Beherrscher der Ostsee und neben Frankreich der mächtigste Militärstaat Europas. Der Dreißigjährige Krieg hatte die allerdings noch geringe Bevölkerung (kaum 2 Mill.) wenig geschwächt, die ungeheure aus Deutschland fortgeschleppte Beute den Adel außerordentlich bereichert, freilich auch Eigennutz und Habgier in ihm erweckt, so daß der sittliche Schwung, den Gustav Adolf der Nation eingeflößt, bald wieder verloren ging.
Die Regierung der Könige aus dem Haus Pfalz-Zweibrücken.
Nachdem Christine im Juni 1654 die Krone zu gunsten ihres Vetters Karl X. Gustav (1654-60), Pfalzgrafen von Zweibrücken, niedergelegt hatte, verwickelte dieser das Land 1655 zunächst in einen Krieg mit Polen, dessen König aus dem Haus Wasa, Johann Kasimir, Karls X. Thronbesteigung nicht anerkennen wollte, drang tief in Polen ein, siegte 28.-30. Juli 1656 im Bund mit Brandenburg über das polnische Heer bei Warschau, ward dann aber auch von Rußland und Dänemark angegriffen. Letzteres zwang er durch den kühnen und denkwürdigen Zug über das Eis der Belte 1658 zum Frieden von Roeskilde, in welchem S. Schonen, Halland, Blekinge, Bohuslän und Trondhjemlän sowie die Inseln Hven und Bornholm erwarb, womit es in den vollen Besitz seines Kontinents gelangte. Während des von
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neuem ausgebrochenen Kriegs starb Karl X. und die darauf für seinen unmündigen Sohn Karl XI. (1660-97) eingesetzte vormundschaftliche Regierung schloß mit Polen den Frieden von Oliva, in welchem der König von Polen seine Ansprüche auf die schwedische Krone aufgab, mit Dänemark 26. Juni den Frieden von Kopenhagen, in welchem Drontheim und Bornholm an Dänemark zurückgegeben wurden, und mit Rußland 1661 den Frieden von Kardis, welcher den Frieden von Stolbowa bestätigte.
Die vormundschaftliche Regierung, an deren Spitze zwar die verwitwete Königin, Hedwig Eleonore von Holstein-Gottorp, stand, in welcher aber der Reichskanzler Graf Magnus de la Gardie und der Reichsdrost Graf Per Brahe den herrschenden Einfluß besaßen, verwaltete das Reich durchaus eigennützig: die Mitglieder suchten sich und dem Adel, dessen Macht und Übermut immer mehr stiegen, soviel wie möglich von den Einkünften des Reichs zuzuwenden und alle Abgaben von sich ab auf die nichtadligen Stände zu wälzen;
die Finanzen gerieten in größte Unordnung;
das Kriegsheer, die Flotte und die Festungen verfielen.
Die auswärtige Politik hing ganz von den Subsidien und Geschenken ab, welche die fremden Mächte zahlten, und nach einigen Schwankungen, nachdem S. 1668 mit England und den Niederlanden die Tripelallianz gegen Ludwig XIV. abgeschlossen, trat die Regentschaft ganz in den Sold Frankreichs, auf dessen Verlangen S. 1674 einen ganz unberechtigten Angriff auf Brandenburg unternahm und dadurch zur Teilnahme an dem großen Krieg auf seiten Frankreichs fortgerissen wurde. Im Kampf mit Brandenburg und Dänemark (1675-79) traten die Schäden und Mängel des Staatswesens, welche die Unfähigkeit und die Selbstsucht der Regentschaft verschuldet hatten, in so erschreckender Weise hervor, daß die schwedische Armee und Flotte Niederlage auf Niederlage erlitt, S. seinen Kriegsruhm verlor und vor empfindlichen Gebietsverlusten bei den Friedensschlüssen von St.-Germain und Fontainebleau auf beschämende Art nur durch seinen mächtigen Verbündeten bewahrt wurde. In jenen Tagen des Unglücks und der Demütigung reifte in dem jungen König, der 1672 die Regierung selbst angetreten hatte, der Entschluß, der aristokratischen Mißwirtschaft, welche S. an den Rand des Verderbens gebracht hatte, ein Ende zu machen und das Staatswesen auf starken und gesunden Grundlagen wieder aufzurichten.
