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Die eigentlichen Kornkammern Sachsens sind die Gegenden von Lommatzsch, Döbeln, [* 2] Mügeln, Grimma, [* 3] südlich von Leipzig, [* 4] um Bautzen [* 5] und Zittau. [* 6] Treffliche Wiesen besitzen besonders das Erzgebirge und die Niederungen der Pleiße. Flachsbau wird im Erzgebirge und einem Teil der Lausitz betrieben. Sehr bedeutend ist der Obstbau, vorzüglich in der Umgegend von Dresden, [* 7] Meißen, [* 8] Lommatzsch, Mügeln, Leipzig, Glauchau [* 9] und Krimmitschau, gefördert durch den Landesobstbauverein. Im J. 1883 gab es in S. 4,832,495 Obstbäume, welche einen Ertrag von 3,303,337 Mk. lieferten.
Gemüsebau und Gärtnerei haben ihren Hauptsitz um Dresden, Leipzig und Zittau. Auf einer hohen Stufe steht auch die Viehzucht [* 10] Sachsens. 1883 zählte man 651,329 Stück Rindvieh (43,4 Stück auf 100 Hektar), 126,886 Pferde [* 11] (8,5 auf 100 Hektar), 355,550 Schweine [* 12] (23,7), 149,037 Schafe [* 13] (9,9), 116,547 Ziegen (7,8). Der Gesamtwert des Viehbestandes auf 1 Hektar beträgt 159 Mk. (in Preußen [* 14] 97, in Bayern [* 15] 105 Mk.). Zur Veredelung der Pferdezucht [* 16] dient das Landgestüt mit Beschälanstalt zu Moritzburg.
Die Schafzucht, deren Produkt, die sogen. Elektoralwolle, ehemals großen Ruf genoß, ist zwar sehr zurückgegangen, doch befinden sich ausgezeichnete Zuchtschäfereien zu Leutewitz und Löthain bei Meißen, zu Machern, Lützschena, Klipphausen, Thal [* 17] bei Oschatz, [* 18] Rochsburg etc. Wollmärkte finden in Leipzig, Dresden und Bautzen statt. Gänsezucht wird besonders in der Lausitz, auch um Leipzig betrieben, Bienenzucht [* 19] noch am meisten in den Heiden des rechten Elbufers.
Trotz der intensiven Landwirtschaft vermag S. nicht den Bedarf seiner dichten Bevölkerung [* 20] an Nahrungsmitteln selbst zu erzeugen. Im J. 1884 waren von den Körnerfrüchten für die menschliche Nahrung verfügbar 2 ⅓ Mill. Doppelzentner, der Verbrauch betrug 7,177,600, so daß 4,651,800 Doppelzentner durch Einfuhr zu decken waren. Nur an Kartoffeln wurden 8,260,800 Doppelzentner mehr erbaut als der Bedarf. Ebensowenig wird der Fleischbedarf durch die einheimische Viehzucht gedeckt; jener betrug 1884: 1,123,450 Doppelzentner, von denen 342,500 durch Einfuhr zu decken waren.
Der gesamte Mehrbedarf an Körnerfrüchten, Fleisch und Butter stellte einen Wert von 65,,92 Mill. Mk. dar. Als beratendes Organ für landwirtschaftliche Angelegenheiten steht dem Ministerium des Innern der aus den Vorständen und Abgeordneten der fünf Kreisvereine zu Dresden, Leipzig, Chemnitz, [* 21] Reichenbach [* 22] und Bautzen (mit 507 Zweigvereinen) und andern Sachverständigen zusammengesetzte Landeskulturrat zur Seite. An der Universität Leipzig besteht ein landwirtschaftliches Institut; Versuchsstationen ebendaselbst, zu Möckern und Pommritz, eine chemisch-physiologische bei der Tierarzneischule zu Dresden, eine pflanzenphysiologische und Samenkontrollanstalt zu Tharandt.
Außerdem streben landwirtschaftliche Garten- und Obstbauschulen, Vereine für Fohlenaufzucht, Geflügelzucht etc. sowie landwirtschaftliche Kreditvereine die Hebung [* 23] der Landwirtschaft an. Eine Anstalt für künstliche Fischzucht befindet sich in Tharandt. Die staatliche Landrentenbank hat von 1834 bis 1859 die Entschädigungen für die Aufhebung der auf dem Grund und Boden haftenden Lasten beendigt; 1861 ist zunächst zum Zweck der Erleichterung von Wasserlaufsberichtigungen und Ent- und Bewässerungsanlagen die Landeskulturrentenbank errichtet worden.
