Wesen, von welchem die Begebenheiten und Verhältnisse ausgehen, die wir Schicksale nennen. Im erstern Sinn unterscheidet man
verdientes (selbstverschuldetes) und unverdientes (unverschuldetes), im letztern gerechtes (Nemesis) und ungerechtes S. (Fatum).
Das verdiente S. (Lohn) ist Belohnung, wenn es durch eine Wohlthat, Strafe, wenn es durch eine Missethat herbeigeführt, das
unverdiente S. (Los) tragisch, wenn es dem Betroffenen verderblich, komisch, wenn es demselben unschädlich
ist. Das gerechte S., welches das Los des Handelnden nach dessen moralischer Beschaffenheit bestimmt, heißt moralische (sittliche),
das gegen diese gleichgültige (blinde) Fatum dagegen physische (mechanische) Weltordnung. Dem S. im ersten Sinn steht der (grundlose)
Zufall, dem S. im zweiten Sinn die (persönliche) Vorsehung gegenüber.
üblich gewordene Bezeichnung für eine Gruppe von Dramen, vorwiegend Tragödien, welche im zweiten
und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrh. in der deutschen Litteratur hervortraten und eine kurze
Zeit hindurch außerordentliche, namentlich theatralische, Erfolge erzielten. Die Schicksalsdramen waren schwächliche
Nachgeburten der Romantik und der durch die Romantiker vermittelten nähern Bekanntschaft mit dem spanischen Drama. Eine gewisse
Neigung, fatalistische Elemente als dramatisch wirksame zu verwenden, wuchs entschieden schon aus Schillers »Jungfrau von Orléans«
und »Braut von Messina« hervor.
Die Wirkung dieses mißverstandenen Fatalismus läßt sich namentlich in den ältern sogen. historischen
Tragödien Zacharias Werners verfolgen. Aber erst mit der einaktigen Tragödie »Der vierundzwanzigste Februar« schuf Werner das
eigentliche Vorbild für die ganze Reihe der Schicksalsdramen. Nicht der Glaube der Dichter an irgend eine dunkle in das Leben
der Welt oder der Einzelnen hineingreifende Gewalt, sondern ein willkürlich den Gestalten geliehener Gespensterglaube
veranlaßt in Verbindung mit rohen Begierden und wilden Leidenschaften Greuel aller Art, namentlich Verwandtenmord und Blutschande,
welche in den meisten Schicksalsdramen wiederkehren.
Der theatralische Effekt, welchen diese in ihrem poetischen Gesamtwert sehr ungleichen, in ihrer Motivierung aber meist kindischen
Tragödien hervorbrachten, beruhte auf der Kunst, mit einem von vornherein geahnten, aber noch unenthüllten
Verbrechen oder Entsetzen zu spielen. Dem S. brachen vor allen die Dichtungen Ad. Müllners (s. d.): »Die Schuld«, »Yngurd«, »Die
Albaneserin«, Bahn, Houwald mit den Tragödien: »Das Bild« und »Der Leuchtturm« folgte, eine Menge von vergessenen Nachahmern,
wie W. Smets, Heinr. Smidt, Ant. Richter, A. v. Seckendorff, versuchten mit ähnlichen und bis zum Lächerlichen
übersteigerten Effekten ähnliche Erfolge zu erzielen. Auch Franz Grillparzer schloß sich in seiner immerhin phantasiereichen
und lebensvollen Jugendtragödie »Die Ahnfrau« der falschen Richtung an, ließ sie aber schon in seinen nächsten Dramen völlig
hinter sich. Das S. verfiel beizeiten der Parodie, Jeitteles-Castellis »Schicksalsstrumpf« (Leipz.
1818) eröffnete den Reigen, und Platens satirische Komödie »Die verhängnisvolle Gabel« beschloß ihn.
(Szydlowiec), Stadt im russisch-poln. Gouvernement Radom, südwestlich von Radom, hat Handel mit Getreide,
Eisen, Mühl- und Schleifsteinen und Holz und (1885) 6262 Einw. (viele Juden).
In der Nähe Eisenerzgruben.
(spr.
ski-, Schedoni), Bartolommeo, ital. Maler, geboren um 1580 zu Modena, war Schüler
der Carracci, bildete sich aber mehr nach Correggio, dessen Eigenart er mit der römischen und naturalistischen Richtung verschmolz.
Anfangs in Modena thätig, wurde er später Hofmaler zu Parma und starb 1615 daselbst. Um 1604 malte er die Fresken im Rathaus
zu Modena: Coriolan und sieben allegorische Frauen, die Harmonie darstellend. Von seinen Ölbildern sind
hervorzuheben: das Gastmahl beim Pharisäer (in der Galerie zu Modena), eine Grablegung Christi (zu Parma), Christus zu Emmaus (im
Belvedere zu Wien), der heil. Sebastian (in Neapel), die Ruhe auf der Flucht (in Dresden).
