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die Dauphiné und Provence ein Einfall gemacht. Im Aachener Frieden 1748 ward ihm hierauf alles bewilligt, was Österreich [* 2] versprochen. Auch um die Hebung [* 3] der innern Zustände seiner Lande bemühte sich Karl Emanuel, so durch Anlegung von Kanälen, Abschluß eines Handelsvertrags mit Mailand [* 4] (1752) und Einführung des Corpus Carolinum, einer revidierten Sammlung der früher erlassenen allgemeinen Gesetze für Zivil- und Kriminalrecht, mit subsidiarischer Geltung des römischen Rechts. Er besteuerte die geistlichen Güter, besetzte alle Stellen selbst und unterwarf die päpstlichen Bullen seiner Bestätigung.
Ihm folgte 1773 sein Sohn Viktor Amadeus III., unter dessen Regierung die meisten Schöpfungen seines Vaters wieder verfielen. Der von diesem gesammelte Schatz wurde zwecklos vergeudet und dem Land noch eine Schuldenlast von 100 Mill. Frank aufgebürdet. Die große Armee diente nur zur Parade. Als Schwiegervater der Brüder Ludwigs XVI. von Frankreich begünstigte der König während der französischen Revolution die Emigranten und lehnte ein Bündnis mit Frankreich ab, worauf ihm dieses den Krieg erklärte.
Ohne Widerstand wurden Savoyen und Nizza [* 5] von den Franzosen besetzt und der französischen Republik einverleibt. Zur Wiedererlangung seiner Lande schloß Viktor Amadeus nun mit England einen Subsidienvertrag, und nachdem es ihm gelungen, ein Heer von 50,000 Mann aufzustellen, wurden die Franzosen zurückgedrängt. Allein schon 1794 drangen sie aufs neue durch die Gebirgspässe, und obgleich sie mit Hilfe der Österreicher 1795 abermals zurückgeworfen wurden, so rückten Schérer und Kellermann mit zwei Kolonnen wiederum ein, schlugen 22. und 25. Nov. die Heere der Österreicher und Sardinier und bezogen Winterquartiere.
Nachdem 1796 Bonaparte den Oberbefehl über das französische Heer übernommen und bei Montenotte und Millesimo die verbündeten Heere fast vernichtet hatte, schloß Viktor Amadeus 26. April zu Cherasco einen Waffenstillstand und 15. Mai Frieden von Turin, [* 6] in welchem er Savoyen und Nizza an Frankreich abtrat. Er starb und hatte seinen Sohn Karl Emanuel II. (IV.), einen bigotten, engherzigen Fürsten, zum Nachfolger. Derselbe befand sich ganz in den Händen der französischen Generale, mußte denselben in einem Vertrag vom alle seine Festungen einräumen und verzichtete, als das Direktorium ihm trotzdem den Krieg erklärte, 9. Dez. gegen freien Abzug von Turin auf seine festländischen Besitzungen. Er begab sich nach der Insel Sardinien, [* 7] wo er in Cagliari seine Residenz aufschlug, trat die Krone an seinen Bruder Viktor Emanuel I. ab und starb als Jesuit 1819 in Rom. [* 8]
Zivilbehörden und Militär wurden nun völlig nach französischem Zuschnitt umgeformt. Am erfolgte die förmliche Vereinigung Piemonts mit Frankreich und seine Einteilung in sechs Departements. Erst durch den Sturz Napoleons I. 1814 kamen die sardinischen Lande wieder unter ihren ehemaligen Herrscher zurück und wurden noch durch das Herzogtum Genua [* 9] und die Souveränität über Monaco [* 10] vermehrt. Zu gleicher Zeit wurde auf dem Wiener Kongreß die Erbfolge dahin geregelt, daß nach dem Erlöschen des regierenden Mannesstamms die von Thomas Franz, dem jüngern Sohn des Herzogs Karl Emanuel I., gestiftete Linie Savoyen-Carignan zum Thron [* 11] gelangen sollte.
