auf die ganze Monarchie ausgedehnt hat. Verschiedene Staaten, die Thüringer Herzogtümer, Lippe-Detmold, Schwarzburg-Sondershausen,
Reuß jüngere Linie, sind dem Vorgang Preußens gefolgt, während andre, wie Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen,
Oldenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, die Gemeindevorsteher als Vergleichsbehörde berufen, andre endlich besondere Sühnebeamte
eingeführt haben. Nach der preußischen Schiedsmannsordnung wird der S. für die betreffende Gemeinde
auf drei Jahre gewählt, ebenso sein Stellvertreter.
Größere Gemeinden sind in Bezirke geteilt, kleinere zu solchen vereinigt. Die Wahl steht in diesem letztern Fall der Kreis-,
sonst der Gemeindevertretung zu. Das Amt ist ein Ehrenamt. Zur Ablehnung berechtigen das Alter von 60 Jahren, Krankheit, Abwesenheit,
Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes, Verwaltung des Schiedsmannsamtes während der letzten drei
Jahre und sonstige Billigkeitsgründe. Unbefugte Ablehnung kann den zeitweiligen Verlust des Gemeinderechts und eine stärkere
Heranziehung zu den Gemeindelasten nach sich ziehen. Zur Wählbarkeit ist ein Alter von 30 Jahren, Wohnsitz im Bezirk, Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte und Dispositionsfähigkeit erforderlich. Die von dem S. abgenommenen Vergleiche
haben die Wirkung von gerichtlichen. Die Verhandlungen sind sportel- und stempelfrei.
Vgl. die Kommentare zur preußischen Schiedsmannsordnung
von Eberty (2. Aufl., Strehl. 1881), Florschütz (9. Aufl., Berl. 1882), Krah (2. Aufl., Frankf. 1880) u. a.
(Arbiter), derjenige, welchem die Entscheidung eines Rechtshandels durch Übereinkunft der
streitenden Teile übertragen ist; Schiedsspruch (Arbitrium, Laudum), die Entscheidung eines Rechtsstreits durch einen S. oder
durch ein aus mehreren Schiedsrichtern zusammengesetztes Schiedsgericht (Kompromißgericht). Das Zustandekommen eines schiedsrichterlichen
Verfahrens und einer solchen Entscheidung setzt einen vorgängigen doppelten Vertragsabschluß voraus, nämlich einmal das
Übereinkommen der Parteien (Kompromiß, Schiedsvertrag), die Entscheidung des zwischen ihnen obschwebenden
Rechtsstreits einem Schiedsgericht übertragen zu wollen, und sodann den zwischen den Parteien einerseits und dem S. anderseits
abgeschlossenen Vertrag (receptum arbitri), wodurch sich letzterer zur Übernahme des schiedsrichterlichen Amtes bereit erklärt
und verpflichtet.
Für das Deutsche Reich ist das schiedsgerichtliche Verfahren durch die Zivilprozeßordnung gesetzlich geregelt. Hiernach soll,
wofern im Schiedsvertrag eine Bestimmung über die Ernennung der S. nicht enthalten, von jeder Partei ein S. ernannt werden.
Wie aber der von Staats wegen bestellte Richter von den Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit sowie aus den gesetzlichen
Unfähigkeitsgründen (§ 41) abgelehnt werden kann, so ist dies auch einem S. gegenüber zulässig;
doch kann hier auch eine Ablehnung alsdann erfolgen, wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter S. die Erfüllung seiner
Pflichten ungebührlich verzögert.
Frauen, Minderjährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, können ebenfalls abgelehnt
werden. Vor Erlassung des Schiedsspruchs haben die S. die Parteien zu hören und das dem Streit zu Grunde
liegende Sachverhältnis zu ermitteln; sie können auch Zeugen und Sachverständige, welche sich freiwillig vor ihnen stellen,
unvereidigt vernehmen; zudem ist auch das zuständige Gericht verpflichtet, eine von den Schiedsrichtern für erforderlich
erachtete richterliche Handlung, zu
deren Vornahme dieselben nicht befugt sind, auf Antrag einer Partei,
sofern der Antrag für zulässig erachtet wird, vorzunehmen.
Ist in dem Schiedsvertrag nichts anderweites bestimmt, so entscheidet, wenn der Schiedsspruch von mehreren Schiedsrichtern
zu erlassen ist, die absolute Mehrheit der Stimmen; bei Stimmengleichheit tritt der Schiedsvertrag außer Kraft, sofern nicht
für diesen Fall durch eine Vereinbarung der Parteien Vorsorge getroffen ist. Der schriftlich abzufassende
und den Parteien in einer von den Schiedsrichtern unterschriebenen Ausfertigung zuzustellende Schiedsspruch hat die Wirkung
eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils; doch kann die Zwangsvollstreckung auf Grund desselben nur dann stattfinden, wenn
ihre Zulässigkeit durch ein gerichtliches Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist.
