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Waltscha, Buzau und Ardschisch in der Walachei und zu Roman, Husi und für die untere Donau in der Moldau angehören. Die weltliche Geistlichkeit zählt 22,178 Personen mit 6765 Gotteshäusern; die Zahl der Klöster, welche in den beiden letzten Jahrzehnten sehr zurückgegangen ist, beläuft sich noch auf 168 mit 1429 Mönchen und 2709 Nonnen. Die Katholiken haben einen Erzbischof in Bukarest und einen Bischof in Jassy; protestantische Gemeinden finden sich in Bukarest, Plojesti, Pitesti, Turnu Severin, Krajowa etc. Die Juden besitzen 422, die Türken 238 Gotteshäuser.
Für die Justizpflege bestehen ein Kassationshof (Bukarest), 4 Appellhöfe (in Bukarest, Jassy, Krajowa und Fokschani), 34 Tribunale (darunter 2 mohammedanische in der Dobrudscha) und 163 Friedensrichter (einer in jedem Bezirk). Für Strafsachen ist die Jury eingeführt, die Todesstrafe abgeschafft. Die Richter werden vom König ernannt, und nur die Räte des Kassationshofs sind unabsetzbar. Das Verfahren ist durchweg öffentlich und mündlich. Die Gesetze sind seit Cusa kodifiziert u. den französischen nachgebildet.
Die Finanzen leitet der betreffende Minister; für die Kontrolle besteht ein Rechnungshof. Die Umlegung der direkten Steuern geschieht alle fünf Jahre. Das Budget für 1888/89 beziffert die Einnahmen wie die Ausgaben auf 181,066,324 Lei. Unter den Einnahmen sind die direkten Steuern auf 27,500,000, die indirekten auf 39,055,000, die Erträge aus den Staatsmonopolen (Tabak, Salz, Zündhölzchen) auf 41,305,000, aus den Domänen auf 22,916,533 Lei veranschlagt. Unter den Ausgaben erfordert die öffentliche Schuld 66,015,450, die Armee 32,817,711, Kultus u. Unterricht 14,253,401, die Finanzen 9,633,679, Inneres 10,211,142 Lei. Die Staatsschuld beträgt (1889) 788¾ Mill. Lei (wovon ¾ produktiv angelegt), darunter 34 ⅓ Mill. Lei Schatzscheine.
In militärischer Hinsicht wird Rumänien eingeteilt in vier Armeekorpsbezirke (Krajowa, Bukarest, Galatz, Jassy) und einen Divisionsbezirk (Dobrudscha). An der Spitze des Heers steht der König, während die Verwaltung vom Kriegsminister geleitet wird. Das Heer (Friedensstärke 33,714 Mann und 1430 Offiziere; Kriegsstärke, ohne Milizen, 2638 Offiziere, 113,500 Mann, 16,500 Pferde, 370 Geschütze) umfaßt drei Elemente:
1) das stehende Heer: Infanterie, Jäger, Kavallerie, Artillerie, Genie, Train;
2) die Territorialarmee: 33 Infanterieregimenter (Dorobanzen), 12 Regimenter Kavallerie (Kalaraschi), 18 Batterien;
3) die Miliz (32 Bataillone). Wehrpflichtig sind alle Rumänen vom 21. bis 46. Jahr; die Dienstzeit für das stehende Heer ist 3 Jahre aktiv, für die Territorialarmee bei den Dorobanzen 5 Jahre, bei den Kalaraschi 4 Jahre. Das Los entscheidet, ob jemand in das stehende Heer oder die Territorialarmee eintritt. Die aus der aktiven Armee Entlassenen gehören bis zum 30. Lebensjahr der Reserve, bis zum 46. Lebensjahr der Miliz an. Die Dorobanzen werden nur monatlich zehn Tage zum Dienst herangezogen; die Miliz übt Sonntags.