Am hielt Viktor Emanuel seinen Einzug in Turin. Er selbst, gutmütig, aber beschränkt, kümmerte sich nicht viel um die Regierung; um so eifriger aber waren sein Beichtvater, der Abbé Botta, und die Königin Maria Theresia, eine Österreicherin, bemüht, die alten Zustände wiederherzustellen und alles, was in den 16 Jahren 1798-1814 geschehen war, auszurotten. Die Jesuiten wurden zurückberufen und die Inquisition wieder eingeführt, neue Klöster erstanden; die Waldenser und übrigen Protestanten sowie die Juden wurden aufs äußerste beschränkt, die alte Rechtspflege ward wieder eingeführt und dabei das Volk durch hohe Abgaben und Zölle völlig ausgesogen.
Einem bestimmten, Österreich gegebenen Versprechen zufolge wurde dem Land keine Verfassung verliehen. Die französische Herrschaft hatte jedoch den politischen Ansichten, vorzüglich der gebildetern Stände, eine liberale Richtung gegeben, der selbst der Adel nicht fern blieb. Daher ward die Gärung bald allgemein, und eine Zweigverbindung der Karbonari bildete eine Verschwörung zur Proklamierung der spanischen Konstitution, in die selbst der Prinz Karl Albert von Savoyen-Carignan, der präsumtive Nachfolger des Thronerben Karl Felix, verwickelt war. So wurde die piemontesische Revolution vorbereitet. Am erhoben sich die Verschwornen zu Alessandria, Pignerol und Vercelli und proklamierten die spanische Konstitution und das Reich Italien. [* 12] Am 11. März zogen sie in Turin ein, wo sie jubelnd empfangen wurden.
Entmutigt entsagte der König in der Nacht des 13. März zu gunsten seines Bruders Karl Felix dem Thron, ernannte den Prinzen von Carignan zum Regenten bis zu dessen Ankunft aus Modena, wo er sich aufhielt, und begab sich nach Nizza. Der Prinz proklamierte, die Trikolore in der Hand, [* 13] die Annahme der spanischen Konstitution. Eine »im Namen des Königreichs Italien« handelnde einstweilige Giunta sowie ein neues Ministerium wurden sogleich gebildet, die Errichtung einer Nationalgarde dekretiert, und Karl Albert leistete der Verfassung sowie dem König Karl Felix den Eid der Treue.
Der neue König erließ jedoch 16. März ein Manifest, in dem er jede Verfassung ablehnte und erklärte, daß er im Notfall Österreichs und Rußlands Intervention anrufen werde. Bereits 19. März gab Karl Albert die liberale Sache auf und verließ Turin, und 7. April überschritten 20,000 Österreicher unter Bubna den Ticino. Eine kleine Schar Truppen, welche der Konstitution anhingen, wurde 8. April bei Novara nach tapferer Gegenwehr geworfen; 10. April besetzte della Torre mit königlichen Truppen die Hauptstadt, und Bubna rückte 11. April vor Alessandria, welches sich ebenfalls unterwarf.
Unter dem Schutz der österreichischen Bajonette, welche bis 1823 im Land blieben, begann nun die vollständigste Reaktion. Durch Hochverratsprozesse ohne Zahl wurden alle bei der Revolution nur einigermaßen Beteiligten verfolgt; die Jesuiten wurden zurückgeführt, und die Beförderung von Beamten ward von der strengsten Beobachtung der kirchlichen Zeremonien abhängig gemacht. Ein königliches Edikt von 1825 erlaubte unter anderm das Lesen- und Schreibenlernen nur denen, die ein Vermögen von 1500 Lire aufweisen konnten. Karl Felix starb und mit ihm erlosch der Mannesstamm der regierenden Linie.
Nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses folgte ihm Karl Albert, Prinz von Savoyen-Carignan, der, nachdem er die Umkehr seiner Gesinnung dadurch bekundet hatte, daß er den Feldzug des Herzogs von Angoulême gegen Spanien [* 14] 1823 mitmachte, als Statthalter nach Sardinien geschickt worden war und nach seinem Regierungsantritt durchaus das ¶
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reaktionäre, streng absolutistische System seines Vorgängers beibehielt. Der unterdrückte Volksgeist machte sich in Verschwörungen und stets erfolglosen Putschen Luft, die nur schärfere Repressivmaßregeln zur Folge hatten. 1840 wurde mit dem Papst ein Konkordat abgeschlossen und die Herrschaft der Klerikalen, wie es schien, für immer befestigt. Indes Karl Albert erkannte, daß, wenn er sich nicht zu einem gehorsamen Vasallen Österreichs erniedrigen wollte, er sich der nationalen Strömung anschließen müßte, und eine national-italienische Politik bedingte auch eine liberale Regierung im Innern, also konstitutionelle Zugeständnisse. Am wurde ein volkstümliches Ministerium berufen und durch das Fundamentalstatut die neue Verfassung verkündigt, worauf ganz Oberitalien [* 16] mit Enthusiasmus für das »Schwert Italiens« [* 17] (la spada d'Italia) schwärmte.
Karl Albert stellte sich nun offen an die Spitze der nationalen Bewegung, ernannte 8. März den berühmten Patrioten Balbo zu seinem Ministerpräsidenten, erließ 24. März eine Proklamation, in welcher er den lombardischen Brüdern, die sich 18. März in Mailand empört hatten, Hilfe verhieß, und rückte darauf mit 60,000 Mann ohne Kriegserklärung in die Lombardei ein; 26. März hielten die sardinischen Truppen ihren Einzug in Mailand. Am 8. April griff Karl Albert die Österreicher bei Goito an, zwang sie zum Rückzug, schloß Peschiera ein und machte 6. Mai einen Angriff auf die Höhen von Santa Lucia und Croce Bianca bei Verona, [* 18] der aber zurückgeschlagen wurde. Er beschränkte sich nun darauf, Peschiera einzuschließen; währenddessen ging der österreichische Befehlshaber Radetzky, um Peschiera zu entsetzen, 27. Mai von Verona nach Mantua, [* 19] nahm die Schanzen von Curtatone, zersprengte die dortigen toscanischen und neapolitanischen Korps, rückte am 30. nach Goito vor und kam so dem König in die rechte Flanke; aber der Angriff auf die sardinische Stellung bei Goito mißlang, worauf Peschiera fiel und Radetzky über Mantua zurückging.
Während die Lombarden 29. Mai durch allgemeine Abstimmung den Anschluß an Sardinien beschlossen, 3. Juli auch die konstitutionelle Versammlung von Venetien für die Verschmelzung mit Sardinien sich entschied, blieb die Armee in ihrer weit gedehnten Stellung zwischen Gardasee und Po unthätig. Karl Albert hatte die Zuversicht zu dem Erfolg seiner Waffen [* 20] verloren und setzte seine ganze Hoffnung auf die diplomatische Vermittelung Englands. Währenddessen hatte sich Radetzky verstärkt, und nach zweitägigen Gefechten wurden die Sardinier 25. Juli nach tapferm Kampf in der Entscheidungsschlacht von Custozza [* 21] völlig geschlagen. Das sardinische Heer zog sich nach Mailand zurück, wo das erbitterte Volk den König in seinem Hauptquartier bedrohte; 9. Aug. wurde zwischen Österreich und Sardinien ein Waffenstillstand abgeschlossen und Lombardo-Venetien, Parma [* 22] und Modena von den sardinischen Truppen geräumt.
Dieser unglückliche Ausgang des mit so viel Zuversicht unternommenen Kriegs übte auch auf die innern Verhältnisse Sardiniens notwendig einen Rückschlag. Balbo war schon 26. Juli aus dem Ministerium getreten, das Fusionsministerium Casati nahm bereits 7. Aug. seine Entlassung. Die radikalen und republikanischen Elemente, welche Karl Albert als Verräter hinstellten, regten sich und wuchsen an Macht. Das ungestüme Verlangen der Deputiertenkammer und des Volkes nach Fortsetzung des Unabhängigkeitskampfs, das sich besonders 12. und 13. Okt. auf Volksversammlungen in Turin aussprach, bewog endlich den König, ein neues Ministerium aus der radikalen Partei zu berufen, dessen Vorsitz Gioberti übernahm, und das 16. Dez. in seinem Programm zwar die Notwendigkeit der Monarchie betonte, aber die nationale Einheit und Unabhängigkeit sowie die Entwickelung der Verfassungsinstitutionen im Sinn der Demokratie als seine Ziele bezeichnete.