Eines europäischen Rufs erfreut sich die Forstkultur Sachsens. Es lassen sich drei Waldregionen unterscheiden: die der Fichten und Tannen im Süden, die der Laubhölzer im NW. und die der Kiefern im NO. Die Summe aller Forsten beträgt 408,798,35 Hektar = 27,4 Proz. der Gesamtfläche; davon waren 1886 Staatswaldungen 173,981 Hektar, in welchen die Gesamtverschlagung 817,895 Festmeter betrug. Bei seiner großen industriellen Thätigkeit bedarf jedoch S. noch viel Holz [* 24] aus den Nachbarländern, das besonders durch Flöße auf der Elbe bezogen wird.
Von sonstigen Waldprodukten sind Heidelbeeren, Preißelbeeren und Erdbeeren selbst Gegenstand der Ausfuhr. Der Wildstand wird sorgfältig gehegt. Hirsche [* 25] finden sich nur in einzelnen größern Revieren, Schwarzwild nur im Moritzburger, Auerhähne bei Tharandt, Schwarzenberg etc., Trappen kommen im Niederland vor. Für die Hebung der Fischerei [* 26] ist der Verein für Fischzucht thätig. In der Elbe werden Welse, Störe, Sander, Aale und Lachse, letztere beiden auch in ihren größern Nebenflüssen gefangen; Karpfen und Hechte liefern besonders die Teiche des rechten Elbufers, Forellen die Gebirgsgewässer. Die Perlenfischerei in der Weißen Elster [* 27] und einigen Seitengewässern, die früher mitunter schöne Perlen lieferte, wird noch auf Staatskosten unterhalten. In Leipzig und Moritzburg treibt man Blutegelzucht.
Bergbau und Hüttenwesen.
Einen Hauptzweig der physischen Kultur bildet der Bergbau, der auf Metalle schon seit dem 12. Jahrh. in S. betrieben wird. Das Gesetz unterscheidet den Regalbergbau und den Kohlenbergbau. Zu ersterm gehören nach dem Gesetz vom alle wegen ihres Metallgehalts nutzbaren Mineralien; [* 28] ihre Gewinnung ist unter gewissen Bedingungen, namentlich der Erlaubnis von seiten des Staats, jedermann gestattet. Am bedeutendsten ist die Gewinnung von silberhaltigen Blei-, demnächst von Zinn-, Eisen- und Kobalterzen.
Doch ist die Zahl der gangbaren Gruben von 1858 bis 1886 von 526 auf 137, die der Beamten und Arbeiter von 11,464 auf 8053, der Wert der Produkte von 5,461,797 auf 5,326,828 Mk. zurückgegangen. 158 Erzgruben erforderten im J. 1886 eine Zubuße von 1,702,509 Mk. Es bestehen vier Bergamtsreviere: das Freiberger, auf welches fast ausschließlich die Silberproduktion kommt, das Altenberger, wo das meiste Zinn, das Schwarzenberger, wo das meiste Eisen [* 29] gegraben wird, und das Marienberger.
Der Steinkohlenbergbau wird in zwei Becken, in dem größern erzgebirgischen um Zwickau [* 30] und Lugau und in dem des Plauenschen Grundes, betrieben. Von den im J. 1886 noch vorhandenen 45 Steinkohlengruben arbeiteten 15 mit einem jährlichen Reinertrag von 3 ⅓ Mill. Mk. Braunkohlen kommen vornehmlich in den Einbuchtungen des Tieflandes um Grimma, Oschatz, Bautzen und Zittau vor. Die Ausbeute der 114 Braunkohlenwerke betrug 733,917 Ton. im Wert von 2 1/7 Mill. Mk. Der gesamte Bergbau [* 31] auf Erz, Stein- und Braunkohlen beschäftigte 1886: 29,648 Personen und lieferte Produkte im Wert von 39¾ Mill. Mk. Torf hat besonders das Erzgebirge.
