in der
Biologie die sehr mannigfachen Vorkehrungen und Verteidigungsmittel,
durch welche sich gewisse in ihrem Bestehen gefährdete
Pflanzen und
Tiere im Daseinskampf erhalten. Die S. der
Pflanzen wenden
sich gegen ungünstige Einflüsse von
Klima
[* 4] und
Wetter,
[* 5] dann aber auch gegen schädliche Besucher und gegen Gefressenwerden
durch
Tiere aller Art. So besitzen
Wüsten- und
Strandpflanzen weniger
Spaltöffnungen auf den Blättern
und schützen diese noch durch Einsenkung in
Gruben, Haarbildungen etc. gegen übermäßige Wasserabgabe.
Gegen das Hinaufkriechen von
Raupen und
Schnecken
[* 7] sind niedere
Pflanzen vielfach durch drüsige
Behaarung des
Stengels geschützt.
Als Abschreckungsmittel gegen das Gefressenwerden scheinen auch die stark riechenden ätherischen
Öle
[* 8] und giftigen
Alkaloide zu dienen, welche sich vorwiegend in den am stärksten den
Angriffen ausgesetzten Teilen
(Rinde,
Blätter
und
Wurzeln) anhäufen, wie schon
ErasmusDarwin hervorhob. Derselbe
Forscher wies auch bereits darauf hin, daß die
Zwiebeln
der
Steppen- und
Strandpflanzen häufig ein spezifisches Nagergift, wie z. B. die
Meerzwiebeln, enthalten, wodurch sie im
Winter vor den
Angriffen der Steppennager bewahrt werden.
Wieder andre, wie die
Pechnelken, umgeben ihre Blütenstengel mit Leimringen, und bei noch andern, wie
den
Weberkarden und gewissen auf
Bäumen schmarotzenden
Bromeliaceen, bilden die
Wurzel- oder Stengelblätter kleine Sammelbehälter
von Regenwasser um den
Stengel,
[* 10] über welche die ungebetenen (flügellosen)
Gäste nicht hinweg können.
Vgl.
Kerner, Schutzmittel
der
Blüten gegen unberufene
Gäste (2. Aufl., Innsbr. 1879);
Kuntze, Die Schutzmittel der
Pflanzen gegen
Tiere und Wetterungunst
(Leipz. 1877);
Eine große Anzahl von
Tieren ist durch
Stacheln,
Nesselorgane, widrigen
Geschmack und
Geruch vor
Angriffen
und Gefressenwerden geschützt; die letztere Schutzeinrichtung ist namentlich vielen
Insekten eigen, die durch ganze
Klassen
von
Insektenfressern unter den
Reptilien, den
Vögeln und
Säugetieren gefährdet werden. Solche gemiedene
Tiere zeichnen sich
meist durch lebhafte, als Widrigkeitszeichen dienende sogen.
Trutzfarben oder Trutzzeichnungen aus. Zu ihnen gehören
ganze
Familien, wie unter den
Schmetterlingen die
Danaiden, Ithomiiden und
Helikoniden, unter den
Käfern die Lampyriden und andre
Malakodermen, welche sämtlich die Eigentümlichkeit haben, sich dreist und langsam vor aller
Augen zu bewegen oder gar durch
nächtliches
Leuchten ihre Gegenwart kundzuthun.
Sie werden nach
Farbe,
Zeichnung und Gebaren vielfach von andern
Insekten ihrer Gegend kopiert, die dadurch
derselben Sicherheit teilhaftig werden (s.
Mimikry). Ebenso darf man bei denjenigen
Tieren, welche sich durch sogen.
sympathische Färbung,
durch
Schutzfärbung oder Schutzzeichnung dem allgemeinen
Charakter ihrer bevorzugten Umgebung annähern oder zur bessern Verbergung
die
Formen und
Farben der
Baumrinde, flechtenbewachsener
Steine, welkerBlätter etc. aufweisen, vermuten,
daß sie entweder selbst in ihrer
Existenz gefährdet sind, oder als
Raubtiere
[* 19] andre in dieser Vermummung beschleichen. So
sind die Polartiere vorwiegend weiß, die Wüstentiere sandgelb, viele Laubtiere, z. B. auch
die schmackhaftern
Raupen, grün oder bräunlich gefärbt, viele Wassertiere sind entweder glasdurchsichtig oder bläulich
angehaucht, und viele Landtiere sind durch Sprenkelung oder Streifung am
Boden und im
Laub äußerst schwer
erkennbar. Viele
Vögel
[* 20] und
Fische,
[* 21] z. B. die
Flunder und
Rochen, sind auf der Oberseite dunkel
¶
mehr
wie der Boden und auf der Unterseite hell gefärbt, so daß sie den über und unter ihnen fliegenden oder schwimmenden Räubern
gleich schwer erkennbar sind. Einige Tiere bedecken den Rücken mit Schmutz, Algen,
[* 23] Meerschwämmen und Korallenpolypen etc.,
um sich unkenntlich zu machen (s. Maskieren). Manche Krebsarten, Kopffüßer, Fische, Amphibien und Reptilien
(Chamäleon) vermögen durch Zusammenziehung oder Ausdehnung
[* 24] sternförmiger, mit flüssigen Pigmenten gefüllter Zellen, die
dicht unter der durchscheinenden Haut
[* 25] liegen, sich ihrer jeweiligen Umgebung durch hellere oder dunklere Färbung ähnlich
zu machen.
Diese sogen. chromatische Funktion wird durch den auf die Augen wirkenden Helligkeitsreiz in Bewegung gesetzt, und derartige
Fische färben sich nach einseitiger Blendung auf der entsprechenden (entgegengesetzten) Körperhälfte
dauernd dunkel. Auch viele Schmetterlingspuppen und Kokons sollen nach neuern Untersuchungen die allgemeine Färbung ihrer
Umgebung erhalten. MancheTiere entfalten besondere Schreckzeichnungen, wie gewisse Nachtschmetterlinge mit lebhaft gezeichneten
und gefärbten Unterflügeln, die bei Tage nur bei plötzlicher Aufstörung sichtbar werden und von andern
als Ablenkungsfarben, welche die Bisse der Insektenfresser
[* 26] nach ungefährlichen Stellen ableiten, gedeutet werden.
Diese Selbstverstümmelung kommt nur bei solchen Tieren vor, denen die abgestoßenen Teile durch sogen. Regeneration leicht
wieder wachsen, und das Abwerfen erfolgt vielfach an einer ganz bestimmten Stelle durch eine vom Wissen
und Wollen des Tiers unabhängige, durch allerlei Reize in Thätigkeit versetzte reflektorische Muskelspannung. Sehr merkwürdig
sind ferner die Schutz- und Trutzbündnisse mit Tieren, die sich einer gefürchteten Schutzwaffe erfreuen und die gegen Verabreichung
von Wohnung und NahrungPflanzen und Tieren als Schutzwachen dienen (s. Symbiose). Alle diese S. werden von der
neuern Weltanschauung als Züchtungsergebnisse der natürlichen Auslese betrachtet, welche von gewissen Gattungen nur diejenigen
Arten am Leben ließ, welche sich durch derartige Abänderungen der Gestalt, Färbung, Zeichnung, Lebensweise etc. behaupten
konnten (s. Darwinismus, S. 566).