Indem er sich von den Welthändeln möglichst zurückzog, widmete er seine ganze Kraft der innern Verwaltung, wobei ihn der tüchtige Minister Gyllenstjerna unterstützte. Nachdem ihm die Reichstage von 1680 und 1682 fast unbeschränkte Macht erteilt hatten, forderte er die Vormünder zur Rechenschaft über ihre Verwaltung vor und zog durch die Reduktion, welche Claes Fleming leitete, die der Krone abhanden gekommenen Güter mit rücksichtsloser Strenge wieder ein, wodurch die Krone 3 Mill. Rthlr. jährliche Rente gewann, alle Lehnsgrafschaften und Baronien verschwanden und die Macht des Adels einen schweren Stoß erlitt.
Auch führte Karl 1683 die militärische Einrichtung der »Indelta« ein. Die Flotte wurde in guten Stand gesetzt und der Kriegshafen Karlskrona angelegt. Dabei bezahlte Karl 29 Mill. Rthlr. Reichsschulden, verminderte außerdem durch eine gewaltsame Zinsreduktion und Anrechnung der gezahlten Zinsen den Rest der Staatsschuld auf die Hälfte und hinterließ dennoch einen Staatsschatz von 8 Mill. Angesichts dieser Erfolge erkannte der Reichstag von 1693 ausdrücklich die absolute Herrschergewalt des Königs an, der den Reichstag zu berufen und zu befragen nicht verpflichtet sei.
Als nach Karls XI. Tod sein erst 15jähriger Sohn Karl XII. (1697-1718), der aber schon im November 1697 von den Reichsständen für volljährig erklärt wurde, den Thron bestieg, glaubten die auf Schwedens Macht neidischen Nachbarn, Rußland, Polen und Dänemark, die Zeit gekommen, es seiner wichtigsten auswärtigen Provinzen zu berauben, und schlossen 1699 eine Koalition gegen S. Mit dem Angriff auf Kopenhagen, mit dem Karl XII. seinen Feinden zuvorkam, begann der Nordische Krieg (s. d.), welcher Schwedens Macht stürzen sollte.
Der Krieg begann glücklich für S., sowohl gegen Dänemark als gegen Rußland und Polen, und gab den schwedischen Waffen ihren bei Fehrbellin verlornen Ruf wieder, strengte aber die finanziellen und militärischen Kräfte der Nation übermäßig an. Von 1700 bis zur unglücklichen Schlacht bei Poltawa stellte S. 400,000 Mann ins Feld, und auch nach dieser Katastrophe vermochte es noch eine trefflich organisierte Armee von 70,000 Mann aufzubringen, da die dem schwedischen Nationalcharakter eigne Ausdauer und Treue das Volk zu so gewaltigen Anstrengungen fähig und geneigt machte.
Aber der Starrsinn des Königs, der 1709-14 hartnäckig in der Türkei blieb, um diese zum Kriege gegen Rußland zu zwingen, während von allen Seiten feindliche Heere über die schwedischen Lande hereinbrachen, erschöpfte auch die unermüdliche Opferwilligkeit seines Volkes und vereitelte alle Bemühungen des Grafen Görz, die Finanzen in Ordnung zu bringen und durch einen Separatfrieden mit dem mächtigsten Feind, Rußland, der übrigen Herr zu werden. Auf einem seiner planlosen Kriegszüge gegen Norwegen fand Karl XII. vor Frederikshald einen gewaltsamen Tod.
Die Adelsherrschaft.
Ein Rückschlag zu gunsten der lange Unterdrückten, aber keineswegs vernichteten Aristokratie war nach dem unglücklichen Verlauf des Kriegs unvermeidlich. Entschlossen, die absolute Königsgewalt zu beseitigen und die alte ständische Verfassung mit dem Übergewicht des Adels wiederherzustellen, erkannte der Adel das Reichsgesetz, nach welchem der Sohn der ältesten Schwester Karls, der Herzog Karl Friedrich von Holstein, den Thron erben sollte, nicht an und huldigte sogleich der jüngern Schwester Karls, Ulrike Eleonore, unter der Bedingung, daß sie durch eine Wahlkapitulation der unumschränkten königlichen Gewalt entsage und in die Änderung der Verfassung willige.
