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Was die industrielle Thätigkeit betrifft, so ist der Berg- und Hüttenbetrieb gegen früher zurückgegangen. Erwähnung verdienen die in Bürgel für den Export fabrizierten Topfwaren; Betriebe für Porzellanfabrikation und -Veredelung gab es 1882: 39. Glashütten sind in Ilmenau und dem benachbarten Stützerbach. Was die Metall verarbeitenden Gewerbe anbetrifft, so wurden gezählt im ganzen Land: 24 Goldarbeiterwerkstätten, 22 Kupferschmieden, 62 Betriebe für Erzeugung und Verarbeitung von Metalllegierungen aller Art, 4 Eisengießereien, 83 Betriebe für Fabrikation von Maschinen und Apparaten, 77 für Instrumente und Apparate (darunter die renommierte Zeißsche Werkstätte für Mikroskope in Jena und ansehnliche Fabriken von Glasinstrumenten im Amt Ilmenau), 39 Betriebe für Musikinstrumente, 11 für chemische Erzeugnisse und 10 für Harze und Firnisse. Von hervorragender Bedeutung im wirtschaftlichen Leben des Großherzogtums sind die mannigfachen Zweige und Arten einer ausgebreiteten Textilindustrie. Was zunächst die Wollspinnerei und -Weberei anlangt, so zählte man in derselben 760 Betriebe, worunter 695 Hauptbetriebe waren, in denen 2398 Personen beschäftigt wurden; zu 80 Proz. fällt diese Tuchindustrie allein auf Neustadt a. O. und den dazu gehörigen Amtsbezirk, sonst befindet sich ein bedeutendes Etablissement der Art in Wenigenjena bei Jena. Eine große Kammgarnspinnerei, die größte des Großherzogtums überhaupt, ist die der Firma Eichel u. Cramer in Eisenach. Der Kammgarnwebereibetrieb ist besonders im Neustädter Kreis heimisch. Gemischte Weberei findet sich in Blankenhain und Weida. Von europäischem Ruf ist die Strumpfwirkerei Apoldas (s. d.). Im ganzen zählte man im Großherzogtum 1607 Betriebe für Strumpfwarenfabrikation, von denen 1523 Hauptbetriebe mit 4490 darin beschäftigten Personen waren. Außerhalb Apolda kommt Strumpfwarenfabrikation konzentrierter noch in Stadt-Remda vor; von hier ging auch die sogen. Waldwollfabrikation aus, die jetzt dort schwunghaft betrieben wird. Ferner zählte man 41 Betriebe für Posamenten, 133 für Seilerwaren, 10 Papier- und Pappefabriken etc. (größtes Etablissement zu Oberweimar) sowie 27 Betriebe für Steinpappe und Papiermachéfabrikation, zahlreiche Gerbereien (besonders im Neustädter Kreis) und bedeutende Pfeifen- und Meerschaumwarenfabrikation in Ruhla. Im Eisenacher Kreis findet sich das Gewerbe der Korkschneider, welches in 151 Betrieben, ganz besonders aber als Hausindustrie betrieben wird (Hauptorte sind Geisa und Dermbach). In Empfertshausen bei Dermbach ist eine Schnitzschule für Pfeifen und andre feine Holzschnitzereien. Ferner gab es 2 Rübenzuckerfabriken, 257 Brauereien (die bedeutendsten in Weimar, Ehringsdorf, Eisenach, Berka a. W., Ilmenau, Apolda, Allstedt, Wickerstedt bei Apolda, Jena; auch die sogen. Weißbierdörfer, die bedeutende Quantitäten versenden, verdienen erwähnt zu werden), Handschuhfabriken in Weimar und Ilmenau und Tuchschuhfabriken in Weida. Buchdruckereien und Steindruckereien zählte man 45 (die bedeutendsten in Weimar und Jena). Ein geographisches Institut besteht in Weimar.
