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auf dem der Frau v. Staël gehörigen Landgut Coppet am Genfer See sowie als deren Reisebegleiter nach Italien, [* 2] Frankreich, Schweden [* 3] und England. In Wien [* 4] hielt er 1808 mit höchstem Beifall aufgenommene Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur. Während der Feldzüge 1813 und 1814 stand er als Sekretär [* 5] in Diensten des damaligen Kronprinzen von Schweden, dessen Proklamationen er zum größten Teil verfaßte. Nach dem Krieg lebte S., der sich seit 1815 auf Grund eines seinem Urahnen von Ferdinand III. erteilten Adelsdiploms von S. nannte, wieder mit der Frau v. Staël in Coppet, bis er 1818 einem Ruf als Professor der Litteratur an die Universität zu Bonn [* 6] folgte.
Hier betrieb er mit Vorliebe orientalische, namentlich indische, Studien, die ihn zu wiederholten Malen nach Frankreich und 1823 nach England führten und ihn zur Gründung einer Druckerei mit Sanskrittypen in Bonn veranlaßten. Während eines längern Besuchs in Berlin [* 7] 1827 hielt er Vorlesungen über die Theorie und Geschichte der bildenden Künste. Eine zweite Ehe, die er mit der Tochter des Kirchenrats Paulus 1819 geschlossen, wurde noch rascher als die erste wieder getrennt. Er starb in Bonn. Schlegels eignes poetisches Schaffen erscheint gegenüber seiner sonstigen vielseitigen Produktivität unbedeutend. Bei aller formellen Virtuosität hat er es kaum zu einer wahrhaft lebensvollen dichterischen Schöpfung gebracht; seiner Lyrik fehlt die Herzenswärme, und so gelangen ihm eigentlich nur Epigramme oder Sonette, in denen die geistreiche Pointe und die durchgebildete Form die Hauptsache sind. Sein dramatischer Versuch »Jon« (Hamb. 1803) gehört der reflektierten Philologenpoesie an. Unübertrefflich und unvergänglich dagegen ist, was S. als poetischer Übersetzer geschaffen.
Daß die deutsche Nation Shakespeare wie einen Dichter des eignen Volkes ansehen kann, verdankt sie Schlegels Übertragung der Shakespeareschen Dramen, welche jedoch nur 16 Stücke umfaßt (Berl. 1797-1810, 10 Bde.; vgl. Bernays, Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipz. 1872). Mit gleicher Meisterschaft übertrug S. fünf Dramen Calderons (»Spanisches Theater«, [* 8] Berl. 1803-1809, 2 Bde.) und andre romanische Dichtungen (»Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer Poesie«, das. 1803). Als Ästhetiker eröffnete S. mit seinem Bruder den Reigen der deutschen Romantik (s. Deutsche Litteratur, [* 9] S. 751 f.). Er war mit feinfühliger Urteilskraft für Dinge der Kunst begabt, ging aber freilich teilweise von falschen Prinzipien aus. Die mit seinem Bruder gemeinsam herausgegebenen kritischen Schriften und Aufsätze (»Charakteristiken und Kritiken«, Königsb. 1801) und die von ihm allein verfaßten (gesammelt als »Kritische Schriften«, Berl. 1828, 2 Bde.) enthalten vieles von dauerndem Wert, freilich auch viel gehässige Polemik.