Diese wurde im Februar 1719 vom Reichstag unter dem Einfluß des Adels beschlossen und bestimmte, daß die höchste Gewalt an einen Reichsrat (Senat), in welchem die Krone nur zwei Stimmen und der Adel die Mehrheit hatte, und welcher allein dem Reichstag verantwortlich war, übergehen, dieser alle Ämter besetzen und sich auch ohne Zustimmung der Krone um die Rechte und Freiheiten des Reichs bekümmern solle. Nach Anerkennung der neuen oligarchischen Verfassung wurde Ulrike Eleonore zur Königin gewählt und auch ihrem Gemahl, dem Erbprinzen Friedrich von Hessen, die Königswürde beigelegt. Nachdem der dem Adel verhaßte Minister Görz nach einem höchst willkürlichen Prozeß hingerichtet worden beeilte sich der Reichsrat, mit den Feinden Frieden zu schließen, wobei er vor allem auf Geldzahlungen bedacht war, damit dem Adel nicht Opfer für Herstellung der
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Finanzen zugemutet werden müßten. An Hannover wurde im November 1719 gegen 1 Mill. Thlr. Bremen und Verden, an Preußen im Stockholmer Frieden (Februar 1720) gegen 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene abgetreten. Im Frieden mit Dänemark gab S. den Herzog von Gottorp preis und verzichtete auf die Befreiung vom Sundzoll, wogegen Dänemark die eroberten Gebiete räumte. Den Krieg mit Rußland wollte der Reichsrat fortsetzen; aber als im Juli 1721 ein russisches Heer in S. landete und an der furchtbarsten Verwüstung des Landes nicht verhindert werden konnte, verstand er sich zum Frieden von Nystad in dem S. Ingermanland, Esthland, Livland, einen Teil von Karelien und Kexholm gegen 2 Mill. Thlr. an Rußland abtrat. Die schwedische Macht war jetzt auf das eigentliche S., Finnland und ein kleines Stück Pommern beschränkt. Die Großmachtstellung im europäischen Norden, die S. seit Gustav Adolf eingenommen, ging nun an Rußland über.
Der Reichstag von 1720 hatte die königliche Gewalt von Ulrike Eleonore auf ihren Gemahl Friedrich übertragen, nachdem derselbe dem Reichsrat neue Zugeständnisse gemacht hatte. Alle Versuche Friedrichs, dieselben zurückzunehmen, waren vergeblich, und er mußte sich vom übermütigen Adel arge Beleidigungen gefallen lassen. Allerdings zerfiel der Adel auf dem Reichstag von 1726 in zwei Parteien, die Mützen unter Graf Arvid Horn, welche sich stets den Plänen des Königs widersetzten, und die Hüte unter Graf Karl Gyllenborg, welche sich Freunde des Königs nannten.
Die Mützen bemühten sich wohl, Handel und Gewerbe zu unterstützen und die Wohlhabenheit des Landes zu heben; die Hüte dagegen wollten dem Reich durch siegreiche Kriege Ansehen verschaffen. Beide Parteien wollten aber vor allem herrschen und den Staat zu ihrem Nutzen ausbeuten. Während der ganzen sogen. Freiheitszeit (1720-72) ließen sie sich von auswärtigen Mächten bestechen und unterstützten diejenige auf den Reichstagen, welche am besten bezahlte. Bis 1738 hatten die Mützen die Oberhand; nun aber wurden die französisch gesinnten Hüte die mächtigere Partei, und sogleich wurde ein Subsidienvertrag mit Frankreich abgeschlossen und der Krieg an Rußland erklärt, das gezwungen werden sollte, alle seine Eroberungen zurückzugeben.
Aber gleich die ersten kriegerischen Ereignisse entsprachen nicht den Erwartungen, und im März 1742 brach ein russisches Heer in Finnland ein, das nach der Niederlage des schwedischen Heers bei Willmanstrand aufs furchtbarste verwüstet ward. Nur durch die Wahl des Herzogs Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp, Großneffen Karls XII. und Neffen der russischen Kaiserin Elisabeth, und, als dieser wegen seiner Ernennung zum russischen Thronfolger ablehnte, des Herzogs Adolf Friedrich von Holstein-Gottorp zum Nachfolger des kinderlosen Königs Friedrich erlangte der Reichstag im Frieden von Abo die Rückgabe Finnlands.
Nach dem Tod Friedrichs kam mit Adolf Friedrich (1751-71) das Haus Holstein-Gottorp auf den schwedischen Thron. Den sanften, langmütigen König schränkte die übermütige Oligarchie nicht nur möglichst ein, indem sie ihm im Staatsrat nur zwei Stimmen gewährte und der Rat, wenn er einem Beschluß seine Unterschrift versagte, den Namen des Königs eigenmächtig darunter drückte, sondern sie gefiel sich auch darin, ihn durch Vorwürfe, Verweise und Bestrafung seiner Anhänger zu beleidigen und zu reizen.
Dem staatsverderblichen Treiben des Adels gegenüber bildete sich daher 1756 um den König eine ansehnliche Hofpartei, welche den Plan faßte, die Macht des Königs zu vermehren. Kurz vor der Ausführung wurde aber der Anschlag entdeckt und eine ganze Anzahl Verschworner auf Befehl des Reichsrats hingerichtet. Der König wagte es nicht, seine Anhänger vom Tod zu retten; seine Gewalt ward nun noch mehr vermindert, indem man ihm selbst das Recht nahm, Ämter und Stellen dem Vorschlag gemäß zu besetzen, und dasselbe dem Reichsrat übertrug.
