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Ausgabe auf 17,359,839 Rub. Das Telephonnetz bestand 1885 aus 1103 Linien mit 7440 Leitungsdrähten. Die Abonnentenzahl betrug 3252.
Die Münzeinheit ist der Silberrubel = 100 Kopeken, von welchem aus einem Pfund 22,75 Stück geprägt werden mit dem Feingehalt 868/1000. Das Normalpfund, welches im J. 1747 angefertigt und durch kaiserlichen Befehl vom als Normalpfund bestätigt wurde, findet sich im Petersburger Münzhof. Andre Silbermünzen sind die Stücke zu 50 und 25 Kop., Feingehalt 868/1000, sowie zu 20, 15, 10 und 5 Kop., Feingehalt 48/96. An goldenen Münzen [* 2] prägt Rußland aus:
1) Halbimperiale (5 Rub. 15 Kop. in Silber), 62 26/45 Stück aus dem Pfund mit Feingehalt 88/96 (11/12) und 2) russische Dukaten (3 Rub. 9 Kop. in Silber) mit dem gleichen Feingehalt. Die Ausprägung der sogen. holländischen Dukaten, deren Feingehalt 94/96 war, hat seit 1809 aufgehört. Die neuen, aus Kupfer [* 3] geschlagenen Münzen: 5, 3, 2, 1 Kop., Deneschka (½ Kop.), Poluschka (¼ Kop.) sind zu 32 Rub. Silber aufs Pfund Kupfer. Die silberne Scheidemünze und die Kupfermünze muß bis zum Betrag von 3 Rub. von jedermann angenommen werden.
Die Staatskassen nehmen sie unbeschränkt. Gold-, Silber- und Kupfermünzen wurden 1886 geprägt für 20,817,138½ Rub. (1885: 28,152,111 Rub.). Längenmaße sind: 1 Fuß = 12 Zoll = 120 Linien = 0,305 m;
1 Faden [* 4] = 7 Fuß = 3 Arschin = 48 Werschok = 2,133 m;
1 Werst = 500 Faden = 3500 Fuß = 1,07 km;
1 Arschin = 0,711 m. Flächenmaß ist die Deßjätina = 2400 QFaden;
1 QArschin = 5,44 QFuß;
1 Deßjätina = 1,092 Hektar und 1 Hektar = 0,915 Deßjätina.
In den Ostseeprovinzen rechnet man nach Losstellen, die etwa ⅓ einer Deßjätina ausmachen. Getreidemaße sind: 1 Tschetwert oder Kul = 8 Tschetwerik = 64 Garnetz = 2,099 hl. Hohl und Flüssigkeitsmaße sind: 1 Botschka (Faß [* 5] oder Tonne) = 40 Wedro (Eimer);
1 Wedro = 10 Kruschken (Stoof) = 0,123 hl. Die Getreide [* 6] und Flüssigkeitsmaße sind in den Ostseeprovinzen und in Finnland andre als im eigentlichen Rußland.
Die Gewichte in Rußland sind: 1 Berkowetz = 10 Pud;
1 Pfund 32 Lot oder 96 Solotnik = 409,5 g.
Die Gesamtsumme der Einlagen aller auf Grund der allerhöchsten Order vom errichteten städtischen Sparkassen und der zum Ressort der Reichsbank gehörenden Sparkassen in St. Petersburg [* 7] und Moskau, [* 8] im ganzen 553 Anstalten, betrug Ende 1887 mit zugeschriebenen Zinsen 68 Mill. Rub. Namentlich 1885 sind nicht weniger als 227 neue Kassen hinzugekommen. Die Zahl der Aktiengesellschaften belief sich auf 544 mit einem Kapital von 721 Mill. Kredit und 321,4 Mill. Metallrubel.
Das Obligationskapital dieser Gesellschaften betrug 214,5 Mill. Kredit und 952 Mill. Metallrubel. Die 544 Gesellschaften setzten sich zusammen aus 48 Banken, 27 Assekuranzgesellschaften, 47 Eisenbahngesellschaften, 50 Dampfschiffahrtgesellschaften und 372 Gesellschaften für Industrie und Handel. Es existieren 2 Staatsbanken, die Reichsbank in St. Petersburg mit 54 Filialen in den Provinzen und dem alleinigen Rechte der Notenemission und die Polnische Bank in Warschau [* 9] mit 20 Filialen.