Die Armee ist zum größten Teil mit Martiny-Gewehren bewaffnet, die Artillerie hat Kruppsche Kanonen. Es bestehen eine Militärwaffenfabrik, eine Offizierschule (Bukarest), eine Unteroffizierschule (Bistritza) und 14 Militärspitäler. Seit 1885 wird Bukarest in eine starke Festung mit 18 Gürtelforts umgeschaffen. Ebenso ist die Befestigung der Serethlinie nach Schumannschem System in Angriff genommen. Die Kriegsmarine besteht aus einem Torpedokreuzer, 2 Radavisos, 6 Kanonenbooten, 5 Torpedofahrzeugen, einem Schulschiff und 10 Schaluppen; die Bemannung zählt 1751 Mann (darunter 46 Offiziere und Ingenieure). - Das Wappen Rumäniens (s. Tafel »Wappen«) ist ein schwarz und weiß quadrierter Mittelschild;
im ersten, blauen Felde des Hauptschildes befindet sich ein gekrönter goldener Adler mit silbernem Kreuz im Schnabel (dem alten Wappen der Walachei entnommen), im zweiten, roten Feld ein schwarzer Stierkopf mit goldenen Hörnern, zwischen denen ein goldener Stern steht (für die Moldau);
im dritten, roten Feld steigt aus einer Königskrone ein doppelschwänziger goldener Löwe zur Hälfte hervor;
im vierten, blauen Feld zwei mit den Köpfen gegeneinander gekehrte Delphine.
Schildhalter sind zwei Löwen; darunter die Devise: »Nihil sine Deo«. Die Landesfarben sind Blau, Gelb und Rot; die Flagge ist vertikal gestreift (s. Tafel »Flaggen I«). [* ] An Orden bestehen: der Stern von Rumänien (seit 1877) und die Krone von Rumänien (seit Haupt- und Residenzstadt ist Bukarest.
Vgl. Neigebaur, Beschreibung der Moldau und Walachei (Bresl. 1854, 2 Bde.);
Obédénare, La Roumanie économique (Par. 1876);
Henke, Rumänien, Land und Volk (Leipz. 1877);
Beaure u. Mathorel, La Roumanie (Par. 1878);
Aurelian, Terra nostra (Bukar. 1880);
Filek v. Wittinghausen, Das Königreich Rumänien (2. Aufl., Wien 1881);
W. Götz, Das Donaugebiet mit Rücksicht auf seine Wasserstraßen (Stuttg. 1882);
Samuelson, Roumania past and present (Lond. 1882);
E. de Laveleye, La péninsule des Balcans (Brüssel 1886; deutsch, Leipz. 1888 ff.);
Blaramberg, Essai comparé sur les institutions, les lois et les mœurs de la Roumanie (Par. 1886);
Bergner, Rumänien, Land und Leute (Bresl. 1887);
»Statistica din Romania« (offizielles Sammelwerk);
»Annuaire de Roumanie«.
Eine Generalkarte der Walachei (1:288,000) des militärgeographischen Instituts in Wien erschien 1867 in 6 Blättern. Eine systematische Landesaufnahme fehlt bis jetzt.
Geschichte.
Die Ufergebiete der untern Donau waren in den ältesten Zeiten von dem thrakischen Volk der Geten oder Dacier, der östliche Teil zeitweilig auch von den Skythen bewohnt. Zur Abwehr der häufigen Einfälle der kriegerischen Dacier in die benachbarten römischen Provinzen hatte Rom wiederholt seine Legionen gegen sie zu schicken. Kaiser Trajan eroberte in zwei großen Feldzügen (101-106) Dacien, verwandelte es in eine römische Provinz und kolonisierte es mit Römern.
