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christlichen und der Sieg der letztern dargestellt wird, mit Auszeichnung zu gedenken.
Sehr reich ist die Übersetzungslitteratur. Im 18. Jahrh., wo das Übersetzen zu den vornehmsten
Pflichten der akademischen
Lehrer gehörte, waren es hauptsächlich
Tredjakowskij und
Lomonossow, daneben Iljinskij, Popowski,
Woltschkow, Kosickij, Jelagin u. a., welche dem russischen
Publikum die Alten, die italienischen
Epiker,
die französischen, englischen und deutschen
Dramatiker und Prosaisten in für jene Zeit musterhaften Übersetzungen zugänglich
machten. Aus der spätern Zeit sind als hervorragende Übersetzer zu nennen: Podschiwalow (deutsche und französische
Autoren),
Gneditsch
(»Ilias«, »König
Lear«),
Sandunow (Schillers »Räuber«),
Fet (Horaz, Juvenal, Goethes »Faust«),
Pleschtschejew (Lenau, Hebbel, Alfieri, Byron), F. B. Müller (Shakespeare), Min (Dante), M. Michailow (Heine), Michalowski (Byron), Polowskij, Jurjew (Shakespeare) u. a.
Die wissenschaftliche Litteratur.
In der wissenschaftlichen Litteratur der Russen ist das Gebiet der Geschichte am reichsten angebaut. Hier gibt es Reichsannalen, Jahrbücher, Chroniken, die man besonders in Klöstern, Archiven, selbst in Privatbibliotheken findet; doch sind die meisten nur im Manuskript vorhanden, und im Krieg von 1812 sind ihrer viele zu Grunde gegangen. Der Vater der Geschichte ist Nestor (geb. 1066), der nach dem Muster der byzantinischen Geschichtschreiber teils nach der Tradition, teils, was er selbst erlebt hatte, erzählte (vgl. oben); seine »Russische [* 2] Chronik« setzten Sylvester, Timothei u. a. fort.
Ein zweiter Annalist zu Ende des 11. Jahrh., Wasilij, ergänzte stellenweise Nestors Annalen und berücksichtigte auch die Geschichte des südwestlichen Rußland. Vom Anfang des 13. Jahrh. bis 1630 gibt es mehrere Spezialchroniken, die man Nestor-Chroniken nennt, weil in ihnen zuerst Nestors Annalen abgenommen sind, woran dann die Verfasser die Geschichte ihrer Zeit gereiht haben. Die Verfasser sind Mönche, wie denn während der Zeit der Unterjochung durch die Mongolen die Wissenschaft überhaupt sich in die Klöster flüchtete.
Unter Iwan Wasiljewitsch wurden diese Chronographen sehr beengt, unter Alexei Michailowitsch verstimmten sie ganz. An sie reihen sich die »Stufenbücher«, d. h. Auszüge aus Jahrbüchern, geordnet nach den Stufen (Verwandtschaftsgraden) der Fürsten, größtenteils unter Iwan Wasiljewitsch geschrieben (hrsg. von Müller, Mosk. 1775, 2 Bde.). Auch die Lebensgeschichten mehrerer Kirchenväter (Paterikon, seit 1661 oft gedruckt) und Heiligen (von Makarij gesammelt, seit 1689 oft gedruckt) gehören hierher. Wichtiger aber als alle diese Schriften wurden Tatischtschews Geschichtswerk über Rußland (bis 1462, nach des Verfassers Tod herausgegeben, Mosk. 1764 u. 1768) und Schtscherbatows »Russische Geschichte« (bis 1610, Petersb. 1770-91, 7 Bde.),
wozu noch, als des letztern Gegner,
Iwan Boltin mit seinen »Bemerkungen zu
Leclercqs russischer
Geschichte« (1788) kommt. Auch
Lomonossow schrieb ein kurz gefaßtes Jahrbuch der russischen
Geschichte und Rußlands alte Geschichte
bis 1054. Der erste aber, welcher der russischen
Geschichte eine litterarische Form zu geben wußte
und sie dadurch zum Gegenstand
der beliebten
Lektüre bei gebildeten Leuten machte, war
Karamsin (gest. 1826), dessen großes Geschichtswerk (12 Bde.)
bis 1612 geht. Als sein Gegner trat M. T. Katschenowskij, das
Haupt der »skeptischen
Schule«, auf, der
die russische
Geschichte
bis zum 14. Jahrh. für historisch unglaubwürdig erklärte, während
diesem wieder
M. P.
Pogodin (gest. 1875) entgegentrat.
