treffliche radierte Blätter von ihm: die drei Grazien, fünf
[* ]
Figurenstudien, sechs sehr seltene Blätter mit Karikaturen auf
Napoleon I. und die französische Armee u. a. Über 1000 Handzeichnungen von S. besitzt die Berliner Akademie.
Vgl. Dobbert, Handzeichnungen
von G. S. (Berl. 1886);
Derselbe, Gottfr. S., Vortrag (das. 1887).
S. war seit 1805 Rektor, seit 1816 Direktor der Akademie der Künste zu Berlin, welcher er bis an seinen Tod,
der am erfolgte, vorstand. In der Skulptur machte er insofern Epoche, als er einer der ersten Künstler war, die
es unternahmen, dem in Manierismus ausgearteten Idealismus des 18. Jahrh. gegenüber einer kräftigen,
an dem Studium der Antike gebildeten Charakterdarstellung zu ihrem Recht zu verhelfen, welches Streben schon in seinen frühsten
Porträtstatuen hervortritt. Auch als Kunstschriftsteller machte er sich bekannt durch »Wittenbergs Denkmäler der Bildnerei,
Baukunst und Malerei, mit historischen und artistischen Erläuterungen« (Wittenb. 1825); »Polyklet, oder von den Maßen des
Menschen nach dem Geschlecht und Alter« (Berl. 1834, 5. Aufl. 1886); die »Nationalphysiognomien«
(das. 1835) und die »Kunstwerke und Kunstansichten«
(das. 1849). »Briefe u. Aufsätze« Schadows gab Friedländer heraus (Düsseld. 1864). - Sein Sohn Rudolf, geb. zu Rom,
bildete sich bei seinem Vater in Berlin, dann in Rom, wohin er mit seinem Bruder ging, unter Leitung Canovas
und Thorwaldsens, starb aber daselbst schon Von seinen Werken sind besonders eine Sandalenbinderin und eine Spinnerin,
ein Liebesgott, ein Diskoswerfer und die Büste Händels für die Walhalla zu nennen.
2) Friedrich Wilhelm S.-Godenhaus, Maler, zweiter Sohn von S. 1), geb. zu Berlin, begann seine
Studien unter Leitung seines Vaters und übte sich dann unter Weitsch in der Malerei. Nachdem er ein Jahr lang in der Galerie
zu Potsdam kopiert hatte, riefen ihn die Jahre 1806 und 1807 zum Kriegsdienst, und erst 1810 konnte er in
Rom seine Studien wieder aufnehmen. Hier mit Cornelius, Overbeck, Veit u. a. in engem Verkehr stehend, bildete er sich namentlich
an den Werken der alten italienischen Meister, am liebsten Gegenstände aus der Bibel oder aus dem Bereich der mystischen Allegorie
zur Darstellung wählend. 1814 trat er zum Katholizismus über. Er malte damals unter anderm eine Himmelskönigin
für Frau v. Humboldt, eine heilige Familie und das lebensgroße Bildnis einer Römerin für den damaligen Kronprinzen Ludwig von
Bayern.
Seine Hauptwerke aus der römischen Zeit sind die Fresken für die Casa Bartholdy: Jakob mit Josephs blutigem Rock und Joseph im
Gefängnis (jetzt in der Berliner Nationalgalerie). Im J. 1819 wurde er als Professor der Kunstakademie
nach Berlin berufen. Er malte hier ein großes Bacchanal an der Decke des Proszeniums im neuen Schauspielhaus, zahlreiche Porträte,
für die Garnisonkirche in Potsdam eine Anbetung der Könige (1824) und ein andres Altarbild für die Kirche in Schulpforta.
Eins seiner schönsten Bilder stellt die frei geborne Poesie dar, eine von der Erde zum Äther aufschwebende geflügelte Jungfrau.
Nach Cornelius' Abgang an die Akademie zu München ward S. 1826 zum Direktor der Akademie in Düsseldorf ernannt, wohin er sich 1827 mit
mehreren Schülern, Hildebrandt, Hübner, Lessing und Sohn, begab, welche der Stamm der neuen Düsseldorfer
Malerschule wurden. S. malte in Düsseldorf historische Bilder und Porträte. Aufsehen erregte namentlich das Bild der Mignon nach
Goethes »Wilhelm
Meister«.
Für die neue Werdersche Kirche in Berlin lieferte er vier kolossale Evangelisten. Sein gelungenstes Werk aus dieser Periode sind
die klugen und thörichten Jungfrauen, 1837 im Karton ausgestellt und dann in Öl für das Städelsche Institut
zu Frankfurt a. M. ausgeführt. Derselben Zeit gehören an: eine Charitas (1830), Christus auf dem Ölberg (Marktkirche zu Hannover),
Christus und die Jünger von Emmaus (Berliner Nationalgalerie), Christi Leichnam im Schoß der Mutter, von Engeln umgeben (1836, Pfarrkirche
zu Dülmen).
Zur Herstellung seiner wankenden Gesundheit begab sich S. 1840 nach Italien. In Rom malte er ein Bild von eigentümlicher Auffassung,
die himmlische und die irdische Liebe darstellend. Nachdem er darauf noch Neapel besucht hatte, kehrte er im Oktober nach Düsseldorf
zurück. Im folgenden Jahr malte er die Pietas und Vanitas in ihren Beziehungen zur Religion, welche unter
der Gestalt des Heilands erscheint, im Besitz des Grafen von Fürstenberg. Die Vollendung einer allegorischen Darstellung: Himmel,
Fegfeuer und Hölle, nach Dante, ward durch ein Augenleiden des Künstlers verzögert, infolge dessen er sogar eine Zeitlang
erblindet war, bis ihm eine Operation die Sehkraft zurückgab. 1843 ward er in den preußischen Adelstand
erhoben und ihm gestattet, den Namen seines Ritterguts Godenhaus seinem Familiennamen hinzuzufügen. Mehrere seiner Werke
sind durch Nachbildungen in Kupfer und auf Stein vervielfältigt worden. Auch als Schriftsteller hat sich S. bekannt gemacht,
so durch die Vorlesung »Über den Einfluß des Christentums auf die bildende Kunst« (Düsseld. 1843) und
die Novelle »Der moderne Vasari. Erinnerungen aus dem Künstlerleben« (Berl. 1854). S. verwaltete das Direktorat bis 1859 und
starb in Düsseldorf. S. war weniger ein schöpferisches Talent als eine hervorragende Lehrkraft. Im Gegensatz zu
Cornelius legte er einen besondern Nachdruck auf die Ölmalerei, ohne jedoch realistischen Bestrebungen
zu folgen. Eine Zeitlang hat er auf die kirchliche Malerei in den Rheinlanden einen großen Einfluß geübt, der schließlich
zu einer einseitigen Auffassung führte, um dann wieder zu verschwinden.
