mehr
Gedanken enthält. Aber auch in dem reinen Lied, in der poetischen Erzählung, in den Formen des Sonetts, der Terzine, Oktave etc. hat Rückert einen fast unerschöpflichen Stimmungs- und Formenreichtum zu Tage gelegt. Zwar ist nicht zu leugnen, daß uns unter der fast unübersehbaren Menge seiner kleinern und größern Gedichte vieles begegnet, dem höhere Bedeutung mangelt. Je nachdem die eine oder die andre Seite der oben erwähnten Hauptelemente der Begabung Rückerts in seinem Schaffen überwiegend hervertritt, erscheinen die schwächern seiner Erzeugnisse als mehr oder weniger inhaltsarme Sprachspielereien oder als mehr oder weniger kühle Reflexionspoesien.
Seine Sprachvirtuosität, die z. B. in den Nachbildungen der Haririschen Makamen an wortbildender, wortfindender und wortzwingender Geschicklichkeit das Unglaubliche verwirklicht, verführte den Dichter nicht selten zu Künsteleien, die staunenerregend, aber nicht eigentlich poetisch wirken, und anderseits trifft man häufig bei Rückert auf gnomische Gedichte, die nicht viel mehr als in Verse gebrachte geistreiche Pointen heißen können. Trafen aber in seinem Schaffen beide Elemente mit der echten Poetenstimmung schöpferischer Begeisterung zusammen, so waren Kunstwerke edelster Art und höchster Vollendung die Frucht dieser Vereinigung.
Rückerts höchste Meisterschaft besteht darin, daß er dem scheinbar Unbedeutendsten eine poetische Bedeutung abzugewinnen verstand, wie sich das besonders in seinen »Haus- und Jahresliedern« bekundet, in denen an das Geringste und Unscheinbarste in ungezwungener Verknüpfung überaus liebliche und bedeutende Ideen gereiht erscheinen. Aber auch das Großartige und Tiefsinnige war dem Dichter mit Künstleraugen zu ergründen und mit Prophetenmund zu verkünden verliehen.
Erlaf - Erlangen

* 2
Erlangen.Rückerts »Gesammelte Gedichte« erschienen Erlangen [* 2] 1834-38, 6 Bände; Frankfurt [* 3] a. M. 1843, 3 Bände; eine Auswahl derselben das. 1841 (22. Aufl. 1886). Eine Gesamtausgabe seiner »Poetischen Werke« umfaßt 12 Bände (Frankf. 1867-69 u. 1881). Nach dem Tode des Dichters erschienen aus seinem Nachlaß: »Lieder und Sprüche« (Frankf. 1866);
»Aus Friedrich Rückerts Nachlaß« (Leipz. 1867, Übersetzungen von 20 Idyllen des Theokrit, von Aristophanes' »Vögeln« und der »Sakuntala« des Kalidasa enthaltend);
»Kindertotenlieder« (Frankf. 1872; neue Ausg. u. d. T.: »Leid und Lied«, das. 1881);
die Übersetzung von Saadis »Bostan« (hrsg. von Pertsch, Leipz. 1882);
Teile einer Übersetzung des Korans (hrsg., von A. Müller, Frankf. 1888) und »Poetisches Tagebuch, 1850-1866« (das. 1888).
Die zuerst in den »Wiener Jahrbüchern der Litteratur« (1827-28) veröffentlichten philologischen Abhandlungen wurden von Pertsch unter dem Titel: »Grammatik, Poetik und Rhetorik der Perser« (Gotha [* 4] 1874) neu herausgegeben.
Vgl. Fortlage, Rückert und seine Werke (Frankf. 1867);
Beyer, Friedrich Rückert. Ein biographisches Denkmal (das. 1868);
Derselbe, Neue Mitteilungen über Friedr. Rückert (Leipz. 1872-73, 2 Bde.);
Derselbe, nachgelassene Gedichte Rückerts und neue Beiträge zu dessen Leben u. Schriften (Wien [* 5] 1877);
Boxberger, Rückert-Studien (Gotha 1878);
Amelie Sohr, Heinrich Rückert (der Sohn des Dichters, dessen Biographie vieles auf den Vater Bezügliche enthält, Weim. 1881).
Zittau - Zittel

* 6
Zittau.2) Leopold Immanuel, protest. Theolog, geb. 1797 zu Großhennersdorf in der Oberlausitz, ward 1819 Diakonus in seinem Geburtsort, 1825 Subrektor und 1840 Konrektor am Gymnasium in Zittau [* 6] und folgte 1844 einem Ruf als Professor der Theologie nach Jena, [* 7] wo er als Geheimer Kirchenrat starb. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: mehrfach aufgelegte Kommentare über die Briefe Pauli an die Römer, [* 8] Galater, Epheser, Korinther;
ferner »Theologie« (Leipz. 1851-52, 2 Bde.);
»Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten Kirche« (das. 1856);
»Ein Büchlein von der Kirche« (Jena 1857);
»Der Rationalismus« (das. 1859);
»Kleine Aufsätze« (Berl. 1861).
3) Heinrich, deutscher Geschichtschreiber und Germanist, Sohn von Rückert 1), geb. zu Koburg, [* 9] studierte 1840-44 in Erlangen, Bonn [* 10] und Berlin [* 11] Philologie, habilitierte sich 1845 in Jena für Geschichte und deutsche Altertumskunde, ward 1852 Professor zu Breslau [* 12] und starb daselbst Er hat sich unter anderm durch folgende Werke bekannt gemacht: »Annalen der deutschen Geschichte« (Leipz. 1850, 3 Bde.; 2. Aufl. als »Deutsche [* 13] Geschichte« 1861 und ergänzt 1873);
»Geschichte des Mittelalters« (Stuttg. 1853);
»Geschichte der Neuzeit« (das. 1854);
»Allgemeine Weltgeschichte« (mit Flegler, das. 1861);
»Lehrbuch der Weltgeschichte in organischer Darstellung« (Leipz. 1857, 2 Tle.);
»Kulturgeschichte des deutschen Volkes in der Zeit des Übergangs aus dem Heidentum in das Christentum« (das. 1853-54, 2 Bde.).
Ferner sind zu erwähnen seine Ausgaben von Werken der ältern deutschen Litteratur, so vom »Leben des heil. Ludwig, Landgrafen von Thüringen« (Leipz. 1851),
von »Der welsche Gast des Thomasin von Zirclaria« (Quedlinb. 1852),
vom »Marienleben des Bruders Philipp vom Kartäuserorden« (das. 1853) sowie vom »Lohengrin« (das. 1858),
»König Rother« (Leipz. 1874),
»Heliand« (das. 1876) und die »Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache« (das. 1875, 2 Bde.). Aus seinem Nachlaß gab Pietsch heraus: »Entwurf einer systematischen Darstellung der schlesischen Mundart im Mittelalter« (Paderb. 1878).
Vgl. Amelie Sohr und Reifferscheid, Heinrich in seinem Leben und seinen kleinern Schriften (Weim. 1877-80, 3 Bde.).