Die Blüte dieser Ansiedelungen dauerte bis zu den Einfällen der Goten (270). Kaiser Aurelianus zog die Legionen aus Dacien zurück und führte einen großen Teil der Kolonisten jenseit der Donau nach Mösien über, das fortan Aurelianisches Dacien hieß. Nunmehr ergoß sich der Strom der Barbaren über dieses Gebiet. Hunnen, Gepiden (450), Avaren (555), Slawen, Bulgaren (680), Ungarn (830), Petschenegen (900), Kumanen (1050) besetzten es nacheinander. Die germanischen Stämme verschwanden nach kurzem Aufenthalt, die slawischen und finnischen verschmolzen sich mit den dako-römischen Elementen allmählich zu dem rumänischen Volk, über dessen Schicksale während fast eines Jahrtausends wir wenig wissen (s. den Artikel Rumänen). Im 10. und 11. Jahrh. bildeten sich in verschiedenen Teilen Daciens kleinere Herzogtümer (Banate), von denen die in Siebenbürgen und an der Theiß gelegenen von den Ungarn unterworfen wurden. Die Fürstentümer südlich und östlich von den Karpathen widerstanden den Petschenegen, Kumanen und Tataren, bis sie sich im 14. Jahrh. zu zwei selbständigen Staaten, Moldau und Walachei, unter Führung kriegerischer Häuptlinge
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(Dragasch und Bassaraba) vereinigten. Damit schließt Rumäniens ältere Geschichte, und es beginnt die neue, welche bis zum Verfall der Fürstentümer unter der Fanariotenherrschaft reicht, und in welcher die Fürstentümer auf Grundlage von Verträgen oder Kapitulationen unter die türkische Suzeränität kamen. Näheres über diese Zeit s. Moldau und Walachei.
Die neuere Geschichte Rumäniens beginnt mit dem Pariser Frieden vom welcher das russische Protektorat in den Fürstentümern aufhob, einen Teil des russischen Bessarabien (Ismail, Bolgrad, Kahul) der Moldau zuteilte und außerdem in den Art. 23 und 25 bestimmte, daß die Bevölkerung selbst bezüglich der Grundlagen der Neugestaltung und der Verwaltungsreform befragt werden solle. Die Pforte verfügte nun die Abberufung der beiden Hospodare und ersetzte sie durch provisorische Kaimakame, deren Amt bis zur endgültigen Regelung der staatlichen Verhältnisse dauern sollte.
Zum Kaimakam in der Moldau wurde Theodor Balsch, nach dessen Tod (1857) Fürst Vogorides, in der Walachei Alex. D. Ghika ernannt. Im März 1857 erließ endlich die Pforte zwei Fermane behufs Einberufung der Volksversammlungen (Diwane), und Anfang Juni trat die internationale Kommission der Großmächte in Bukarest zusammen. Die Diwane versammelten sich im Oktober zu Bukarest und zu Jassy und beschlossen in gleichlautenden Programmen die folgenden Punkte:
1) Aufrechterhaltung der Autonomie und der Rechte der Fürstentümer;
2) Vereinigung derselben zu Einem Staat Rumänien; 3) erblicher Fürst aus einer herrschenden europäischen Dynastie;
4) Neutralität der Fürstentümer;
5) Ausübung der gesetzgebenden Gewalt durch eine Volksvertretung; dies alles unter der gemeinsamen Garantie der Vertragsmächte. Aber weder die Pforte noch die Mächte waren zur Bewilligung dieser Forderungen geneigt. Die Konferenz der Großmächte in Paris bestimmte vielmehr daß die Fürstentümer Tribut an die Pforte zahlen und je einen Hospodar wählen sollten, dem der Sultan die Investitur zu erteilen habe. Die neugewählten gesetzgebenden Versammlungen der Walachei und Moldau wählten jedoch Anfang 1859 beide den Obersten Alexander Cusa zum Fürsten und stellten dadurch zunächst eine Personalunion her, welche später zur Realunion führen sollte.
Cusa bestieg den Thron unter dem Namen Alexander Johann I., nachdem er zuvor eine Urkunde unterzeichnet hatte, wonach er sich verpflichtete, im Fall der Realvereinigung der Fürstentümer zu gunsten eines ausländischen Fürsten abzudanken. In der ersten Zeit seiner Regierung schon stellten sich die aus der Doppelstellung Cusas für die Verwaltung entspringenden Schwierigkeiten heraus. Mit zwei Ministerien, zwei Residenzen, in Jassy und Bukarest, und einer Zentralkommission in Fokschani, war eine komplizierte Maschinerie gegeben, mittels welcher die Organisation eines neuen Staats, die Einbürgerung der neuen Verfassung und die dadurch notwendig gewordenen durchgreifenden Reformen schwer durchgeführt werden konnten. Schon im April 1859 waren die Vertreter der sieben Vertragsmächte zu einer Konferenz zusammengetreten; sie erkannten zwar die Doppelwahl Cusas als der Konvention vom widersprechend nicht an, empfahlen aber doch der Pforte die Erteilung der Investitur, welche denn auch Anfang Oktober in zwei besondern Fermanen erfolgte.