Von der nun herrschenden Gyllenborgschen Partei der Hüte ging der Anteil aus, den S. ohne rechten Zweck u. Vorteil im Interesse Frankreichs seit 1757 am Siebenjährigen Krieg nahm. Nach fünfjähriger Dauer dieses für S. wenig ehrenvollen Kriegs setzte der Friede von Hamburg die Verhältnisse mit Preußen wieder in den vorigen Stand. Unter dem Einfluß des Kronprinzen Gustav raffte sich Adolf Friedrich endlich 1769 zum Widerstand gegen den Adel auf: er verweigerte die Unterzeichnung eines Beschlusses des Reichstags und verlangte die Berufung eines außerordentlichen Reichstags, der den gerechten Klagen der Nation abhelfen sollte. Er erzwang auch den Zusammentritt desselben durch die Drohung mit seiner Abdankung, erlangte aber nichts Wesentliches, da er vor einem Gewaltstreich zurückscheute, und starb
Die Wiederherstellung der königlichen Gewalt.
Gustav III. (1771-92), Adolf Friedrichs Sohn, war entschlossen, der verrotteten Adelswirtschaft ein Ende zu machen. Er unterzeichnete zwar in Paris, wo er sich beim Tod seines Vaters aufhielt, die ihm sofort vorgelegte Urkunde, in der er die Aufrechterhaltung der Verfassung versprach, und gab im März 1772 vor der Krönung noch eine besondere Versicherungsurkunde, schloß aber im geheimen mit Frankreich einen Vertrag, in dem er sich gegen Zahlung von Hilfsgeldern zum Umsturz jener Verfassung verpflichtete. Er erkannte wohl die Schwäche des Gegners, der, in zwei sich heftig befehdende Parteien gespalten, das Volk wie auch eine ansehnliche Hofpartei gegen sich hatte.
Nachdem er im geheimen einen Teil des Heers auf seine Seite gebracht, ließ er unter dem Jubel des Volkes den Reichsrat verhaften und zwang 21. Aug. den von Truppen umstellten Reichstag, eine neue Verfassung anzunehmen, welche den Reichsrat in die Schranken einer beratenden Behörde verwies und die ganze ausübende Gewalt, den Oberbefehl über die Kriegsmacht, das Recht, die höhern Beamten zu ernennen, in den Adelstand zu erheben, Bündnisse und Frieden mit fremden Mächten zu schließen und Verteidigungskriege zu beginnen, wieder der Krone übertrug. Im Sinn des aufgeklärten Despotismus wurden nun mancherlei Reformen eingeführt, die Tortur abgeschafft, das Geldwesen geordnet, Ackerbau, Handel und Bergbau gefördert.
Aber die unerhörte Verschwendung des leichtfertigen und prachtliebenden Königs nötigte ihn, um seine stets leeren Kassen zu füllen, zu finanziellen Maßregeln, Einführung von Monopolen u. dgl., die ihm alle Popularität raubten und schon auf dem Reichstag von 1778, noch mehr dem von 1786 den Adel zur Erneuerung der Opposition ermutigten. 1788 begann er ohne Bewilligung des Reichstags einen ganz zwecklosen Krieg gegen Rußland, der von ihm selbst zu Land, von seinem Bruder, Herzog Karl von Södermanland, zur See sehr ungeschickt geführt wurde. Namentlich 1789 verlief der Krieg höchst unglücklich, und nur dem Seesieg Gustavs bei Svenskasund und den allgemeinen
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Weltverhältnissen hatte S. den Frieden von Werelä (14. Aug.) zu danken, in welchem es seinen Besitzstand vor dem Krieg behauptete. Gustav warf sich nun ganz in die Arme Rußlands, plante einen Kreuzzug für das französische Königshaus gegen die französische Revolution und gab für die Rüstungen hierzu große Summen aus. Das Volk war hiermit höchst unzufrieden, und der Reichstag von Gefle lehnte Anfang 1792 alle Forderungen des Königs ab. Jetzt verschworen sich einige Edelleute zur Ermordung des Königs, der auch auf einer Hofmaskerade von Anckarström tödlich verwundet ward und 29. März starb.