Der Handelsverkehr des Großherzogtums ist ein sehr lebhafter. Dasselbe gehört zum Thüringer Zoll- und Handelsverein, mit Ausnahme der Enklave Ostheim, die unter bayrischer, und der Enklaven Allstedt und Oldisleben, die unter preußischer Zollverwaltung stehen. Ansehnlichere Handelsplätze sind Weimar und Eisenach. Die Hauptausfuhrartikel bilden Getreide, Obst, Holz, Wacholderbeeren, Pottasche, Wildbret, Wolle, Woll-, Baumwoll- und Leinenwaren, Strumpfwaren, Barchent, Ruhlaer Kurzwaren, Eisenacher und Ilmenauer Fabrikate, Wurstwaren, Porzellan, Glas und Töpferwaren etc. 16 Eisenbahnlinien durchziehen das Großherzogtum in einer Gesamtlänge von 376 km. Darunter sind die frühere Thüringische Bahn, jetzt Preußische Staatsbahn (auf 74 km) im Weimarer und Eisenacher Kreis, die Werrabahn (auf 18 km) im Eisenacher Kreis, die Saalbahn, die Saal-Unstrutbahn, die Linien Erfurt-Sangerhausen und Weimar-Gera im Weimarer Kreis, die Linien Gera-Eichicht, Weida-Mehltheuer, Wolfsgefärth-Weischlitz, Weida-Werdau im Neustädter Kreis; die Enklave Ilmenau wird berührt durch die Eisenbahnen von Arnstadt nach Ilmenau und von Ilmenau nach Großbreitenbach. Ferner bestehen Sekundärbahnen von Weimar nach Blankenhain und Sömmerda (mit beschlossener Fortsetzung nach Kranichfeld), ferner von Weimar nach Horstenberg und Großrudestedt sowie die Feldabahn im Eisenacher Oberland von Salzungen nach Vacha, Dermbach und Kaltennordheim. Im Bau ist die Bahn von Triptis nach Blankenstein im Neustädter Kreis. Die Länge der Chausseen betrug Ende 1886: 1913 km. In der Stadt Weimar bestehen eine Bank und die schon oben erwähnte Landeskreditkasse. Ende 1886 zählte man ferner im Großherzogtum 18 Sparkassen, in denen 27,985,372 Mk. hinterlegt waren; außerdem gibt es an mehreren Orten auf Selbsthilfe gegründete Vorschuß- und Kreditvereine, staatliche Leih- und Pfandhäuser zu Eisenach und Weimar.
[Verfassung und Verwaltung.]
Das Großherzogtum hat eine konstitutionell-monarchische Verfassung, welche vom 5. Mai 1816 datiert (also die erste in ganz Deutschland) und durch das Grundgesetz vom 15. März 1850 revidiert worden ist. Danach besitzt der Großherzog (gegenwärtig Karl Alexander, geb. 24. Juni 1818, regiert seit 8. Juli 1853) alle Rechte der Staatsgewalt, soweit dieselben nicht durch die deutsche Reichsverfassung von 1871 auf das Reich übergegangen sind, ist jedoch bei Ausübung der Landesgesetzgebung und Besteuerung an die entscheidende Mitwirkung des Landtags gebunden. Der Großherzog wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahr großjährig. Das großherzogliche Haus bezieht eine Zivilliste von 930,000 Mk. Der Thron ist nach dem Rechte der Erstgeburt und der Linealerbfolge im Mannesstamm des großherzoglichen sächsischen Hauses erblich, des ältesten Zweigs der Ernestinischen Linie des Gesamthauses Sachsen. Zwischen den Gliedern dieser Familie besteht ein enger Hausverband, wonach der älteste Fürst als Senior fungiert und beim Aussterben des einen oder des andern Zweigs die übrigen in der Regierung folgen. Auch steht die Ernestinische Linie mit der Albertinischen oder dem königlich sächsischen Haus in Erbverbrüderung. Der Großherzog bekennt sich zur evangelisch-lutherischen Kirche. Der Landtag des Großherzogtums besteht aus 31 Abgeordneten, von denen einer aus der Wahl der begüterten ehemaligen Reichsritterschaft, 4 aus der Wahl der Besitzer eines inländischen Grundeigentums von wenigstens 3000 Mk. jährlicher Rente, 5 aus der Wahl derjenigen Staatsunterthanen, welche aus andern Quellen als dem Grundbesitz ein jährliches Einkommen von wenigstens 3000 Mk. beziehen, und 21 aus allgemeinen, indirekten Wahlen hervorgehen. Nach dem Wahlgesetz vom 6. April 1852 ist Urwähler und kann Wahlmann werden jeder, der die allgemeinen Eigenschaften eines Wählers hat, 25 Jahre
