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Jahren eine bemerkenswerte Steigerung. Dasselbe ist aber auch der Fall beim Fischimport (namentlich bei Heringen), dessen Wert 1887 die Höhe von 7 Mill. Rub. erreichte. Thran wird in Rußland teils aus den im Meer lebenden Säugetieren, teils aus dem Innern wertvoller Fische [* 2] gewonnen oder aus den ganzen Fischen selbst, wenn diese von billiger Sorte sind. Die Produktion der erstern Art aus den Gewässern des Weißen, Baltischen (Ladogasee) und Kaspischen Meers (Walfische, Walrosse, Seehunde, Seekälber, Delphine) wird auf 2½ Mill. kg im Wert von 500,000 Rub. geschätzt; über den Umfang der Produktion der letztern Art (bei welcher Wolga-Neunaugen und Stichlinge eine Hauptrolle spielen sollen) verlautet nichts Bestimmtes.
Forstwirtschaft.
Eine ungewöhnlich hohe Bedeutung im Wirtschaftsleben Rußlands beansprucht der Wald, an den die Existenz vieler Tausende von Personen gebunden ist. Die Angaben über die mit Wald bedeckte Fläche sind nicht genau. 1883 waren 134 Mill. Hektar Wald unter Kronverwaltung, etwa 35 Proz. des Gesamtareals. Verteilt ist diese Waldfläche sehr ungleich. Ungefähr 65 Proz. derselben liegen in den vier nördlichen Gouvernements: Archangel, Wologda, Olonez und Perm. In den südlichen Gouvernements, in Bessarabien, Cherson, Jekaterinoslaw, Taurien, Podolien, Poltawa, Astrachan, macht sich dagegen ein empfindlicher Waldmangel geltend: man findet dort nur 3 Proz. aller Wälder.
Diese ungünstige Verteilung verhindert bei den großen Entfernungen und ungenügenden Wegeverbindungen die rechte Entwickelung der Bedeutung des russischen Waldes. Eine reguläre Forstwirtschaft ist noch eine Seltenheit, und selbst in den Staatswaldungen, deren Umfang auf 108,8 Mill. Hektar angegeben wird, ist nur ein kleiner Teil, vielleicht 12 Mill. Hektar, regelrecht verwaltet. Demgemäß sind die Einnahmen, welche die Krone aus ihrem Waldbesitz zieht, gering, 1887: 12,918,136 Rub., d. h. ein Ertrag von etwa 13 Kopeken pro Hektar und nach Abzug der Verwaltungskosten sogar nur von 8 Kopeken.
Durch unverantwortlich leichtsinnige Waldverwüstung haben sich schon manche Übelstände eingestellt. Das Klima [* 3] ist in vielen Gegenden rauher, die Winter sind länger und strenger, die Flüsse [* 4] wasserärmer geworden u. dgl. m. Daher hat man im letzten Jahrzehnt mit künstlichen Bewaldungsversuchen begonnen. Zur Beaufsichtigung der Wälder diente 1883 ein Heer von 25,029 Forst- und Waldhütern, welches trotz seiner Größe doch ungenügend erscheint, da jeder Beamte durchschnittlich 5365 Hektar zu bewachen hat.
Ein Waldschutzgesetz ist erlassen worden. Die Ausfuhr von Holz [* 5] betrug 1887 mehr als 27 Mill. Rub. Auch Pottasche, Pech, Birkenteer, Holzkohlen, Holzfabrikate und Matten gelangen zur Ausfuhr. Wie groß auch der Wert des Exports erscheint, im Verhältnis zum Umsatz des Binnenlandes an Holz und Holzwaren erscheint er geringfügig. Russische [* 6] Schriftsteller veranschlagen diesen auf 260 Mill. Rub. jährlich. Gegenstand der Jagd sind: Bären, Wölfe, Dachse, Luchse, Füchse, Hasen, Elentiere, Rehe, Eichhörnchen, von Vögeln hauptsächlich Enten, [* 7] Schnepfen, Birk-, Hasel- und Rebhühner.
Vgl. Werekha, Notice sur les forêts et leurs produits (Petersb. 1873).
Bergbau und Hüttenwesen.