Für den noch unmündigen König Gustav IV. Adolf (1792-1809) übernahm bis der Bestimmung Gustavs III. gemäß, dessen Bruder Karl von Södermanland die vormundschaftliche Regierung. Als Gustav IV. selbst die Regierung angetreten, schädigte er die Interessen seines Reichs im höchsten Grade durch seine unstete, launische Politik nach außen. Nachdem er sich 1800 eng an Rußland angeschlossen und durch seinen Beitritt zur bewaffneten Neutralität der nordischen Mächte England dazu gereizt hatte, Embargo auf alle schwedischen Schiffe zu legen und die Insel St.-Barthélemy zu besetzen, verbündete er sich 1802 mit England und trat 1805 der dritten Koalition gegen Frankreich bei.
Obwohl er mit dem schwedisch-russischen Heer, mit dem er in Pommern gelandet war, weder 1805 noch 1806 zu einer kriegerischen Aktion gelangte, so schloß er doch aus Haß gegen Napoleon auch nach der Versöhnung Rußlands und Frankreichs in Tilsit keinen Frieden und wurde so das Opfer der Versöhnung. Napoleon bemächtigte sich Pommerns und gab Rußland die Erlaubnis, Finnland zu erobern. Als Gustav IV. 1808 die russische Forderung, dem Kontinentalsystem beizutreten und den englischen Schiffen die Häfen der Ostsee zu verschließen, ablehnte, rückte ein russisches Heer plötzlich und ohne Kriegserklärung in Finnland ein, brachte durch Verrat des schwedischen Admirals Cronstedt 6. April Sweaborg nebst der Schärenflotte in seine Gewalt und besetzte hierauf ganz Finnland.
Statt die Wiedereroberung dieses wichtigsten Besitzes zu versuchen, begann Gustav einen Krieg mit Dänemark und schickte ein Heer zur Eroberung Norwegens aus, das unter großen Verlusten zum Rückzug gezwungen wurde. Den Beistand Englands verscherzte er, indem er die Ausschiffung des englischen Hilfskorps verbot, den Befehlshaber desselben verhaften und alle englischen Schiffe in schwedischen Häfen mit Beschlag belegen ließ. Währenddessen waren die Russen von den Alandsinseln nach S. selbst hinübergegangen, und das Volk verlangte stürmisch die Beendigung des unglücklichen Kriegs.
Statt dessen forderte Gustav immer neue Opfer und Anstrengungen und erbitterte das Heer, besonders die Garden, durch willkürliche Härte. Daher bildete sich unter den Offizieren eine Verschwörung, durch welche der König entthront und 29. März zu einer Entsagungsakte gezwungen wurde. Der am 1. Mai zusammentretende Reichstag erklärte Gustav IV. Adolf und seine leiblichen Erben der Krone für immer verlustig, proklamierte seinen Oheim als Karl XIII. zum König und änderte die Verfassung dahin, daß der König zwar die ausübende Gewalt behalten, die wichtigsten Angelegenheiten aber in einem der Nation verantwortlichen Staatsrat von neun Mitgliedern entschieden werden sollten. Der Friede mit Rußland kam in Frederikshamn zu stande und kostete S. ganz Finnland und Österbotten (300,000 qkm mit 900,000 Einw.). Mit Dänemark wurde der Friede zu Jonköping ^[richtig: Jönköping] ohne Opfer hergestellt; Pommern erlangte S. 1810 von Frankreich zurück, mußte aber der Kontinentalsperre beitreten.
Da Karl XIII. kinderlos war, hatte der Reichstag 1809 den Prinzen Christian August von Augustenburg zum Thronfolger erkoren. Da der Prinz, der bei Bürgern und Bauern sehr beliebt, dem Adel verhaßt war, schon auf eine den Verdacht des Mordes erweckende Weise plötzlich starb, setzte der Adel auf dem Reichstag zu Örebro die Wahl des französischen Marschalls Bernadotte zum Thronfolger durch. Derselbe trat zur lutherischen Kirche über, ward von Karl XIII. adoptiert und zum Generalissimus ernannt und war fortan der eigentliche Regent Schwedens.
Doch hatte das weniger eine Annäherung an Frankreich als eine Entfremdung zur Folge. Zwar mußte S. auf Napoleons Verlangen im Dezember 1810 an England den Krieg erklären, doch wurde derselbe lau geführt und auch die Kontinentalsperre, um den Handel nicht völlig zu vernichten, nicht streng aufrecht erhalten. Napoleon verlangte darauf die Stellung von 2000 Matrosen, die Einführung des Tarifs von Trianon und die Anstellung französischer Zollbeamten in Gotenburg.