Die erstere verfügt über ein Kapital von 3 Mill. Rub., die letztere über ein solches von 8 Mill. Rub. Außerdem hat die Petersburger Bank ein Reservekapital von 2,978,000 Rub., die Polnische Bank von 500,000 Rub. Die 36 Aktienhandelsbanken mit 38 Filialen haben zusammen ein Stammkapital von 96,994,200 Rub., ein Reservekapital von 4,614,300 Rub. und einen Spezialreservefonds von 646,700 Rub. Eine dritte Kategorie von Bankinstituten bilden 94 Gesellschaften gegenseitigen Kredits, die ein Stammkapital von 22,238,300 Rub., ein Reservekapital von 446,600 Rub. und eine Spezialreserve von 348,800 Rub. besitzen. Die 280 städtischen Kommunalbanken haben ein Stammkapital von 20,762,000 Rub., ein Reservekapital von 5,237,900 und eine Spezialreserve von 1,324,209 Rub. Das gesamte Kapital der 514 Kreditinstitute bestand mithin aus 170,994,700 Rub. Stamm-, 13,776,800 Rub. Reserve- und 2,502,300 Rub. Spezialreservekapitalien.
Staatsverfassung und -Verwaltung.
Was die Staatsverfassung Rußlands betrifft, so ist der Kaiser (Zar) unumschränkter Selbstherrscher, der die höchste gesetzgebende, ausübende und oberrichterliche Gewalt in sich vereinigt und von Grundrechten der Unterthanen nach keiner Richtung hin beschränkt wird. Verpflichtet ist er nur, nach den Hausgesetzen sich zu richten, als: das Reich ist unteilbar, und der Kaiser darf keine Krone tragen, die ihn außerhalb des Reichs zu residieren zwingt. Das vom Kaiser Paul erlassene Reichsgrundgesetz verlangt, daß der Thron [* 10] stets nach dem Rechte der Primogenitur, jedoch unter Bevorzugung der männlichen vor der weiblichen Linie, vererbt werde.
Ein andres Reichsgrundgesetz verlangt, daß der Kaiser nur der griechisch-orthodoxen Kirche angehören soll. Der gegenwärtige Kaiser ist Alexander III., geb. 10. März der seinem Vater, dem Kaiser Alexander II., 13. (1.) März 1881 folgte. Sein Titel lautet: Von Gottes hilfreicher Gnade Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen, Zar zu Moskau, Kiew, [* 11] Wladimir, Nowgorod, Zar zu Astrachan, Zar zu Polen, Zar von Sibirien, Zar der taurischen Chersones;
Herr von Pskow, Großfürst von Smolensk, Litauen, Wolhynien, Podolien und Finnland;
Fürst von Esthland, [* 12] Livland, Kurland etc. (der kleine Titel: Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen, Zar von Polen und Großfürst von Finnland).
In den Ostseeprovinzen und in dem durch Personalunion mit Rußland verbundenen Finnland bestehen ständische Rechte. Die Landtage der drei Ostseeprovinzen (Livland, Kurland, Esthland) sind nur aus Gliedern der Ritterschaft zusammengesetzt, d. h. aus dem immatrikulierten Adel, und nur in finanziellen Fragen werden die nicht immatrikulierten Gutsbesitzer und die Abgeordneten derjenigen Städte, welche Landbesitz haben, hinzugezogen. Die Landtage sind die Organe der privilegienmäßigen Autonomie und Selbstverwaltung, wobei der Adel ein unverhältnismäßiges Übergewicht über die Bürger wie auch ein Hoheitsrecht bei Besetzung der Gerichte und das Patronatsrecht über die Kirchen ausübt.
Durch die Einführung der allgemeinen russischen Städteordnung haben die Privilegien der baltischen Städte den Todesstoß erhalten. Die neue Städteordnung ist im Vergleich zur alten aristokratisch-konservativen Verfassung eine liberal-demokratische, entspricht aber keineswegs der historischen Entwickelung der baltischen Städte und wurde ihnen oktroyiert. Der Landtag Finnlands, auf der Verfassung von 1772 beruhend und durch Ukas erst 1863 wieder ins Leben gerufen, besteht aus vier Ständen, dem Adel, der Geistlichkeit, den Bürgern und den Bauern (s. Finnland, S. 282 f.).