Karamsin folgten
Polewoi und in der letzten Zeit
Solowjew (gest. 1879)
mit seiner »Geschichte Rußlands« (bis auf
Katharina II.) in 29
Bänden (1857 ff.) und N.
Kostomarow (gest.
1885) mit einer »Geschichte Rußlands in
Biographien« (2 Bde.) und
»Historischen
Monographien« (1851 ff., 13 Bde.).
Auch
Ustrjalow (gest. 1870) schrieb eine »Geschichte
Rußlands«, dazu eine umfangreiche, aber unvollendet gebliebene
Biographie
Peters d. Gr., beide durch Schönfärberei ausgezeichnet.
Eine russische
Kulturgeschichte auf breiter anthropologischer Grundlage: »Geschichte
des russischen
Lebens«, hat Sabelin unternommen. Eine
Darstellung der Geschichte der russischen
Landgemeinde versuchte Tschitscherin
(1856). Die
Frage über den Ursprung der
Russen erörterten Ilowoiskij, Sabelin,
Bestushew-Rjumin. Die Geschichte
Italiens
[* 3] wurde
von
Kudrjawzew, die europäische und polnische Staatengeschichte von Tratschewskij, Popow, Kojalowitsch, die kleinrussische
Geschichte von Kulisch, Antonowitsch, Nowickij u. a. behandelt.
Bogdanowitsch schrieb über den Krieg von 1812, die Geschichte der Regierung Alexanders I. und den Krimkrieg. Als Biographen von Staatsmännern glänzen Baron M. Korff (Graf Speranskij), Kowalewskij (Graf Bludow), Sablockij (Graf Kisselew), Kopeko (Cäsarewitsch Paul Petrowitsch) u. a. Die Veröffentlichung historisch wichtiger Chroniken, Aktenstücke, Memoiren etc. hat in den letzten Jahrzehnten einen besondern Aufschwung genommen. Während die zuerst von der Akademie der Wissenschaften in Petersburg [* 4] begonnene und seit 1834 von der dazu gegründeten Archäographischen Kommission fortgesetzte Publikation solcher Aktenstücke fast ausschließlich den ältern Perioden der russischen Geschichte zugewendet war, sind seit 1855 eine Menge wichtiger historischer Dokumente über die neuere Geschichte Rußlands im Druck erschienen, besonders durch die Bemühungen der dazu in Petersburg gegründeten Russischen Historischen Gesellschaft.
Reiches historisches Material enthalten auch die speziell historischen Zeitschriften: »Das russische Archiv«, von Bartenew in Moskau [* 5] (seit 1866);
»Das russische Altertum«, von Semewsti (seit 1870);
»Das alte und neue Rußland« (inzwischen eingegangen);
»Der historische Bote« (seit 1880 und »Kiewsches Altertum« (seit 1882).
Unter den meist erst in der Neuzeit und zum Teil in den genannten Zeitschriften veröffentlichten Memoiren sind die der Fürstin Dolgorukaja (hrsg. 1867), Sachowskois (1821), Danilows (1842), ferner der Fürstin Daschkowa (deutsch, Hamb. 1857), Dershawins (1860), Poroschins (1881), besonders aber Chrapowickijs, des Geheimschreibers der Kaiserin Katharina II. (hrsg. 1873), und Bolotows (hrsg. 1870-73) erwähnenswert. Von den Historikern des Auslandes haben die bedeutendsten, wie Gibbon, Guizot, Schlosser, Macaulay, Buckle, Grote, Mommsen, Sybel, Taine etc., durch Übersetzung auch in Rußland Eingang gefunden.