Kreisstadt im russ. Gouvernement Perm, im O. des Uralgebirges, am Fluß Isset, südöstlich
von Jekaterinenburg, hat Talgsiedereien, einigen Handel und (1885) 14,754 Einw.
(spr. schahr-) nordöstlicher Vorort von Brüssel, an der Eisenbahn Brüssel-Löwen, mit der Kirche Ste.-Marie,
Rathaus, höherer Knabenschule, bedeutender Industrie und (1888) 50,597 Einw.
Gattung der paarzehigen Huftiere aus der Familie der Horntiere
(Cavicornia), im allgemeinen schlank gebaute Tiere mit schmächtigem Leib, vorn stark verschmälertem Kopf mit behaarter Schnauzenspitze,
mäßig großen Augen und Ohren, quer wellig gerunzelten, nach hinten und der Seite spiralig gekrümmten Hörnern, meist mit
Thränengruben und Klauendrüsen, dünnen, hohen Beinen, an denen die Hufe hinten niedriger als vorn sind,
kurzem Schwanz und doppelter, zottiger oder wolliger Behaarung. Von den ihnen körperlich am nächsten stehenden Ziegen unterscheiden
sie sich nur durch nicht sehr bedeutungsvolle Merkmale, auch sind S. und Ziege miteinander sowie deren hybride Nachkommen fruchtbar.
Die Schafe sind hauptsächlich in Asien verbreitet, wo jede Gebirgsgruppe eine oder mehrere ihr eigentümliche
Arten besitzt,
[* ]
^[Abb. Merino der Infantado- oder Negretti-Rasse. ^/^^]
[* ]
^[Abb.
Merino der Elektoral-Rasse. Höchste Wollfeinheit. ^/^^]
Zum Artikel »Schafe«]
mehr
während Europa, Afrika und Amerika je nur eine einzige Art beherbergen. Sämtliche Schafe sind echte Höhentiere; sie gehen
bis über die Schneegrenze zu Höhen von 6000 m empor, von denen sie nur herabsteigen, wenn der Schnee die Nahrung bedeckt. Dauernd
in der Ebene leben nur zahme Schafe. Fast alle wilden Schafe lassen sich unschwer zähmen und pflanzen sich
ohne Umstände in der Gefangenschaft fort. Die zahmen Schafe sind das gerade Gegenteil von ihren frei lebenden Gattungsverwandten:
die Gewandtheit, der Mut der wilden haben einer völligen Unselbständigkeit und Feigheit Platz gemacht.
Alle Schafe sind lecker, wenn sie reiche Auswahl von Nahrung haben, aber auch genügsam, wenn sich nur weniges
ihnen bietet. Ihre Vermehrung ist eine ziemlich bedeutende. Der asiatische Argali (O. Argali Pall.) ist 1,8 m lang, 1,1 m hoch,
mit 11 cm langem Schwanz, sehr kräftig gebaut, mit mächtigen, dreiseitigen, breiten, wulstigen Hörnern, welche von der Seite
gesehen fast einen vollen Kreis beschreiben, kleinen Ohren, hohen, schlanken Beinen, schmalen, kurzen Hufen
und sehr gleichmäßigem, fahlgrauem Haarkleid, welches im Gesicht, auf den Schenkeln, an den Rändern des Spiegels und am Hinterbauch
dunkler, auf dem Spiegel und an der untern Hälfte der Beine grauweiß ist.
Der Argali bewohnt die Gebirgszüge zwischen Altai und Allatau, dem Bezirk von Akmollinsk und dem Südostrand
der mongolischen Hochebene, und lebt einzeln oder in kleinen Trupps. Das Weibchen wirft sieben Monate nach der Paarung ein
oder zwei Lämmer. Der Argali läuft, klettert und springt vortrefflich, schließt sich, wo er nicht verfolgt wird, oft den
weidenden Herden an, ist aber an andern Orten auch sehr vorsichtig, nur wie andre Wildschafe ungemein neugierig.
Sein Fleisch ist schmackhaft.
Der amerikanische Argali (amerikanisches Bergschaf, Bighorn, O. montana Cuv.) ist 1,8 m lang, 1 m hoch, mit 12 cm langem Schwanz,
gewaltigem Gehörn beim Männchen und viel schwächerm, ziegenähnlichem beim Weibchen, ist gedrungen,
muskelkräftig, in der Kopfbildung dem Steinbock ähnlich, schmutzig graubraun, am Bauch, an den Beinen, am Spiegel und am Kinn
weiß, am Kopf hell aschgrau, bewohnt das Felsengebirge und die westlich gelegenen Länder zwischen 40 und 68° nördl. Br.,
lebt in Herden in den unzugänglichsten Gegenden und ist, wo er noch nicht verfolgt wurde, wenig scheu.
Das Fleisch ist nicht sehr schmackhaft, das Fell benutzen die Indianer zu ihren Lederhemden. Vielleicht stammt dies Tier von
dem asiatischen Argali ab, der über die Eisfelder der Beringsstraße eingewandert ist. Der europäische Mufflon (O. Musimon
Schreb.), 1,15 m lang, 70 cm hoch, mit 10 cm langem Schwanz, glatt anliegendem Haar, kurzer Mähne an der Brust,
starken, langen, an der Wurzel sehr dicken und fast zusammenstoßenden, auf dem Querschnitt dreieckigen, etwa 65 cm langen,
querwulstigen Hörnern, welche dem Weibchen in der Regel fehlen.
Das Haar ist fuchsigrot, am Kopf mehr grau, auf der Unterseite weißlich. Er lebt auf den hohen Bergketten
Sardiniens und Corsicas in Rudeln von 50-100 Stück, ist sehr lebhaft und gewandt und klettert vortrefflich. Das Weibchen wirft 21 Wochen
nach der Begattung 1-2 Junge, welche im dritten Jahr völlig ausgewachsen sind. Das Tier wird sehr fett, das Fleisch ist schmackhaft,
auch Fell und Gehörn werden verwertet, und hoch geschätzt sind die im Magen vorkommenden Bezoare.
