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den dortigen Gelehrten bekannt. Am intimsten verkehrte er mit Charlotte v. Kalb, der sein erster Besuch in Weimar zu teil wurde. Das Verhältnis beider scheint ein völlig vertrautes gewesen zu sein; sie dachten an Auflösung der Ehe Charlottens und demnächstige engere Verbindung miteinander. Doch zerschlug sich der Plan; es trat zeitweilige Spannung und Verstimmung zwischen beiden ein, die erst später wieder dauernder Freundschaft Platz machte. Ende November 1787 führte ein Ausflug nach Bauerbach S. einmal wieder mit der mütterlichen Freundin v. Wolzogen zusammen, mit deren Sohn er auf der Rückreise zu Rudolstadt bei der Witwe des Oberjägermeisters v. Lengefeld einkehrte, die er nebst ihren geistvollen und liebenswürdigen Töchtern Karoline und Lotte bereits 1784 in Mannheim flüchtig gesprochen hatte. Der Aufenthalt bei diesen ausgezeichneten Menschen that dem Dichter ungemein wohl; es wurde ihm schwer, sich von ihnen zu trennen. In Weimar, wohin Lotte v. Lengefeld im Februar 1788 für einige Zeit kam, nahm der Verkehr seinen Fortgang, und S. faßte wohl schon zu dieser Zeit eine warme Neigung für seine »junge Freundin«. Im Mai siedelte er in das nahe bei Rudolstadt gelegene Dorf Volkstedt über, wo ihm die befreundeten Schwestern, mit denen er nun in täglichen anregendsten Umgang kam, eine idyllisch bescheidene Wohnung gemietet hatten. Inzwischen hatte S. den ersten Teil seiner »Geschichte des Abfalls der Niederlande« auszuarbeiten begonnen. Es zog ihn trotz Körners Abmahnungen gewaltig zur Geschichte, obschon er ganz gut wußte, daß er ein Gelehrter im Sinn der Akademiepedanten nicht sein und nicht werden könne. Daneben aber regte sich kräftig die poetische Ader. Im März 1788 waren »Die Götter Griechenlands« entstanden, jene berühmte Klage um die heimgegangene »Religion der Schönheit«, deren elegische Wahrheit die bornierte Polemik F. Leop. v. Stolbergs nicht aufzuheben vermochte. Die Fortführung der »Thalia«, die Mitarbeiterschaft für Wielands »Merkur« hatten die weimarische Zeit thätig ausgefüllt; in Volkstedt wurden die »Briefe über Don Karlos«, diese unvergleichlichste aller Selbstkritiken, geschrieben und dazwischen durch die Lektüre Homers und die Übertragung einiger Euripideischer Stücke von dem Dichter der Versuch gemacht, das Griechentum sich trotz mangelnder Sprachkenntnis näher zu bringen. Am 9. Sept. 1788 traf S. im Lengefeldschen Haus zu Rudolstadt zum erstenmal mit Goethe persönlich zusammen, ohne daß jedoch diese Berührung eine Annäherung bewirkte, da besonders S. sich von dem Wesen des in sicherer Ruhe des äußern und innern Lebens sich bewegenden Olympiers wenig angezogen fühlte. Im November kehrte S. nach Weimar zurück; Wieland hatte ihn im Interesse des »Merkur«, der »in Todesnöten lag«, zu Hilfe gerufen. Das Herz des Dichters freilich blieb in Rudolstadt haften, merkwürdigerweise an einem Doppelanker gehalten; denn um jene Zeit und noch eine Weile später schwankte seine Neigung zwischen den Schwestern Karoline v. Beulwitz (die in ihrer Ehe nicht glücklich war) und Lotte v. Lengefeld. Noch vor Ende des Jahrs bot sich für S. eine amtliche Existenz dar. Am 15. Dez. erhielt er durch Goethe ein Regierungsreskript, worin ihm an die Hand gegeben war, sich für eine Professur der Geschichte in Jena einzurichten. Seine »Geschichte des Abfalls der Niederlande« hatte diese Berufung bewirkt. S. fühlte sich überrascht und gestand, als die Sache Ernst wurde, gegen Körner, er habe sich »übertölpeln« lassen. Eine gesicherte Lebensstellung gewährte das