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Huldigungen die Gunst des Chans zu erhalten, die großfürstliche Würde in seiner Familie zu befestigen und Moskau [* 2] zur Hauptstadt Rußlands zu erheben; auf sein Andringen verlegte der Metropolit Peter seinen Sitz nach Moskau. Als sein ältester Sohn, Simeon (1340-53), Gordije, d. h. der Stolze, benannt von dem Ansehen, welches er sich bei den Teilfürsten zu verschaffen wußte, vom schwarzen Tod weggerafft worden war, folgte der jüngere, Iwan II. (1353-1359), diesem nach kurzem Interregnum sein unmündiger Sohn Dmitrij (1362-89), welcher sich durch einen glänzenden Sieg über die Mongolen auf dem Feld von Kulikowo, am Einfluß der Neprädwa in den Don, den Beinamen »Donskoi« erwarb; doch wurde er schon 1382 durch die Plünderung und Verbrennung Moskaus wieder zur Anerkennung der mongolischen Oberhoheit genötigt.
Wichtig war, daß Dmitrij an Stelle der bisherigen Thronfolgeordnung, nach welcher das älteste Mitglied der Fürstenfamilie erbberechtigt war, das Recht der Erstgeburt im Großfürstentum einführte, indem er seinen Vetter Wladimir bewog, seinen Ansprüchen zu gunsten von Dmitrijs ältestem Sohn zu entsagen, der darauf als Wasilij I. (1389-1425) den Thron [* 3] bestieg. Unter ihm fielen die Mongolen unter Timur auch in Rußland ein und plünderten mehrere Städte, wie Kasan [* 4] und Nishnij Nowgorod; auch entriß Wasilijs Schwiegervater, der Großfürst Witold von Litauen, Rußland das Gebiet bis zur Ugra. Indes hatte sich die großfürstliche Macht so gefestigt, daß selbst die schwache Regierung seines Sohns Wasilij II. Temnyi (der Geblendete, 1425-62) die Einheit des Reichs nicht erschütterte, im Gegenteil im Lauf der Zeit mehrere Fürstentümer mit dem Großfürstentum vereinigt wurden; auch ward das Reich von Kiptschak außer durch die Angriffe Timurs noch durch die Bildung der selbständigen Chanate Kasan und Krim [* 5] geschwächt.
Rußland unter den letzten Ruriks.
Wasilijs II. Sohn Iwan III. (1462-1505) machte sich 1469 das Chanat Kasan zinspflichtig, zwang die Stadt Nowgorod, nachdem sein Feldherr Cholmskij ihre Kriegsmacht an den Ufern des Schelon geschlagen und zersprengt hatte (1471), zur unbedingten Unterwerfung (1478) und wehrte 1480 einen Angriff des Chans der Goldenen Horde, Mohammed, ab; als dieser den Rückzug antrat, wurde er von den tatarischen Horden der Schibanen und Nogaier bei Asow überfallen, getötet und sein Heer vernichtet. Damit brach das Reich der Goldenen Horde zusammen, und Rußland war vom Tatarenjoch befreit.
Durch seine Vermählung (1472) mit der Prinzessin Sophie, der Nichte des letzten paläologischen Kaisers von Byzanz, welche in Rom [* 6] Zuflucht gefunden hatte, trat Iwan in engere Verbindung zu dem übrigen Europa, [* 7] die er, übrigens ohne großen Erfolg, durch Heranziehung fremder Künstler und Handwerker zu stärken suchte. Auch nahm er das Wappen [* 8] der griechischen Kaiser, den zweiköpfigen Adler, [* 9] an, welchen er mit dem frühern Moskauer Wappen, dem Bilde des heil. Georg des Siegers, verband, und nannte sich Großfürst und Selbstherrscher (Gossudar) von ganz Rußland.