Bei der durch die langjährige Fanariotenherrschaft verursachten Verderbtheit des herrschenden Bojarenstandes und der Armut und Verkommenheit der bäuerlichen Bevölkerung war ein gesundes politisches Leben nicht möglich. Parteileidenschaft schuf bald Hader zwischen den Versammlungen und dem Fürsten, führte zu fortwährendem Ministerwechsel (Cusa hatte während drei Jahren in der Moldau 6, in der Walachei 9 Ministerien), zu Auflösungen der Versammlungen, hemmte die Entfaltung der neuen Institutionen und ließ kein Vertrauen auf dieselben aufkommen.
Indes war Cusa, der allerdings durch sein leichtfertiges Leben bei den bessern Elementen Anstoß erregte, eifrig für die vollständige Union bemüht, und nach längern Verhandlungen zwischen den Vertretern der Vertragsmächte genehmigte endlich die Pforte wenigstens die zeitweilige Union mit der Bestimmung, daß die Zentralkommission aufgehoben werden und der Fürst unter Mitwirkung eines gemeinsamen Ministeriums und einer einzigen Nationalversammlung regieren solle.
Eine fürstliche Proklamation vom 8. Dez. erklärte hierauf die Gründung des einheitlichen Staats Rumänien unter dem Kabinettspräsidium des hochkonservativen B. Catargiu trat die erste einheitliche Nationalversammlung in Bukarest zusammen. Am wurde jedoch Catargiu beim Verlassen der Kammer am hellen Tag meuchlings erschossen. Die Kammer stellte sich dem neugebildeten ebenfalls konservativen Ministerium Cretzulesco feindlich gegenüber, wurde daher aufgelöst und vom Fürsten ein neues Kabinett unter Vorsitz Cogalnitscheanos gebildet, welches der neuen Versammlung versöhnlich gegenübertrat und Reformen in Aussicht stellte.
Die Kammer beschloß im Einvernehmen mit dem Kabinett die Abschaffung der Todesstrafe und der körperlichen Züchtigung sowie die Säkularisation der Klostergüter. Als jedoch die Kammer die Beratung eines neuen Wahlgesetzes verweigerte und dem Ministerium ein Tadelsvotum gab, wurde sie mittels Militärs gewaltsam aufgelöst. Eine Proklamation des Fürsten forderte das Volk auf, sich über ein Zusatzstatut der Pariser Konvention von 1858, enthaltend die Abänderung des Wahlgesetzes, Einführung des allgemeinen Wahlrechts, eines Senats und eines Staatsrats, auszusprechen. Die Volksabstimmung vom 22. Mai ergab 682,621 Stimmen mit Ja und 1307 mit Nein. Cusa reiste nun nach Konstantinopel, versicherte sich dort der Genehmigung der Pforte für den Staatsstreich, und nachdem auch die Mächte das Zusatzstatut und das neue Wahlgesetz bestätigt hatten, erfolgte deren Publikation 19. Juli.
Bis zum Zusammentritt der neuen Kammern übte Cusa eine unumschränkte Gewalt aus und benutzte sie, um mehrere wichtige Gesetze zu erlassen: ein Ruralgesetz, welches die Fronen ablöste und den Bauern Grundeigentum verlieh, ein Zivil-, Kriminal- und Handelsgesetzbuch nebst den Prozeßordnungen, eine neue Gerichtsorganisation, ein Unterrichtsgesetz u. a. Alle diese Reformen dienten aber nicht dazu, Cusas Ansehen zu befestigen. Als die Regierung die Einführung des Tabaksmonopols und die Ablieferung der Tabaksvorräte an den Staat für 15. Aug. anordnete, kam es in Bukarest zu einem Aufstand, dessen Unterdrückung mit Waffengewalt der Regierung auch keine dauernde Macht verlieh. Die Finanzen waren durch Verschwendung und mutwillige Ausgaben zerrüttet; für 1865 ergab sich ein Defizit von 17 Mill., während anderseits Mißernten und Hungersnot die Steuerkraft des Landes erschöpft hatten und dieses dem Bankrott nahebrachten. Die Allmacht von Günstlingen (wie
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dem Ostender Kellner Librecht) und Mätressen beleidigte die gebildeten Klassen. Dies beschleunigte die Bildung einer Verschwörung. In der Nacht vom 22. zum drangen die Verschwornen in den Palast, dessen Wache gewonnen war, und erbrachen die Thür des fürstlichen Schlafgemachs; Cusa wurde gezwungen, abzudanken, und verließ Rumänien. Eine provisorische Regierung konstituierte sich sodann mit einem Koalitionsministerium aus allen Parteischattierungen.