Der Bergbau hat für das asiatische Rußland viel größere Bedeutung als für das europäische. Die Produktion der Montanindustrie im gesamten Reich betrug in Pud:
1872 | 1881 | |
---|---|---|
Gold | 2331 | 2244 |
Platin | 92 | 182 |
Silber | 752 | 576 |
Kupfer | 227376 | 211465 |
Zink | 188144 | 277641 |
Zinn | 233 | 604 |
Roheisen | 24374956 | 28661720 |
Eisen | 16368476 | 17839199 |
Stahl | 511727 | 17907380 |
Gußeisen | 2036300 | 3665255 |
Stein- und Braunkohlen | 67022742 | 213258477 |
Naphtha | 1535981 | 40474731 |
Petroleum (Kerosen) | 518546 | 12840656 |
Chromeisen | 391809 | 150349 |
Mangan | - | 686106 |
Schwefel | 3439 | 6479 |
Salz | 27732790 | 50734355 |
Glaubersalz | - | 106335 |
Das Gold [* 8] wird gegenwärtig zum größten Teil in den Privatwäschereien Ostsibiriens gewonnen; dieselben lieferten im J. 1877: 72 Proz. der ganzen Ausbeute. Die Goldgewinnung [* 9] am Ural, welche auf den Kronwäschereien beinahe gänzlich aufgehört hat, lieferte 1884 in den Wäschereien einen Ertrag von 7100 kg Gold, in den Bergwerken von 1167 kg Quarzgold. Seit 1870 hat auch in Finnland die Goldgewinnung begonnen, der Ertrag ist aber unbedeutend. Das Platin kommt nur am Ural vor, wo es seit 1825, als im Bezirk der Hütte Nishne-Tagilsk eine reiche Platinseife gefunden worden war, ausgebeutet wird.
Nachdem die Ausprägung von Platinmünzen in den 40er Jahren eingestellt wurde, hat man die Ausbeute vernachlässigt. Sie betrug im J. 1843, zur Blütezeit, 3505 kg, 1884 nur 2239 kg. Silber wird namentlich im Altai und im Bergbezirk von Nertschinsk gewonnen; seit 1874 hat man auch die Ausbeutung der Silberminen im Ural wieder aufgenommen. Der Ertrag ist unbedeutend. Der Hauptproduzent von Blei [* 10] ist der Altai, der ca. 80 Proz. der Gesamtproduktion liefert. Die Kupferproduktion Rußlands verringert sich seit 1852 beständig.
Das meiste liefern die Privathütten des Urals; auf den Kronhütten daselbst ist die Kupfergewinnung [* 11] unbedeutend. Die Kirgisensteppen in Sibirien haben ihre Produktion in den letzten Jahren beträchtlich gesteigert, auf ca. 500,000 kg. Zink liefert nur Polen. An Eisen [* 12] ist das europäische Rußland sehr reich; die Hauptmasse stammt aus den Privathütten des Urals. Den Rest liefern Zentralrußland, Südrußland, Polen und Finnland. Sehr entwickelt hat sich seit dem Jahr 1860 die Steinkohlenproduktion.
Die Hauptausbeute liefern der Ural, Polen, das Donezgebiet, das Bassin von Kiew-Jelissawetgrad und das Gouvernement Moskau, [* 13] geringere Mengen die Kirgisensteppe, das Küstengebiet von Ostsibirien, Turkistan u. Kaukasus. Die Produktion von Naphtha erfolgt fast ausschließlich im Kaukasus (s. Kaukasien, S. 631). Das Gouvernement Taurien liefert ein geringes Quantum. Sie hat sich besonders seit Eröffnung der Transkaukasischen Eisenbahn entwickelt wie kein andrer Erwerbszweig.
Noch im J. 1875 betrug die Gesamtausbeute an Naphtha erst 554,291 Pud, 1886 bereits 130 Mill. Pud Rohnaphtha, welche 75,4 Mill. Pud Naphthaprodukte ergaben. Mehr als 15 Mill. Pud Naphtha gingen ins Ausland. Die Salzproduktion hat seit der Erhebung der Zölle in Metall (1878) einen großen Aufschwung genommen. Steinsalz wird außer in den ältern Lagern von Iletzk (Gouvernement Orenburg) und Tschaptschatschi (Gouvernement Astrachan) seit 1881 auch bei Bachmut (Gouvernement Jekaterinoslaw, besonders beim ¶
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Dorf Briantsewka, Produktion 1886: 6 Mill. Pud) und Slawiansk (Gouvernement Charkow) gewonnen. Siedesalz (aus Salzteichen) liefern die Salinen in den Gouvernements Perm, Charkow (Slawiansk), Jekaterinoslaw, in geringerer Menge Wologda, Archangel und Sibirien. Seesalz wird an den Küsten des Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meers, in den Kirgisensteppen und in Sibirien gewonnen. Die gesamte Salzausbeute betrug 1884: 62½ Mill. Pud (davon 52 Proz. Seesalz, 32 Proz. Siedesalz, 15,4 Proz. Steinsalz).