Aber Bernadotte, auf Napoleon eifersüchtig, lehnte dies ab, schloß mit England zu Örebro Frieden und mit Rußland ein Schutz- und Trutzbündnis in welchem dies versprach, S. zum Ersatz für Finnland zum Besitz Norwegens zu verhelfen. Aber erst im Sommer 1813 nahm S. gegen die Zahlung englischer Subsidien mit einem kleinen Heer unter der Führung des Kronprinzen am Kriege gegen Napoleon einen sehr zweideutigen Anteil (s. Deutscher Befreiungskrieg, S. 770). Nach der Schlacht bei Leipzig wandte sich Bernadotte gegen Dänemark und zwang es im Kieler Frieden zur Abtretung Norwegens, wogegen S. auf Schwedisch-Pommern verzichtete.
Zwar widersetzten sich die Norweger dem Vollzug dieses Friedensschlusses, erklärten sich für unabhängig und wählten den bisherigen dänischen Statthalter, Prinzen Christian, zu ihrem König. Das schwedische Heer drang darauf in Norwegen und die überlegene schwedische Flotte in den Meerbusen von Christiania ein; die Hauptfestung Frederiksstad fiel, das schwedische Heer umging das norwegische und erzwang den Übergang über den Glommen. Der bald darauf erfolgte Vertrag zu Moß (14. Aug.) nötigte den Prinzen Christian zum Verzicht, und die in Christiania versammelten Stände riefen 4. Nov. Karl XIII. zu ihrem Erbkönig aus, der die von den Norwegern selbst entworfene Verfassung von Eidsvold beschwor und sich mit einer sehr lockern Union Schwedens und Norwegens begnügte. Daher war der Erwerb Norwegens nur ein Gewinn für die Dynastie, nicht für S. selbst, da die Norweger allen Versuchen, beide Reiche inniger zu verschmelzen, hartnäckigen Widerstand entgegensetzten.
Neueste Zeit.
Karl XIII. starb und ihm folgte Bernadotte als Karl XIV. Johann (1818-44). Derselbe widmete sich besonders der Pflege der materiellen Interessen durch Kultur wüster Strecken, Flußbettkorrektionen, Kanal- und Straßenbauten; von den hierfür bis 1837 verausgabten 24 Mill. Thlr. nahm der Götakanal den größten Teil in Anspruch. Trotzdem ferner für die Vermehrung der Land- und Seemacht manches geschah, wurde die auswärtige Schuld völlig getilgt, die innere vermindert und ein
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jährlicher Einnahmeüberschuß von 700,000 Thlr. erzielt. Als die Wunden der Kriegszeiten vernarbt waren, regte sich auch in S. der Drang nach politischen Reformen, namentlich nach einer Umgestaltung der veralteten Verfassung, besonders des Reichstags, der, in vier schroff geschiedene Stände, unter denen Adel und Geistlichkeit das Übergewicht behaupteten, geteilt, mit seiner umständlichen Geschäftsordnung ein Hemmschuh für jede freiere Entwickelung war; jedes über 24 Jahre alte adlige Familienhaupt war auf dem Reichstag stimmberechtigt, während der gebildete Mittelstand so gut wie gar nicht vertreten war.
Der Reichstag von 1840 arbeitete zwar eine Verfassungsreform aus, die aber bei der Abneigung des Königs und der bevorzugten Stände gegen eine solche nicht zur Ausführung gelangte; nur der Antrag, daß der Reichstag alle drei, nicht, wie bisher, alle fünf Jahre zusammentreten solle, wurde zum Beschluß erhoben. Unter Karls XIV. Johann Sohn Oskar I. (1844-59) rückte die Verfassungsreform auch nicht vorwärts. Die Beratungen des Ausschusses, den die Regierung nach dem fruchtlosen Verlauf des Reichstags von 1844 einsetzte, blieben ohne Ergebnis; nur die alten Erb- und Ehegesetze wurden aufgehoben und die Gewerbefreiheit erweitert. Da die Finanzen überdies nicht in bester Ordnung waren und zur Bestreitung der erheblich erhöhten Ausgaben neue Steuern oder Staatsanleihen in Aussicht gestellt wurden, so wuchs die Unzufriedenheit im Volk so sehr, daß es nach der Pariser Februarrevolution in Stockholm sogar zu Unruhen kam.