Jung gefangene Mufflons werden sehr zahm, alte Böcke aber sind stets bösartig. Der Mufflon erzeugt mit
Hausschafen Blendlinge,
welche unter sich und mit andren Hausschafen fruchtbar sind. Diese Blendlinge, Umber, waren schon den Alten bekannt. Im
kaiserlichen Tiergarten bei Wien leben halbwilde Mufflons. Der asiatische Mufflon (O. Vignei Blyth.) lebt hauptsächlich in Kleintibet
und in Persien. Sein Körperbau ist schlanker und leichter, rehartig. Der Kopf ist gelblichbraun, mit Weiß meliert; die Augengegend,
Schnauzenspitze, Kinn, Ohren und ein Fleck am Vorderhals sind bräunlichweiß, die Schultern dagegen, Schenkel,
Beine und Hinterrücken gelblichbraun mit Schwarz, Brust, Vorder- und Unterbauch, Innenseite der Schenkel und Füße weiß mit
brauner Beimischung, die Hörner sind scharf dreikantig zusammengedrückt und stark zurückgebogen.
Das Mähnenschaf (O. Tragelaphus Desm.), 1,65 m lang, 95 cm bis 1 m hoch, mit 25 cm langem Schwanz, ist sehr gedrungen
gebaut, mit nach hinten und außen, mit den Spitzen etwas nach unten und innen gebogenen, wulstigen, auf dem Querschnitt dreieckigen
Hörnern, im Nacken und auf dem Widerrist stehendem, aufrechtem, mähnigem Haarkamm und einer an der Kehle beginnenden, auf die
Vorderläufe sich fortsetzenden und bis fast auf den Boden reichenden Mähne. Der Pelz ist fahl rotbraun,
ein Teil der Kehlmähne braunschwarz, der Mittelbauch dunkelbraun, Maul, Hinterschenkel und Hinterläufe isabellgelb, das
Mähnenhaar hell fahlbraun. Das Mähnenschaf lebt einzeln auf den höchsten Felsengraten der nordafrikanischen Gebirge. Sein
Fleisch ist wohlschmeckend, aus den Fellen machen die Araber Fußdecken, auch wird die Haut gegerbt. In der
Gefangenschaft zeigt es sich sehr beweglich, aber dumm, halsstarrig und jähzornig. 160 Tage nach der Paarung wirft das S.
ein oder zwei Lämmer.
Das Hausschaf.
Das zahme S. (Hausschaf, O. Aries L.) ist seit undenklichen Zeiten als Haustier gezüchtet. Nach Rütimeyer finden sich in den
Küchenabfällen der Schweizer Pfahlbauten Überreste von Schafen; unzweifelhafte Skelettteile derselben
treten erst in den jüngsten Gebilden, in den Knochenbreccien und einigen Geröllablagerungen auf. Soweit die Geschichte zurückreicht,
ist das S. in der Alten Welt Haustier gewesen; während aber die Pfahlbauschafe von den heutigen wesentlich abweichen, stimmen
die Abbildungen auf ägyptischen Denkmälern mit unsern Rassen überein.
Auf den ältesten ägyptischen Denkmälern freilich fehlt das S., und man darf hieraus schließen, daß es später als andre
Wiederkäuer in den Hausstand des Menschen übergegangen sei. Nach Amerika und Australien ist es erst nach der Entdeckung durch
Europäer eingeführt worden. Heute ist es über die ganze Erde verbreitet, vom Äquator bis in die Schnee-
und Eisregionen des hohen Nordens. Nach Geschlecht, Alter und Nutzung hat man ihm verschiedene Bezeichnungen beigelegt.
Das männliche Tier heißt Bock (Widder, Stähr) und, wenn es verschnitten worden, Hammel (Schöps, Kappe), das weibliche Mutterschaf
(Zuchtschaf). Das junge Tier im ersten Lebensjahr heißt Lamm (Bocklamm und Zibbenlamm). Im zweiten Lebensjahr
werden sie Jährlinge, im dritten Jahr bis zur Zuchtverwendung Zeitböcke oder Zeitschafe genannt; die kastrierten männlichen
Tiere gehen von der genannten Zeit ab unter dem Namen Zeithammel. Die abzuschaffenden alten Schafe heißen Merz- oder Brackschafe.
Ausbruch und Wechsel der Zähne geben die Anhaltspunkte zur Erkennung des Alters. Nachfolgende Tabelle zeigt
den Zustand des Gebisses in den verschiedenen Altersperioden.
mehr
In derselben bedeuten die kleinern Ziffern die Milchzähne, die größern Ziffern die Ersatz- und die von vornherein als bleibend
auftretenden Zähne. Gute Ernährung läßt den Wechsel etwas früher, schlechte dagegen später eintreten. Die Entwickelung der
Schafe geht sehr schnell vor sich, oft genug sind sie vor dem Ablauf des ersten Jahrs geschlechtsreif; ausgewachsen
sind Tiere der frühreifen Rassen mit 2-2½, andre mit 3½ Jahren. Die Dauer der Trächtigkeit beträgt 145-158, im Mittel 147 Tage
oder 21 Wochen. Bei guter Haltung bleiben die Schafe bis zum zehnten Jahr fruchtbar. Merinos und englische Schafe bringen in der
Regel nur ein Junges, die gewöhnlichen Landschafe mancher Gegenden meist Zwillinge, selbst Fünflinge. Die
Lebensdauer kann 10-15 Jahre betragen. Böcke sind im allgemeinen 1/3-½mal, Hämmel 1/5-¼mal schwerer als Mutterschafe. Letztere
erreichen je nach der Rasse ein Gewicht von 14-100 kg.
Man hat die Rassen des Hausschafes in solche, welche kein Wollhaar, sondern nur das kurze, straffe Stichelhaar
tragen, und in solche, deren Kleid ein wolliges ist (Grannenhaar tragende, Flaumhaar tragende, mischwollige), dann in gehörnte
und ungehörnte, in kurz- und in langschwänzige oder in schmal- und in breitschwänzige, in Marsch-, Höhen-, Berg- und Heideschafe,
endlich nach den geographischen Heimatsbezirken eingeteilt. Fitzinger unterscheidet von dem zahmen S. 6 außereuropäische
und 4 europäische Rassen; bei der nachfolgenden Darstellung ist dessen Einteilung zu Grunde gelegt.