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alt ist und in dem Bezirk, für welchen der Wahlmann gewählt wird, seinen wesentlichen Wohnsitz hat. Wählbar zum Abgeordneten ist jeder selbständige, unbescholtene Staatsbürger von 30 Jahren. Der Präsident des Landtags wird frei gewählt. Ordentliche Landtage werden von 3 zu 3 Jahren berufen. Nach dem Organisationsgesetz vom 5. März 1850 ist das Staatsministerium die oberste Verwaltungsbehörde für das Großherzogtum. Dasselbe begreift vier Departements: das der Finanzen, das des großherzoglichen Hauses und des Kultus, das der Justiz, das des Äußern und Innern. Dem Ministerium des Innern unterstehen als Administrativbehörden die Bezirksdirektionen zu Weimar, Apolda, Eisenach, Dermbach, Neustadt a. O. Unter dem Ministerium für Kultus besteht ein evangelischer Kirchenrat zu Weimar; die katholischen Pfarreien, elf an der Zahl, bilden ein zum Sprengel des Bischofs von Fulda gehöriges Dekanat; für die sieben Judengemeinden besteht das Landrabbinat zu Lengsfeld. Die höchste Gerichtsbehörde ist das gemeinschaftliche Oberlandesgericht zu Jena. Es umfaßt die vier sachsen-ernestinischen Staaten, das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt und die beiden reußischen Fürstentümer sowie die preußischen Kreise Schmalkalden, Schleusingen und Ziegenrück. Landgerichte bestehen in Weimar, Eisenach und Gera, letzteres gemeinschaftlich mit Reuß jüngere Linie, unter ihnen 19 Amtsgerichte. Was die Finanzen anlangt, so hat der Landtag für die Finanzperiode 1887/89 die jährliche Einnahme und Ausgabe mit 6,746,544 Mk. festgestellt. Die Matrikularbeiträge für 1888/89 sind auf 1,391,565 Mk. veranschlagt. Die Staatsschuld des Großherzogtums betrug 1. Jan. 1885: 6,343,938 Mk. und wird für Anfang 1889 mit 5,856,775 Mk. berechnet. Sie ist geringer als die Summe der angelegten Aktivkapitalien, welche der Staat besitzt. Im Großherzogtum liegen drei Garnisonorte, in welchen das 5. thüringische Infanterieregiment (Großherzog von Sachsen) Nr. 94 und zwar je ein Bataillon in Weimar, Eisenach, Jena garnisoniert. S. ist beim deutschen Bundesrat mit einer Stimme vertreten und sendet drei Abgeordnete zum deutschen Reichstag.
Das Wappen besteht in einem quadrierten Haupt- und einem Mittelschild: jener enthält die Zeichen von Thüringen, Meißen, Henneberg, Blankenhain, Neustadt und Tautenburg; dieser zeigt das sächsische Stammwappen (fünf schwarze Balken in Gold mit grünem Rautenkranz). Das Ganze ist mit dem Falkenorden umhangen und mit der Königskrone bedeckt. Die Landesfarben sind Schwarz, Grün, Gold. Der Großherzog verleiht den Hausorden der Wachsamkeit oder vom Weißen Falken (s. Tafel »Orden«, Fig. 14), eine Zivilverdienstmedaille (für Verdienste im Krieg 1870/71 mit Schwertern verliehen), eine Dienstauszeichnung für Gendarmen, Unteroffiziere und Gemeine und eine Lebensrettungsmedaille; ferner ist ein silbernes Ehrenzeichen für rühmliche Thätigkeit während des Kriegs von 1870/71 verliehen worden. Die Residenz ist Weimar; großherzogliche Schlösser sind zu Dornburg, Allstedt, Jena, Belvedere, Ettersburg, Wilhelmsthal, Eisenach und Wartburg. S. Karte »Sächsische Herzogtümer«.