Letztere verfeindete ihn nicht nur mit zahlreichen und einflußreichen jüngern Schriftstellern, z. B. mit Kotzebue (der ihn mit Garlieb Merkel im »Freimütigen« bekämpfte und dafür von S. in »Ehrenpforte und Triumphbogen für den Theaterpräsidenten v. Kotzebue bei seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland« und im »Paradiesgärtlein für Garlieb Merkel« witzig gegeißelt wurde),
sondern auch mit Wieland und Schiller und endlich mit Goethe. Dagegen entfaltet S. in den »Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur« (Heidelb. 1805-11, 3 Bde.) und »Über Theorie und Geschichte der bildenden Künste« (Berl. 1827) die ganze Feinheit und den großen Überblick seines kunsthistorischen und ästhetischen Urteils. Unter seinen philologischen Arbeiten verdienen die »Observations sur la langue et la littérature provençale« (Par. 1818),
die Zeitschrift »Indische Bibliothek« (Bonn 1823-30, 3 Bde.),
die Ausgaben des »Bhagavad-Gitâ« (das. 1823) und des »Râmâyana« (das. 1829-1846) Auszeichnung, durch welch letztere Werke eine wissenschaftliche Behandlung der indischen Litteratur in Deutschland [* 10] zuerst eingeführt wurde. Eine treffliche Gesamtausgabe seiner deutschen Schriften hat Böcking veranstaltet (Leipz. 1846-47, 12 Bde.), der sich die von demselben redigierten »Œuvres écrites en français« (das. 1846, 3 Bde.) und die »Opuscula quae latine scripta reliquit« (das. 1848) anschließen. Eine Auswahl der »Gedichte« Schlegels erschien zu Leipzig [* 11] 1854.
6) Friedrich von, Bruder des vorigen, geb. zu Hannover, [* 12] war ursprünglich zum Kaufmann bestimmt, begann als solcher seine Lehrzeit in Leipzig, entschied sich aber dann für das Studium der Philologie, dem er in Göttingen [* 13] und Leipzig oblag, und widmete sich gleich seinem Bruder Wilhelm ausschließlich der Litteratur. In Berlin lernte er Moses Mendelssohns Tochter Dorothea Veit kennen, die sich um seinetwillen von ihrem Gatten scheiden ließ. Nach seiner Verheiratung mit derselben habilitierte er sich in Jena [* 14] als Privatdozent, ging 1802 nach Dresden [* 15] und begab sich von hier zum Studium der Kunstsammlungen nach Paris. [* 16]
Von dort aus begründete er die Zeitschrift »Europa« [* 17] und ließ sich dann in Köln [* 18] nieder, wo er und seine Gattin zur katholischen Kirche übertraten. 1808 ward er in österreichischen Diensten als Sekretär und litterarischer Hilfsarbeiter bei der Hof- und Staatskanzlei mit dem Titel eines Hofrats angestellt. Die schwungvollen Proklamationen, welche 1809 die Erhebung Österreichs verkündeten, stammten aus seiner Feder; im Hauptquartier des Erzherzogs Karl redigierte er eine »Armeezeitung«.
Nach dem verhängnisvollen Friedensschluß im Herbst 1809 versank er mit dem gesamten Metternich-Gentzschen Kreis [* 19] in resignierten Pessimismus, schloß sich demnächst immer inniger und gegen Andersdenkende unduldsamer an die Kirche an, wie aus den vielbesuchten historischen und litterarhistorischen Vorlesungen hervorgeht, die er in den Wintern 1810 und 1812 zu Wien hielt. 1814 ward S. zum Ritter des päpstlichen Christusordens erhoben; 1815-18 war er als Legationsrat bei der österreichischen Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt [* 20] thätig, widmete sich dann in Wien wieder ausschließlich litterarischen Arbeiten und gab unter anderm die Zeitschrift »Concordia« heraus, deren Tendenz auf die Zurückführung aller Konfessionen [* 21] in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche gerichtet war.
