mehr
erhärtet werden, dessen erster Akt in der Zeitschrift »Rheinische Thalia« veröffentlicht wurde, die S. im Herbst 1784 herauszugeben begann. Im »Don Karlos« bediente sich S. zuerst in seinen dramatischen Dichtungen der gebundenen Rede, gleichsam schon durch den Vers die erhöhte Stimmung, die größere Weihe andeutend, die er diesem Werk mit Recht zusprach. Inzwischen wurde der »Don Karlos« nicht im raschen Zug seiner frühern Dichtungen weiter geführt. Das Leben brachte dem Dichter jetzt sehr wechselnde und bewegte Eindrücke.
Aus der Zerstreuung des Komödiantentreibens und einiger Komödiantenliebschaften riß ihn der Verkehr mit der geistreichen Charlotte v. Kalb. Charlottens Erscheinung war zunächst freilich nicht mächtig genug, um den leicht entzündlichen Dichter ganz zu fesseln; gerade in diesen Winter von 1784-85 fiel eine rasche, leidenschaftliche Neigung zu Margarete Schwan, der schönen Tochter des Mannheimer Hofbuchhändlers, eine Neigung, die noch von Leipzig [* 2] aus zu einer Werbung um die Hand [* 3] Margaretens führte.
Gleichwohl gab die »Freundschaft« Charlottens und die Bewunderung, welche die jugendliche Frau dem Dichter unverhohlen entgegenbrachte, seinem Auftreten ein stolzeres Selbstgefühl. Befestigt wurde dasselbe durch eine gleichfalls von Charlotte v. Kalb eingeleitete Vorlesung des ersten Aktes von »Don Karlos« am Darmstädter Hof, [* 4] bei welcher Karl August von Weimar [* 5] anwesend war und dem Dichter bereitwillig den Titel eines herzoglich sächsischen Rats erteilte. Der heimatlose Flüchtling gewann mit diesem Dekret einen gewissen Boden unter den Füßen. Die veränderte Situation machte sich vor allem Dalberg fühlbar, welcher Schillers entschiedenstem Widerstand begegnete, als er ungehörige Anforderungen an ihn stellte und die »Thalia« als Lobposaune des Mannheimer Theaters mißbrauchen wollte.
Erfahrungen dieser Art verleideten dem Dichter den Aufenthalt in Mannheim [* 6] mehr und mehr. Er schaute nach Erlösung, nach beglücktern Zuständen aus und fand von seinem Genius auch jetzt wieder vorgesorgt. Schon im Juni 1784 waren aus Leipzig verschiedene Briefe, Liebesgaben, Bleistiftzeichnungen zweier Verehrerpaare, der jungen Leipziger Gelehrten Christ. Gottfr. Körner und Ferd. Huber und ihrer Bräute Minna und Dorothea Stock, eingelaufen. S. beantwortete diese Briefe erst im Dezember d. J., aber nun mit voller Hingabe und enthusiastischer Erwiderung der entgegengebrachten Verehrung.
Rasch festigte sich brieflich eine Freundschaft, die S. schon im Februar 1785 den Mut gab, sich ganz in die Arme der neuen Freunde zu werfen, unter denen glücklicherweise Körner neben dem vollen Idealismus des Herzens auch Besonnenheit, Weltblick und äußere Glücksgüter genug besaß, um die von S. ersehnte Lebenswendung zu verwirklichen. Der Dichter riß sich in Mannheim von Charlotte v. Kalb und dem treuen Streicher los. Die Erfahrungen der letzten Zeit, die materiellen Entbehrungen, die er bei so vielem Ruhm zu ertragen gehabt, hatten ihm den Gedanken nahe gelegt, die früher verlassenen Rechtsstudien wieder aufzunehmen; er trennte sich von Streicher mit dem Versprechen, ihm zu schreiben, wenn er Minister geworden sei, wobei ihm doch mehr der poetische Minister Goethe als ein Verlassen der Litteratur vorschweben mochte.