Andre mineralische Produkte sind: Granit, der besonders in Finnland gefunden wird, aber auch im Ural, wo es auch Porphyr, Jaspis, Malachit, Achat, [* 15] Marienglas und Edelsteine [* 16] gibt;
Bernstein [* 17] findet sich an der Westküste Kurlands, Kalk und Porzellanerde in mehreren Gouvernements. Im ganzen hat die Entwickelung der russischen Montanindustrie mit der andrer europäischer Staaten nicht Schritt gehalten.
Man strebt aber danach, Raubbau zu vermeiden und den Unternehmern die Begründung großer Anlagen mit der Aussicht auf längere Dauer zu erleichtern. Was die Gewinnung von Torf anlangt, so ist man trotz der großartigen Lager [* 18] in der Ausbeutung derselben noch sehr zurück. Von Mineralquellen wären zu nennen: nördlich vom Kaukasus Pjätigorsk im Stawropolschen Gouvernement, Lipezk im Gouvernement Tambow, die Troizkischen Quellen im Gouvernement Orenburg, die Schwefelquellen zu Kemmern in Livland [* 19] und zu Baldohn in Kurland, die von Sergiewsk im Gouvernement Samara, die Solquellen zu Staraja-Russa im Gouvernement Nowgorod und die zu Slawiansk im Gouvernement Charkow.
Industrie.
Die Industrie gliedert sich in Handwerk, Großindustrie und Hausindustrie. Über die Ausdehnung [* 20] des erstern ist nichts Sicheres bekannt. Die Großindustrie wurde im europäischen Rußland (inkl. Polen) 1884 in 33,815 Fabriken mit 932,094 Arbeitern, die einen Produktionswert von 1521 Mill. Rub. erzeugten, betrieben. Pro Kopf des Arbeiters werden für 1632 Rub. (1879: 1498 Rub.) industrielle Gegenstände hergestellt. Ein beträchtlicher Teil der gesamten industriellen Leistungen entfällt auf die polnischen Gouvernements.
Diese besitzen 12½ Proz. aller Betriebe, stellen 11 Proz. aller Arbeiter und liefern etwa 19½ Proz. des ganzen Erzeugniswertes. Auf das europäische Rußland kommen 27,235 Betriebe mit 826,794 Arbeitern und einem Produktionswert von 1329 Mill. Rub.; auf Polen entfallen 6580 Betriebe mit 105,300 Arbeitern und einem Produktionswert von 192 Mill. Rub. Im europäischen Rußland ragen die Gouvernements Moskau und St. Petersburg [* 21] durch die industrielle Thätigkeit ihrer Bewohner hervor. In ersterm erzeugen 1943 Fabriken für 218 Mill. Rub., in letzterm 793 Anstalten für 159 Mill. Rub. industrielle Gegenstände.
Hoch stehen auch die Gouvernements Wladimir und Kiew; [* 22] dieses mit einem Produktionswert von 84 Mill. Rub., jenes mit einem Wert von 89 Mill. Rub. Diesen beiden steht das polnische Gouvernement Piotrkow mit einem Produktionswert von 83,6 Mill. Rub. nahe. Im eigentlichen Rußland folgen auf die vier genannten die Gouvernements Podolien, Charkow und Livland, welche für je 50, 48 und 44 Mill. Rub. Industrieartikel erzeugen. Stärker als in diesen drei ist die Industrie im Gouvernement Warschau [* 23] entwickelt, in welchem für nahezu 55 Mill. Rub. produziert wird.