Die Geographie und Ethnographie, [* 6] zunächst Rußlands, wurde schon unter Katharina II. durch vier große wissenschaftliche Expeditionen gefördert, deren Ergebnisse in den Reisewerken von Gmelin, Güldenstädt, Lepechin, Pallas u. a. niedergelegt sind. Von spätern Reisen nennen wir: die Weltumseglungen Krusensterns, Lisjanskijs, Golownins, Bellingshausens, Lazarews, Lütkes;
die Expeditionen Zarytschews und Wrangells nach dem Nördlichen ¶
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Eismeer; die Reisen Timkowskijs und Kowalewskijs nach China, [* 8] N. N. Murawjews, Peter Tschichatschews, Karelins nach Zentralasien, [* 9] Norows, A. N. Murawjews nach dem Orient, W. Botkins nach Spanien, [* 10] Platon Tschichatschews nach Kleinasien und den Pampas von Südamerika; [* 11] ferner aus neuester Zeit Putjatins Gesandtschaftsreise nach Japan (1852-55), Wyscheslawzews Reise um die Welt (1857-60), Maximows Streifzüge am Weißen Meer und in Sibirien, die Expeditionen Semenows und Wenjukows nach dem Thianschan, Chaykows nach Persien [* 12] etc., alle von reicher Ausbeute für Geographie und Völkerkunde.
Auch die Petersburger Geographische Gesellschaft bethätigte sich mit statistisch-ethnographischen Expeditionen, von denen die an Ergebnissen wichtigsten die von Tschubinskij (südwestliches Rußland), Middendorf, Fedtschenko (Sibirien), Maak (Amurland, Ussurigebiet), Radde (Kaukasus), Prschewalskij (Mongolei, Tibet), Schtschapow, Jadrintschek, Potanin u. a. waren. Die vom Generalstab und Ministerium des Innern herausgegebenen ethnographischen und statistischen Werke: »Rußland« (1871) und »Beschreibung der angesiedelten Gegenden des russischen Reichs« (1861-75) sind in mancher Beziehung von monumentaler Bedeutung. Sonst fand die Ethnographie und Statistik Rußlands Bearbeiter an Bunjakowski, Sablockij-Desjatowskij, Besobrasow, Buschen, Helmersen, Blioch, Nebolsin, Janson, Tschubinskij, Hagemeister u. a.
In der Rechtswissenschaft, deren Litteratur erst im 19. Jahrh. beginnt, haben sich durch Untersuchungen über die alten politischen und Rechtsinstitutionen verdient gemacht: K. D. Kawelin (»Blick auf das Rechtsleben im alten Rußland«),
Leschkow, Beljajew, Kalatschow, Newolin, Tschitscherin, Rjedkin, Sergejewitsch, Leontowitsch, Nikitskij, Wladimirskij-Budanow, wozu aus neuester Zeit noch Kljutschewskij, A. Gradowskij, W. Semewskij etc. kommen. Andre bedeutende Juristen der Gegenwart sind: Andrejewskij, Lochwickij, Pachmann, Foinickij, Martens. Rechtsgeschichtliche Werke lieferten Tschitscherin (über die unfreien Klassen im alten Rußland), Pobjedonoscew (Geschichte der Leibeigenschaft), Romanowitsch-Slawatinskij (über den russischen Adel), W. Semewskij (über die Bauern zur Zeit Katharinas II.), Fürst Wasiljtschikow (über Grundbesitz und Ackerbau), Engelhardt (Briefe vom Lande) und Skrebickij, welcher die Geschichte der Emanzipation (»Die bäuerliche Angelegenheit in der Regierung Alexanders II«, 1862-68, 5 Bde.) schrieb. Auch das volkstümliche Gewohnheitsrecht fand Bearbeiter. Auf nationalökonomischem Gebiet waren besonders Wladimir Miljutin (gest. 1855) und der schon oben genannte N. G. Tschernytschewskij von einflußreicher Thätigkeit. - In der Philosophie sind die Russen nie aus dem Eklektizismus herausgekommen; sie haben sich an die Systeme der ausländischen, vorzugsweise der deutschen, Philosophen angelehnt, die sich nacheinander die Geister dienstbar machten. Durch Karpow (gest. 1867) wurde den Russen auch die nähere Bekanntschaft mit den griechischen Denkern vermittelt. S. S. Gogockij gab ein philosophisches Lexikon (1859-61, 2 Bde.) heraus; die Geschichte der Philosophie behandelten M. Katkow, Troickij, M. Stasjulewitsch, in neuester Zeit Smirnow, Karejew, De Roberti u. a. Einen Versuch selbständiger Entwickelung logischer Begriffe auf Kantischer Grundlage machte neuerdings W. S. Solowjew (»Kritik der abstrakten Prinzipien«). Für die Psychologie, besonders in ihrer Anwendung auf die Pädagogik, sind wichtig die Schriften Uschinskijs und des Chirurgen Pirogow, für die Volkserziehung die Arbeiten des Barons N. A. Korff. Auch die philosophischen Hauptwerke des Auslandes (von Kant, Hegel, Trendelenburg, Lotze, Schopenhauer, Hartmann, K. Fischer, A. Comte, Taine, Spencer, Lewis etc.) sind ins Russische übersetzt und entsprechend kommentiert worden. - Von einer theologischen Wissenschaft kann in einem Land, wo jede selbständige Reflexion [* 13] über die Glaubenslehre und jede freie Auslegung verboten sind, kaum die Rede sein, wenn auch die Zahl der theologischen Bücher ziemlich groß ist. Die Geschichte der russischen Kirche behandelten hauptsächlich Golubinskij (1880) und der Erzbischof Makarij (Bulgakow, gest. 1882), welch letzterer auch ein Lehrbuch der »Orthodox-dogmatischen Theologie« veröffentlichte.