Ende April 1785 traf er bei den neuen Freunden in Leipzig ein. Körner war inzwischen Oberkonsistorialrat zu Dresden [* 7] geworden; S. wurde einstweilen von den Schwestern Stock, von Huber und dem jungen thätigen Verleger Göschen, der mit Körner in geschäftlicher Verbindung stand, freundschaftlich aufgenommen. Während der Sommermonate desselben Jahrs lebte S. in Gohlis bei Leipzig, wo dem Enthusiasmus und Glücksgefühl, in welches ihn die neuen Lebenszustände versetzt hatten, das dithyrambische »Lied an die Freude« gewidmet wurde.
Schillers äußere Sorgen hatte Körner durch das großherzige Anerbieten, ihn ein Jahr lang aus der Notwendigkeit des Brotverdienens zu setzen, zunächst beseitigt. Der wahrhaft edle und liebenswürdige Freund hielt mehr als dies Versprechen. Er bereitete in Dresden, wohin er eben seine Minna heimführte, und wohin ihm im September 1785 S. und Huber folgten, dem Dichter ein Asyl voll harmlosen Lebensbehagens und innerster Teilnahme an des Dichters Bestrebungen, so daß S. diese Dresdener Jahre (bis 1787) immer zu seinen glücklichsten Lebensepochen rechnete. In Körners Weinbergsbesitzung zu Loschwitz sowie in seiner Dresdener Stadtwohnung förderte und vollendete S. seinen »Don Karlos«, entwarf das Schauspiel »Der Menschenfeind« und den unvollendeten Roman »Der Geisterseher« und erwarb sich durch die Fortsetzung seiner Zeitschrift »Thalia« ein täglich wachsendes Publikum. S. selbst fühlte sich freilich noch in zu unsicherer Lebenslage, wurde von zu heftigen Wünschen und Erwartungen gequält, um dies Glück immer unmittelbar genießen zu können; doch liegt über den wenigen Briefen an Körner aus dieser Zeit ein Hauch von Heiterkeit, die später selten oder nie mehr wiederkehrt. Im Verkehr mit Körner wurden ästhetische und philosophische Untersuchungen gepflogen (»Briefe des Julius und Raphael«),
deren Resultate zunächst der »Thalia« zu gute kamen. Daneben begann das Interesse an historischen Studien in S. rege zu werden; die spätern Arbeiten über die niederländische Rebellion, den Dreißigjährigen Krieg u. a. reichen mit ihren Wurzeln in die Dresdener Tage zurück. In »Don Karlos«, welches Stück formell im Lauf der Bearbeitung mancherlei Wandlungen erfuhr, zeigte sich der Dichter in gewissem Sinn über die frühern Arbeiten weit vorgeschritten. Ein hochidealer Grundgedanke beseelte die sprachlich schöne, sentenzenreiche Dichtung, in welcher der (übrigens erst nachträglich zur Hauptperson erhobene) Posa Schillers edlen Freiheitsdrang und den ganzen Adel seiner schwungvollen Natur verkörpert zur Erscheinung brachte.
Dagegen war die innerliche Wandlung Schillers während der Dichtung selbst und die Änderung des ursprünglichen Plans der Gewalt unmittelbarer dramatischer Wirkung und dem Gleichmaß der Ausführung störend entgegengetreten. Während des Dresdener Aufenthalts wurde der Dichter abermals in ein leidenschaftliches Herzensverhältnis gezogen, aus welchem er nur unter schweren Kämpfen notgedrungen sich befreite. Ein Fräulein v. Arnim hatte ihn in ihre Fesseln geschlagen. Im Juli 1787 riß S. sich von Dresden los. Eine Aufforderung Schröders, sein Talent für dessen Bühne dauernd zu verwerten und nach Hamburg [* 8] überzusiedeln, hatte der Dichter abgelehnt; Frau v. Kalb wünschte ihn in Weimar zu sehen, wohin ihn noch andre Interessen zogen.