Das Gouvernement Cherson bringt für 36 Mill. Rub. industrielle Gegenstände hervor und bildet den Übergang zu allen denen, in welchen die gewerbliche Thätigkeit ein weniger lebhaftes Tempo anschlägt, d. h. der Wert der Jahresproduktion zwischen 20 und 30 Mill. Rub. schwankt. Es sind die Gouvernements Saratow, Esthland, Perm, Tula, Kostroma, Jaroslaw, Jekaterinoslaw, Tambow, Orel, Kursk, Tschernigow u. Woronesh. In allen übrigen Gouvernements erscheint die Industrie schwach entwickelt, d. h. bleibt der Wert der Erzeugung unter 20 Mill. Rub., oder ist ganz unbedeutend, wie im Gebiet der Donischen Kosaken, in den Gouvernements Olonez, Astrachan, Archangel, Ufa, Suwalki und Radom. Eine besonders starke Ausdehnung der Produktion weisen in den letzten 40 Jahren auf: die Maschinen- und Eisenbahnwaggonfabrikation, die Wollspinnerei, die Tuchweberei, die Baumwollweberei, die Lederindustrie, die Verfertigung wollener und halbwollener Waren, die Färberei und Druckerei, die Baumwollspinnerei.
Die hauptsächlichsten Industriezweige sind gegenwärtig (a im europäischen Rußland, b in Polen):
Zahl der Fabriken | Produktionswert in 1000 Rubel | |||
---|---|---|---|---|
a | b | a | b | |
Baumwollenindustrie | 661 | 240 | 171151 | 41075 |
Flachsindustrie | 166 | 19 | 26347 | 3743 |
Seiden- und Stoffweberei | 298 | 6 | 12205 | 442 |
Papierfabrikation | 140 | 27 | 14697 | 1919 |
Chemische Industrie | 610 | 37 | 21366 | 1516 |
Glasindustrie | 206 | 30 | 9175 | 1135 |
Porzellan- u. Fayenceindustrie | 42 | 8 | 3554 | 389 |
Wollenindustrie | 789 | 362 | 76142 | 29356 |
Lederindustrie | 3179 | 389 | 38098 | 6693 |
Färberei und Druckerei | 658 | 65 | 57525 | 3727 |
Maschinenindustrie | 261 | 66 | 39150 | 6910 |
Die industriellsten Gouvernements sind für Flachsspinnerei und Leinwandfabrikation: Kostroma, Wladimir, Jaroslaw, Petersburg, Polen, Twer, Wologda und Finnland;
für Hanfspinnerei: Twer und Orel;
für Seilerei und Taufabrikation: Petersburg, Jaroslaw und Cherson;
für Baumwollspinnerei und Weberei: [* 24] Moskau, Wladimir, Petersburg, Twer, Polen, Esthland und Livland;
für Tuchfabrikation: Moskau, Grodno, Simbirsk, Livland, Polen, Esthland, Petersburg, Tschernigow und Pensa;
für Seidenweberei: Moskau;
für Papierfabriken, inkl. Tapeten und Dachpappen: Petersburg, Kaluga, Livland und Nowgorod;
für Lederfabrikation: Wjatka, Kasan, [* 25] Twer, Petersburg, Warschau, Orel, Tula, Moskau, Perm und Kaluga;
für Stearinfabrikation: Petersburg, Kasan, Moskau und Warschau;
für Rübenzuckerfabrikation: Kiew, Podolien, Charkow, Tschernigow und Polen;
für Glasfabrikation: [* 26] Wladimir.
In den obigen Zahlen sind die der Entrichtung einer besondern Accise unterworfenen Fabriken nicht inbegriffen, nämlich die Branntweinbrennerei (im europ. Rußland 2033 Fabriken mit einer Produktion von 3½ Mill. hl Alkohol, in Polen 426 Fabriken und 320,000 hl), die Rübenzuckerindustrie (244 Fabriken in Rußland und Polen), die Tabaksindustrie (im europ. Rußland 413 Fabriken, in Polen 16) und die Bierbrauerei, [* 27] über welche keine Angaben vorliegen.
Sehr rege entwickelt ist die Hausindustrie, worunter diejenige gewerbliche Thätigkeit zu verstehen ist, welche von den zugleich die Landwirtschaft pflegenden Personen nicht auf Bestellung von Kunden am Ort und für den lokalen Absatz, sondern für ein Geschäft oder für den Export, überhaupt für den Vertrieb im großen ausgeübt wird. Sie findet sich in allen Gouvernements, in welchen eine dichte Bevölkerung [* 28] oder ein stark ausgesogener Boden den Bauern ¶