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erleichtert und hat nur Schmerz bei Druck auf den Leib; bald aber beginnt der Leibschmerz von neuem, es tritt wieder Stuhlzwang und eine Entleerung ein. Dies wiederholt sich in 24 Stunden wohl 20-30mal. Im Verlauf der Krankheit gesellen sich allemal Fiebererscheinungen hinzu. Selbst bei den leichtesten Graden der Ruhr werden die Kranken durch den beträchtlichen Säfteverlust, durch die Schmerzen und die Schlaflosigkeit sehr angegriffen; sie bekommen ein bleiches Ansehen, der anfangs volle Puls wird klein, die Stimmung sehr niedergeschlagen, die Mattigkeit sehr groß; die Kranken erholen sich äußerst langsam.
Bei den höhern Graden der Ruhr, wo alle Symptome vom Unterleib her heftiger werden, ist der Puls sehr frequent und wird bald klein. Das Allgemeinbefinden ist schwer gestört, es ist starkes Fieber, völlige Appetitlosigkeit, trockne Zunge, höchste Entkräftung und mutlose Stimmung, oft auch Benommenheit der Sinne und leichtes Delirium vorhanden. Tritt hierbei der Tod an Entkräftung ein, so findet sich die Schleimhaut des Dickdarms in großer Ausdehnung durch flache diphtheritische Geschwüre zerstört, zuweilen brandig abgestorben und verschorft.
Die Milz ist geschwollen, Nieren und Leber zeigen jene sogen. parenchymatöse Trübung, die eine stete Begleiterin aller akuten ansteckenden Krankheiten ist. Geht die Krankheit in die chronische Form über, so hört das Fieber auf, es wechseln Durchfälle mit Verstopfung ab; zuweilen wird aber auch noch eine eiterige Flüssigkeit entleert, weil die Verschwärung der Darmschleimhaut fortschreitet. Die Kranken magern im höchsten Grad ab und gehen dabei nach monatelangem Siechtum, häufig unter Hinzutritt allgemeiner Wassersucht, zu Grunde.
Heilen endlich die auf der Darmschleimhaut entstandenen Substanzverluste, so leidet der Patient für den Rest seines Lebens an habitueller Verstopfung und den mannigfachen lästigen Folgen derselben. In den heißen Ländern gesellen sich zur Ruhr häufig Leberabscesse, denen die Kranken erliegen. Die einzelnen Ruhrepidemien sind nach ihrer Schwere verschieden; in manchen Fällen erfordern sie nur wenige Opfer, in andern, namentlich bei lange kampierenden Heeren und belagerten Städten, erreichen sie die Mortalität der schwersten Typhusepidemien, ja überschreiten dieselbe. Es ist wichtiger, die Ruhr zu verhüten, als sie zu behandeln, wenn sie einmal ausgebrochen ist.
Die von Ruhrkranken benutzten Gegenstände, namentlich Betten und Wäsche, dürfen unter keiner Bedingung von andern Personen gebraucht werden. Die Entleerungen von Ruhrkranken müssen in besondere Gruben geschüttet und mit einer Lösung von Eisenvitriol versetzt werden. Alle Schädlichkeiten, welche die Disposition für die Ruhr steigern, müssen sorgfältig vermieden und die geringsten Darmkatarrhe auf das genaueste überwacht werden. Die Diät muß eine besonders geregelte sein.
Ist die Ruhr aber einmal ausgebrochen, und tritt sie dabei in milder Form auf, so ist zunächst der Darm durch einen Löffel Rizinusöl oder etwas Tamarindendekokt von Zeit zu Zeit von seinen Kotmassen zu befreien. Der Kranke muß unbedingt das Bett hüten, darf nichts Festes genießen, sondern muß sich von Suppen nähren. Ist der Patient kräftig und vollsaftig, so ist eine schleimige Wassersuppe das Beste; ist er aber schwächlich, so muß von vornherein für Erhaltung der Kräfte durch konzentrierte Fleischsuppen, Wein etc. gesorgt werden.
Die Applikation von warmen Umschlägen oder unter Umständen von Blutegeln auf den Leib und an den After leistet gegen die Schmerzen gute Dienste. Klystiere von Stärkemehl mit Opium sind oft zu wiederholen. Wenn diese Behandlung nicht ausreicht, sowie bei schwereren Fällen der in welchen örtliche Blutentziehungen fast immer nötig werden, wird die innere Anwendung von Kalomel mit Opium oder von essigsaurem Blei mit Opium sehr empfohlen. Bei den höchsten Graden der Ruhr bleibt in der Regel jede Behandlung erfolglos; man muß sich dann darauf beschränken, durch Chinin, Wein, Kampfer, Moschus den Kräfteverfall aufzuhalten. Gegen die chronische Ruhr sind, wenn der Stuhlzwang aufgehört hat, adstringierende Klystiere (mit Tannin, salpetersaurem Silber etc.) oder auch dieselben adstringierenden Mittel innerlich anzuwenden.