Bausteine (Quadern) liefert in vorzüglicher Güte das Elbsandsteingebirge, wo 1887 in 272 Steinbrüchen 3357 Arbeiter beschäftigt waren, Granit zu Platten oder Skulpturen das Lausitzer Gebirge. Porphyr wird an den Wänden des Elbthals ober- und unterhalb Meißen, Kalk im Müglitz- und Triebischthal, bei Mügeln, Geithain und Lengefeld, Schiefer im Erzgebirge, Serpentin bei Zöblitz und Waldheim gebrochen. Einige Arten Edelsteine [* 32] kommen im Erzgebirge vor, treffliche Porzellanerde bei Sornzig und Meißen, Töpferthon an mehreren Stellen, Salz [* 33] aber fehlt. ¶
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Seit 1710 kommen sämtliche silber-, blei- und kupferhaltige Erze des Inlandes, außerdem eine bedeutende Anzahl ausländischer auf den fiskalischen Hüttenwerken bei Freiberg [* 35] zur Verarbeitung; nur für Zinn besteht im Altenberger Revier eine besondere Schmelzhütte. Von den Freiberger Hütten [* 36] wurden im J. 1886: 384,740 metr. Ztr. Erze und Gekrätze für 12,032,438 Mk. eingekauft und daraus gewonnen:
Gold | 87 | kg | metr. Ztr. | |
---|---|---|---|---|
Silber | 79783 | - | Nickelspeise | 276 |
Wismut | 3415 | - | Arsenikalien | 11252 |
metr. Ztr. | Zink | 403 | ||
Bleiprodukte | 25841 | Schwefelsäure | 133990 | |
Kupfervitriol | 16981 | Schrotwaren | 2820 | |
Eisenvitriol | 11836 | Bleiwaren | 18698 |
zusammen im Wert von 15 Mill. Mk. Die Seigerhütte Grünthal (mit Kupferhammer) verfeinert das von den Silberhütten ausgebrachte Rohkupfer. Die kobalt- und nickelhaltigen Erze der Annaberger und Schneeberger Gegend werden auf dem gewerkschaftlichen Blaufarbenwerk zu Pfannenstiel und dem fiskalischen zu Oberschlema verarbeitet. Das Ausbringen des letztern betrug 1886: 3866 kg im Wert von 1,996,834 Mk. Was die Eisenproduktion betrifft, so produzierte 1886 ein Hochofen an Roheisen in Masseln und Gußwaren erster Schmelzung 9967,5 Ton. im Wert von 528,122 Mk.;
118 Eisengießereien mit 5432 Arbeitern Gußwaren zweiter Schmelzung 971,937 T. im Wert von 13,3 Mill. Mk.;
4 Schweißeisenwerke mit 1049 Arbeitern 24,432 T. Fabrikate im Wert von 3 Mill. Mk.;
2 Flußeisenwerke mit 349 Arbeitern 19,101 T. im Wert von 3 Mill. Mk.
Industrie.
S. ist eins der Hauptindustrieländer der Erde. Die größere Hälfte der Bevölkerung gehört dem Industriebetrieb, Bergbau und Bauwesen eingerechnet, an; der industriereichste Bezirk ist die Kreishauptmannschaft Zwickau. Das Land ist in 5 Handels- und Gewerbekammer- (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen, [* 37] Zittau) sowie in 7 Gewerbeinspektionsbezirke eingeteilt. Die Zahl der 1882 in S. ermittelten, in 20 Gewerbegruppen unterschiedenen Hauptbetriebe beträgt 313,140. Davon gehörten 34,9 Proz. zur Textilindustrie, 22,9 Proz. zur Gruppe Bekleidung und Reinigung, 11,3 Proz. zum Handelsgewerbe, 6 Proz. zur Gruppe der Nahrungs- und Genußmittel, 2,7 Proz. zum Baugewerbe.
Die Zahl der in allen Hauptbetrieben beschäftigten Personen betrug 793,760. Von diesen arbeiteten 235,690 (29,7 Proz.) in der Textilindustrie, 114,157 (14,1 Proz.) in den zur Bekleidung und Reinigung gehörenden Gewerben, 68,641 (8,6 Proz.) im Handelsgewerbe, 54,094 (6,8 Proz.) in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, 51,675 (6,5 Proz.) im Baugewerbe. Die Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der Gewerbthätigkeit ist in S. beträchtlich stärker als im Deutschen Reich überhaupt: hier 20,56, dort 27,78 Proz. Die Zahl der in der Industrie verwendeten feststehenden Dampfmaschinen [* 38] belief sich 1887 auf 6542 mit 103,773 Pferdekräften.
Die Zahl der Hauptbetriebe mit Motoren, in denen zusammen 214,651 Personen beschäftigt wurden, betrug 9789, die der Hauptbetriebe ohne Motoren, in welchen 579,109 Personen arbeiteten, 303,351, demnach die durchschnittliche Zahl der beschäftigten Personen in einem Hauptbetrieb mit Motoren 21,9, in einem solchen ohne Motoren 1,9. Von großer Wichtigkeit ist der Maschinenbau, der, 1826 in Chemnitz entstanden, dort auch seinen Hauptsitz hat. Steinzeug- und Thonwarenfabriken haben Chemnitz, Zwickau, Meißen und Bautzen, Porzellanfabriken Meißen u. Zwickau; Glas [* 39] wird bei Dresden, in Radeberg, Bischofswerda, Zwickau und bei Karlsfeld fabriziert. Die Fabrikation chemischer Produkte hat ihren Hauptsitz in und um Leipzig, die pharmazeutischer Produkte in Dresden. 1886 erzeugten 753 Bierbrauereien 3,760,004 hl Bier. Von den 663 Branntweinbrennereien befinden sich 35 in Städten, 628 auf dem Land.
