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betreiben den Stromverkehr seit 1869 die Gesellschaft Kette, die Gesellschaft der Vereinigten [* 2] Schiffer und die Österreichische Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft. Die Niederwarthaer Elbbrücke passierten 1887 in Thal- und Bergfahrt 19,084 Fahrzeuge. Die Länge der Staatsstraßen betrug 3698 km. Die unter sächsischer Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen hatten Ende 1887 eine Länge von 2456,79 km und zwar 2351,20 km Staatsbahnen, [* 3] 51,89 km Privatbahnen und 53,70 km Privatkohlenbahnen.
Unter Privatverwaltung steht nur die 5,40 km lange Bockwaer Kohlenbahn. Im Bau befinden sich noch 100,19 km, und für den Bau genehmigt sind 98,39 km Staatsbahnen. Vollbahnen sind 1701,35 km, normalspurige Sekundärbahnen 544,62, schmalspurige 157,12 km. Befördert wurden im Jahr über 25 Mill. Personen und gegen 14 Mill. Ton. Güter. Das mittlere Anlagekapital der Staatsbahnen von 611,6 Mill. Mk. (Ende 1886) verzinste sich mit 4,59 Proz. Außer den beiden bereits erwähnten Rentenbanken, dem Erbländischen Ritterschaftlichen Kreditverein zu Leipzig [* 4] und der Landständischen Bank des Markgraftums Oberlausitz, die beide für Hypothekarkredit bestimmt sind, besitzt S. mehrere Banken für Handel und Verkehr: die Leipziger Bank, die Allgemeine Deutsche [* 5] Kreditanstalt und die Kommunalbank zu Leipzig, die Sächsische und die Dresdener Bank zu Dresden [* 6] u. a.;
außerdem dienen zahlreiche Kreditvereine der Förderung des Handelsverkehrs.
Hoch entwickelt ist in S. das Sparkassenwesen. Am Schluß des Jahrs 1886 gab es 200 (1888 bereits 207) Sparkassen, d. h. eine auf 15,910 Einw., mit einem Gesamtguthaben der Einleger von 462,9 Mill. Mk. Am Schluß des Jahrs 1877 kamen auf den Kopf der Bevölkerung [* 7] 103 Mk., 1886 dagegen 145 Mk. Die durch Gesetz vom errichtete Altersrentenbank hat bei einer Gesamthöhe der bis Ende 1887 bewirkten Einzahlungen von 12,211,974 Mk. Renten im Betrag von 2,423,207 Mk. ausgezahlt.
Sachsens Volkswohlstand ist in stetigem Steigen. Während die Bevölkerung von 1880 bis 1885 um 7,4 Proz. gestiegen ist, hat sich die Zahl der eingeschätzten Personen von 1879 bis 1886 um 16 Proz., das Einkommen von 959½ Mill. auf 1236½ Mill. Mk. im Jahr (um 28,89 Proz.) gehoben. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Landbewohners betrug 1886: 297,86 Mk. (1880: 264,61 Mk.), das eines Stadtbewohners 505,84 Mk. (1880: 424,84 Mk.). Das größte Einkommen für den Kopf der Bevölkerung hatte Leipzig: 848,12 Mk. (1880: 736,85 Mk.). Die Klasse mit einem Einkommen bis zu 800 Mk. macht 73,45 Proz. der Gesamtbevölkerung aus, die mittlere mit einem Einkommen von 801-3300 Mk. = 23,46, die wohlhabende von 3301-9600 Mk. = 2,45, die reiche mit einem Einkommen von über 9600 Mk. = 0,64 Proz. Von 1879 bis 1886 hat die Prozentzahl der Bewohner mit Einkommen bis zu 800 Mk. abgenommen, dagegen sind die bessern Einkommen gestiegen. Die Zahl der unbemittelten ist in dieser Zeit um 12,04 Proz., die der Angehörigen des Mittelstandes um 30,56, die der Wohlhabenden um 27,13, die der Reichen um 50,93 Proz. gestiegen. 1886 waren 626 Aktiengesellschaften mit 28 ⅓ Mill. Mk. Einkommen vorhanden.