I. Außereuropäische Schafe:
1) Das Fettsteißschaf (O. steatopyga) hat eine oft 15-20 kg schwere Fettablagerung um den sehr kurzen, aus 3-4 Wirbeln bestehenden
Schwanz. Die Wolle ist grob und filzig, die Farbe in der Regel weiß, aber auch schwarz und braun. Das S.
wirft regelmäßig 2-5 Junge. Das Fell der Lämmer wird zu wertvollem Pelzwerk verarbeitet. Es findet sich in ganz Mittelasien
bis China, eine Varietät ist das
ungehörnte chinesische oder Ongtischaf.
2) Das Stummelschwanzschaf (O. brachycerca) ist ebenfalls mit großer Fettmasse um den behaarten
Schwanz versehen. Der Körper trägt markhaltige Haare, nicht eigentliche Wollhaare. Die Farbe ist weiß, nur der Kopf und der
angrenzende Teil des Halses sind schwarz. Das südliche Asien und Nordafrika sind seine Heimat; man hält es zur Gewinnung von
Milch, Fleisch und Fett.
3) Das breitschwänzige oder Fettschwanzschaf (Dumba, O. platyura) hat einen reichlich mittellangen Schwanz,
der mit Wolle bewachsen u. entweder ganz oder größtenteils, mit Ausnahme der Spitze, eine Ablagerung bedeutender Fettmassen
zeigt. Die Wolle ist ziemlich grob u. lang und besitzt ein kürzeres Unterhaar (Flaumhaar). Diese
Schafe sind verbreitet über Kleinasien, Persien, Nordafrika, das Kap der Guten Hoffnung, Südfrankreich,
Makedonien, Südrußland und Süditalien. Die Nutzung besteht in Fleisch, Fett, Milch, Wolle und Pelzen (Lämmerfelle, Baranken,
Astrachan, Krimmer).
4) Das langschwänzige S. (O. dolichura) hat gleichfalls auf dem Schwanz eine enorme Fettablagerung. Kopf, Ohren und Beine sind
mit kurzen, glatten, straff anliegenden Haaren besetzt; die Wolle auf dem Rumpf und Schwanz ist mittellang
und ziemlich dicht, die Farbe des Vlieses schmutzigweiß. Seine Heimat ist Syrien (um Aleppo und Damaskus), doch wird es auch in
Oberägypten und Abessinien angetroffen.
5) Das hochbeinige S. (Guineaschaf oder Morvan, O. longipes), von ziegenähnlichem Aussehen, mit kurzen, steifen,
markhaltigen Haaren, kommt in verschiedenen Teilen Afrikas vor.
6) Das Dinka- oder Mähnenschaf (O. africana) lebt in dem südlichsten Teil von Nubien, hat plumpen Körper und kurze Beine,
dürren Schwanz u. mähnenartigen Besatz der Schultern, Brust u. Halsgegend bei sonst kurzhaarigem Körper.
II. Europäische Schafe:
1) Das kurzschwänzige S. (O. brachyura) kommt in kleinen gehörnten
[* ]
^[Abb.: Zustand des Gebisses in verschiedenen Altersperioden]
und großen ungehörnten Rassen vor. Zu den erstern gehören die in Island, Skandinavien, auf den Färöern vorkommenden nordischen
Schafe, vor allen aber die in der Lüneburger und Bremer Heide sowie im Süden Oldenburgs und Ostfrieslands heimischen Heidschnucken
(s. Tafel), die genügsamsten, aber kleinsten aller Schafrassen. Ihre Höhe beträgt etwa 0,55 m. Kopf,
Beine und der größte Teil des Schwanzes haben kurzes, straffes Haar, der übrige Körper einen langen, zottigen Pelz.
Die Farbe ist schwarz, braun oder grau. Trotz des geringen Wertes der Wolle sind die harten, ausdauernden Tiere für die Bewohner
jener Moor- und Sandflächen von großem Nutzen. Zu den ungehörnten kurzschwänzigen Schafen gehören
das Vagasschaf der Elbinger Niederung, das holländische Marschschaf (Texel- und flandrisches S.), das friesische, Eiderstedter
und Dithmarscher S. Diese Schafe tragen eine schlichte, sanfte Wolle von etwa 20-22 cm Länge bei einmaliger Schur und liefern
ein Schurgewicht von 2½-3 kg;
sie sind nicht frühreif, erreichen aber eine Größe von über 75 cm, sind
sehr mastfähig und werden zum Teil auch gemolken.
2) Das Zackelschaf (O. strepsiceros) hat einen bewollten, dürren, bis über das Sprunggelenk reichenden Schwanz; das Vlies
besteht überwiegend aus recht grobem Grannenhaar, das mit einem nicht viel feinern Wollhaar durchsetzt ist; ersteres erreicht
eine Länge von 0,24 m, letzteres von 0,12 m.
Beide Geschlechter sind gehörnt, die Hörner drehen sich in schraubenartigen Windungen um ihre eigne Längsachse. Die männlichen
Tiere überragen die weiblichen bedeutend an Größe. Außer der Wolle (1,8-3 kg pro Jahr und Stück) liefern sie Milch und Fleisch.
Sie sind über Ungarn, Siebenbürgen, Moldau und Südrußland verbreitet.
3) Das Hängeohrschaf (O. catotis), in Oberitalien, Steiermark und Kärnten, hat lange, herabhängende Ohren. Der Hauptrepräsentant
ist das Bergamasker S. in Bergamo, Como und der Lombardei, ein ramsköpfiges, langhalsiges, 0,80 m hohes, 60-70 kg schweres Tier.
Gesicht, Ohren und Beine bis über Knie und Ferse tragen glatt anliegende, straffe, kurze Haare, der übrige
Körper Mischwolle aus grobem, bis 22 cm langem Grannenhaar und etwas feinerm, bis 12 cm langem Wollhaar. Die Farbe ist weiß
gelblich, das Schurgewicht beträgt 3-4 kg. Die Fruchtbarkeit ist groß, die Milch wird zu Käse verarbeitet. Die andern Hängeohrschafe
(das Paduaner, steirische und Seeländer) sind kleiner und stammen vielleicht von dem Bergamasker ab.