Die wichtigste aller sächsischen Industrien ist die Textilindustrie. Ihren Hauptsitz hat diese in der Kreishauptmannschaft Zwickau, wo Chemnitz und Umgegend sowie die Schönburgschen Rezeßherrschaften mit den Städten Glauchau, Meerane [* 40] und Hohenstein [* 41] Mittelpunkte derselben sind. Hinsichtlich der Zahl der Betriebe und der in denselben beschäftigten Personen nimmt die Weberei [* 42] die erste Stelle ein; alsdann folgen die Strickerei und Wirkerei, [* 43] die Häkelei, die Stickerei und Spitzenfabrikation einschließlich der im südwestlichen Erzgebirge noch immer betriebenen, aber wenig lohnenden Klöppelei und die Posamentenfabrikation der Annaberger Gegend.
Hauptsitz der Leinenindustrie ist die Lausitz, doch ist dieselbe infolge der erdrückenden englischen Konkurrenz sehr zurückgegangen. Berühmt ist die Damastweberei von Groß- und Neuschönau. Die Fabrikation baumwollener Musseline und die Weißstickerei haben im Vogtland ihren Sitz, die Strumpfwirkerei in und um Chemnitz, die Bandfabrikation in Pulsnitz und Umgegend. Hauptpunkte für die Tuch- und Buckskinfabrikation sind: Kamenz, [* 44] Bischofswerda und Großenhain, [* 45] nächst diesen Oschatz, Öderan, Werdau [* 46] und Kirchberg;
für wollene und halbwollene Kleiderstoffe Chemnitz, Glauchau, Meerane, Reichenbach, Ölsnitz, Zittau;
für wollene Strumpfwaren Bautzen und Limbach.
Färberei und Zeugdruck werden vornehmlich in Chemnitz, Zschopau, Frankenberg, Glauchau, Penig, Burgstädt und Hainichen betrieben, Wachstuchfabrikation in Leipzig; Jutespinnereien haben Meißen und Ostritz. Die Papierfabrikation [* 47] wird in mehr als 60 Fabriken betrieben (die größten in Kriebstein bei Waldheim, Bautzen und Penig), die Strohflechterei hat sich auf dem Abfall des Gebirges zwischen der Gottleuba und der Lockwitz angesiedelt, die Fabrikation künstlicher Blumen blüht in Leipzig, Dresden, Sebnitz und Neustadt [* 48] b. Stolpen.
Große Ausdehnung [* 49] hat in der Kreishauptmannschaft Leipzig die Zigarrenfabrikation. Hoch entwickelt ist die Pianofortefabrikation in Dresden und Leipzig; beide sowie Chemnitz haben auch Hutmacherei. Im Erzgebirge, um Seiffen, Waldkirchen, Olbernhau etc., hat sich die Holz- und Spielwarenindustrie, in Karlsfeld und Glashütte die Uhrenfabrikation, im Vogtland, in Markneukirchen und Klingenthal, die Fabrikation musikalischer Instrumente angesiedelt. Korbmacherei blüht in Zwenkau; fabrikmäßig ist die Kunsttischlerei in Johanngeorgenstadt entwickelt.
Handel und Verkehr.
Sachsens Handel nimmt teil am Welthandel; seine wichtigsten Ausfuhrartikel sind die Erzeugnisse der heimischen Industrie. Der Mittelpunkt desselben und zugleich der des gesamten deutschen Buchhandels ist Leipzig. Sehr lebhaft ist der Verkehr auf der Elbe, deren Schiffbarkeit sorgfältig unterhalten und verbessert wird. 1887 belief sich der Bestand der Elbfahrzeuge in S. auf 25 Personen- und 5 Güterdampfschiffe, 12 Rad- und 8 Kettenschleppschiffe, eine Dampffähre, 526 Segel- und Schleppschiffe, zusammen mit 2,743,330 Ztr. Tragfähigkeit. Die 1836 gegründete Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft befördert jährlich über 2 Mill. Personen. Außerdem ¶