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die Tochter eines französischen Offiziers, dessen Mutter die natürliche Tochter des Marschalls Moritz von Sachsen [* 2] war, verlebte auf dem Familiengut Nohant in Berry im freien Verkehr mit der Natur und den Menschen der Gegend eine frische Dichterjugend, kam dann in die Pension der englischen Augustinerinnen zu Paris, [* 3] wo sie drei Jahre (1817-20) verweilte, und verheiratete sich, nach Nohant zurückgekehrt, 1822 mit dem natürlichen Sohn eines Barons v. Dudevant. Die Ehe war indessen keine glückliche, und nach neun Jahren begab sich die Frau, im Einverständnis mit ihrem Gatten, für die Hälfte des Jahrs nach Paris, um endlich eine ihren geistigen Bedürfnissen angemessene Atmosphäre zu atmen, nebenbei auch, um sich Geld zu verdienen.
Nachdem sie sich in verschiedenen Industrien (Übersetzungen, Handarbeiten, Malen auf Nippsachen etc.) ohne großen Erfolg versucht hatte, wagte sie sich auf Zureden ihres Freundes Jules Sandeau (s. d.), dessen Bekanntschaft sie in Nohant gemacht, und der sie nach Paris begleitet hatte, an die Romanschriftstellerei und zwar zunächst in Gemeinschaft mit Sandeau. Ihr gemeinsames Produkt: »Rose et Blanche« (1831),
hatte indessen keinen durchschlagenden Erfolg. Um so mehr Bewunderung errang die Schriftstellerin mit dem nächsten Roman: »Indiana« (1832),
dessen Autorschaft ausschließlich ihr angehörte. Sie nannte sich, ihrem litterarischen Freund zuliebe, George S. und hat diesen Namen für immer beibehalten. Noch in demselben Jahr erschien »Valentine«, im folgenden »Lélia«, zwei Werke, welche einen wahren Sturm glühender Sympathien wie auch leidenschaftlicher Opposition erregten. Im Sommer 1833 unternahm S. mit dem Dichter Alfred de Musset, der sich zu ihr mächtig hingezogen fühlte, eine Reise nach Venedig; [* 4] aber noch in der Lagunenstadt, wo Musset schwer erkrankte, erfolgte der Bruch des an Zwischenfällen aller Art reichen Verhältnisses, über welches sich S. selbst in »Le [* 5] secrétaire intime« (1832),
»Les lettres d'un voyageur« (1834) und viel später in »Elle et lui« (1859) ausgesprochen hat und zwar in dem letztern Werk so rücksichtslos, daß der Bruder des Dichters, Paul de Musset, ihr in »Lui et elle« noch viel unbarmherziger antwortete. Die »Lettres d'un voyageur«, in welchen auch Liszt und die Gräfin d'Agoult unter sehr durchsichtiger Maske auftreten, zeigen das beschreibende Talent der Verfasserin in ihrem vollen Glanz. S. zählte jetzt bereits zu den ersten litterarischen Größen und erlangte 1836 endlich auch die gerichtliche Scheidung von ihrem Mann, dem sie später noch eine namhafte Summe ausbezahlte.
Von Romanen waren »Jacques« (1834),
»André« (1835) und »Simon« (1836) zu den frühern hinzugekommen. Unter den Berühmtheiten, welche sich um den Umgang der Dichterin bewarben, sind besonders Chopin, Lamennais, der Republikaner Michel de Bourges und der Sozialist Pierre Leroux namhaft zu machen. Zu dem Erstgenannten trat sie in ein intimes, lange andauerndes Verhältnis und begleitete ihn 1838 auf einer zur Wiederherstellung seiner Gesundheit unternommenen Reise nach Mallorca, die sie in »Un hiver à Majorque« (1842) beschrieb.