Mängel und Versehen im schiedsrichterlichen Verfahren berechtigen zu dem Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs
im Weg besonderer Klage bei dem zuständigen Gericht. Bestechung und Bestechlichkeit eines Schiedsrichters wird nach dem deutschen
Strafgesetzbuch in derselben Weise bestraft wie bei einem wirklichen Richter. Auch wird der S., welcher sich bei der Leitung
oder Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich zu gunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des
Rechts schuldig macht, ebenso wie der Berufsrichter mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
Verschieden von dem vertragsmäßig bestellten S. ist der Schiedsmann (s. d.). Ebenso sind die Schiedsgerichte der Unfallversicherung
(s. d.) ständige Organe mit amtlichem Charakter. Dasselbe gilt von den gewerblichen Schiedsgerichten (s.
Gewerbegerichte). Aber auch Fragen des öffentlichen Rechts und Differenzpunkte völkerrechtlicher Natur werden bisweilen durch
einen Schiedsspruch (arbitration, arbitrage) erledigt. Eine Verpflichtung der Staaten zu einer derartigen friedlichen Beilegung
ihrer Differenzen und eine gesetzliche Regelung des schiedsrichterlichen Verfahrens der letztern Art besteht bis jetzt freilich
nur in zusammengesetzten Staatswesen. So sollen z. B. Streitigkeiten
der Vereinigten Staaten Nordamerikas untereinander durch den Kongreß entschieden werden, und ebenso sind nach der revidierten
Schweizer Bundesverfassung staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen den einzelnen Kantonen vor das Bundesgericht verwiesen.
In Deutschland bestanden schon im Mittelalter zur Schlichtung von Streitigkeiten der Reichsstände untereinander die sogen.
Austräge (s. d.), auf welche auch die Austrägalinstanz
des nachmaligen Deutschen Bundes zurückzuführen ist. Nach der dermaligen deutschen Reichsverfassung (Art. 76) werden Streitigkeiten
zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den zuständigen Gerichtsbehörden
zu entscheiden sind, auf Anrufen eines Teils von dem Bundesrat erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung
solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen der Bundesrat gütlich auszugleichen und nötigen Falls im Weg der Reichsgesetzgebung
zur Erledigung zu bringen. Die Errichtung eines ständigen internationalen Schiedsgerichts (Cour arbitrale) dagegen ist bis
jetzt nur ein frommer Wunsch geblieben, doch haben sich wiederholt in einzelnen Fällen Staatsregierungen
zur Beilegung völkerrechtlicher Differenzen einem Schiedsspruch unterworfen. So waren es namentlich hervorragende Staatsmänner,
deren Schiedsspruch zuweilen erbeten ward, wie z. B. das Urteil Thiers'
mehr
bei dem Streit zwischen England und Portugal hinsichtlich der Grenzen ihrer afrikanischen Besitzungen, oder es wurde die Entscheidung
von Obergerichten oder Rechtsfakultäten beantragt, oder der Schiedsspruch wurde einer Staatsregierung oder einem Souverän
übertragen. So wurde z. B. König Leopold von Belgien wiederholt zum internationalen S., ebenso Kaiser Wilhelm I. 1871 in der
San Juan-Differenz zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und England und Kaiser Alexander II. von
Rußland in dem Streit zwischen Japan und Peru wegen des Schiffs Maria Luz, endlich aber Papst Leo XIII. in dem Karolinenstreit
zwischen Deutschland und Spanien 1886 zum S. erwählt.
Zuweilen wurde auch ein internationales Schiedsgericht durch Ernennung besonderer Kommissare konstituiert,
so namentlich in der Alabamafrage (s. d.), deren Entscheidung 14. Sept. 1872 durch fünf S. erfolgte, von welchen je einer von
Italien, Brasilien, der Schweiz, England und den Vereinigten Staaten ernannt worden war. Der unter dem Namen »Institut für Völkerrecht«
bestehende Verein für internationales Recht hat ein Reglement für das schiedsrichterliche Verfahren (Règlement
pour la procédure internationale) ausgearbeitet und veröffentlicht.
Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 851-872; Deutsches
Strafgesetzbuch, § 334, 336; Lucas, De la substitution de l'arbitrage à la voie des armes (Par. 1873);
Pierantoni, Gli arbitrati
internazionali (Neap. 1872);
Goldschmidt, Reglement über schiedsrichterliches Verfahren des Instituts für
Völkerrecht (1875);
Rivalta, I giudizii d'arbitri legislazione (Bolog. 1885);
Taviel de Andrade, Historia del conflicto de
las Carolinas (Madr. 1886).