angebotene Amt nicht, denn es war mit keinem festen Gehalt verbunden. S. gab ungern seine Freiheit auf und sah sich genötigt, Arbeiten zu betreiben, die ihn von seinem wichtigsten Beruf abzogen. Gleichwohl schlug er das Anerbieten nicht aus. Der Winter verging unter fleißigem Briefwechsel mit den Freundinnen in Rudolstadt und mit Körner, unter Vorbereitungen zur Professur und Arbeiten für den »Merkur« und die »Thalia«. In jenem erschien im März 1789 das Gedicht »Die Künstler«. Als Grundidee bezeichnete S. selbst »die Verhüllung der Wahrheit und Sittlichkeit in die Schönheit«. Das Schöne erscheint dort als das Symbol des Wahren und Guten; das Endziel aller Entwickelung des Menschen sieht der Dichter in dessen Erziehung zu freier Sittlichkeit, ein ästhetisches Dogma, welches offenbar noch in der Zweckmäßigkeitstheorie verharrt und erst später bei S. einer freiern Auffassung der Kunst gewichen ist. Um jene Zeit beschäftigte den Dichter der Gedanke, Friedrich d. Gr. zum Helden eines Epos zu wählen; der Plan blieb jedoch unausgeführt. Im Mai trat S. sein Lehramt an. Seine Antrittsvorlesung über »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte« fand den größten Beifall und setzte die Universität in förmliche Aufregung. Dem ersten Triumph schlossen sich jedoch bald unangenehme Erfahrungen über das kleinliche Getreibe deutschen Professorentums an. Einen Trost fand S. im Briefverkehr mit Rudolstadt, wohin ihn auch flüchtige Besuche wiederholt führten. Im Juli 1789 gestaltete sich das Verhältnis zu Lotte v. Lengefeld zum völligen Herzensbund, dem die um Weihnachten erbetene Einwilligung der Mutter freudig erteilt wurde. Im nächsten Januar verwilligte Herzog Karl August dem Dichter einen Jahrgehalt von 200 Thlr., und 22. Febr. 1790 gab der Pfarrer von Wenigenjena in seiner Dorfkirche das Paar in aller Stille zusammen. Es war ein beglückender Bund, der dort geschlossen wurde. Freilich der Überfluß wohnte nicht in der Häuslichkeit des Jenenser Professors, und die Brotarbeit nahm diesem viele unersetzlich kostbare Stunden weg. Seit 1790 gab S. eine »Sammlung historischer Memoiren« heraus, und für Göschens »Historischen Damenkalender« bearbeitete er die »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs«. Neben seinen historischen Kollegien las er im Sommer ein Publicum über die Tragödie, für welches er sich durch gründliche Lektüre der »Poetik« des Aristoteles vorbereitet hatte. Aus diesen Arbeiten erwuchsen die später veröffentlichten Aufsätze: »Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen«, »Über Anmut und Würde«, »Über pathetische Darstellung« u. a. In das durch angenehmen geselligen Verkehr heiter und anregend, durch die liebreiche Pflege seitens seiner Gattin traulich und behaglich gewordene Leben des Dichters kehrte seit Anfang 1791 als schlimmer Gast häufig und regelmäßig Krankheit ein. Während S. mit seiner Frau im Januar bei dem Koadjutor von Dalberg in Erfurt weilte, befiel ihn ein heftiges Katarrhalfieber; nach scheinbarer Genesung stellte sich in Jena ein Rückfall ein, von dem S. sich erst gegen Ende Februar erholte. Seitdem gebot die Schwäche seiner Brust dem Dichter, seine akademische Thätigkeit auf Privatissima zu beschränken. In Rudolstadt, wohin er mit Lotte in den Osterferien zu Besuch gereist war, brachte ihn ein abermaliger Rückfall dem Tod nahe. In dieser Zeit der Trübsal gewährte das Studium der Kantschen Philosophie, in welche der Dichter damals tiefer einzudringen unablässig bemüht war, Trost und Erhebung. Leibliche Kräftigung suchte er mit leidlichem Erfolg im Juni
