mehr
Verwaltung die Bestrebungen der Chartisten und Radikalen niederhielt. Nachdem das Ministerium im August 1841 zurückgetreten war, übernahm Russell wieder die Führung der Opposition, unterstützte aber das Ministerium Peel in allen die Freiheit des Handels, die Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen und die Aufrechthaltung der Ruhe in Irland betreffenden Fragen. Nach Peels Rücktritt wurde Russell im Juli 1846 als das anerkannte Haupt der Whigs mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, in welchem er selbst den Posten eines Premiers und ersten Lords des Schatzes übernahm.
Als Russell sich aber im Dezember 1851 Palmerstons auf wenig rücksichtsvolle Weise entledigt hatte, ward die Stellung des Kabinetts von Tag zu Tag unhaltbarer, und Ende Februar 1852 trat die Whigverwaltung ab. Nach einer kurzen Regierung Lord Derbys trat er in Lord Aberdeens Koalitionsministerium (17. Dez.) zwar ohne Portefeuille, aber als ministerieller Leiter des Unterhauses ein. Am übergab er das von ihm provisorisch verwaltete Portefeuille des Auswärtigen an den Grafen von Clarendon und übernahm nach dem Ausbruch des Kriegs mit Rußland das Präsidium des Geheimen Rats, schied aber einige Tage vor dem Sturz der Koalitionsregierung, aus derselben. In dem neu eintretenden Ministerium Palmerston übernahm Russell die Kolonialverwaltung und vertrat England im Februar auf den Wiener Friedenskonferenzen: Infolge der Angriffe, welche sein Verhalten hierbei erfuhr, trat er 13. Juli aus dem Ministerium aus. In dem am eingesetzten neuen Ministerium Palmerston übernahm er das Departement des Äußern und wurde als Graf Russell zum Peer erhoben. Seine auswärtige Politik bewegte sich im ganzen in den Wegen Palmerstons: während des italienischen Kriegs begünstigte er die nationale Erhebung, ließ aber die Annexion Savoyens an Frankreich zu. Bei Gelegenheit des polnischen Aufstandes von 1863 erlitt er eine entschiedene Niederlage, indem die russische Regierung seine Noten, in denen er sich für Polen verwendete, einfach unberücksichtigt ließ; auch in dem amerikanischen Sezessionskrieg bot er seine Vermittelung an und ergriff 1864 in dem deutsch-dänischen Krieg entschieden für Dänemark Partei. Als Palmerston starb, übernahm Russell den Posten eines Premiers und überließ die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten dem Grafen Clarendon. In der nächsten Session legte Gladstone die neue Reformbill vor; allein dieselbe befriedigte nach keiner Richtung hin und stieß auf so heftigen Widerstand, daß Russell 26. Juni d. J. seine Entlassung einreichte. Seitdem bekleidete Russell kein Staatsamt mehr. Wie früher für die Reform des Unterhauses, so war er nun für die des Oberhauses thätig und brachte im April 1869 eine Bill ein, durch welche die Ernennung einer Anzahl von Peers auf Lebenszeit verfügt wurde; doch wurde dieselbe abgelehnt und nicht wieder erneuert. Er starb sein Erbe war sein Enkel John Francis Stanley, zweiter Earl Russell, geb. Sohn des Viscount Amberley (geb. 1842, gest. Russell war bis in seine letzten Jahre einer der wenigen Whigs im alten Sinn, ein geistvoller, ehrlicher, offenherziger, für das Wohl seines Vaterlandes aufrichtig begeisterter Politiker; aber alle diese hervorragenden Eigenschaften konnten ihm, nachdem neue Parteibildungen der Politik der alten Whigaristokratie den Boden unter den Füßen weggezogen hatten, den frühern Einfluß nicht erhalten.
Als Redner war Russell weniger durch oratorischen Schwung als durch Klarheit der Gedankenentwickelung und gewandte Dialektik ausgezeichnet. Eine Auswahl seiner Reden erschien 1870 in 2 Bänden. Von Russells Schriften sind hervorzuheben: »Essay on the history of the English government and constitution« (Lond. 1821, neue Ausg. 1873; deutsch von Kritz, Leipz. 1825);
»Memoirs of the affairs of Europe, from the peace of Utrecht to the present time« (Lond. 1824-29, 2 Bde.);
»Essay on causes of the French revolution« (1832);
die Biographie des Lord John (s. oben);
sowie »Life and times of C. J. Fox« (das. 1859-67, 3 Bde.);
besonders bedeutend ist seine letzte große Schrift »Recollections and suggestions« (1873, 2. Aufl. 1875; deutsch, Halle 1876),
welche gleichsam als das politische Testament des greisen Staatsmanns gelten kann.
Auch verfaßte er ein Trauerspiel: »Don Carlos« (1823), und gab Thomas Moores Briefe und Tagebücher (1852-56, 8 Bde.; kleinere Ausg. 1860), den Briefwechsel etc. von Fox (1853-57, 4 Bde.) heraus.
Vgl. Wissens, Historical memoirs of the house of Russell (Lond. 1833).
6) Odo Russell, Lord, s. Ampthill.