Während der Jahre 1833-38 füllten die Romane: »Lavinia«, »Metella«, »Mathéa«, »La marquise«, »Mauprat«, »La dernière Aldini«, »Les maîtres mosaïstes«, »L'Uscoque« die Spalten der »Revue des Deux Mondes«. Unter dem Einfluß Lamennais' und der beiden demokratischen Denker, zu denen vorübergehend auch der Sozialist Cabet trat, entstanden daneben die »Lettres à Marcie« (1837 im »Monde« erschienen),
ferner der unerquickliche mystische Roman »Spiridion« (1839) und das Phantasiestück »Les sept cordes de la lyre« (1840). Als sich S. mit der »Revue des Deux Mondes« überworfen hatte (1841),
gründete sie mit Leroux, Viardot, Lamennais etc. die »Revue indépendante«, schrieb die mehr oder weniger politisch-sozialistischen Romane: »Le compagnon du tour de France« (1840),
»Le meunier d'Angibault« (1845),
»Le péché de M. Antoine« (1847),
»Consuélo« (1842, 4 Bde.),
ihr großartigstes Werk, dessen Fortsetzung die »Comtesse de Rudolstadt« [* 6] (1843, 4 Bde.) bildet, ferner: »Pauline« (1841),
»Horace« (1842),
»Isidora« (1845),
»Teverino« und »Lucrezia Floriani« (1846),
»Le Piccinino« und »Le château des déserts« (1847) und bereicherte die Litteratur ihres Landes mit Dorfgeschichten, wie: »Mouny-Robin« (1841),
»Melchior« (1841),
»Jeanne« (1844),
»La mare au diable« (1846),
»François le champi« (1847) und »La petite Fadette« (1849),
kleinen Meisterwerken, welche ein großer Kritiker die »französischen Georgiken« genannt hat. Die Fackel der Revolution von 1848 zündete im Herzen der Dichterin gewaltig. Sie gründete eine Wochenschrift: »La cause du peuple«, schrieb für Ledru-Rollin Bülletins und Zeitungsartikel, erließ die schwärmerischen »Lettres au peuple« und trug mit schwerem Herzen die bald folgende Ernüchterung, obgleich sie zu dem Kaiser Napoleon III., der aus der Gefangenschaft von Ham einen Briefwechsel mit ihr angeknüpft hatte, während der ganzen Dauer seiner Regierung in zwar reservierten, aber freundschaftlichen Beziehungen stand.
Ihre Arbeitslust und Arbeitskraft blieben ihr treu, ja ihre Kunst zeigt sich in den spätern Schöpfungen vielfach reiner als in den Werken ihrer von Leidenschaften und krankhaften oder überspannten Ideen bewegten Jugend, so in: »Mont Revêche«, »La filleule«, »Les maîtres sonneurs« (1853). Die spätere Periode zeigt uns die Dichterin auch auf dem Gebiet des Dramas thätig. Trotz des Mißerfolgs, welchen ihr erstes Stück: »Cosima« (1840),
geerntet hatte, und den das spätere: »Le roi attend«, eben nicht auszugleichen vermochte, arbeitete sie rüstig fort, und wenn auch ihre Dramen, wie: »Molière« (1851),
»Les vacances de Pandolphe« (1852),
»Le démon du foyer« (1852),
»Mauprat« (1853),
»Flaminio« (1854),
»Maître Favilla« (1855),
»Françoise« (1856) etc., nicht dieselbe Bewunderung wie ihre Romane erregten, so ist doch die französische Bühne durch S. um mehrere wertvolle Stücke bereichert worden, und mit dem »Marquis de Villemer« (1864) errang sie auch einen durchschlagenden äußern Erfolg. Ihre zahlreichen dramatischen Dichtungen finden sich gesammelt im »Théâtre de Nohant« (1864) und »Théâtre complet« (1866-67, 4 Bde.). Von Romanen sind aus der spätern Zeit noch zu erwähnen: »Les dames vertes« (1859);
»Constance Verrier« (1860);
»La famille de Germandre« (1861);
»Le marquis de Villemer« (1861),
wonach das oben erwähnte Theaterstück gearbeitet ist;
»Valvèdre« (1861);
»La ville noire« (1861);
»Tamaris« (1862);
»Mademoiselle de la Quintinie« (1863);
»Laura« (1864);
»La confession d'une jeune fille« (1865);
»Monsieur [* 7] Sylvestre« (1866);
»Le dernier amour« (1867);
»Mademoiselle Merquem« (1868);
»Pierre qui roule« (1870);
»Mademoiselle Azote« (1870);
»André Beauvray« (1870).