Beide Kammern wählten hierauf einstimmig den Grafen von Flandern, jüngern Bruder des Königs der Belgier, zum Fürsten. Da derselbe die Wahl ablehnte, ordnete die Regierung in einer Proklamation vom 14. April eine Volksabstimmung über die Wahl des Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen an, welche 20. April mit günstigem Ergebnis erfolgte. Die Konstituierende Versammlung proklamierte die Wahl 13. Mai, und Fürst Karl I. hielt seinen Einzug in Bukarest unter den jubelnden Zurufen der Bevölkerung (22. Mai). Die neue freisinnige Verfassung, nach belgischem Muster, wurde in kürzester Frist ausgearbeitet und vom Fürsten beschworen und veröffentlicht (11. Juli). Die Mächte erkannten die neue Ordnung der Dinge und die Wahl des neuen Fürsten an (24. Okt.).
Unter dem Fürsten Karl I. nahm das Land auf vielen Gebieten einen mächtigen Aufschwung, und die freie Entfaltung des Verfassungslebens erlitt von obenher keinerlei Beengung. Doch wurde der stetige, gesunde Fortschritt beeinträchtigt durch das Repräsentativsystem und durch das Hereinziehen politischer Rücksichten in alle ökonomischen Fragen, während die Finanzen unter der Entfaltung eines für den jungen Staat und seine Hilfsquellen zu beschwerlichen Verwaltungsapparats sowie durch zu überstürzte Ausgaben arg litten.
Das Volk war politisch noch ganz unreif, und der Staat war ein Spielball in den Händen gewissenloser, ehrgeiziger Politiker. Der Fürst hatte sich der Partei der Liberalen (Roten) angeschlossen, deren Führer Joan Bratianu war, weil diese allein stark genug war, eine Regierung zu stützen; die Partei der Weißen (der Bojaren) zerfiel in einzelne machtlose Cliquen. Das Ministerium Bratianu schloß 1868 mit Strousberg einen Eisenbahnvertrag, der zwar die wirtschaftliche Entwickelung Rumäniens erst ermöglichte, aber dem Land große Lasten auferlegte und es in ernste finanzielle Verlegenheiten stürzte.
Judenkrawalle und Umtriebe von Bulgarenbanden, welche das Mißtrauen der Pforte und Österreichs erregten, führten im November 1868 den Sturz der Liberalen herbei. Die konservativen Ministerien Cogalnitscheano (1868 bis Februar 1870), Golesco (Februar bis Mai 1870) und Epureano (Mai bis Dezember 1870) konnten sich nicht lange halten. Als das Ministerium Ghika (Dezember 1870 bis März 1871) eine brutale Störung des deutschen Friedensfestes ungeahndet ließ, drohte der Fürst mit Abdankung und erlangte dadurch, daß ein konservatives Ministerium Lascar Catargiu sich bildete und den Fürsten nachdrücklich unterstützte. 1872 wurde nach dem Bankrott Strousbergs das Eisenbahnwesen durch Gesetz geregelt und mit der neugebildeten Gesellschaft in Berlin eine Übereinkunft erzielt, das Tabaksmonopol eingeführt, um die Finanzen zu heben, und mehrere Anleihen bewilligt. Da 1876 die Wahlen liberal ausfielen, trat Catargiu zurück, und Florescu bildete 17. April ein neues Ministerium, das aber im Senat Widerstand fand und schon 6. Mai zurücktrat. Nun bildete Epureano ein neues, dessen Präsidium 5. Aug. Bratianu übernahm, der sich nun dauernd behauptete.
