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II. Von dem Areal und der Bevölkerung des gesamten russischen Reichs ergibt sich (1885) folgendes Bild:
QKilometer | Einwohner | auf 1 QKilom. | |
---|---|---|---|
1) Europäisches Rußland (ohne Polen) | 4888714 | 81725185 | 17 |
2) Königreich Polen | 127311 | 7960304 | 62 |
3) Finnland (1886) | 373604 | 2232378 | 7 |
4) Asowsches Meer | 37496 | - | - |
Rußland in Europa: | 5427124 | 91917867 | 17 |
5) Kaukasus | 463155 | 7284547 | 16 |
6) Transkaspisches Gebiet | 550629 | 301476 | 0,5 |
7) Sibirien | 12456770 | 4313680 | 0,3 |
8) Zentralasien | 2883107 | 5025622 | 1,7 |
9) Aralsee | 66998 | - | - |
10) Kaspisches Meer | 439418 | - | - |
Rußland in Asien: | 16860077 | 16925325 | 1,0 |
Das russische Reich: | 22287201 | 108843192 | 4,9 |
Offiziell wird neuerdings das Areal des europäischen Rußland (inkl. Polen) auf 4,953,345 qkm angegeben, wodurch die Ziffer für Rußland in Europa aus 5,364,445 qkm und für das gesamte russische Reich auf 22224,522 qkm (403,620 QM.) sinken würde. Rußlands Gebiet hat sich seit Iwan III. (gest. 1505) verzehnfacht; um die Mitte des 16. Jahrh. umfaßte es schon 12,4 Mill. qkm, beim Tod Katharinas II. (1796) 19,4 Mill. und beim Tod Alexanders I. (1825) 20,2 Mill. qkm. Eine Übersicht des gesamten russischen Reichs in Europa und Asien s. auf der Geschichtskarte (S. 81).
In historischer Hinsicht zerfällt das europäische Rußland in drei Reiche: das eigentliche Kaiserreich Rußland, das Königreich Polen und das Großfürstentum Finnland, oder in acht Landschaften: Großrußland (das eigentliche Stamm- und Zentralland, vom Weißen Meer bis zur Ukraine reichend), Kleinrußland, Ostrußland, Süd- oder Neurußland, West- oder Weißrußland, die Ostseeprovinzen, Polen und Finnland. Für die höhere Verwaltung ist das Reich, abgesehen von Finnland (s. d.), das 8 Gouvernements umfaßt, in 60 Gouvernements eingeteilt, welche meistens nach den Hauptstädten, in geringer Zahl nur mit alten Volks- oder politischen Namen benannt werden. Eine statistische Übersicht dieser Gouvernements enthält nebenstehende Tabelle.
Rußlands Bevölkerung wird durch Aus- und Einwanderung nicht erheblich beeinflußt. Am lebhaftesten ist noch der Austausch mit Deutschland gewesen, der jedoch ein für Rußland günstiges Resultat aufweist. Denn die Einwanderung aus Deutschland belief sich im Zeitraum 1830-82 auf 7,2 Mill. Personen, die Auswanderung auf 6,4 Mill. Personen, was einen Überschuß von ca. 800,000 Seelen zu gunsten Rußlands ergibt. Im allgemeinen berechnete man die Mehrauswanderung russischer Unterthanen in den letzten Jahrzehnten auf jährlich 25,000 Personen, von denen sich jedoch nur ein kleiner Teil nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika wandte. Erst in den letzten Jahren ist die Auswanderung dorthin bedeutend gestiegen; sie belief sich 1886 auf 33,216 Personen, während sie im Zeitraum 1821-85 nur 150,099 Personen betragen hatte. Die Dichtigkeit der Bevölkerung in Rußland (inkl. Polen) stellt sich zu 17 Seelen auf 1 qkm, von welchem Durchschnitt jedoch die einzelnen Gouvernements sehr erheblich abweichen. Die am dichtesten bevölkerten Gouvernements sind: Warschau (94 Einw.), Petrokow (86), Kalisch (70), Moskau und Kjelzy (65), Podolien (56), Radom, Kiew und Lublin (je 55), Poltawa (53), Plozk (52 Einw.). Am schwächsten bevölkert sind die Gouvernements Archangel, Olonez, Wologda, Astrachan, Orenburg, Perm, das donische Gebiet und Nowgorod, in welchen allen die Dichtigkeit unter 10 Menschen pro QKilometer bleibt. Nach dem Geschlecht verteilt sich die Bevölkerung in der Weise, daß im europäischen Rußland auf 100 Männer 101,2 Frauen kommen; in den polnischen Gouvernements werden auf 100 Männer 96,3 Frauen, in Finnland 103,8 Frauen gerechnet. Bei dem Durchschnitt von 101,2 zeigen sich in den einzelnen Teilen des Reichs große Abweichungen. Besonders scharf trennen sich der Nordosten und der Südwesten Rußlands. Zu der ersten Gruppe gehören Gouvernements, in welchen auf 100 Männer mehr als 106 Frauen kommen, so in Archangel, Olonez, Wologda, Wjatka, Perm, Kostroma u. a. Zur zweiten Gruppe gehören die Gouvernements, wo es weniger Frauen als Männer gibt, z. B. Bessarabien (93 Frauen auf 100 Männer); ähnlich Cherson, Wolhynien, Jekaterinoslaw, Astrachan u. a.