Geschichte
Weimar gehörte seit dem frühsten Mittelalter den Grafen von Orlamünde, und schon im 10. Jahrh. erscheint eine Seitenlinie derselben unter dem Namen der Grafen von Weimar, die 1067 erlosch. Mit dem Haus Wettin gerieten die Grafen von Orlamünde, seitdem dasselbe die Landgrafschaft Thüringen erhalten hatte, vielfach in Zwistigkeiten und mußten 1345 die Lehnshoheit des Landgrafen Friedrich des Ernsthaften anerkennen sowie das Haus im Fall ihres Erlöschens zum Erben ihrer Besitzungen einsetzen. Dies trat 1376 ein, und seitdem gehörte Weimar den Wettinern und seit der Teilung von 1485 der Ernestinischen Linie derselben. Nach der Wittenberger Kapitulation (1547) ward es Hauptstadt der den Ernestinern verbliebenen Lande, bis Johann Friedrich der Mittlere 1564 seinen Sitz nach Gotha verlegte. Bei der Teilung von 1572 zwischen dessen Söhnen und seinem Bruder Johann Wilhelm erhielt dieser Weimar und ward Stifter der ältern weimarischen Linie, starb aber schon 1573. Seine Söhne Friedrich Wilhelm und Johann regierten gemeinschaftlich bis zu dem Tode des erstern 1602, worauf Johann mit dessen Söhnen 1603 eine Teilung vornahm. Bei dieser erhielt er die Ämter Weimar, Jena, Burgau, Kapellendorf, Ringleben, Ichtershausen, Wachsenburg, Reinhardsbrunn, Georgenthal, Schwarzwald, Königsberg und Oldisleben und begründete die jüngere weimarische Linie.
Auch Johann starb schon 1605, und Kurfürst Christian I., dann Johann Georg I. von Sachsen übernahmen für die acht unmündigen Söhne die Vormundschaft, bis 1615 der älteste, Johann Ernst, die Regierung antrat. Derselbe trat 1619 mit seinen Brüdern Friedrich und Wilhelm in das Heer des Königs Friedrich von Böhmen, kehrte aber nach dessen Sturz in seine Lande zurück und war bemüht, die Kriegsleiden möglichst zu mildern. Ihm folgte 1626 sein jüngerer Bruder, Wilhelm, unter welchem das Land von den Kaiserlichen Merodes und Tillys schwer zu leiden hatte. Als Gustav Adolf 1630 in Deutschland landete, waren Wilhelm und seine Brüder Albrecht, Ernst und Bernhard unter den ersten deutschen Fürsten, die sich ihm anschlossen. Wilhelm übernahm nach der Schlacht bei Breitenfeld den Oberbefehl in Thüringen, Bernhard schwang sich zum Befehlshaber der Truppen der deutschen Protestanten auf und hatte Aussicht auf eine noch größere Machtstellung, als die Schlacht bei Nördlingen (1634) diese Hoffnungen zerstörte. Die weimarischen Fürsten traten daher dem Prager Frieden (1635) bei, zogen sich aber hierdurch die Feindschaft und Plünderungszüge der Schweden zu. Nachdem mit dem Tod Johann Kasimirs (1638) Koburg und Eisenach an die weimarische Linie gefallen waren, beschlossen die drei Brüder 1641 zu teilen. Während Albrecht Eisenach, Ernst Gotha erhielt, kam auf Wilhelm der weimarische Teil (Weimar, Jena, Burgau, Kapellendorf, Ringleben und Berka), und er wurde so Stifter der neuen weimarischen Linie. Nach dem Tod Albrechts fiel dieser Eisenach, bei der definitiven Teilung der hennebergischen Erbschaft die Ämter Ilmenau, Kaltennordheim, Wasungen und die Zillbach zu. Nach Wilhelms Tod (1662) teilten sich dessen Söhne die Lande so, daß Johann Ernst II. Weimar, Adolf Wilhelm Eisenach, Johann Georg Marksuhl und Bernhard II. Jena erhielten.
Die von Johann Ernst abstammende Linie, welche man auch als die jüngste weimarische bezeichnet, erwarb 1672 nach dem Erlöschen der altenburgischen Linie einige Ämter (Dornburg, Allstedt, Roßla und Bürgel). Unter Wilhelm Ernst (1683-1728) fiel ihr das Herzogtum Jena zu, nachdem dessen Linie 1690 erloschen war. Mit Wilhelm Ernst regierte gemeinschaftlich sein Bruder Johann Ernst III. und nach dessen Tod (1707) sein Sohn Ernst August. Doch wurde 1719 die Primogenitur eingeführt, und Ernst