Die Bemühungen, das Land sittlich, geistig und materiell zu heben, der Korruption in den höhern Schichten, dem Stumpfsinn und der rohen Borniertheit des niedern Volkes zu steuern, erlitten eine nachteilige Unterbrechung durch den russisch-türkischen Krieg 1877, durch welchen Rumänien, wo man die panslawistischen Hetzereien Rußlands mit Mißtrauen beobachtet hatte, in eine mißliche Zwangslage geriet; nur einige chauvinistische Kreise ergriffen mit Begier die Gelegenheit, das ersehnte »großrumänische Reich« (mit Siebenbürgen etc.) gründen zu wollen. Da weder in dem Pariser Vertrag die Neutralität des rumänischen Territoriums ausdrücklich bestimmt war, noch die letzte Konferenz der Mächte in Konstantinopel, trotz dringendsten Ersuchens von seiten Rumäniens, diese Neutralität aussprechen wollte, so sah sich Rumänien veranlaßt, angesichts der russischen Invasion mit Rußland ein Bündnis abzuschließen, wofür Rußland auf eine Ablösung der Ansprüche russischer Klöster auf rumänische Güter einging.
Die russischen Heere, welche 24. April den Pruth überschritten hatten, besetzten bald alle Hafenstädte, während die rumänischen Truppen sich in der Kleinen Walachei zusammenzogen. Gegen den Willen Rußlands proklamierten die Kammern 21. Mai die völlige Unabhängigkeit Rumäniens und verfügten die Einstellung der Tributzahlung. Die rumänischen Truppen blieben einstweilen auf dem linken Donauufer, da Rußland in hochmütiger Siegesgewißheit ihre aktive Teilnahme am Krieg als besondere Armee verschmähte.
Nach den Niederlagen im August jedoch wurde ihre Hilfe in Anspruch genommen, drei rumänische Divisionen (35,000 Mann mit 108 Geschützen) vereinigten sich mit einem russischen Korps in Bulgarien unter dem Oberbefehl des Fürsten und nahmen 11. und 12. Sept. an dem nur teilweise erfolgreichen Sturm auf Plewna mit Auszeichnung teil, so daß sie den Bemühungen des Fürsten um ihre Organisation und Ausbildung ein glänzendes Zeugnis gaben. Am 19. Okt. unternahmen die Rumänen einen Sturm auf die Bukowacredoute bei Plewna, der jedoch unter empfindlichen Verlusten abgeschlagen wurde.
An der endlichen Einnahme Plewnas (10. Dez.) hatten die Rumänen entschiedenen Anteil, und Osman Pascha übergab sich ihnen, wurde aber den Russen ausgeliefert. Hierauf belagerten und eroberten die Rumänen Widdin. Dennoch mußte Rumänien bald den Undank des übermächtigen Alliierten erfahren. Zu den Verhandlungen über den Frieden von San Stefano wurde es gar nicht zugezogen. Rußland erwirkte zwar von der Pforte die Anerkennung der rumänischen Unabhängigkeit, forderte nun aber die Rückgabe des 1856 an die Moldau abgetretenen Bessarabien gegen die viel wertlosere Dobrudscha. Vergebens wendete sich an den Berliner Kongreß; dieser machte sogar die Aufhebung aller Beschränkungen der Juden zur Bedingung der Anerkennung der Souveränität. Die rumänischen Kammern mußten die Abtretung Bessarabiens genehmigen, worauf dieses geräumt und 25. Nov. die Dobrudscha okkupiert wurde.
Da die von den Mächten geforderte Gleichstellung der Juden eine Verfassungsänderung notwendig machte, so mußten 1879 besondere Revisionskammern gewählt werden. Diese sträubten sich lange gegen die Judenemanzipation, da sie die Existenz des Bauernstandes in der Moldau, wo die in Religion, Sprache und Sitten durchaus fremden Juden besonders zahlreich sind, zu gefährden drohte. Als jedoch ein Versuch der Regierung, bei den Mächten eine Milderung zu erlangen, erfolglos blieb, so wurde im Oktober
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1879 das Gesetz angenommen, welches jeden Unterschied der Religion hinsichtlich der bürgerlichen Rechte aufhob, für Fremde aber die Erwerbung des Indigenats, das zum Ankauf von Grundbesitz berechtigte, von einem zehnjährigen Aufenthalt in Rumänien abhängig machte. Hierauf erfolgte die Anerkennung der Souveränität Rumäniens durch die Mächte. Die Unabhängigkeit des Landes wurde ferner gefördert durch den Ankauf der Eisenbahnen und die Auflösung der rumänischen Eisenbahnaktiengesellschaft.