Bildungsanstalten
. Für die intellektuelle Kultur der Bewohner, vom höchsten bis zum niedrigsten, ist durch trefflich eingerichtete Lehranstalten aller Art gesorgt. Die Landesuniversität sowie die (Leibniz' 200jährigem Geburtstag) gestiftete königliche Gesellschaft der Wissenschaften haben ihren Sitz in Leipzig. Außer den beiden Fürsten- (oder Landes-) Schulen zu Meißen [* 8] und Grimma [* 9] besitzt S. 15 Gymnasien, 11 Realgymnasien und 23 Realschulen. Höhere technische Lehranstalten sind das Polytechnikum in Dresden und die höhere Gewerbeschule in Chemnitz. [* 10]
Außerdem bestehen 4 Baugewerkschulen, eine mechanische, Baugewerk- und Werkmeisterschule in Chemnitz; Privatanstalten sind das Technikum zu Frankenberg und das zu Mittweida. Als Fachschulen reihen sich ferner an: die Bergakademie zu Freiberg, [* 11] die Bergschulen zu Freiberg und Zwickau, [* 12] die Forstakademie zu Tharandt, das Kadettenhaus, die Unteroffizierschule zu Marienberg und die Soldatenknaben-Erziehungsanstalt zu Kleinstruppen, 5 Lehranstalten für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 7 für Musik und Theater, [* 13] ein stenographisches Institut, eine Tierarzneischule, eine Turnlehrerbildungsanstalt und ein Entbindungsinstitut zu Dresden.
Andre Anstalten für gewerbliche Fortbildung sind: 28 Web-, Wirk- und Posamentierschulen, 20 gewerbliche Fachschulen, 6 Schiffer-, 10 landwirtschaftliche und Gartenbau-, 30 Handelsschulen etc. Die Volksschule, über welche der Staat seine Aufsicht durch 25 Bezirksschulinspektoren ausübt, gliedert sich nach dem Gesetz vom in die einfache, mittlere und höhere, wozu noch die Fortbildungsschule kommt. Man zählte 1885: 2144 evangelische, 54 katholische und 4 israelitische Volksschulen. An mehreren Orten bestehen Sonntagsschulen.
Die Heranbildung der Lehrkräfte geschieht durch 18 Seminare einschließlich der 2 Lehrerinnenseminare zu Dresden und Kallnberg. Die Zahl der Analphabeten bei der Rekrutenstellung ist von 0,27 im J. 1879 auf 0,02 im J. 1887 gesunken. Taubstummeninstitute bestehen zu Dresden und Leipzig. Die Zahl der zu Hubertusburg im Versorgungshaus für irre Frauen, in der Abteilung für blödsinnige Kinder, im Landeskrankenhaus, in der Abteilung für Epileptische, dem Landessiechenhaus, dem Landeshospital und der Erziehungsanstalt für schwachsinnige Kinder untergebrachten betrug 1885: 2077; die der Irren auf dem Sonnenstein 361, in Kolditz 853, in der Irrenanstalt zu Hochweitzschen 447, auf der Irrenstation zu Waldheim 31. In der Blindenanstalt zu Dresden und der Blindenvorschule zu Moritzburg befanden sich 220 Blinde.
Besserungsanstalten für Kinder bestehen zu Bräunsdorf und Großhennersdorf, Korrektionsanstalten für männliche Jugendliche in Sachsenburg, für Weiber in Waldheim, für Männer in Hohnstein mit Hilfsanstalt in Radeberg, Gefängnisstrafanstalten für männliche Jugendliche in Sachsenburg, für weibliche in Grünhain, für Weiber in Vogtsberg, für Männer in Zwickau (mit Hilfsanstalt Nossen), Zuchthäuser für Männer in Waldheim, für Weiber in Hoheneck. In kirchlicher Hinsicht ist S. ausschließlich der Lausitz in 25 evangelische Ephorien eingeteilt. Das ganze Land zählt 960 Parochien mit 1181 Geistlichen.
Staatsverfassung und -Verwaltung etc.