So langte S. im Juli 1787 in der Musenstadt an, während Goethe in Italien [* 9] verweilte, und fand bei Wieland, Herder, der Herzogin Amalie, Einsiedel, Knebel und den übrigen Notabilitäten achtungsvolle Aufnahme; doch behagte es ihm trotzdem in der Gesellschaft nicht sehr, zumal ihm sein Ratstitel allerlei lästige Etikettenpflichten auferlegte. Ein Ausflug nach Jena [* 10] machte ihn mit den hervorragendsten unter ¶
mehr
den dortigen Gelehrten bekannt. Am intimsten verkehrte er mit Charlotte v. Kalb, der sein erster Besuch in Weimar zu teil wurde. Das Verhältnis beider scheint ein völlig vertrautes gewesen zu sein; sie dachten an Auflösung der Ehe Charlottens und demnächstige engere Verbindung miteinander. Doch zerschlug sich der Plan; es trat zeitweilige Spannung und Verstimmung zwischen beiden ein, die erst später wieder dauernder Freundschaft Platz machte. Ende November 1787 führte ein Ausflug nach Bauerbach S. einmal wieder mit der mütterlichen Freundin v. Wolzogen zusammen, mit deren Sohn er auf der Rückreise zu Rudolstadt [* 12] bei der Witwe des Oberjägermeisters v. Lengefeld einkehrte, die er nebst ihren geistvollen und liebenswürdigen Töchtern Karoline und Lotte bereits 1784 in Mannheim flüchtig gesprochen hatte.
Der Aufenthalt bei diesen ausgezeichneten Menschen that dem Dichter ungemein wohl; es wurde ihm schwer, sich von ihnen zu trennen. In Weimar, wohin Lotte v. Lengefeld im Februar 1788 für einige Zeit kam, nahm der Verkehr seinen Fortgang, und S. faßte wohl schon zu dieser Zeit eine warme Neigung für seine »junge Freundin«. Im Mai siedelte er in das nahe bei Rudolstadt gelegene Dorf Volkstedt über, wo ihm die befreundeten Schwestern, mit denen er nun in täglichen anregendsten Umgang kam, eine idyllisch bescheidene Wohnung gemietet hatten.
Inzwischen hatte S. den ersten Teil seiner »Geschichte des Abfalls der Niederlande« [* 13] auszuarbeiten begonnen. Es zog ihn trotz Körners Abmahnungen gewaltig zur Geschichte, obschon er ganz gut wußte, daß er ein Gelehrter im Sinn der Akademiepedanten nicht sein und nicht werden könne. Daneben aber regte sich kräftig die poetische Ader. Im März 1788 waren »Die Götter Griechenlands« entstanden, jene berühmte Klage um die heimgegangene »Religion der Schönheit«, deren elegische Wahrheit die bornierte Polemik F. Leop. v. Stolbergs nicht aufzuheben vermochte.
Die Fortführung der »Thalia«, die Mitarbeiterschaft für Wielands »Merkur« [* 14] hatten die weimarische Zeit thätig ausgefüllt; in Volkstedt wurden die »Briefe über Don Karlos«, diese unvergleichlichste aller Selbstkritiken, geschrieben und dazwischen durch die Lektüre Homers und die Übertragung einiger Euripideischer Stücke von dem Dichter der Versuch gemacht, das Griechentum sich trotz mangelnder Sprachkenntnis näher zu bringen. Am traf S. im Lengefeldschen Haus zu Rudolstadt zum erstenmal mit Goethe persönlich zusammen, ohne daß jedoch diese Berührung eine Annäherung bewirkte, da besonders S. sich von dem Wesen des in sicherer Ruhe des äußern und innern Lebens sich bewegenden Olympiers wenig angezogen fühlte. Im November kehrte S. nach Weimar zurück; Wieland hatte ihn im Interesse des »Merkur«, der »in Todesnöten lag«, zu Hilfe gerufen.
Das Herz des Dichters freilich blieb in Rudolstadt haften, merkwürdigerweise an einem Doppelanker gehalten; denn um jene Zeit und noch eine Weile später schwankte seine Neigung zwischen den Schwestern Karoline v. Beulwitz (die in ihrer Ehe nicht glücklich war) und Lotte v. Lengefeld. Noch vor Ende des Jahrs bot sich für S. eine amtliche Existenz dar. Am 15. Dez. erhielt er durch Goethe ein Regierungsreskript, worin ihm an die Hand gegeben war, sich für eine Professur der Geschichte in Jena einzurichten.