Große Wirkung übten in den 50er Jahren die theologischen Schriften des Dichters Chomjakow (gest. 1860), welcher der absterbenden romanogermanischen Welt die griechisch-slawische Weltidee gegenüberstellte, und in der neuesten Zeit erregten die (freilich nur in einem lithographischen Auszug ins Publikum gelangten) religiös-moralischen Schriften des Grafen L. Tolstoi (»Worin besteht mein Glaube?« u. a.) das allgemeinste Aufsehen. Tolstoi tritt darin mit Wärme [* 14] und Beredsamkeit für eine gereinigte Religion, ein demokratisches Urchristentum auf, das mit dem mystischen Christentum Dostojewskijs eine exzentrische Reaktion gegen den herrschenden Materialismus und Egoismus bezeichnet. - Die Naturwissenschaften finden in Rußland, besonders in neuester Zeit, die eifrigste Pflege. Um hier nur einige der wichtigsten Namen zu nennen, erinnern wir an die Botaniker N. Turtschaninow, Maximowitsch, Bunge etc.; die Zoologen Pallas, Middendorf, Metschnikow; die Geologen und Mineralogen Sokolow, Kutorga, Kotscharow, Inostranzew, Schtschurowskij, Dokutschajew etc. Große Berühmtheit hat der Chirurg Nikolai Pirogow erlangt. In der Mathematik thaten sich hervor: Simonow, Lobatschewskij, Ostrogradskij, Tschebyschew, Bunjakowskij u. a. Für Astronomie [* 15] sind hauptsächlich die Leistungen der 1834 gegründeten Sternwarte [* 16] zu Pulkowa hervorzuheben, die unter der Leitung ihrer beiden Direktoren Wilh. und O. Struve weltberühmt geworden ist.
Auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft und der Litteraturgeschichte sind namhafte Leistungen zu verzeichnen. Um die Kenntnis der orientalischen Sprachen machten sich besonders verdient: Bitschurin (1772-1847), Saweljew, Grigorjew, Beresin, Chwolson, Wasiljew, Weljaninow-Sernow, Baron Rosen, Ilminskij, Harkavy. Der in Rußland zahlreich vertretenen Familie der finnischen Sprachen waren die Arbeiten von Sjögren, Castrén, Schiefner, Saraitow, Radlow gewidmet; die Sprachen der kaukasischen und sibirischen Völker wurden wissenschaftlich durch Schmidt, Baron Uslar, Tschubinow u. a. erläutert.
Sonst sind als namhafte Sprachforscher zu nennen: A. G. Wostokow, der Vater der slawisch-russischen Philologie (gest. 1864), Pawskij, Biljarskij, Bußlajew, Sresnewskij, Gorskij, Newostrujew, Bodjanskij, Lamanskij, Lawrowskij, J. ^[Jacob] Grot etc. Genaueres über die Leistungen in Bezug auf die vaterländische Sprache [* 17] s. Russische Sprache. Durch Veröffentlichung von Denkmälern des alten Schrifttums haben sich Tichonrawow, Pypin und Kostomarow verdient gemacht; noch wichtiger und umfangreicher sind die (meist in die 60er Jahre fallenden) Ausgaben der Denkmäler der Volkspoesie: ¶