Dabei gab er sich der »Philosophie des Lebens« in der wachsenden Lust an der Gourmandise hin. 1827 hielt er wieder in Wien Vorlesungen »zur Philosophie der Geschichte«, kam im Herbst 1828 nach Dresden, wo er Vorlesungen »über Philosophie der Sprache [* 22] und des Wortes« zu halten begann und starb. S. zeigte in seiner ganzen litterarischen Erscheinung mannigfache Verwandtschaft mit seinem jüngern Bruder August Wilhelm, mit dem er während der ersten Hälfte seines Lebens getreulich zusammenwirkte. In seinen produktiven Anläufen war er aber noch unglücklicher als jener. Seine »Gedichte« (Berl. 1809) enthielten nur wenige wirklich aus der Seele klingende Töne und unendliche Formspielereien. Der halb lüsterne, halb kalt reflektierte Roman »Lucinde« (1. Teil, Berl. 1799; unvollendet) erwies trotz einiger interessanter Momente ¶
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Schlegels poetische Impotenz. Dieselbe trat noch greller in der Tragödie »Alarkos« (Berl. 1802) hervor, die Schiller ein »seltsames Amalgam vom Antiken und Neuest Modernen« nannte, und von der Schillers Freund Körner ganz richtig urteilte, sie zeige »das peinliche Streben, bei gänzlichem Mangel an Phantasie aus allgemeinen Begriffen ein Kunstwerk hervorzubringen«. Weit bedeutender erschien S. als Forscher und Kritiker. Den Jugendarbeiten: »Von den Schulen der griechischen Poesie« und »Geschichte der Poesie der Griechen und Römer« [* 24] (Berl. 1798) folgten die Abhandlungen über Goethe und überhaupt die Aufsätze im »Athenäum«, mit denen S. die Theorie einer neuen »romantischen« Poesie zu begründen suchte, »die allein unendlich ist, wie sie allein frei ist und das als erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide«.
In den mit seinem Bruder herausgegebenen »Charakteristiken und Kritiken«, in den spätern Aufsätzen seiner »Europa« ward diese Anschauung verfochten. Bald aber suchte er einen Halt für seine unruhige Phantastik und eine Stärkung seiner Welt- und Kunstanschauung in der unbedingten Unterordnung unter die Kirche. So mußte er bereits in seiner »Geschichte der alten und neuen Litteratur« (Wien 1815) gar vieles von dem zurücknehmen, was er einst enthusiastisch verkündet hatte, und statt Goethe wurden ihm Dante und Calderon die ersten und größten »romantischen« Dichter. In seinen »Vorlesungen über die neuere Geschichte« (Wien 1811) und in seiner »Philosophie der Geschichte« (das. 1829) traten die katholisierenden Tendenzen natürlich noch stärker hervor.
Sein bestes, wenigstens anregendstes Buch blieb das »Über Sprache und Weisheit der Inder« (Heidelb. 1808),
welches den historischen Wissenschaften und der vergleichenden Sprachforschung mächtige und fruchtbare Anregungen gab. Schlegels »Sämtliche Werke« (Wien 1822-25, 10 Bde.) erschienen noch bei Lebzeiten des Autors; ihnen schlossen sich die »Philosophischen Vorlesungen aus den Jahren 1804-1806« (hrsg. von Windischmann, Bonn 1836, 2 Bde.) an. Eine neue, von Feuchtersleben veranstaltete Ausgabe der »Sämtlichen Werke« (Wien 1846, 15 Bde.) erfuhr mannigfache Vermehrungen. Seine »Prosaischen Jugendschriften« gab Minor heraus (Wien 1882, 2 Bde.).
Vgl. Haym, Die romantische Schule (Berl. 1869);
»Aus Schleiermachers Leben« (hrsg. von Dilthey, das. 1858-64, 4 Bde.).
Seine geistreiche, aber exzentrische Gattin Dorothea, geb. zu Berlin als Tochter Moses Mendelssohns (s. oben), war in erster Ehe mit dem Kaufmann Simon Veit vermählt. Die Bekanntschaft mit S. führte zur Lösung dieser Ehe (aus welcher der bekannte Maler Philipp Veit stammt);
Dorothea folgte S. nach Paris, wo sie zum Christentum übertrat, später nach Wien, Frankfurt und Dresden und starb in Frankfurt a. M. Ihre von S. unter seinem Namen herausgegebenen Schriften sind: »Florentin«, ein unvollendeter Roman (Leipz. 1801);
»Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters« (Bd. 1, das. 1804);
eine Bearbeitung von »Lothar und Maller« (Frankf. 1805) und die Übersetzung der »Corinne« der Frau v. Staël (Berl. 1808).
Vgl. Raich, Dorothea v. S. und deren Söhne Johannes und Philipp Veit, Briefwechsel (Mainz [* 25] 1881).