Seine »Geschichte des Abfalls der Niederlande« hatte diese Berufung bewirkt. S. fühlte sich überrascht und gestand, als die Sache Ernst wurde, gegen Körner, er habe sich »übertölpeln« lassen. Eine gesicherte Lebensstellung gewährte das angebotene Amt nicht, denn es war mit keinem festen Gehalt verbunden. S. gab ungern seine Freiheit auf und sah sich genötigt, Arbeiten zu betreiben, die ihn von seinem wichtigsten Beruf abzogen. Gleichwohl schlug er das Anerbieten nicht aus.
Der Winter verging unter fleißigem Briefwechsel mit den Freundinnen in Rudolstadt und mit Körner, unter Vorbereitungen zur Professur und Arbeiten für den »Merkur« und die »Thalia«. In jenem erschien im März 1789 das Gedicht »Die Künstler«. Als Grundidee bezeichnete S. selbst »die Verhüllung der Wahrheit und Sittlichkeit in die Schönheit«. Das Schöne erscheint dort als das Symbol des Wahren und Guten; das Endziel aller Entwickelung des Menschen sieht der Dichter in dessen Erziehung zu freier Sittlichkeit, ein ästhetisches Dogma, welches offenbar noch in der Zweckmäßigkeitstheorie verharrt und erst später bei S. einer freiern Auffassung der Kunst gewichen ist. Um jene Zeit beschäftigte den Dichter der Gedanke, Friedrich d. Gr. zum Helden eines Epos zu wählen; der Plan blieb jedoch unausgeführt. Im Mai trat S. sein Lehramt an. Seine Antrittsvorlesung über »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte« fand den größten Beifall und setzte die Universität in förmliche Aufregung.
Dem ersten Triumph schlossen sich jedoch bald unangenehme Erfahrungen über das kleinliche Getreibe deutschen Professorentums an. Einen Trost fand S. im Briefverkehr mit Rudolstadt, wohin ihn auch flüchtige Besuche wiederholt führten. Im Juli 1789 gestaltete sich das Verhältnis zu Lotte v. Lengefeld zum völligen Herzensbund, dem die um Weihnachten erbetene Einwilligung der Mutter freudig erteilt wurde. Im nächsten Januar verwilligte Herzog Karl August dem Dichter einen Jahrgehalt von 200 Thlr., und gab der Pfarrer von Wenigenjena in seiner Dorfkirche das Paar in aller Stille zusammen. Es war ein beglückender Bund, der dort geschlossen wurde.
Freilich der Überfluß wohnte nicht in der Häuslichkeit des Jenenser Professors, und die Brotarbeit nahm diesem viele unersetzlich kostbare Stunden weg. Seit 1790 gab S. eine »Sammlung historischer Memoiren« heraus, und für Göschens »Historischen Damenkalender« bearbeitete er die »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs«. Neben seinen historischen Kollegien las er im Sommer ein Publicum über die Tragödie, für welches er sich durch gründliche Lektüre der »Poetik« des Aristoteles vorbereitet hatte.
Aus diesen Arbeiten erwuchsen die später veröffentlichten Aufsätze: »Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen«, »Über Anmut und Würde«, »Über pathetische Darstellung« u. a. In das durch angenehmen geselligen Verkehr heiter und anregend, durch die liebreiche Pflege seitens seiner Gattin traulich und behaglich gewordene Leben des Dichters kehrte seit Anfang 1791 als schlimmer Gast häufig und regelmäßig Krankheit ein. Während S. mit seiner Frau im Januar bei dem Koadjutor von Dalberg in Erfurt [* 15] weilte, befiel ihn ein heftiges Katarrhalfieber; nach scheinbarer Genesung stellte sich in Jena ein Rückfall ein, von dem S. sich erst gegen Ende Februar erholte.
Seitdem gebot die Schwäche seiner Brust dem Dichter, seine akademische Thätigkeit auf Privatissima zu beschränken. In Rudolstadt, wohin er mit Lotte in den Osterferien zu Besuch gereist war, brachte ihn ein abermaliger Rückfall dem Tod nahe. In dieser Zeit der Trübsal gewährte das Studium der Kantschen Philosophie, in welche der Dichter damals tiefer einzudringen unablässig bemüht war, Trost und Erhebung. Leibliche Kräftigung suchte er mit leidlichem Erfolg im Juni ¶