Das Tabaksmonopol wurde in Staatsregie übernommen, eine Nationalbank sowie Bodenkreditanstalten gegründet. Das Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen im Staatshaushalt wurde hergestellt und der Staatskredit dadurch außerordentlich gehoben. Die Territorialarmee ward reorganisiert und endlich, da die Ehe des Fürsten kinderlos war, ein Thronfolgegesetz beschlossen, welches einen Neffen des Fürsten, Prinz Ferdinand von Hohenzollern, zum Nachfolger bestimmte.
Nachdem auf diese Weise der Staat befestigt und in seinem Ansehen erhöht worden, proklamierten die Kammern Rumänien als Königreich. Fürst Karl wurde 22. (10.) Mai, 15 Jahre nachdem er die Regierung übernommen, in Bukarest feierlich zum König gekrönt. 1884 wurde für den König eine Kronapanage geschaffen, bestehend aus 12 Gütern mit 700,000 Gulden Einkommen. Das Ministerium Bratianu, das einer gemäßigt liberalen Richtung huldigte, aber ehrlich und eifrig thätig war, behauptete sich mit einer kurzen Unterbrechung (1881) während dieser ganzen Zeit im Besitz der Regierungsgewalt und verstand es, Gesetzlichkeit, Ordnung, Volksbildung und Wohlstand in Rumänien immer mehr zu heben. Von den orientalischen Wirren hielt sich Rumänien fern. In seiner äußern Politik schloß es sich vielmehr Österreich-Ungarn und Deutschland an und hielt auch trotz mancher Differenzen mit ersterer Macht in der Donaufrage (s. Donau, S. 56) u. in Handelsangelegenheiten an diesem Bündnis fest.
Deswegen wurde das Ministerium Bratianu von der sogen. konservativen Partei (den Bojaren), welche mit panslawistischen Wühlern aus Rußland in Verbindung stand, aufs heftigste angegriffen, doch lange ohne Erfolg, da bei allen Wahlen das Volk fast ausschließlich Anhänger der Regierung wählte, obwohl eine neue Verfassungsrevision die alten Wahlkollegien beseitigt, das Wahlrecht beträchtlich erweitert und den Einfluß der Regierung auf die Wahlen geschwächt hatte.
Erst nahm Bratianu infolge von Straßenkrawallen in Bukarest und Bauernaufständen seine Entlassung, zumal es seiner Partei, den Nationalliberalen, an Einigkeit fehlte und der Kriegsminister Angelescu der eindringenden Korruption nicht energisch entgegentrat, ja sich sogar an ihr beteiligte. An die Spitze der Regierung trat Th. Rosetti von der Partei der Junimisten, der von den Konservativen (Bojaren) unterstützt wurde; bei den Neuwahlen im Oktober erlangten die Konservativen die überwiegende Mehrheit in den Kammern, weswegen die Junimisten drei wichtige Ministerien an die Führer der Konservativen abtreten mußten.
Vgl. Laurianu, Istoria Romaniloru (4. Aufl., Jassy 1873);
Hasdeu, Kritische Geschichte der Rumänen (Bukar. 1874, franz. 1878);
Cogalnitscheanu, Cronice (das. 1874, 3 Bde.);
Schinkai, Cronica (das. 1886, 3 Bde.);
Tocilescu, Istoria Romanici (1888);
Vacarescu, Rumäniens Anteil am Krieg der Jahre 1877 und 1878 (Leipz. 1887);
Hurmuzaki, Documente privitore la istoria romana (Bukar. 1882, 14 Bde.);
Derselbe, Fragmente zur Geschichte der Rumänen (das. 1878-84, 5 Bde.) D. Sturdza, La succession au trône de Roumanie (1886);
Derselbe, Le dix Mai (1887).