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gesamte Niederschlesien nebst der Grafschaft Glatz [* 2] (mit Ausschluß des Kreises Schwiebus), [* 3] den durch Vertrag vom von Sachsen [* 4] abgetretenen Teil der Markgrafschaft Oberlausitz, die abgetretenen böhmischen Enklaven und die Stadt Rothenburg [* 5] vom Kreis [* 6] Krossen der Neumark und hat einen Flächeninhalt von 40,302,6 qkm (731,94 QM.).
[Bodenbeschaffenheit, Klima.]
Die Provinz besteht zur größern Hälfte aus Tiefland, zur kleinern aus Berg- und Gebirgsland. Durch dieselbe erstreckt sich, vom Ursprung der Malapane im O. bis zum Austritt der Schwarzen Elster [* 7] im W., eine Thalsenkung, das Schlesische Längenthal, das zuerst längs der Malapane sich zur Oder hinunterzieht, alsdann dieser bis zur Mündung der Katzbach folgt und endlich weiter in westlicher Richtung über Bober, Queiß und Lausitzer Neiße [* 8] sich bis zur Schwarzen Elster erstreckt.
Der Boden der Thalsenkung ist längs der Oder fruchtbar, an der Malapane und Elster sumpfig, zwischen Oder und Elster sandig und teilweise auch sumpfig. Nördlich von diesem Längenthal zieht durch die Provinz ein Teil des Uralisch-Karpathischen Landrückens, der Märkisch-Schlesische Landrücken (s. d.), welcher im Oberschlesischen Jura bis zu 360 m ansteigt. Im Süden jener Thalsenkung tritt zunächst östlich von der Oder das Plateau von Tarnowitz [* 9] mit dem Oberschlesischen Steinkohlengebirge, einem Ausläufer der Karpathen, hervor; der höchste Punkt daselbst ist der Annaberg [* 10] (430 m) unweit der Oder.
Auf der linken Seite der Oder steigt das Land langsam an bis zur Gebirgsmauer der Sudeten, welche die Grenzen [* 11] der Provinz in Oberschlesien nur mit dem Fuß der Bischofskuppe (886 m) erreicht, dagegen durch Mittelschlesien sich von Reichenstein bis Jauer [* 12] erstreckt. Vor dieser Gebirgsmauer erheben sich vereinzelt in der Ebene der Zobten (718 m), die Geiersberge (679 m), die Striegauer Berge u. a. Die Gebirge der Provinz werden durch den Paß [* 13] von Liebau am Bober in zwei Teile geschieden.
Östlich erstreckt sich zunächst das Glatzer Gebirgssystem (s. Glatz) mit seinen vielfachen Verzweigungen, in denen der Große Schneeberg (1422 m) der höchste Gipfel ist, sodann das Sandsteingebirge der Heuscheuer, ferner das Niederschlesische Steinkohlengebirge mit dem Hochwald und endlich das Katzbachgebirge, von dem der Gröditzberg (407 m) ein vorgeschobener Posten gegen das Tiefland ist. Im W. jenes Passes erhebt sich auf der Grenze gegen Böhmen [* 14] das Riesengebirge (s. d.) mit der Schneekoppe (1603 m), dem höchsten Gipfel der Provinz und des deutschen Berglandes, und als Fortsetzung das Isergebirge.
Vereinzelte Vorposten des Berglandes gegen das Tiefland sind weiter westlich noch die Landskrone bei Görlitz [* 15] (429 m) und das Königshainer Gebirge. Innerhalb des Gebirges bilden das Landeshuter und das Hirschberger Thal, beide am Bober, und der Glatzer Gebirgskessel innerhalb der Glatzer Gebirge ansehnliche Vertiefungen. S. gehört mit ganz geringen Ausnahmen zum Gebiet der Oder; nur im SO. berührt die Weichsel die Grenze, und aus dem Westen fließen Iser, Spree und Schwarze Elster zur Elbe.
Die Oder, welche bei Ratibor [* 16] schiffbar wird, durchströmt die Provinz in ihrer ganzen Länge von SO. nach NW.;
ihr fließen auf der rechten Seite zu: die Olsa, Klodnitz, Malapane, Weida und Bartsch;
auf der linken: die Oppa, Zinna, Hotzenplotz, Glatzer Neiße, Ohlau, Weistritz und Katzbach;
der Bober, der den Queiß aufnimmt, und die Lausitzer Neiße münden außerhalb der Provinz.