In der Staatsverwaltung steht dem Kaiser die höchsteigne Kanzlei zur Seite mit vier Abteilungen: dem Geheimsekretariat, der Redaktion der Gesetze, der ¶
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geheimen Polizei und den unter der Kaiserin stehenden Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten. Ministerien gibt es folgende: Ministerium des kaiserlichen Hauses, der auswärtigen Angelegenheiten, des Kriegs, der Marine, des Innern, des öffentlichen Unterrichts, der Finanzen, der Justiz, der Reichsdomänen (Landwirtschaft), der Wege und Verkehrsanstalten. Hierzu kommen noch der Vorstand der Reichskontrolle und der Staatssekretär für Finnland. Die höchste Behörde Rußlands ist der Reichsrat, eine beratende Behörde, die aus dem Präsidenten des Ministerrats, den volljährigen Großfürsten, den Ministern und einer Anzahl Militärs und Zivilbeamten ersten Ranges zusammengesetzt ist, die vom Kaiser auf Lebenszeit zu Reichsratsmitgliedern ernannt werden.
Der Reichsrat hat alle administrativen und legislativen Angelegenheiten zu verhandeln, bevor sie dem Kaiser zur Bestätigung vorgelegt werden. Die heilige Synode (der hochheilige Synod) ist in kirchlichen Dingen der griechisch-orthodoxen Konfession die Zentralbehörde und nicht nur aus geistlichen Würdenträgern, als Metropoliten, Erzbischöfen und Bischöfen, sondern auch aus weltlichen Würdenträgern zusammengesetzt. Der dirigierende Senat ist die die Ausführung der Gesetze überwachende höchste Behörde, welche die vom Kaiser bestätigten Gesetze in Form der Ukase verkündigt, in letzter Instanz alle Prozesse entscheidet und somit als Oberappellationsgericht fungiert.
Verwaltungsministerien im engern Sinn sind folgende: das Ministerium des kaiserlichen Hauses, welchem das Departement der Apanagen, das Reichsordenskapitel, die kaiserliche Akademie der schönen Künste, die kaiserlichen Paläste und Theater [* 14] unterstellt sind;
das Finanzministerium, welches die Abteilungen für Staatskreditwesen, Generalkasse, Papiergeldausgabe und Stempel, Schuldentilgung, Zölle, Handel und Industrie, direkte und indirekte Steuern umfaßt;
das Domänenministerium, welchem die Verwaltung der Staatsländereien, der Forsten und des Bergbaues unterstellt ist;
das Ministerium der innern Angelegenheiten, welches die Polizei, die landschaftliche und Städteverwaltung, die evangelischen ländlichen Schulen der drei Ostseeprovinzen, die nicht orthodoxen (fremden) Kulte, die Medizinalangelegenheiten, die Zensur sowie die Presse [* 15] überhaupt und die Landesstatistik begreift;
das Ministerium des öffentlichen Unterrichts, das im europäischen Rußland zehn Lehrbezirke umfaßt mit je einem Kurator: Dorpat, [* 16] Moskau, St. Petersburg, Kiew, Charkow, Odessa, [* 17] Kasan, [* 18] Orenburg, Wilna [* 19] und Warschau.
Das Großfürstentum Finnland ressortiert nicht unter dieses Ministerium, ebensowenig die von andern Ministerien unterhaltenen Lehranstalten, welche für die Ausbildung ihrer Beamten errichtet sind, und die unter der Leitung der heiligen Synode stehenden geistlichen Akademien und Seminare. Die Oberverwaltung Polens ruht in den Händen eines Generalgouverneurs und besteht ganz aus russischen Beamten in der obersten Landespolizeiverwaltung. Die Zentralverwaltung des Großfürstentums Finnland besorgt unter der Oberleitung eines Generalgouverneurs, als Vertreters des Kaisers, ein aus dem Adel des Landes, aus der Bürgerschaft und den Bauern gewählter Senat. Der Hofstaat des Kaisers besteht zu St. Petersburg aus den sieben Stäben des Oberkammerherrn, Oberhofmarschalls, Oberstallmeisters, Oberjägermeisters, der Oberhofmeisterin, des Oberzeremonienmeisters und Oberhofmeisters. Außerdem gibt es Kammerherren in übergroßer Anzahl und noch mehr Kammerjunker. Daneben besteht ein Hofstaat der Kaiserin und besondere Höfe der einzelnen Großfürsten.