Absperrvorrichtung für flüssige, gasförmige, körnige oder pulverförmige Körper, besteht aus einem Schlitz
in einer ebenen Wand (Schieberspiegel), über welchem ein dicht aufliegendes Stück verschoben werden kann, so daß der Schlitz
mehr oder weniger geschlossen wird.
Ausgedehnte Anwendung findet der S. bei der Dampfmaschine.
(spr. schidam), Stadt in der niederländ.
Provinz Südholland, Bezirk Rotterdam, 4 km westlich von Rotterdam, an der Mündung der Schie in die Maas und an der Eisenbahn von
Rotterdam nach dem Haag, Sitz eines Kantonalgerichts und eines deutschen Konsulats, hat einen Hafen, 6 Kirchen, eine Synagoge,
ein schönes Konzert- und Schauspielhaus, eine lateinische, eine Bürger- und eine Zeichenschule, eine
Börse, große Geneverbrennereien (über 220), deren Erzeugnis weit und breit berühmt ist, starke Schiffahrt und (1887) 25,069
Einw.
Lorenz, Pianofortebauer, geb. 1786 zu Erlangen, gest. 1860 in Stuttgart, gründete in letzterer Stadt 1806 eine
Pianofortefabrik, welche nach seinem Tod von seinen Söhnen Adolf und Hermann übernommen wurde und besonders
durch ihre Pianinos in gutem Ruf steht, während zwei andre Söhne, Julius (gest. 1878) und Paul, 1853 eine Harmoniumfabrik gründeten,
mit der sie 1865 auch eine Pianofortefabrik verbanden.
(Friedensrichter), die zur Herbeiführung und protokollarischen Aufnahme von Vergleichen, die unter streitenden
Teilen vereinbart werden, besonders eingesetzte Behörde. In Preußen war das Institut der Schiedsmänner seit 1827 für den
ganzen Umfang der Monarchie mit Ausnahme von Rheinpreußen eingeführt, und verschiedene deutsche Staaten hatten, diesem Beispiel
folgend, Vergleichs- und Friedensrichter zur gütlichen Beilegung von Privatrechtsstreitigkeiten und Injuriensachen
berufen.
Das Sühnegericht entstammt dem französischen Recht, indem nach dem letztern kein Streit vor den Zivilgerichten begonnen werden
kann, dem nicht ein Sühneversuch vor dem als Bureau de conciliation fungierenden Friedensgericht vorausgegangen ist. Dies
System hat die deutsche Strafprozeßordnung (§ 420) für die Privatbeleidigungen angenommen, indem
wegen solcher die Klage erst dann erhoben werden kann, wenn die Sühne erfolglos versucht wurde. Die Behörden, welche zu
solchem Sühneversuch berufen, bestimmt die Landesjustizverwaltung. In Preußen sind es die Schiedsmänner, nachdem die Schiedsmannsordnung
vom 29. März 1879 das Institut (auch für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten)
mehr
auf die ganze Monarchie ausgedehnt hat. Verschiedene Staaten, die Thüringer Herzogtümer, Lippe-Detmold, Schwarzburg-Sondershausen,
Reuß jüngere Linie, sind dem Vorgang Preußens gefolgt, während andre, wie Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen,
Oldenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, die Gemeindevorsteher als Vergleichsbehörde berufen, andre endlich besondere Sühnebeamte
eingeführt haben. Nach der preußischen Schiedsmannsordnung wird der S. für die betreffende Gemeinde
auf drei Jahre gewählt, ebenso sein Stellvertreter.
Größere Gemeinden sind in Bezirke geteilt, kleinere zu solchen vereinigt. Die Wahl steht in diesem letztern Fall der Kreis-,
sonst der Gemeindevertretung zu. Das Amt ist ein Ehrenamt. Zur Ablehnung berechtigen das Alter von 60 Jahren, Krankheit, Abwesenheit,
Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes, Verwaltung des Schiedsmannsamtes während der letzten drei
Jahre und sonstige Billigkeitsgründe. Unbefugte Ablehnung kann den zeitweiligen Verlust des Gemeinderechts und eine stärkere
Heranziehung zu den Gemeindelasten nach sich ziehen. Zur Wählbarkeit ist ein Alter von 30 Jahren, Wohnsitz im Bezirk, Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte und Dispositionsfähigkeit erforderlich. Die von dem S. abgenommenen Vergleiche
haben die Wirkung von gerichtlichen. Die Verhandlungen sind sportel- und stempelfrei.
Vgl. die Kommentare zur preußischen Schiedsmannsordnung
von Eberty (2. Aufl., Strehl. 1881), Florschütz (9. Aufl., Berl. 1882), Krah (2. Aufl., Frankf. 1880) u. a.