4) Das Landschaf (O. Aries), im mittlern und westlichen Europa, scheidet sich nach dem Charakter des Vlieses in zwei Gruppen:
a) in Landschafe mit Mischwolle aus markhaltigen Grannenhaaren und markfreien, eigentlichen Wollhaaren; b) in Landschafe mit
markfreien, in der Haut büschelförmig verteilten Wollhaaren. - Die Landschafe mit Mischwolle unterscheidet
man in langwollige (Wolllänge 16-32 cm) und kurzwollige (8-16 cm). Zu den erstern gehören das Tzurkânschaf und das Tzigaiaschaf,
beide in Siebenbürgen, das italienische oder sardinische S., das französische Bergschaf, in den Pyrenäen, Cevennen und Ardennen,
und das Schweizer Bergschaf mit den Schlägen Wallisschaf, Frutigenschaf und schwarzes Schweizer S. Alle
diese Tiere sind genügsam, nutzen die schwer zugänglichen Bergabhänge aus und besitzen einen kräftigen, muskulösen Körperbau
mit wenig Anlage zur Fettbildung.
Außerdem sind hierher einige englische Schafe zu rechnen, die aber weiterhin im Zusammenhang geschildert werden sollen. Zu
den kurzwolligen Landschafen der
Ebene gehören das bayrische Zaupelschaf, das pommersche oder polnische,
das hannöversche und das französische Landschaf. Die Schafe sind aber durch Einführung von Merinos wie auch englischen Fleischschafen
und durch Kreuzung mit diesen immer mehr verdrängt und finden sich nur noch in sehr vereinzelten Landstrichen rein.
Die zweite, zu O. Aries gehörige Gruppe bilden die Landschafe mit eigentlicher Wolle. Von diesen unterscheidet
man Schafe mit schlichtem oder höchstens etwas gewelltem und solche mit gekräuseltem Wollhaar. Repräsentant der erstern
ist (abgesehen von englischen) das deutsche schlichtwollige S., welches als Rhönschaf, rheinisches, hessisches oder lippesches
S. in der Gegend nördlich vom Hauptkamm des deutschen Mittelgebirges verbreitet ist. Die niemals gekräuselte
Wolle ist bündelweise, mehr oder weniger dicht in der Haut angeordnet, erreicht im Jahreswuchs eine Länge von 16 cm und eignet
sich zur Fabrikation walkbarer Stoffe, namentlich aber zur Herstellung glatter, nicht feiner Zeuge. Schurgewicht bei guter
Wäsche 1-2,50 kg. Stirn, Gesicht, Ohren und Unterbeine tragen kurzes, glatt anliegendes Haar. Die Farbe ist
weiß, nur Kopf und Ohren sind meist schwarz. Beide Geschlechter sind ungehörnt; der Schwanz ist lang, der Körper kräftig,
65-70 cm hoch; das Gewicht ausgewachsener Tiere beträgt 45 bis 50 kg.
Das Prototyp des Schafes mit gekräuselter Wolle ist das edle, kurzwollige spanische Landschaf, das Merino
(Ovejas merinos oder transhumantes, wandernde Schafe, s. Tafel), ein Tier von gedrungenem Körperbau und Mittelgröße; die
Böcke tragen meist große, dem Kopf anliegende, spiralig gewundene Hörner, die Muttertiere sind gehörnt oder ungehörnt.
Die Überführung des Merino nach den verschiedensten Ländern und Weltteilen ist ein Akt von kulturhistorischer
Bedeutung geworden.
Nach Neitzschütz sind die ersten Merinos schon 1723, nach Lasteyrie 1743 nach Schweden eingeführt worden; nach Sachsen kam
der erste Transport Schafe aus Spanien 1765, nach Österreich 1775, nach Frankreich (abgesehen von frühern, bedeutungslosen Importen) 1776. Von
hier aus verbreiteten sie sich über andre Länder, die weiterhin auch direkt Originaltiere bezogen haben.
Die eingeführten Tiere sind entweder rein in sich fortgezüchtet oder mit einheimischen Landschafen gekreuzt worden. Zucht-,
klimatische und Ernährungsverhältnisse haben verschiedene Zuchtrichtungen geschaffen. Man kann nach dem Charakter der Wolle
drei Schläge der Merinos unterscheiden:
1) Das Elektoral- (früher Escorial-) S. (s. Tafel) mit sehr feiner Wolle, nicht sehr reichlichem, leichtflüssigem
Fettschweiß, leichtem, dünnknochigem Körper, langem Hals und flacher Brust;
Schurgewicht 0,7-1,2 kg, Körpergewicht der Mutterschafe
etwa 25-30 kg.
2) Das Negretti- (früher Infantado-) S. mit weniger feiner Wolle (s. Tafel), reichlichem, mitunter schwerflüssigem Fettschweiß,
kurzem, breitem Kopf, gedrungenem Hals und im ganzen kräftigerm Körper; Hals und Hinterteil zeigen zahlreiche
Hautfalten; Kopf und Beine sind gut bewachsen, die Hörner der Böcke stark. Schurgewicht bei den Mutterschafen 1-2,5 kg, Körpergewicht
derselben 30-40 kg.
3) Das Kammwollschaf und zwar a) das französische oder Rambouilletschaf mit noch weniger feiner, aber ziemlich (über 6 cm)
langer Wolle und von bedeutender Körpergröße; Kopf und Beine sind ebenfalls gut bewachsen. Schurgewicht der Mutterschafe
über 2 kg, Körpergewicht derselben 40-56 kg.
mehr
b) Das deutsche (mecklenburgische, Boldebuker) Kammwollmerino mit gleichfalls langer Wolle, aber, obschon von dem französischen
abstammend, infolge mangelhafterer Ernährung kleinerm Körper. Von geringerer Bedeutung ist das hier noch zu nennende Mauchampschaf
mit langer (10 cm), seidenglänzender Wolle. Dieser Schlag von hornlosen, mastfähigen Schafen verdankt dem Umstand seine Entstehung,
daß 1828 in der Merinoherde von Graux in Mauchamp zufällig ein Bocklamm mit langer, seidenartiger Wolle
fiel, das dann weiter zur Zucht benutzt wurde.