Bezüglich der Provinzialverwaltung zerfällt das russische Reich in Gouvernements; das Amt eines Generalgouverneurs, der früher über mehreren Gouvernements stand, wird allmählich aufgehoben; gegenwärtig bestehen im europäischen Rußland noch folgende fünf Generalgouvernements: Warschau und Weichselgouvernement, Moskau, Kiew mit Wolhynien und Podolien, Wilna und Odessa. An der Spitze eines Gouvernements steht ein Gouverneur und diesem zur Seite ein Vizegouverneur, der zugleich Vorsitzender der Gouvernementsregierung ist.
In den selbständigen Stadtbezirken St. Petersburg, Odessa, Taganrog und Kertsch-Jenikale übt der Stadthauptmann die Rechte des Gouverneurs aus. Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens, der für die verschiedenen Teile des weit ausgedehnten Reichs eine durch örtliche Verhältnisse und die geschichtliche Vergangenheit bedingte Mannigfaltigkeit in der Art der Einzelverwaltung zuläßt, ist für das europäische Rußland durch den Ukas vom eine wichtige Neuerung (bis jetzt in 36 Gouvernements) durchgeführt worden, indem durch denselben die Bevölkerung [* 20] der Gouvernements und Kreise [* 21] zur nähern Beteiligung an der Verwaltung derjenigen Geschäfte, die sich auf die ökonomischen Interessen und Bedürfnisse jedes Gouvernements und jedes Kreises beziehen, durch aus ihrer Mitte erwählte Personen berufen wird.
Die Kreistage setzen sich aus Vertretern der Grundbesitzer, der Stadt- und Landgemeinden, die Gouvernementslandtage aus Abgeordneten der Kreistage zusammen. Die Wahlperiode ist dreijährig; das aktive und passive Wahlrecht sind an ein Lebensalter von mindestens 25 Jahren, ferner an ein bestimmtes Maß des Besitzes, für Kaufleute des Geschäftsumsatzes gebunden. Die Vertreter der Landgemeinden werden durch Wahlmänner gewählt. Diese Provinzial-Institutionen (Semstwo) sind lediglich zur Verwaltung der den wirtschaftlichen Bedürfnissen dienenden Angelegenheiten bestimmt; teilweise sind ihnen auch die Gesundheitspflege, der Volksunterricht, die Wahl der Friedensrichter unterstellt sowie auch die Regelung der bäuerlichen Verhältnisse anvertraut.
Die städtischen Behörden bestehen aus dem Stadtamt unter einem Bürgermeister und dem auf vier Jahre gewählten Gemeinderat. An der Spitze der Dorfgemeinden steht ein Ältester, mehrere Gemeinden sind meist zu einem Bezirk (Wolost) verbunden, und ihre Ältesten fungieren neben dem Bezirksältesten als Bezirksverwaltung. Die Wahl der Ältesten erfolgt in der Dorfgemeindeversammlung, die des Bezirksältesten in der Bezirksversammlung, zu welcher die einzelnen Gemeinden Vertreter abordnen.
Rechtspflege.
An die Stelle der alten Gerichtsverfassung ist allmählich eine neue getreten mit Trennung der Justiz von der Administration, Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Anklageverfahrens, Geschwornengerichten, Gleichheit der Stände vor Gericht. Die Gerichtsinstanzen sind sowohl für Kriminal- als Zivilsachen: die Friedensrichter als Einzelrichter, mit Appellation an die Versammlung der Friedensrichter;
die Bezirksgerichte mit Zuziehung von Geschwornen in allen Fallen, [* 22] wo mit dem Verlust aller bürgerlichen Rechte oder einiger besondern Rechte und Vorzüge zusammenhängende Strafen eintreten (mit Ausschluß der Verbrechen gegen den Staat);
die Gerichtspalate als Appellationsinstanz für die Entscheidungen der Bezirksgerichte und der Senat als ¶