Bewegung der Bevölkerung.
Im europäischen Rußland (ohne Polen) betrug die Zahl durchschnittlich
1877-81 | 1884 | 1885 | |
---|---|---|---|
der Gebornen | 3592245 | 4003103 | 3959951 |
" Gestorbenen | 2596841 | 2673242 | 2865368 |
" Eheschließungen | 674836 | 692665 | 683575 |
In Polen wurden geboren 1884: 332,386, 1885: 306,688; es starben 1884: 183,916, 1885: 205,303 und fanden Eheschließungen statt 1884: 60,938, 1885: 63,412. Die größte Natalität zeigen die östlichen, südöstlichen, südlichen (Jekaterinoslaw, Taurien) und einige zentrale Gouvernements (Orel, Tula, Woronesh, Rjäsan, Kursk). Die geringste Natalität haben Archangel, St. Petersburg, Nowgorod, Kowno und die baltischen Gouvernements; hier ist die Natalität 30-40 pro Mille. Die Geburtenziffer für das europäische Rußland beträgt (1885) 48,8, in Polen 38,5 pro Mille. Hinsichtlich des Geschlechtsverhältnisses der Gebornen ergibt sich, daß durchschnittlich auf 100 Mädchen 104,8 Knaben kommen (1885: 105,7). Das bedeutendste Übergewicht der Knaben zeigt sich bei den Juden, nämlich 128,9 auf 100 Mädchen, dann folgen die Mohammedaner mit 105,3, die Protestanten mit 105,2, die Katholiken mit 104,8, die Griechisch-Orthodoxen mit 104,3. Auf 1000 Geburten kommen etwa 30 uneheliche (1885 im europäischen Rußland 28, in Polen 36), ein Verhältnis, das bei Orthodoxen (30,6), Katholiken (31,7) und Protestanten (31,9) als ziemlich gleich sich herausstellt. Die Mehrgeburten betragen in Rußland im Durchschnitt 1,192 Proz. aller Geburten. Die Sterblichkeit zeigt (1885) auf 1000 Menschen 35,1 Todesfälle (in Polen 25,8); ihre Höhe ist wesentlich bedingt durch die enorme Kindersterblichkeit: von 1000 Gebornen sterben in Rußland 263,4 Kinder unter einem Jahr. Die Heiratsfrequenz für das europäische Rußland beträgt (1885) 8,4 pro Mille (in Polen 7,9); in den einzelnen Gouvernements schwankt die Ziffer zwischen 12,2 und 6,5. Von 1000 Eheschließungen fanden 761,9 zwischen Ledigen, 101,6 zwischen Witwern und Mädchen, 90,1 zwischen Verwitweten, 46,4 zwischen ledigen Männern und Witwen statt. Die eheliche Fruchtbarkeit ergibt 4,9 Kinder auf jede Ehe, ein Durchschnitt, der von 15 Gouvernements übertroffen wird. Namentlich in Taurien, Moskau, Orenburg, Perm, Samara, Saratow, Kostroma, Cherson, im Dongebiet und in Kursk ist die eheliche Fruchtbarkeit stark und überschreitet jene Durchschnittszahl von 5 Kindern für die Ehe.