Mit dem Großfürsten Alexander von Litauen hatte er 1494 einen Bund geschlossen und ihm seine Tochter Helena vermählt, wofür Alexander Wjasma und Mossalsk abtrat. 1500 geriet er aber mit Alexander in Streit und besiegte die Litauer an der Wedroscha, erlitt aber 1501 bei Isborsk und 1502 am Smolinasee von den mit Litauen verbündeten Livländern empfindliche Niederlagen. Dennoch gewann er durch seine schlaue Politik im Frieden, der 1503 zu stande kam, ein sehr beträchtliches Gebiet, so daß sein Reich, welches bei seinem Regierungsantritt etwa 600,000 qkm umfaßt hatte, nunmehr 2¼ Mill. qkm zählte. Vor seinem Tode teilte er zwar seinen jüngern Söhnen auch beträchtliche Besitzungen zu, aber ohne landesherrliche Rechte. Diese kamen allein dem ältesten Sohn, Wassilij III. (1505-33), zu, der überdies zwei Drittel des Reichs bekam; derselbe bezog die durch italienische Architekten und Ingenieure neuaufgebaute Burg des Kreml, die starke Citadelle von Moskau, und erwarb Smolensk.
Wasilijs III. Sohn und Nachfolger Iwan IV. (1533-84), bei dem Tod seines Vaters erst 3 Jahre alt, wuchs unter den verderblichen Einflüssen einer verbrecherischen Regentschaft voll wilder Frevelthaten und leidenschaftlicher Parteiwut auf, die in ihm den Grund zu jener rohen Gemütsart legten, welche ihm den Beinamen des »Schrecklichen« (Grosnyj) erwarb. Kaum hatte er als Zar von Rußland die Zügel der Regierung in die eigne Hand [* 10] genommen (Januar 1547), so richtete er seine Waffen [* 11] gegen Kasan und machte nach der Eroberung der Hauptstadt dem Chanat ein Ende.
Hierauf wurde auch Astrachan, der Sitz eines andern tatarischen Reichs, mit leichter Mühe eingenommen (1556) und zu einem Hauptverkehrsplatz mit Persien [* 12] und dem fernen Orient umgeschaffen. Gegen die Tataren der Krim schützte er die Grenze durch Befestigungen und unternahm auch wiederholt verheerende Einfälle in ihr Gebiet, den erfolgreichsten 1559, konnte es aber nicht hindern, daß die krimschen Tataren 1571 unvermutet in Rußland einfielen, Moskau verbrannten und 100,000 Menschen in die Gefangenschaft schleppten.
Der Wunsch, durch die Erwerbung eines Küstenstrichs an der Ostsee in Handelsverkehr mit dem westlichen Europa zu treten, veranlaßte ihn zu dem Krieg mit Livland, [* 13] in dem die Russen viele feste Plätze, wie Narwa, Dorpat [* 14] u. a., einnahmen. Als aber der Heermeister des Schwertordens, Kettler, Esthland an Schweden, [* 15] Livland an Polen abtrat und sich unter polnische Lehnshoheit stellte, sah sich Iwan in einen Krieg mit Polen und Schweden verwickelt und mußte 1582 nicht bloß im Waffenstillstand mit Polen auf Livland verzichten, sondern 1583 den Schweden noch die russischen Städte Jam, Iwangorod und Kaporje abtreten. Im Osten dagegen drang 1568 eine tapfere Kosakenschar über das Uralgebirge in Asien [* 16] ein und begann die Eroberung Sibiriens. Von wichtigen Folgen war auch die Entdeckung des Seewegs nach dem Weißen Meer durch die Engländer (1553), denen Iwan wertvolle Handelsprivilegien gewährte, wie er denn auch sonst die fremde Einwanderung, besonders von deutschen Handwerkern, Lehrern, Ärzten und Gewerbtreibenden aller Art, begünstigte.