Der Klodnitzkanal ist der einzige schiffbare Kanal [* 17] Schlesiens, und abgesehen von zahlreichen Teichen ist auch unter den Landseen allein der Schlawasee von einiger Bedeutung. Das Klima [* 18] ist am mildesten bei Grünberg, [* 19] rauher in den Gebirgen und in Oberschlesien. Die jährliche Durchschnittswärme beträgt zu Ratibor 8,0, Oppeln [* 20] 8,76, Neiße 8,41, Landeck 6,75, Kirche Wang im Riesengebirge 4,8, Eichberg bei Hirschberg [* 21] 7,0, Görlitz und Breslau [* 22] 8,0° C. Die jährliche Regenmenge beträgt in der Ebene 50-60, im Gebirge bis 116 cm.
[Bevölkerung. Bodenerzeugnisse.]
Die Zahl der Einwohner betrug 1885: 4,112,219 Seelen (102 auf 1 qkm), worunter 1,897,002 Evangelische, 2,156,578 Katholiken, 70,487 andre Christen, 51,481 Juden etc. Die Katholiken überwiegen im Regierungsbezirk Oppeln, mit Ausnahme des Kreises Kreuzburg, ferner in der Grafschaft Glatz und den Kreisen Münsterberg [* 23] und Frankenstein des Regierungsbezirks Breslau und im Kreis Landeshut des Regierungsbezirks Liegnitz. [* 24] Die Bevölkerung [* 25] wohnt in 148 Städten, 5404 Landgemeinden und 3847 Gutsbezirken und ist vorwiegend eine deutsche; zahlreich sind aber auch die Polen (825,000), die auf der rechten Oderseite abwärts bis Namslau und Polnisch-Wartenberg und auf der linken von Ratibor bis Oberglogau vorherrschen. Ferner gibt es Tschechen (55,000) zwischen Ratibor und Leobschütz, [* 26] bei Kudowa in der Grafschaft Glatz und in mehreren evangelischen Kolonien in den Kreisen Strehlen, [* 27] Oppeln, Wartenberg und Groß-Strehlitz, endlich Wenden (32,000) in der Westspitze der Provinz an der Spree und Schwarzen Elster.
Von der Bodenfläche der Provinz entfallen 55,8 Proz. auf Ackerland, Gärten und Weinberge, 8,5 Proz. auf Wiesen, 2,2 Proz. auf Weiden und 28,9 Proz. auf Waldungen. Der Boden ist längs des Gebirges sehr fruchtbar, ganz besonders aber in der Landschaft zwischen Liegnitz und Ratibor, woselbst 70-80 Proz. der Gesamtfläche dem Ackerland angehören. Am wenigsten fruchtbar sind die eigentlichen Gebirgskreise, sodann der auf der rechten Oderseite gelegene Teil des Regierungsbezirks Oppeln, die Kreise [* 28] an der Bartsch im N. und, mit Ausnahme eines Teils des Kreises Görlitz, die westlichen Kreise der Provinz; in allen diesen Teilen sind die Ackerländereien auch nur von geringem Umfang, die Waldungen hingegen bedeutend.
Der Getreidebau deckt vollständig den
Bedarf der
Provinz; der Flachsbau, neuerdings wieder mehr gepflegt, gewinnt an Bedeutung
und ist besonders in den
Berg- und Hügellandschaften von Wichtigkeit. Der Zuckerrübenbau findet auf
großen
Landstrichen zwischen
Breslau und
Schweidnitz
[* 29] statt; die
Kartoffel wird mehr in den weniger fruchtbaren Landesteilen
gebaut.
Andre
Produkte des
Pflanzenreichs sind:
Zichorien zwischen
Breslau und
Ohlau,
Hopfen
[* 30] bei
Münsterberg,
Tabak,
[* 31]
Ölgewächse,
Wein bei
Grünberg, viel
Obst in Mittelschlesien (der Obstbau wird unterstützt durch ein pomologisches
Institut zu
Proskau), allerlei Gartengewächse etc. Die
Gartenkunst, in
Verbindung mit großer
Treibhauszucht
(Ananas) und großen
Parkanlagen, wird durch den Groß
grundbesitz, dem über 51 Proz. der
Fläche angehören, sehr gefördert. In keiner
Provinz
des preußischen
Staats befindet sich überhaupt ein so bedeutender Grundbesitz in Einer
Hand
[* 32] wie in S.;
Besitzungen von 25-44,000
Hektar haben der König von
Sachsen
(Öls),
[* 33] der
Herzog von
Ujest (Schlawenzitz), der
Reichsgraf von
Schaffgotsch
(Warmbrunn), die
Graf Renardschen
Erben
(Groß-Strehlitz), der
Herzog von
Ratibor
(Rauden), der
Graf
Arnim
(Muskau) und der
Fürst von
Pleß. Nach der Viehzählung von 1883
gab es 275,122
Pferde,
[* 34] 1,397,130
Stück
Rindvieh, 1,309,495
Schafe,
[* 35] 518,612
Schweine
[* 36] und 175,283
Ziegen. Für
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die Hebung
[* 38] der Pferdezucht
[* 39] bestehen Landgestüte zu Leubus und Kosel.