Außer diesen Gruppen werden die englischen Schafe besonders im Zusammenhang genannt, weil wegen der vielen Kreuzungen ihre
Einreihung in die obigen Gruppen nicht wohl durchführbar ist. Man bringt sie am passendsten in zwei Abteilungen,
in langwollige (Niederungs-, Marschschafe) und in kurzwollige (Downs, Höhenschafe). Unter den langwolligen muß in erster
Linie das Leicesterschaf (s. Tafel) genannt werden, welches von dem berühmten Züchter Robert Bakewell seit 1755 zu Dishley
in der Grafschaft Leicester aus der heimischen, der friesischen ähnlichen Rasse gezüchtet wurde.
Zuchtziel war ihm: größtmögliche Frühreife des Tiers bei größtmöglicher Produktion von Fleisch und Fett sowie leichte Mastfähigkeit.
Dies ist in dem Leicesterschaf erreicht. Dasselbe hat einen leichten, nackten, ungehörnten Kopf mit leicht gewölbter Profillinie
und kleinen, seitlich abstehenden Ohren, einen kurzen Hals, eine lange Stirn und Kruppe, einen hoch angesetzten,
bei neugebornen Lämmern sehr langen Schwanz, hohe, weiß behaarte Beine. Die Körperhöhe beträgt 75 cm, das Gewicht der Mutterschafe
60-70 kg. Dabei trägt es eine kräftige, weiße, wenig fettschweißige, über 20 cm lange Kammwolle; das Schurgewicht beträgt 6 kg
und darüber. Es ist aber empfindlich, wählerisch im Futter und wenig fruchtbar.
Außerdem gehören zu derselben Abteilung das Cotswoldschaf mit kürzerer Wolle, aber größerm, starkknochigem, noch mehr
mastfähigem Körper: das Lincolnschaf mit weicher, seidenglänzender, über 20 cm langer Kammwolle, 3,5-6 kg Schurgewicht,
hervortretender Stirn und nacktem Kopf, aber von nicht so guter Frühreife und Mastfähigkeit;
das Romney-Marsch- oder Kentschaf
mit langem, schmalem, weißem Kopf, langen, spitzen, aufrecht stehenden Ohren und ziemlich hohen, dünnen Beinen;
endlich das
Devonshire- und das Tenswaterschaf.
Zu den kurzwolligen englischen Schafen, deren Wolle indessen immer noch bedeutend länger ist als die der langwolligsten Kammwollmerinos,
gehören die Southdowns, Schafe von großer Frühreife und Mastfähigkeit. Der Rumpf hat ausgesprochene
Parallelogrammform, Brust, Rücken und Kruppe sind breit und fleischig, dabei der knöcherne Brustkasten, wie man bei Betrachtung
des lebenden Tiers kaum glauben sollte, und ebenso die Lunge auffallend klein, das Brustbein kurz.
Der Kopf ist klein, kurz, schwarzbraun, ungehörnt, bis zu den Augen bewachsen, mit Vertiefungen über den
Augen und kleinen, schwach herabhängenden Ohren versehen; die Beine sind fein, kurz und ebenfalls schwärzlich, das ganze Knochengerüst
fein. Die Wolle ist weiß, mäßig fein, 8-10 cm lang, ziemlich gekräuselt und als Kammwolle zu verwenden; das Schurgewicht
beträgt 1,50-2 kg. Ursprünglich von John Ellman in der Grafschaft Sussex seit 1770 gezüchtet, haben sie
sich bald über ganz England und den Kontinent verbreitet. Weit weniger verbreitet sind die Shropshires, die Oxfordshiredowns,
die Hampshiredowns,
die Suffolks und die Cheviotschafe.
Schafzucht.
Die Zucht der Schafe ist besonders bei extensivem Wirtschaftsbetrieb in Gegenden mit großem Grundbesitz am Platz. Wo ausgedehnte
Weideflächen ausgenutzt werden müssen, sind die Schafe ein unentbehrlicher Faktor in der Wirtschaft. Aber
auch bei intensivem Betrieb, wo das wesentlichste Gewicht auf die Haltung des Rindviehs gelegt wird, sind die Schafe wertvoll
durch Ausnutzung von sterilen, nicht zu Ackerland brauchbaren Höhenweiden, von Stoppelfeldern und Brachschlägen. Wo die
Weide fehlt, wirft höchstens die Haltung von Fleischschafen eine Rente ab. Nach diesen wirtschaftlichen
und den Absatzverhältnissen richtet es sich, ob die Schafzucht als Wollschäferei, als Fleischschäferei, als Stamm- oder
Zuchtschäferei am zweckmäßigsten betrieben wird.
Bei der Wollschäferei macht man wieder einen Unterschied, ob man hochfeine, zur Streichgarnfabrikation geeignete Wolle, Tuchwolle,
oder mittelfeine, zur Kammgarnfabrikation taugliche Wolle, Kammwolle, oder endlich Wolle für mehrseitigen
Gebrauch, à deux mains, gewinnen will. Bei der Produktion von Tuchwolle wird auf möglichste Reichwolligkeit der Tiere gesehen,
während der Körper, das spätere Schlachtergebnis, mehr in den Hintergrund tritt; bei der Produktion von Kammwolle dagegen
wird gleichzeitig bedeutendes Gewicht auf großen Körper und gute Mastfähigkeit der Tiere, also auf die
Erzielung reichlicher Mengen von Fleisch und Fett, gelegt.
Für die feine Tuchwolle sind geeignet die Elektorals, Elektoral-Negrettis und Negrettis, für gröbere Tuchwollen die verschiedenen
Rassen von Landschafen, für Kammwolle die Rambouillets und deutschen Kammwollmerinos sowie einige englische Schafe, namentlich
die Southdowns, zur Fleischschafzucht die verschiedenen englischen Rassen, besonders die Leicesters, Cotswolds,
Southdowns, Oxfordshires und Hampshiredowns oder Kreuzungen dieser mit Merinos oder Landschafen.
Wer Stammschäferei betreibt, will außer Wolle und Fleisch auch noch einen erklecklichen Gewinn aus dem Verkauf von Zuchttieren
erzielen. Nächst der Rasse kommt es bei der Auswahl der Zuchttiere auf die Qualität der Individuen an.