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Städte mit mehr als 100,000 Einw. hat Rußland 12: St. Petersburg, Moskau, Warschau, Riga, Charkow, Odessa, Kasan, Kischinew, Kiew, Lodz, Saratow und Wilna. An Wohnplätzen im europäischen Rußland rechnete man 1885: 481,457 außerstädtische und 660 Städte, in den polnischen Gouvernements 42,444 außerstädtische und 464 Städte. Die Zahl der städtischen Niederlassungen beläuft sich im ganzen Reich (mit Ausschluß von Finnland) auf 1274, in welchen 13,756,205 Menschen wohnen. Sie gruppieren sich der Größe nach folgendermaßen:
Über 100000 | Einw. | 13 | Städte |
10-100000 | " | 280 | " |
5-60000 ^[richtig: 5-10000] | " | 241 | " |
2000-5000 | " | 366 | " |
unter 2000 | " | 324 | " |
Bezüglich der durchschnittlichen Größe der Wohnplätze und der Entfernung voneinander werden die Gouvernements in sechs Gruppen eingeteilt (Jahnson). Die erste umfaßt Gouvernements, in welchen jeder Wohnplatz weniger als 3 qkm hat und ca. 1-2 km durchschnittlich von dem andern entfernt ist. Dahin gehören z. B. Livland, Pskow, Wilna, Witebsk, Kowno. Die letzte Gruppe hat Wohnplätze von mehr als 40 qkm im Durchschnitt, aber auch mit einer Entfernung von 18-24 km voneinander, so Astrachan, Archangel, Orenburg, Samara u. a.
Nationalitäten.
Die Bevölkerung des europäischen Rußland ist in Bezug auf die Nationalitäten die bunteste und gemischteste unter allen Ländern unsers Erdteils, indem sie in dieser Beziehung noch die Türkei und Österreich-Ungarn bei weitem übertrifft; nicht nur die Völker des indogermanischen und des semitischen Stammes, sondern auch die Ural-Altaier (Mongolen) sind in größerer oder geringerer Menge vertreten. Nach den Angaben von Rittich 1878 setzt sich die Bevölkerung folgendermaßen zusammen:
I. Mittelländische (kaukasische) Rasse. | |
---|---|
a) Indogermane (Arier): | |
Großrussen | 34389871 |
Kleinrussen | 14201279 |
Weißrussen | 3592057 |
Bulgaren | 93685 |
Polen | 4764713 |
Tschechen | 7790 |
Litauer | 811051 |
Schmuden | 623700 |
Letten | 1047929 |
Griechen | 77132 |
Rumänen | 648464 |
Franzosen | 1036 |
Deutsche | 983659 |
Schweden | 273021 |
Armenier | 34200 |
Zigeuner | 111654 |
b) Semiten: | |
Juden | 2552145 |
II. Mongolische Rasse. | |
a) Finnische Gruppe: | |
Karelier | 303277 |
Finnen | 1710274 |
Tschuden | 48028 |
Esthen | 749063 |
Lappen | 7497 |
Mordwinen | 791954 |
Tscheremissen | 259745 |
Wotjaken | 240490 |
Permier | 67315 |
Syrjänen | 85432 |
Wogulen | 2031 |
Samojeden | 5370 |
b) Tatarische Gruppe: | |
Tartaren | 1212610 |
Baschkiren | 757311 |
Meschtscherjäken | 136463 |
Teptjären | 126023 |
Tschuwaschen | 569894 |
Kirgisen | 158624 |
Kalmücken | 107531 |
Zusammen: | 71470482 |
Den festen Kern, um welchen sich die hier abgeführten Völker gruppieren, bilden die Russen (s. d.). Dieselben bevölkern in kompakten Massen den größten Teil des Landes, reichen jedoch im W. nur bei St. Petersburg bis ans Meer und sind im N. und O. durch finnische Völker in breitem Saum von den Grenzen des europäischen Rußland abgetrennt. In 34 Gouvernements machen die Russen mehr als 75 Proz. der Bevölkerung aus, in 6 mehr als 50 Proz., in 3 mehr als 25 und endlich in 6 weniger als 25 Proz. Wenn auch das russische Volk im Lauf der Zeit viele finnische und tatarische Elemente assimilierte, so ist doch im allgemeinen slawischer