Die Regierung wünschte eigentlich nur im Bund mit den andern Fürsten Italiens einen neuen Krieg gegen Österreich zu führen, wurde aber, als die Fürsten alle ablehnten, von der Kammer so zum Kriege gedrängt, daß es ihn an Österreich erklärte. An die Spitze des 120,000 Mann starken Heers trat ein polnischer General, Chrzanowski. Am 20. überschritt der Herzog von Genua mit 12,000 Mann bei Magenta den Ticino und fand den Weg nach Mailand frei; die Sardinier glaubten, die Österreicher wollten, wie 1848, die Lombardei freiwillig räumen.
Radetzky hatte aber unbemerkt seine 70,000 Mann bei Pavia konzentriert, überschritt 20. März den Ticino und stieß am 21., abends 5 Uhr, [* 23] auf die Sardinier bei Mortara; das Gefecht endete mit der Niederlage der letztern. Am 23. mittags wurde das sardinische Hauptheer, 51,000 Mann, welches Chrzanowski bei Novara vereinigt hatte, hier von Radetzky angegriffen und völlig geschlagen. Karl Albert verzichtete noch in derselben Nacht, vom 23. zum auf die Krone zu gunsten seines ältesten Sohns, Viktor Emanuel II., und ging unter einem angenommenen Namen durch die österreichischen Vorposten, um sich nach Porto in Portugal zu begeben, wo er 26. Juli starb.
Der junge König schloß sofort 26. März mit Radetzky einen Waffenstillstand, in welchem er sich verpflichtete, die Freikorps aufzulösen, während des Waffenstillstands das Gebiet zwischen dem Po, der Sesia und dem Ticino und die Hälfte der Festung [* 24] Alessandria durch 20,000 Mann kaiserlicher Truppen auf Kosten Sardiniens besetzen zu lassen, die sardinische Flotte aus dem Adriatischen Meer zurückzuziehen und seine Armee binnen kürzester Frist auf den Friedensfuß zu setzen.
Die Nachricht von der Niederlage und Abdankung Karl Alberts und dem Waffenstillstand rief in Turin unbeschreibliche Entrüstung hervor. Die Kammer beschloß in der ersten Aufwallung der Leidenschaft die Fortsetzung des Kampfes, erkannte aber bald die Unmöglichkeit derselben. Ein kurzes Nachspiel zum Krieg bildete der Aufstand zu Genua 1. April, welcher die Lostrennung der ehemaligen Republik Genua von Sardinien zum Zweck hatte und erst 10. April durch eine große Truppenmacht unter Lamarmora unterdrückt werden konnte.
Über vier Monate dauerten die Friedensverhandlungen mit Österreich. Wenn sich Sardinien auch bereit zeigte, materielle Vorteile zu opfern, so hielt es doch mit Festigkeit [* 25] an der Unverletzlichkeit der Nationalehre fest. Einen ihm nahegelegten Anschluß an das österreichische System lehnte Viktor Emanuel entschieden ab; er behauptete für Sardinien seine innere Unabhängigkeit und erlangte auch die Amnestie der Lombarden und Venezianer, welche auf Seiten der Piemontesen gekämpft hatten.
Die Österreicher steigerten dagegen ihre Kriegsentschädigungsforderung auf 230 Mill. Frank. Auf diese Forderung stellte Piemont die Unterhandlungen ein, bis Österreich unter dem Druck französischer und englischer Intervention auf 75 Mill. herabging, gleichzeitig seine Truppen aus Alessandria zurückzuziehen sich bereit erklärte und Sardinien den Besitzstand vor dem Krieg zugestand. Am wurden diese Bedingungen zu Mailand unterzeichnet. ¶