Bei Wollschafen ist natürlich das größte Gewicht auf die Beschaffenheit des Vlieses zu legen. Der zur Zucht benutzte Bock soll
einen kräftigen, kurzen, breiten Kopf, behaarte, nicht rötlich durchscheinende Ohren, einen kurzen, muskulösen Hals, breiten,
gerundeten Widerrist und Rücken, ein breites, nicht abfallendes Kreuz, eine breite, tiefe Brust, gute Rippenwölbung,
nicht zu hohe, kräftige, weit auseinander und gerade gestellte Beine besitzen.
Legt man außer dem Quantum der Wolle weniger auf die Feinheit derselben als auf gutes Schlachtergebnis Gewicht, so darf den
Zuchttieren die erforderliche Größe nicht fehlen. Bei Fleischschafen fällt dieser Punkt (großer, parallelogrammförmiger
Körper mit kleinem Kopf und kurzen Beinen, welche die Eigenschaft der Frühreife und guten Mastfähigkeit
dokumentieren) in erster Linie ins Gewicht. Mit 2-2½ Jahren werden die Schafe zur Zucht verwendet. Die Dauer der Trächtigkeit
beträgt etwa 5 Monate; Merinos tragen 150, Southdowns nur 144 Tage. Trotzdem läßt man nur einmal im Jahr
(Winter, Frühjahr oder Sommer) lammen; nur in Stammschäfereien, wo der Verkauf von Zuchttieren hohe Einnahmen bringt, hält
man wohl zuweilen an einer zweimaligen Lammung fest. Während der Trächtigkeit muß man
mehr
den Schafen gutes Futter in genügender, aber nicht zu reichlicher Menge geben. Während der Saugzeit sind die Mütter vorsichtig
und gleichmäßig zu füttern, weil sonst die Lämmer Durchfall bekommen und verkümmern oder auch eingehen. Bei Sommerlammung
bringt man Mütter und Lämmer baldmöglichst bei gutem Wetter auf eine nahe Weide. Im Alter von 2-3 Wochen
fangen die Lämmer selbständig an zu fressen; man bringt sie dann bald, mit 4 Wochen, in besondere, von den Müttern getrennte
Stallabteilungen und läßt sie nur von Zeit zu Zeit, 3-, 2-, 1mal täglich, zum Saugen zu den Müttern.
Bei Sommerlammung bleiben sie den Tag über mit letztern auf der Weide zusammen. Sind sie im Stall allein,
so gibt man ihnen Hafer, etwa 0,05 kg pro Tag und Stück, und feinstes Wiesenheu. Im Alter von 3-4 Monaten entfernt man sie gänzlich
von den Müttern. Noch während der Saugzeit muß man sich darüber klar werden, welche von den männlichen
Lämmern zur Zucht sich eignen. Die nicht zuchttauglichen Bocklämmer werden im Alter von 1-2 Monaten kastriert (verhammelt),
weil durch Entfernung der Hoden die Wolle feiner und das Fleisch wohlschmeckender wird.
Zugleich wird den Bock- und Mutterlämmern der Schwanz gestutzt zur Unterscheidung von den Hämmeln, welche denselben behalten.
Nach dem Absetzen gibt man den Lämmern gute Weide oder, wenn sie im Stall gehalten werden, feines Heu, anfangs 250 bis 400 g,
allmählich mehr, daneben Hafer ad libitum. Auch weiterhin bei dem Aufwachsen, besonders bis zum Alter von 18-20 Monaten, muß
man die Lämmer kräftig füttern, damit sie nicht verkümmern. Zugabe von Hafer neben der Weide oder zur
Zeit der Fütterung im Stall neben dem besten Heu und etwas Sommerstroh, Rüben oder Kartoffeln ist immer geboten. Bei Weidegang
ist die Einwirkung starker Nässe vorsichtig zu vermeiden. Emil Wolff stellt die Fütterungsnormen für wachsende Schafe pro
Tag und 1000 kg Lebendgewicht in Kilogrammen wie folgt:
Alter in Monaten
Durchschnittlich. Gewicht
Organ. Substanz im ganzen
Verdauliche Stoffe:
Nährstoffverhältnis
Eiweiss
Kohlehydrate
Fett
.
5-6
28.0
28.0
3.2
15.6
0.8
1:5.5
6-8
33.5
25.0
2.7
13.3
0.6
1:5.5
8-11
37.5
23.0
2.1
11.4
0.5
1:6.0
11-15
41.0
22.5
1.7
10.9
0.4
1:7.0
15-20
42.5
22.0
1.4
10.4
0.3
1:8.0
Zur Vermeidung geschlechtlicher Aufregung und zur Verhütung vorzeitiger Befruchtung trennt man die Geschlechter im Alter von 6 Monaten,
wenn es nicht schon beim Absetzen geschehen ist.
Die weitere Ernährung erwachsener Schafe findet in der Regel im Sommer und zwar je nach dem Klima vom April
oder Mai bis Oktober oder November auf der Weide, im Winter im Stall, nur ausnahmsweise auch im Sommer im Stall statt. Man benutzt
am besten trockne, kurzgrasige, mit Festuca, Poa, Medicago, Aira, Trifolium u. a. bestandene natürliche oder auch mit Esparsette,
Luzerne, Weißklee, Raigras bestellte künstliche Weiden, Brach- und Stoppelfelder. Auch läßt man üppig
gewachsene Saatfelder mit denselben rasch überhüten.
Morgens treibt man sie nicht hungrig und nicht vor der Entfernung des Taues oder Reifs aus, da sie sonst leicht aufblähen. Auf 1 Hektar
Weide können, je nach der Güte derselben, bei einer Weidedauer von 7 Monaten 5-25 Schafe ernährt werden.
Böcke und Mutterschafe werden natürlich getrennt gehütet; beide Kategorien
erhalten neben den Lämmern die bessern, Hämmel
und Geltschafe die schlechten Weiden. Nasse Weiden sind zu vermeiden, weil die Schafe auf ihnen leicht die Brut für die Leberegel,
für Magen- und Lungenwürmerseuche aufnehmen.
Die hauptsächlichsten Futtermittel, welche den Schafen im Winter im Stall gegeben werden, sind Heu und Stroh,
daneben Rüben (4-5 kg) und Ölkuchen (0,25 kg pro Tag und Stück), außerdem auch Rübenpreßlinge und Branntweinschlempe. Körner
gibt man in der Regel nur den Böcken während der Sprungzeit und säugenden Mutterschafen.