Für die innere Entwickelung war die Verkündigung eines neuen Rechtsbuches, »Sudebnik«, von Bedeutung, welches die Privilegien des Adels und der Geistlichkeit festsetzte und Bestimmungen traf, um die Bestechlichkeit der Richter abzustellen und der Rechtspflege durch Beiziehung von Geschwornen eine größere Gleichmäßigkeit und Sicherheit zu geben. Sein Streben ging ferner dahin, jede vom Zaren unabhängige Macht zu brechen und jeden Widerstand gegen seinen Willen rücksichtslos niederzuschlagen, wobei er in den letzten Jahren seines Lebens seinem Hang zur Grausamkeit oft allzusehr nachgab. Durch die Drohung, er werde das Reich verlassen, weil die Geistlichkeit die widerspenstigen Bojaren vor Bestrafung schütze, erzwang er 1565 das Zugeständnis, daß er ohne alle Einsprache von seiten der Geistlichkeit ¶
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Todesstrafen, Achtserklärungen und Gütereinziehungen nach seinem Ermessen vornehmen dürfe, trennte dann eine Anzahl Städte und Landschaften als »abgesondertes Land« (Optritschnina) von dem übrigen Reichsland (Semschtschina) mit der Bestimmung, daß jenes ganz für den Bedarf des Zaren dienen solle, und schuf aus den so gewonnenen Einkünften ein eignes Korps Schützen (Strelzi, Strelitzen), die als Garde den Kern seiner Kriegsmacht bildeten. Jetzt bekam Rußland seine despotische Willkür zu fühlen, indem der vom Volk als Heiliger verehrte Metropolit Philipp abgesetzt und im Kerker erdrosselt und Nowgorod, das verräterischer Unterhandlungen mit den Polen beschuldigt ward, fünf Wochen lang den Würgern und Plünderern preisgegeben wurde, so daß die Zahl der Erschlagenen 60,000 betragen haben soll.
Auf Iwan IV. folgte sein Sohn Feodor I. (1584-98), ein schwacher Fürst, der ganz unter der Leitung seines Schwagers und allmächtigen Ministers Boris Godunow stand. Da Feodor keine Kinder hatte, trachtete Boris selbst nach der Krone und ließ daher Feodors jüngern Bruder, Dmitrij, 1591 zu Uglitsch ermorden. Da er kraftvoll regierte, das Volk durch Gerechtigkeit und Freigebigkeit gewann und die äußern Feinde abwehrte, ja den Schweden die 1583 abgetretenen Städte wieder entriß, so wurde er, als mit Feodors Tod der Mannesstamm Ruriks erlosch, zum Zaren erwählt Trotz seiner Tüchtigkeit und seiner wohlgemeinten Reformen vermochte aber Boris Godunow (1598-1605) sich die Anhänglichkeit der Großen nicht zu erwerben, und das Volk wandte sich von ihm ab, als Rußland drei Jahre lang (1601 bis 1604) von Mißernten und Hungersnot heimgesucht wurde. Die Unzufriedenheit und Gärung benutzte ein Mann unbekannter Herkunft, um sich, zuerst in Polen, für den dem Mordbefehl Godunows entgangenen Zarewitsch Dmitrij (der falsche Demetrius, s. Demetrius 5) auszugeben. Von dem Polenkönig Siegmund und den Jesuiten unterstützt, rückte er in Rußland ein, siegte über Boris an der Desna und fand allenthalben großen Anhang.
Als Boris Godunow nicht lange nachher plötzlich starb und sein junger Sohn Feodor II. ermordet worden war, konnte der falsche Demetrius in Moskau einziehen. Aber da er das Volk durch die Begünstigung der Polen und Deutschen und der römischen Kirche erbitterte, gelang es dem mächtigen Adelsgeschlecht der Schuiskois, einen Aufstand zu erregen, in dem der Prätendent getötet wurde, worauf von den Bojaren und Bürgern Moskaus Wasilij Schuiskoi (1606-10) zum Zaren ausgerufen wurde.
Die allgemeine Zerrüttung, besonders die Unzufriedenheit der niedern Klassen, hatte das Auftreten neuer falscher Prätendenten zur Folge, gegen welche sich Wasilij nur mit Mühe behauptete und bei Schweden eine Stütze suchte. Aber trotz schwedischer Hilfe erlitt das Heer des Zaren bei dem Dorf Kluschino unweit Moshaisk eine schwere Niederlage, infolge deren Wasilij von den Moskauern gezwungen wurde, dem Thron zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen.