Daher legte der König dem Reichstag eine neue Reichstagsordnung vor, welche der Ausschuß genehmigte, auf dem nächsten zur Beschlußnahme erst berechtigten Reichstag von 1850 die Geistlichkeit und der Ritterstand, schließlich auch der Bauernstand aber verwarfen; nur der Bürgerstand nahm sie, übrigens mit geringer Mehrheit, an. Damit ruhte die Verfassungsreform für längere Zeit. Der 1848 ausgebrochene Streit zwischen Deutschland und Dänemark über Schleswig-Holstein erregte in S. lebhafte Teilnahme, besonders unter der Jugend, in der im Gegensatz zu dem frühern Haß gegen Dänemark skandinavische Einheitsideen Anklang gefunden hatten. Es wurden auch vom Reichstag 2 Mill. Thlr. Banko zu Rüstungen bewilligt und ein enges Bündnis mit Dänemark abgeschlossen. S. schickte Truppen, um Fünen zu besetzen, und vermittelte den Waffenstillstand von Malmö aber vom Kampf hielt es sich fern.
Auch während des Krimkriegs (1854-56) blieb es neutral, obwohl in der Bevölkerung die Stimmung entschieden russenfeindlich war und man die Gelegenheit für die Wiedergewinnung Finnlands gekommen glaubte. Die Regierung rüstete auch und schloß mit den Westmächten ein Schutzbündnis, verlangte aber von diesen im Fall eines Einfalls in Finnland die Stellung von 100,000 Mann Hilfstruppen und die Zahlung von Subsidien, was abgelehnt wurde. Dennoch ging Rußland 1856 auf eine Grenzregulierung ein und verpflichtete sich auch im Pariser Frieden, die Alandsinseln nicht zu befestigen.
Nachdem König Oskar schon im September 1857 wegen dauernder Erkrankung die Regentschaft seinem Sohn Karl hatte übertragen müssen, starb er und sein Sohn folgte ihm nun als Karl XV. (1859-72). Derselbe brachte die öffentlichen Verhältnisse wieder in lebhaftern Fluß. Eine engere Union mit Norwegen zu stande zu bringen, vermochte der König freilich nicht, obwohl man sie in S. sehr wünschte, weil man von ihr eine Erhöhung der Macht und des Einflusses der vereinigten Reiche sowie eine Besserung der Handels- u. Rechtsverhältnisse erwartete; das norwegische Storthing lehnte alle dahin abzielenden Anträge hartnäckig ab und verlangte sogar die Abschaffung der Statthalterwürde, als der reinen Personalunion nicht entsprechend.
Dagegen gelang es, die Verfassungsreform durchzuführen. Nachdem die ländlichen Ortschaften und die Städte 1860 eine neue Gemeindeverfassung erhalten hatten, wurde im Januar 1863 dem Reichstag von der Regierung ein Entwurf vorgelegt, wonach der Reichstag fortan aus zwei Kammern bestehen und von diesen die Erste aus dem Großgrundbesitz hervorgehen, die Mitglieder der Zweiten alle drei Jahre vom Volk gewählt werden sollten; jedes Jahr vom 15. Jan. ab solle der neue Reichstag vier Monate tagen.
Der bisherigen Verfassung gemäß konnte erst der Reichstag von 1865 über den Vorschlag beschließen; derselbe wurde von allen Ständen, auch von der Ritterschaft, mit 361 gegen 274 Stimmen angenommen und veröffentlicht. Am fanden die ersten Wahlen nach dem neuen Gesetz statt, und trat der neugewählte Reichstag zum erstenmal zusammen. Wenn der König freilich gemeint hatte, daß derselbe seinen Lieblingswunsch, eine Heeresreform nach preußischem Muster, bewilligen werde, so hatte er sich getäuscht.
Die Zweite Kammer, in welcher Bürger und Bauern jetzt die Mehrheit hatten, war vor allem sparsam gesinnt und mehr auf Erweiterung der politischen Rechte als auf Vermehrung des schwedischen Einflusses in Europa bedacht. Die Heeresreform wurde daher wiederholt vertagt, dann definitiv verworfen, dagegen die drückenden Religionsgesetze aufgehoben und die Gleichberechtigung der Dissidenten und Juden beschlossen. Man traute dem König kriegerische Absichten zu, die vom Volk nicht gebilligt wurden. Schon 1864 hatte Karl XV. mit Dänemark ein Bündnis gegen Preußen schließen wollen, gegen das er eine Abneigung hegte, und er betrieb nach der Besiegung Dänemarks den Abschluß einer skandinavischen Union, um mit Unterstützung Frankreichs der Machtausbreitung Preußens im Norden einen Damm entgegenzusetzen. Der Ausbruch des Kriegs von 1870 erfüllte ihn daher mit Hoffnungen, die sein Verlauf allerdings bald vernichtete.