Das Königreich S. ist eine konstitutionelle Monarchie und ein Glied [* 14] des Deutschen Reichs. Im Bundesrat hat es 4 Stimmen, in den Reichstag entsendet es 23 Vertreter. Die Staatsverfassung beruht auf der Verfassungsurkunde vom welche durch die Gesetze vom und modifiziert worden ist. Der König kann ohne Zustimmung der Stände weder zugleich Oberhaupt eines andern Staats (Erbanfälle ausgenommen) werden, noch seinen wesentlichen Aufenthalt außer Landes nehmen. Die Krone ist erblich im Mannesstamm des königlich ¶
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sächsischen Fürstenhauses (Albertinische Linie) nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealerbfolge; beim Erlöschen desselben succediert die Ernestinische Linie des Hauses S. In Ermangelung eines successionsfähigen Prinzen geht die Krone auf die weibliche Linie über. Der König wird mit zurückgelegtem 18. Lebensjahr volljährig. Er bezieht eine Zivilliste von 2,940,000 Mk., wozu noch 392,036 Mk. Apanagen des königlichen Hauses kommen.
Das königliche Haus bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche. Das königliche Hausgesetz datiert vom Für das ganze Königreich besteht eine in zwei Kammern geteilte Ständeversammlung. Mitglieder der Ersten Kammer sind:
1) die volljährigen Prinzen des königlichen Hauses;
2) ein Deputierter des Hochstifts Meißen;
3) der Besitzer der Herrschaft Wildenfels;
4) ein Vertreter der Besitzer der Schönburgschen Rezeßherrschaften;
5) ein Abgeordneter der Universität Leipzig;
6) und 7) die Besitzer der Standesherrschaften Reibersdorf und Königsbrück;
8) der evangelische Oberhofprediger;
9) der Dekan des katholischen Domstifts zu Bautzen; [* 16]
10) der Superintendent zu Leipzig;
11) ein Abgeordneter des Kollegiatstifts zu Wurzen; [* 17]
12) einer der Besitzer der Schönburgschen Lehnsherrschaften;
13) zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Besitzer von Landgütern, die wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
14) zehn vom König auf Lebenszeit ernannte Rittergutsbesitzer, die ebenfalls wenigstens 4000 Steuereinheiten haben;
15) die erste Magistratsperson der Städte Dresden und Leipzig;
16) die erste Magistratsperson in sechs vom König unter möglichlichster (Anmerkung des Editors: möglichster) Berücksichtigung aller Teile des Landes zu bestimmenden Städten;
17) fünf vom König nach freier Wahl auf Lebenszeit ernannte Mitglieder. Die Zweite Kammer besteht aus 80 Abgeordneten, 35 der Städte und 45 der ländlichen Wahlkreise. Zu jenen schickt Dresden 5, Leipzig 3, Chemnitz 2, Zwickau einen Abgeordneten; die übrigen Städte sind in 24 Wahlkreise verteilt, deren jeder einen Abgeordneten wählt. Jeder Kammer steht die Wahl ihres Präsidenten zu. Der König beruft längstens alle zwei Jahre einen ordentlichen Landtag, außerordentliche, so oft es dringende Angelegenheiten erfordern.
Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet ein Dritteil aus. Die Wahl ist direkt und geheim. Wahlberechtigt ist jeder Staatsangehörige vom 25. Jahr an, welcher wenigstens 3 Mk. Staatssteuern zahlt; wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr erfüllt und wenigstens 30 Mk. Staatssteuern zu entrichten hat. Das Petitionsrecht können beide Kammern nur gemeinschaftlich, das Beschwerderecht kann, wenn keine Vereinigung zu stande kommt, jede allein, das Anklagerecht können sie nur gemeinschaftlich ausüben und zwar nur gegen die Vorstände der Ministerien und bei Verletzung der Verfassung.