Daraus schlossen die Bojaren mit den Polen einen Vertrag, kraft dessen diese Moskau mit dem Kreml besetzten. Während nun ein Teil des Adels den polnischen Kronprinzen Wladislaw zum König ausersehen hatte, die Nowgoroder den schwedischen Prinzen Karl Philipp, Karls IX. Sohn, auf den Thron zu erheben gedachten, König Siegmund aber Rußland mit Polen vereinigen wollte, hatte Rußland alle Schrecken eines herrenlosen Zwischenreichs (1610-13) zu erdulden. Dieselben wurden durch den unglücklichen patriotischen Aufstand des Patriarchen Hermogenes in Moskau (März 1611), der mit einem Straßenkampf und dem Brand Moskaus endete, und durch das Auftreten eines neuen Prätendenten in dem Sohn des ersten Demetrius und der Marina gesteigert.
Endlich stellte sich ein Mann von geringer Herkunft, Kosma Minin, in Nishnij Nowgorod an die Spitze einer nationalen Erhebung, der sich auch ein Teil der Bojaren, so Dmitrij Posharski und Trubezkoi, anschloß. Ein russisches Heer zog vor Moskau und zwang die polnische Besatzung nach tapferer Verteidigung zum Abzug (Oktober 1612). Hierauf wurde der 17jährige Michael Romanow, ein Verwandter des alten Rurikschen Herrschergeschlechts, zum Zaren erwählt.
Die Herrschaft der ersten Romanows (1613-89).
Zar Michael Feodorowitsch (1613-45), dem sein Vater, der Patriarch Feodor Philaret, als einflußreicher und kluger Ratgeber 13 Jahre zur Seite stand, wußte die innere Ruhe und den äußern Frieden herzustellen, indem er die Rebellenscharen zersprengte und mit den Schweden den »ewigen« Frieden zu Stolbowa schloß, in welchem Nowgorod den Russen zurückgegeben, dagegen Kexholm, Karelien und Ingermanland dem König Gustav Adolf überlassen wurden. Mit Polen kam 1618 zu Deulino ein 14jähriger Waffenstillstand und, nachdem Michael 1633 einen erfolglosen Angriff auf Litauen gemacht hatte, der Friede von Poljanowka zu stande, in welchem der Zar seine Ansprüche auf Livland und alle übrigen Teile des ehemaligen Ordenslandes aufgab und auf Smolensk, Tschernigow und Sewersk verzichtete, der Polenkönig dagegen dem Zarentitel entsagte.
Auf Michael folgte sein 16jähriger Sohn Alexei Michailowitsch (1645-76). Derselbe stand ganz unter der Herrschaft seines frühern Erziehers, des Bojaren Morosow, der sich auch mit der Schwägerin des Zaren vermählte. Die gewissenlose Habgier, mit der Morosow und seine Günstlinge ihre Ämter verwalteten, rief 1648 einen Aufstand hervor, in dem mehrere von Morosows Kreaturen der Volkswut zum Opfer fielen und er selbst nur durch das Versprechen des Zaren, die Mißbräuche abzuschaffen, gerettet wurde. Eine Justizkommission arbeitete darauf ein neues Gesetzbuch aus, das einer nach Moskau entbotenen großen Landesversammlung der Nation vorgelegt (Oktober 1649) und nach deren Zustimmung unter dem Namen »Uloshenie« veröffentlicht wurde. Nicht lange nachher wurde aber zur Verhütung und Unterdrückung von Volksbewegungen ein Polizeiinstitut, die »Kammer der geheimen Angelegenheiten«, errichtet.
Der schwedisch-polnische Krieg, der 1655 ausbrach, ermutigte den Zaren zu einem neuen Angriff auf Polen, um Kleinrußland zu erobern. Die Russen besetzten Wilna [* 18] und rückten gleichzeitig mit den Schweden gegen Warschau [* 19] vor, schlossen aber 1656 mit Polen einen Waffenstillstand und wandten sich gegen die Schweden, denen sie anfangs Narwa, Dorpat und andre feste Plätze in Esthland und Livland entrissen, aber nach der vergeblichen Belagerung Rigas und einem verlustreichen Krieg im Frieden von Kardis zurückgeben mußten. Dagegen erwarb Rußland im Frieden mit Polen, der 1669 zu Andrussow abgeschlossen wurde, Kleinrußland östlich vom Dnjepr, Smolensk, Kiew [* 20] und ¶