Karl XV. starb ohne männliche Leibeserben, und ihm folgte daher sein Bruder, der bisherige Herzog von Gotland, als Oskar II. Friedrich. Auch ihm gegenüber machte die Landmanns- (oder Bauern-) Partei, welche im Reichstag jetzt die Mehrheit hatte, ihre Sparsamkeitsgrundsätze rücksichtslos geltend, verwarf die Bewilligung der Kosten für die als veraltet bezeichnete Krönung, verminderte die Zivilliste und lehnte den von neuem vorgelegten Wehrgesetzentwurf ab; nur für Artilleriematerial und Kriegsschiffe wurden 1875 erhöhte Mittel bewilligt und eine Reorganisation der Flotte genehmigt.
Selbst ein Kompromißministerium, das de Geer 1875 bildete, konnte bei der Mehrheit der Zweiten Kammer nichts ausrichten, so daß der König 1880 den frühern Führer der Landmannspartei, Grafen Posse, an die Spitze des Ministeriums berief. Aber auch der Entwurf dieses Kabinetts, welcher mit der Reform des Heerwesens zugleich eine Umgestaltung des Steuer- und Zollwesens vorschlug, wurde 1883 vom Reichstag abgelehnt, und Posse erhielt daher seine Entlassung. Nachdem der Vorsitz im Ministerium mehrere Male gewechselt hatte, ging er 1884 auf den bisherigen Finanzminister Themptander über, welcher endlich 1885 das Wehrgesetz zur Annahme brachte, allerdings
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nur mit wesentlichen Zugeständnissen an die Reichstagsmehrheit: nach demselben wurde ein stehendes Heer aus geworbenen Stammtruppen gebildet;
daneben war jeder Schwede zu 20jähriger Dienstzeit in der Land- und Seewehr verpflichtet, für welche er durch kurze Übungen vorbereitet wurde.
Das neue Gesetz trat in Kraft. Unter anderm hatte Themptander der Bauernpartei zuliebe auf ein Drittel der militärischen Grundsteuer verzichtet. Dies ermutigte die Partei aber nur, nicht bloß die völlige Aufhebung dieser Steuer, sondern auch wegen der schwierigen Lage der Landwirtschaft die Einführung von Getreidezöllen zu fordern. Als im März 1887 die Mehrheit der Zweiten Kammer den Antrag auf Einführung von Getreide- und Schutzzöllen annahm, löste das Ministerium Themptander den Reichstag auf und erzielte auch bei den Neuwahlen eine freihändlerische Mehrheit.
Diese verminderte sich aber bei den ordentlichen Reichstagswahlen im Herbst 1887, zumal das höchste Gericht die Wahl der 22 freihändlerischen Vertreter Stockholms wegen eines Formfehlers für ungültig und die Vertreter der Schutzzöllner für gewählt erklärte; auch in der Ersten Kammer vermehrten sich die Anhänger der Getreidezölle bei den Nachwahlen. Daher reichte das Ministerium Themptander nach Eröffnung des neuen Reichstags im Januar 1888 seine Entlassung ein. Der König beauftragte angesichts der noch nicht endgültig entschiedenen Haltung der Mehrheit der beiden Kammern den Baron Bildt damit, ein gemäßigt schutzzöllnerisches Kabinett zusammenzustellen, was im Februar gelang. Die Getreide- und Schutzzölle wurden vom Reichstag angenommen.
Vgl. Fant, Geijer und Schröder, Scriptores rerum suecicarum medii aevi (Ups. 1818-25, 2 Bde.);
Rietz, Scriptores suecici medii aevi (Lund 1842-44, 2 Bde.), und die Darstellungen der schwedischen Geschichte von Dalin (s. d.), Sven Lagerbring (das. 1763-83, 4 Bde.; unvollendet, bis 1457; ein kürzeres Werk von ihm ist übersetzt u. d. T.: »Abriß der schwedischen Reichsgeschichte«, Rostock 1776),
Wagner (Leipz. 1778-89, 9 Bde.),
Rühs (Halle 1803-14, 5 Bde.) und als Hauptwerke die von Geijer (s. d.),
Strinnholm (s. d.),
Mellin (s. d.),
Fryxell (s. d.);
»Sveriges historia« von Montelius, Hildebrand, Alin u. a. (Stockh. 1876-81, 6 Bde.);
Nordenflycht, Die schwedische Staatsverfassung in ihrer geschichtlichen Entwickelung (Berl. 1861);
Hildebrand, Das heidnische Zeitalter in S. (deutsch von Mestorf, Hamb. 1873);
Weidling, Schwedische Geschichte im Zeitalter der Reformation (Gotha 1882);
Swederus, Schwedens Politik und Kriege in den Jahren 1808-14 (deutsch, Leipz. 1865-66, 2 Bde.).