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1791 zu Karlsbad: begreiflich genug, daß Krankheit und Unvermögen zur Brotarbeit auch finanzielle Sorgen im Gefolge hatten, denen Herzog Karl August beim besten Willen nur für den Augenblick abzuhelfen vermochte. Unerwartet aber kam Hilfe aus weiter Ferne. Ein Verehrer Schillers im Norden, der dänische Dichter Baggesen, hatte im Juni 1791 auf die irrige Nachricht, S. sei seiner Krankheit erlegen, mit gleich begeisterten Freunden dem vermeintlich Gestorbenen eine Totenfeier zu Hellebeck auf Seeland gehalten und darüber an Reinhold in Jena berichtet. Von diesem erfuhr er, daß der Gefeierte noch lebe, und wie sorgenvoll dessen Lage sei. Auf diese Nachricht erfolgte ein von dem Erbprinzen von Holstein-Augustenburg und dem Grafen von Schimmelmann verfaßtes Schreiben aus Kopenhagen, welches S. für drei Jahre ein jährliches Geschenk von 1000 Thlr. (3600 Mk.) anbot. Die Gabe wurde, wie sie es verdiente, mit innigem Dank angenommen. Inzwischen war jenseit des Rheins die Revolution mächtig vorgeschritten und zog Schiller in Teilnahme. Während König Ludwig XVI. der Prozeß gemacht wurde, dachte S. an die Abfassung eines Memoires für die Sache des Unglücklichen, fing auch wirklich ein solches an; aber es ward ihm »nicht wohl dabei«, und er ließ das Begonnene liegen. Im August 1793 folgte S. einem alten Herzenswunsch, der ihn zum Besuch in die schwäbische Heimat zog; am 8. traf er in Heilbronn ein und nahm daselbst Wohnung. Aber auch auf die Solitüde und nach Ludwigsburg wagte sich der weiland flüchtig Gewordene; an letztern Ort siedelte er sogar im September über, um den Stuttgarter Freunden näher zu sein. Diese fanden ihn sehr verändert: aus dem Stürmer und Dränger, dem burschikosen Genie der Regimentsmedikustage hatte eine konsequente Selbstentwickelung und Durchbildung den bedeutenden Mann entfaltet, dessen ganze Persönlichkeit das Gepräge durchgeistigter Vornehmheit trug. Im Frühjahr 1794 (nachdem im Oktober 1793 Herzog Karl das Zeitliche gesegnet hatte) mietete sich S. in einem Gartenhaus in Stuttgart ein; außer Lotte brachte er seinen Erstgebornen mit, den ihm jene im September 1793 zu Ludwigsburg geschenkt hatte. Während in Stuttgart der Entwurf der seit 1791 ins Auge gefaßten Tragödie »Wallenstein« rüstig fortschritt, modellierte der von der Karlsschule her dem Dichter befreundete Dannecker jene berühmte herrliche Büste Schillers, welche jetzt die weimarische Bibliothek schmückt. Auf einem Ausflug nach Tübingen trat S. in die für ihn so bedeutsam gewordene Verbindung mit dem Buchhändler Cotta. Dieselbe sicherte ihm für den Rest seines Lebens einen Verleger, der für alle Schillerschen Leistungen gleich begeistert und thätig, dabei fortwährend bestrebt war, Schillers Einnahmen zu steigern, und dem leisesten Wunsch des Dichters mit wahrhaft rührender, in einer Geschäftsverbindung nie dagewesener Beflissenheit entgegenkam. Gegenüber den Zeugnissen des S.-Cottaschen Briefwechsels, von allen andern entscheidenden Dokumenten abgesehen, wird es geradeswegs zu einer noch immer gern geübten Abgeschmacktheit, von Schillers Hungerleiden und Mangel zu sprechen. Wenn geltend gemacht wird, daß er die Honorare Cottas doch habe »erschreiben« müssen, so muß man im Auge behalten, daß S. das seltene Glück zu teil wurde, überall nur das schreiben zu dürfen, was ihm innerster Drang war, und was er geschrieben haben würde, auch wenn ihn Vermögen oder die größten Pensionen von aller Notwendigkeit des litterarischen Erwerbs befreit hätten. Am 15. Mai 1794 traf er mit Frau und Kind wohlbehalten wieder in Jena ein. Als wichtigste litterarische Frucht der Reise brachte er die »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts« mit, die ein Gesamtbekenntnis der Schillerschen Philosophie enthalten und den Grundgedanken in schönster Darstellung ausführen, daß der Weg zur Freiheit ein ästhetischer sein und durch die Schönheit führen müsse.