[* 40] Die Rindviehzucht blüht in der fruchtbaren Landschaft zwischen
Liegnitz und Ratibor; sie ist aber auch in den Gebirgskreisen bedeutend, weniger in den sandigen Gegenden auf der rechten Oderseite
und an der Schwarzen Elster. Für die Zucht von edlen Schafen bildet S. seit Anfang dieses Jahrhunderts mit
seinen großen
Gütern den Ausgangspunkt für die andern preußischen Provinzen (Eckersdorf, Rogau, Kuchelna); deshalb sind
auch die meisten Schafe veredelte.
Die Schweinezucht entspricht noch nicht dem Bedarf. Wildbret ist zahlreich vorhanden, namentlich besitzt S. noch einen Reichtum an Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen; selten kommt im SO. noch der Wolf von den Karpathen herüber. Auch das Geflügel ist stark vertreten. Die Fischerei [* 41] ist nicht unbedeutend: es gibt Karpfen in den zahlreichen Teichen, Welse und Lachse in der Oder, Forellen in den Gebirgsbächen. Die Bienenzucht [* 42] ist erheblich, und das neuere Verfahren bei derselben ging durch den Pfarrer Dzierzon gerade von S. aus.
Sehr beträchtlich ist die Ausbeute des Mineralreichs. S. enthält die größte Steinkohlenablagerung des europäischen Festlandes, nämlich auf der rechten Oderseite in Oberschlesien, woselbst die Steinkohlenformation mit reichhaltigen Flözen, teilweise zu Tage tretend, teilweise von Buntsandstein, Muschelkalk oder Diluvialschichten bedeckt, einen Raum von wenigstens 1375 qkm (25 QM.) einnimmt. Das Hauptgebiet des zu Tage tretenden Teils liegt zwischen Zabrze und Myslowitz [* 43] und entsendet nach SW. einen Flügel über Nikolai hinaus bis Belk.
Kleinere Steinkohlenpartien finden sich noch bei Czernitz, Pschow und selbst auf der Westseite der Oder an der Landecke unterhalb der Oppamündung. Eine zweite Ablagerung von Steinkohlen ist bei Waldenburg [* 44] zwischen den ältern Schichten der Kohlenformation von Freiburg [* 45] und den Porphyren und Melaphyren des Niederschlesischen Steinkohlengebirges eingebettet; dieselbe erstreckt sich, wie auch die erstere, noch über die Grenze der Provinz hinaus. Endlich gibt es Steinkohlen auch im Sandstein der obern Kreide [* 46] am Queiß.
Die Braunkohle ist in den Hügellandschaften stark verbreitet, wird aber nicht in großer
Menge abgebaut. Wichtig ist dagegen
die Ausbeute an Eisen- und Zinkerzen, diese bei Beuthen
[* 47] in Oberschlesien in unmittelbarer Nachbarschaft des Steinkohlengebirges,
jene in den verschiedensten Teilen des Regierungsbezirks Oppeln auf der rechten Seite der Oder, aber auch
in den Gebirgen. Ferner werden gewonnen: Bleierze in Oberschlesien, Kupfer-, Kobalterze, Schwefelkies, Arsenik, Alaun,
[* 48] einige Edelsteine
[* 49] von geringem Wert (Chrysolith, Amethyst, Chalcedon, Achat,
[* 50] Chrysopras, Jaspis etc.), vortrefflicher Thon, Marmor, Serpentin, Schleif-
und Mühlsteine,
[* 51] Kalksteine (Gogolin in Oberschlesien), Gips,
[* 52] Walkererde, Feld- und Schwerspat, Magnesit, Torf etc. Die vorhandenen
Salzquellen haben nur eine schwache Sole; dagegen haben andre Mineralquellen besuchte Badeanstalten entstehen
lassen, so zu Warmbrunn, Salzbrunn, Reinerz, Landeck, Flinsberg, Kudowa, Charlottenbrunn, Langenau etc. 1886 wurden in der Provinz
gefördert: 15,996,326 Ton. Steinkohlen im Wert von 68,336,188 Mk., 360,589 T. Braunkohlen im Wert von 1,289,398 Mk., 722,018
T. Eisenerze im Wert von 2,307,850 Mk., 578,858 T. Zinkerze im Wert von 3,547,603
Mk., 29,316 T. Bleierze im Wert von 3,647,941 Mk. etc.
Die Hüttenproduktion ergab 1886: 374,493 Ton. Roheisen im Wert von 17,259,181 Mk., 82,659 T. Zink im Wert
von 21,209,323 Mk.,
20,879 T. Blei
[* 53] im Wert von 4,914,495 Mk., 31,987 T. Schwefelsäure
[* 54] im Wert von 1,536,006 Mk. etc.