Typus und slawisches Wesen vorherrschend. Sprache, Sitten und Religion verbinden dasselbe zu einem mächtigen Ganzen, innerhalb dessen die dialektischen Unterschiede zwischen Groß-, Weiß- und Kleinrussen herrschen (näheres über diese drei Gruppen s. unter Russen). Das zweitwichtigste slawische Volk in Rußland bilden die Polen, welche jedoch den Westeuropäern näher als die Russen stehen, da sie früh den Katholizismus annahmen und in ihrer ganzen Kultur einen mehr westlichen Zuschnitt haben. In den zehn Gouvernements des ehemaligen Königreichs Polen leben 4 Mill., in den andern Gouvernements des europäischen Rußland gegen 900,000 Polen. Im ganzen machen die Polen 6,8 Proz. der Bevölkerung des europäischen Rußland aus. Die übrigen slawischen Völker sind nur in geringer Zahl vertreten. Serben leben gegen 8000 im Gouvernement Jekaterinoslaw; Bulgaren wanderten in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schon in Rußland ein, doch wurden die großen bulgarischen Kolonien in Bessarabien, Taurien und Cherson erst nach dem Frieden von Adrianopel (1829) gegründet. Die Gesamtzahl der Bulgaren in Rußland beläuft sich auf etwa 100,000. Tschechen, gegen 8000, erst seit 20 Jahren in Rußland eingewandert, leben namentlich in Wolhynien und in geringerer Zahl in Taurien und Podolien als Ackerbauer und Handwerker. Am nächsten den Slawen verwandt sind die litauischen Völker. Die Litauer sind zum größten Teil katholisch; ihre Hauptbeschäftigung ist der Ackerbau. In einer Zahl von über 800,000 wohnen sie in den Gouvernements Kowno, Wilna und Suwalki, in geringer Anzahl auch in Grodno und Kurland. Nur wenig von ihnen unterschieden, aber der kräftigere und tüchtigere Teil, sind die Schmuden oder Samogitier im westlichen Teil von Kowno und nördlich von Suwalki. Das dritte Volk dieser Gruppe sind die Letten, ein gutartiger, bildungsfähiger, aber schwerfälliger Menschenschlag, mit Ausnahme von 50,000 zur griechischen Kirche übergetretenen alle protestantisch. Sie wohnen, über eine Million Köpfe zählend, in Kurland, Livland und Witebsk, in geringer Zahl in St. Petersburg und dem Gouvernement Kowno. Griechen, gegen 80,000, sind als Künstler, Handwerker, Kaufleute und Ackerbauer durch Rußland zerstreut, in größerer Menge aber in den Gouvernements Jekaterinoslaw und Taurien angesessen. Rumänen wohnen, etwa 700,000, in Bessarabien, Cherson, Jekaterinoslaw und Podolien; die 1000 Franzosen zur Hälfte in St. Petersburg und in Bessarabien. Über das ganze russische Reich, bald stärker, bald schwächer, sind die Deutschen in einer Gesamtzahl von einer Million zerstreut. Teils wohnen sie als Nachkommen der ehemaligen Eroberer in den Ostseeprovinzen, teils als Einwanderer (namentlich herbeigerufen durch Katharina II.) in den Gouvernements Saratow, Samarav und Taurien, aber auch in den Gouvernements Jaroslaw, Cherson, Wolhynien, St. Petersburg. In Kurland, Livland und Esthland machen sie den wesentlichen Teil der Stadtbevölkerung aus. In allen Gouvernements treffen wir sie als Beamte, bis in die Ministerien, als Offiziere bis zu den höchsten Stellen, als Gelehrte, Kaufleute, Erzieher, Künstler, Handwerker und Ackerbauer. Die Schweden sitzen namentlich in jenen Teilen Rußlands, die ehemals zu Schweden gehörten; so in Finnland in einer Zahl von 270,000 Köpfen, ebenso in Esthland, 9000 Seelen