Das nächste wichtigste Ereignis in Schillers Leben für ihn selbst sowie für die deutsche Litteratur war der Beginn eines geistigen Verständnisses und bald einer dauernden und unlöslichen Freundschaft mit Goethe. Nach verschiedenen Annäherungsversuchen, die erfolglos geblieben waren, führten einige durch die Jenenser Naturforschende Gesellschaft veranlaßte Gespräche, in denen sich unerwartet Berührungspunkte ergaben, die Vorbereitungen zur Zeitschrift »Die Horen« und namentlich der herrliche Schillersche Brief vom 23. Aug. 1794, in welchem der Dichter sein volles und neidloses Verständnis der großen Natur Goethes an den Tag legte, zu einem Austausch aller Ideen und Kunstanschauungen, dem ein gemeinsames Weiterstreben im tiefsten, nie wieder getrübten Gefühl der Zusammengehörigkeit folgte. Schillers Aufenthalt in Jena gestaltete sich jetzt durch den regen Verkehr mit Goethe, die Freundschaft mit Wilhelm v. Humboldt, der hauptsächlich um Schillers willen in der kleinen thüringischen Universitätsstadt verweilte, außerordentlich befriedigend. Seine Gesundheit freilich blieb seit den schweren Anfällen von 1791 und 1792 gebrochen; er konnte nur noch hoffen, »aus dem Schiffbruch seiner Existenz das Wesentlichste zu bergen«. Niemals vielleicht ist dies kühner, heldenhafter und alle äußern Hemmnisse energischer unter einen großen idealen Willen beugend geschehen als damals von S. Seine Thätigkeit, obschon er sie dem lastenden Siechtum von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr neu abringen mußte, war die einer geistig und körperlich in der Fülle der Kraft, im freudigsten Überschwellen stehenden Natur. Bereits jetzt, obschon noch mit der Anwendung der Kantschen Philosophie auf die Ästhetik, die Dichtung vor allem, eifrig beschäftigt, obschon gelegentlich zu historischen Aufsätzen (»Geschichte der Belagerung von Antwerpen«) zurückgreifend, fühlte S., daß die philosophische und historische Periode für ihn zu Ende gehe und eine zweite poetische beginne. Den Sommer und Herbst 1794 beschäftigte S. die Ausarbeitung des Aufsatzes »Über naive und sentimentalische Dichtung« und seit dem Juni die Herausgabe der Zeitschrift »Die Horen«, für welche er neben Goethe und Humboldt eine Reihe der hervorragendsten deutschen Schriftsteller der Zeit als Mitarbeiter und Cotta als Verleger gewonnen hatte. Zugleich bereitete S. seit dem Oktober 1794 die Herausgabe eines »Musenalmanachs« vor, der im Herbst 1795 zuerst erschien und bis 1800 alljährlich fortgesetzt wurde. Einen von Tübingen aus im Frühjahr 1795 ergangenen Ruf zur Übernahme einer Professur lehnte der Dichter ab, nachdem Herzog Karl August ihm für den Fall, daß Schillers Gesundheit ihm »die Schriftstellerei untersage«, Verdoppelung seines Gehalts versprochen hatte. Durch den »Musenalmanach« und Goethes Einwirkung war jetzt Schillers lyrische Ader in neuen reichen Fluß gekommen. Die Gedichte: »Das Ideal und das Leben« (ursprünglich »Das Reich der Schatten« überschrieben), eine der köstlichsten Früchte der Schillerschen Muse, die »Macht des Gesanges«, »Würde der Frauen«, die Elegie »Der Spaziergang« u. a. sind damals entstanden. Seit Ende 1795 beschäftigte die Freunde die gemeinsame Abfassung jener berühmten