[Industrie und Handel.]
Die Industrie bildet einen wichtigen Erwerbszweig der Bevölkerung, von der 35,2 Proz. darin ihre Beschäftigung
finden. In den Kreisen von Leobschütz bis Löwenberg, meist im und am Gebirge und anschließend an den großen
Bezirk der Flachsindustrie
in Böhmen, ist die Leinwandfabrikation, in Verbindung mit Baumwollweberei, Färberei und Bleicherei, die
Hauptbeschäftigung der Bewohner; große
Flachsspinnereien sind zu Liebau, Landeshut, Erdmannsdorf, Freiburg,
Waldenburg und entfernt vom
Gebirge zu Neusalz a. O., Baumwollspinnereien zu Langenbielau etc., großartige Webereien namentlich in den Kreisen Reichenbach,
[* 55] Waldenburg, Landeshut und Hirschberg.
Die Tuchfabrikation ist in Görlitz, Sagan, [* 56] Grünberg und Goldberg von Bedeutung; auch werden Wollwaren mehrfach gefertigt. Handschuhe liefert Haynau, Teppichknüpferei wird in Neustadt, [* 57] im Hirschberger Thal (hier neuerdings auch Spitzenklöppelei), in Sprottau [* 58] und Schmiedeberg betrieben. Die Hüttenindustrie sowie die Verarbeitung der Metalle haben ihren Hauptsitz in den Steinkohlengebieten. Die Zinkproduktion ist fast ausschließlich im Oberschlesischen Steinkohlengebirge mit zahlreichen Werken vertreten, dagegen ist die Eisenindustrie viel weiter verbreitet.
Die großartigsten Eisenwerke liegen zwischen Gleiwitz, [* 59] wo auf der Gleiwitzer Hütte 1796 der erste Kokshochofen in Preußen [* 60] ins Leben trat, Tarnowitz, wo auf dem Bleiwerk Friedrichsgrube 1788 die erste Dampfmaschine [* 61] in Deutschland [* 62] aufgestellt ward, Beuthen, Königshütte [* 63] und Myslowitz, ferner an der Malapane im Kreis Oppeln und bei Waldenburg, sodann auch in Niederschlesien im Bereich der Waldungen des Schlesischen Längenthals zwischen Bunzlau [* 64] und Sprottau.
Wichtige Eisengießereien und Maschinenfabriken gibt es zu Breslau, Ratibor, Görlitz, Lauban etc. Andre Industriezweige Schlesiens sind: die Fabrikation von Rübenzucker zwischen Breslau und Schweidnitz (1887: 56 Fabriken), von Stärke, [* 65] Papier, Leder, Dachpappe, Seilerwaren (Oppeln), Seife, Lichten, Schuhwaren, Tabak und Zigarren (Breslau, Ohlau), Chemikalien, Pulver, Dynamit, Zündhölzern, Uhren [* 66] (Freiburg, Silberberg), Turmuhren (Glogau), [* 67] Hüten (Liegnitz), Strohgeflechten, Glaceehandschuhen (Breslau), Billards (Breslau), Schrot-, Blei- und Zinnwaren (Breslau), Nägeln, Wagen, Eisenbahnwagen, Kalk (Gogolin und Oppeln), Zement (Oppeln), Glas [* 68] (im Kreis Oppeln, bei Waldenburg, am Queiß und an der Lausitzer Neiße), von feinen Glaswaren (Josephinenhütte im Riesengebirge), von Schamottesteinen, Töpferwaren (Bunzlau), Porzellan- und Steingutwaren (in den Kreisen Waldenburg und Schweidnitz), von Schaumwein (Grünberg), von eingemachten Früchten (Grünberg und Hirschberg).
Nennenswert sind noch: die Bierbrauereien, die Brennereien und Likörfabriken, große Mahlmühlen, Gerbereien etc. Der Handel Schlesiens leidet durch die russischen Grenzverhältnisse, hat sich jedoch in der neuesten Zeit infolge des bedeutend erweiterten Eisenbahnnetzes sehr gehoben. Die Eisenbahnen sind fast nur Staatsbahnen. [* 69] Die wichtigsten Linien sind: Sommerfeld-Breslau, Görlitz-Kohlfurt-Liegnitz, Kohlfurt-Sorgau, Liegnitz-Neiße-Oppeln, Breslau-Halbstadt, Breslau-Mittelwalde, Breslau-Stettin, Breslau-Posen, Breslau-Tarnowitz, Breslau-Brieg-Kosel, Kosel-Kamenz, Kosel-Oderberg, Kosel-Oswiecim etc. Besonders stark entwickelt ist das Eisenbahnnetz im oberschlesischen Industrierevier, wo zahlreiche ¶