Die Nährstoffmengen, welche ein S. zur Erhaltung des mittlern Ernährungszustandes und zur Produktion
reichlicher Wollmengen bedarf, stellen sich pro Tag folgendermaßen.
1) Leichte Merinos, Elektoraltypus (Mutterschafe 30-40 kg Lebendgewicht):
Trockensubstanz
Rohprotein
Stickstofffreie Nährstoffe
Nährstoffverhältnis
Mutterschafe
1.0
0.085
0.435
1:5.1
Zuchtböcke
1.25
0.120
0.600
1:5.0
Hämmel
0.965
0.069
0.425
1:6.5
2) Schwere Merinos, Negretti- und Rambouillettypus (Mutterschafe 45-60 kg Lebendgewicht):
Mutterschafe
1,135
0.11
0.58
1:5.3
Zuchtböcke
1,465
0.15
0.80
1:5.3
Hämmel
1,100
0.07
0.44
1:6.3
3) Fleischschafe (Mutterschafe 50-60 kg Lebgew.):
Mutterschafe
1.25
0.13
0.67
1:5.0
Zuchtböcke
1,675
0.175
0.89
1:5.0
Bei Beachtung der in den einzelnen Futterarten vorhandenen Nährstoffmengen läßt sich die Tagesration
aus den verschiedenen Futterstoffen leicht berechnen. Gewöhnlich reichen drei Futterzeiten aus; daneben sorgt man für ausreichende
Tränke und, falls Futter und Wasser in einer Gegend nicht genug Kochsalz enthalten, für Salzlecken. Wird auch im Sommer im Stall
gefüttert, was dann geschieht, wenn keine passenden Weiden, wohl aber passende Futtervorräte und gute
Absatzverhältnisse vorhanden sind, so gibt man das Winterfutter und, solange Grünfutter vorhanden ist, dieses.
Zur Mästung stellt man Hämmel im Alter von 1½-3 Jahren, ausgemerzte Mutterschafe und von Fleischschafen auch schon Lämmer
auf. Die besten Mastfuttermittel sind die verschiedenen Heuarten neben Körnerschrot und Körnerabfällen.
Rüben und Schlempe werden höchstens in kleinen Quantitäten gegeben. Gut ist es, die Schafe vor der Mästung zu scheren; 10-12
Wochen reichen zur Mästung hin, die Tagesration stellt sich bei der Mästung pro Stück in Kilogrammen auf:
Trockensubstanz
Rohprotein
Stickstofffreie Nährstoffe
Nährstoffverhältnis
Leichte Wollschafe
1.5
0.15
0.65
1:4.3
Schwere Wollschafe
1,725
0.20
0.845
1:4.2
Fleischschafe
1.85
0.25
0.90
1:3.6
Die tägliche Zunahme bei der Mästung beträgt pro Stück 0,08-0,13 kg. Das Schlachtgewicht verhält sich zu dem Lebendgewicht
je nach dem Grade der Ausmästung und der Rasse wie 60 (49 Proz. Fleisch, 5 Proz. Talg, 6 Proz. Haut) bis 77 (62
Proz. Fleisch, 10 Proz. Talg, 5 Proz. Haut) zu 100. Die Schur findet in der Regel einmal im Jahr und zwar im Mai statt.
mehr
Die Zucht der Schafe hat heute in Deutschland nicht mehr die eminente Bedeutung wie im Anfang dieses Jahrhunderts. Seit der Einführung
der Merinos hatten sich Sachsen und Schlesien und dann auch andre Teile Deutschlands der Elektoral-, Österreich-Ungarn der Negretti-,
Frankreich der Kammwollschafzüchtung zugewandt. Die Preise für Elektoralschafe und deren feine Wollen erreichten
eine bedeutende Höhe. Aber als mit dem Jahr 1840 die Zucht des Merinoschafes sich in den überseeischen Ländern (Südamerika,
Südafrika, Australien) entwickelte, und als ferner von 1864 bis 1867 in den Vereinigten Staaten Nordamerikas die Schutzzollgesetzgebung
eingeführt wurde, da erfuhr die Rentabilität der Schafzucht in Deutschland eine starke Einbuße; die
überseeischen Wollen, welche bis dahin zum Teil nach Nordamerika importiert waren, gelangen seit jener Zeit in großen Mengen
auf den europäischen Markt. Deshalb bevorzugen gegenwärtig die meisten deutschen Züchter große, mastfähige Schafe mit reichlicher,
wenn auch weniger feiner Wolle. Allgemein ist man übergegangen zur Haltung von deutschen und französischen
Merinokammwollschafen und von englischen Fleischschafen. Nur einzelne züchten noch hochfeine Elektorals und finden dabei
ihre Preise.
Die wichtigsten Krankheiten der Schafe sind: der Milzbrand, die Pockenseuche, die Raude, die Klauenseuche, die parasitären Krankheiten
oder Wurmseuchen (Leberegelseuche, Bandwurmseuche, Lungenwurmseuche, Magenwurmseuche, Drehkrankheit und Bremsenlarvenkrankheit),
die bösartige Gelbsucht (Lupinose), die infektiöse Lungenentzündung (weiße Lungen), der seuchenartige
Abortus, die Bleichsucht, die Knochenweiche und die Lämmerlähme.
Vgl. Fitzinger, Über die Rassen des zahmen Schafs (Wien 1859-60, 4 Tle.);
Mentzel, Handbuch der rationellen Schafzucht (2. Aufl., Berl. 1861);
Körte, Das deutsche Merinoschaf (Bresl. 1862);
Derselbe, Wörterbuch der Schafzucht (das. 1863);
v. Schmidt, Schafzucht und
Wollkunde (3. Aufl., Stuttg. 1869);
v. Neitzschütz, Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schafs (Danz.
1869-1875, 3 Tle.);
May, Das S. (Bresl. 1868, 2 Bde.);
Bohm, Die Schafzucht (2. Aufl., Berl. 1883);
H. v. Nathusius, Vorträge über Schafzucht (das. 1880);
v. Mitschke-Collande,
Der praktische Merinozüchter (das. 1883);
Körte, Das Fleischschaf (Bresl. 1885);
Witt, Die englischen
Fleischschafrassen (Leipz. 1885).