Über die Anklage entscheidet ein teils vom König aus den Vorständen und Mitgliedern der höhern Gerichte ernannter, teils von den Ständen gewählter Staatsgerichtshof nach einem durch Gesetz vom geregelten Verfahren. Derselbe Staatsgerichtshof entscheidet auch, wenn sich Regierung und Stände über Auslegung der Verfassung nicht vereinigen können. Als Provinzialstände bestehen in den Erblanden die vier Kreistage der Stände des Meißener, Leipziger, Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreises (in Gemäßheit der Kreisordnung vom und der Provinziallandtag der Oberlausitz nach Maßgabe des provinzialständischen Statuts (vom
Die obersten Staatsbehörden sind das Gesamtministerium und die einzelnen Ministerialdepartements der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern, des Kultus und öffentlichen Unterrichts, der Justiz, der Finanzen und des Kriegs. Dem Gesamtministerium sind unmittelbar untergeordnet die seit mit erweiterten Befugnissen ausgestattete Oberrechnungskammer und das Hauptstaatsarchiv. Getrennt von dem Gesamtministerium ist das Ministerium des königlichen Hauses.
Behufs der Verwaltung ist das Königreich in vier Kreishauptmannschaften (s. oben) und 25 Amtshauptmannschaften eingeteilt. Jeder Amtshauptmannschaft ist ein Bezirksausschuß, jeder Kreishauptmannschaft ein Kreisausschuß beigegeben. Nach dem Gesetz vom bildet jede Amtshauptmannschaft einen Bezirksverband, welcher durch die Bezirksversammlung vertreten wird. Für Zwecke der Selbstverwaltung sind diese Bezirksverbände mit einem Fonds von 9 Mill. Mk. aus dem Anteil Sachsens an der französischen Kriegskostenentschädigung versehen worden.
Verwaltung und Justiz sind auch in der ersten Instanz getrennt. Für den Regal- und Kohlenbergbau sowie für das fiskalische Hüttenwesen ist das Bergamt in Freiberg kollegiale Mittelbehörde. Die Gemeindeordnung beruht auf der Städteordnung vom und der Landgemeindeordnung vom beide revidiert durch Gesetz vom Für die Städte sind nur die allgemeinen Grundzüge festgestellt, die Besonderheiten werden durch Ortsstatuten ergänzt.
An der Spitze des Stadtrats steht der Bürgermeister; die besoldeten Mitglieder des Stadtrats werden in der Regel auf Lebenszeit, die unbesoldeten stets nur auf sechs Jahre gewählt; doch kann die Wahl der erstern nach Ortsstatut anfänglich auch auf sechs, bez. zwölf Jahre erfolgen. Stadtrat u. Stadtverordnete können zu einem Stadtgemeinderat verschmelzen. In den Landgemeinden besteht der Gemeinderat aus dem Gemeindevorstand, einem oder mehreren Gemeindeältesten und einem Gemeindeausschuß unter Aufsicht des Amtshauptmanns. Die Ortspolizei wird von den Gemeinden unter Aufsicht der Regierungsbehörden, die Landespolizei von der Landesregierung gehandhabt. Die Überwachung der Sanitätszustände liegt dem Landesmedizinalkollegium und in den elf Medizinalbezirken den Bezirksgerichtsärzten ob.
Was die Gerichtsverfassung anlangt, so hat S. ein Oberlandesgericht, zu Dresden, 6 Landgerichte, zu Dresden, Leipzig, Bautzen, Chemnitz, Zwickau und Freiberg, und 103 Amtsgerichte. Für das bürgerliche Recht gilt noch das in Kraft [* 18] getretene bürgerliche Gesetzbuch. Die Schönburgschen Ämter sind seit dem allgemeinen sächsischen Gerichtsverfahren unterstellt.
Über die evangelische Kirche üben, solange der König sich zur katholischen Kirche bekennt, die landesherrliche Kirchengewalt die in evangelicis beauftragten Staatsminister. Höchste Kirchenbehörde ist das durch das Kirchengesetz vom errichtete evangelische Landeskonsistorium zu Dresden; die Konsistorialbehörde für die Oberlausitz bildet die Kreishauptmannschaft zu Bautzen, für die Schönburgschen Herrschaften das Gesamtkonsistorium zu Glauchau. [* 19] Gemäß der Kirchenordnung von 1868 steht die Vertretung der lutherischen Kirche einer aus 35 Laien und 29 Geistlichen zusammengesetzten Synode zu. Für die reformierte Kirche, welche zwei Parochien hat, bestehen die reformierten Konsistorien zu Dresden und Leipzig. Die ¶