Die zuerst in der »Presse« [* 8] erschienene Autobiographie der Schriftstellerin: »Histoire de ma vie« (1854-55, 20 Bde.) befriedigte ¶
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trotz ihrer Ausführlichkeit und zahlreicher vortrefflicher Partien die gehegten Erwartungen nicht; die psychologischen und philosophischen Erörterungen überwuchern und ersticken fast den historischen Kern. Gegen Ende ihres Lebens war S. noch Zeugin der Ereignisse von 1870/71; aber wie schwer auch ihre Vaterlandsliebe darunter litt, gab sie sich doch über die Aussichtslosigkeit der von den Männern des 4. Sept. in Szene gesetzten Landesverteidigung keiner Täuschung hin und ließ sehr beißende und wegwerfende Urteile über die damaligen Machthaber in die Öffentlichkeit dringen.
Sie starb als Freidenkerin, wie sie gelebt hatte, auf ihrem Schloß Nohant. In La Châtre bei Nohant wurde ihr 1881 ein öffentliches Denkmal (von Millet) errichtet; eine andre Statue (von Clésinger) wurde 1877 im Foyer des Théâtre-Français aufgestellt. Ist schon die erstaunliche, bis ins Alter ungeschwächt gebliebene Produktionskraft der Dichterin Beweis eines ungewöhnlichen Geistes, so nötigt vollends der innere Gehalt ihrer Werke Bewunderung ab. Sie erscheint mit einer Tiefe des Blickes, zugleich mit einer Kraft, [* 10] die gewonnenen Eindrücke zu gestalten, begabt wie noch selten eine ihres Geschlechts.
Liebe, in und außer der Ehe, Politik, Volkswirtschaft, Religion, das Höchste für den Menschen wie für die Völker, erfüllt ihre Seele und führt ihre Feder, und viele ihrer Schöpfungen sind durch und durch nur zu sichtlich von der Tendenz getränkt. Am größten ist die Dichterin gleichwohl da, wo sie sich tendenz- und leidenschaftslos dem wohlthuenden Zug ihres Genius für Darstellung des Naturlebens und des menschlichen Treibens überläßt, wie in »Consuélo« und namentlich in ihren reizenden Dorfgeschichten.
Noch sind der Vollständigkeit wegen ihre »Impressions littéraires« (1862) und »Autour de la table« (1862),
Sammlungen litterarischer und kritischer Essays, zu erwähnen, denen sich die nach ihrem Tod veröffentlichten »Dernières pages« (1877) und »Questions d'art et de littérature« (1878) anreihen. Ihre Werke erschienen in mehreren Gesamtausgaben, zuletzt in 55 Bänden (in deutscher Übersetzung Leipz. 1843-47, 87 Bde.); ihre gesammelten Briefe 1882-84 in 6 Bänden.
Vgl. Haussonville, George S. (Par. 1878);
Ihr Sohn Maurice S., geb. 1825, hat sich ebenfalls als Schriftsteller versucht und unter anderm ein anziehendes Buch über die Charakterrollen der italienischen Komödie: »Masques et bouffons« (1859, 2 Bde.),
ferner die Romane: »Callirhoë« (1864),
»Raoul de la Chastre« (1865),
»La monde de papillons« (1866),
»Mademoiselle de Cérignan« (1874) etc. veröffentlicht.