Technischen einer der größten
Meister der
Bühne. Als dramatischer Schriftsteller verfaßte er mehrere
Stücke, darunter
»Adele«
(für die
Ristori). Außerdem veröffentlichte er: »Studii dramatici«
(Flor. 1885; deutsch: »Shakespeare-Studien«, Leipz.
1885) u. seine Selbstbiographie »Quarant' anni di
vita artistica«
(Mail. 1887-88, 2 Bde.).
(lit. Rosejnej), Kreisstadt im russ.
GouvernementKowno, am Flüßchen Rossienka, hat 3 orthodoxe, 2 katholische
und eine evang.
Kirche, 2 öffentlicheBibliotheken, bedeutenden
Handel mit
Preußen
[* 3] und (1885) 11,512 Einw.
(⅔
Juden).
In der
Nähe alte
Befestigungen und Grabhügel. Rossiény war ehemals Hauptstadt von
Samogitien. In deutschen
Chroniken
kommt es als Rossigen, Ruschigen und Rasseyne vor.
Gioacchimo ^[richtig: Gioacchino]
Antonio,
Komponist, geb. zu
Pesaro im
Kirchenstaat
als Sohn einer umherziehenden Musikerfamilie, machte seine ersten musikalischen
Studien von 1804 an unter Leitung Teseis zu
Bologna und erhielt später daselbst vom
Pater Mattei gründlichen
Unterricht im
Kontrapunkt. Dem strengen
Schulzwang sich zu
unterwerfen, war indessen Rossini bei seiner ganzen musikalischen
Organisation sowie bei seinem Drang, zu produzieren
und namentlich als Opernkomponist aufzutreten, nicht geneigt; kaum im
Besitz der notwendigen tonsetzerischen Fertigkeiten,
entzog er sich daher der Unterweisung des gelehrten
Paters, um sich auf eigne
Hand
[* 4] fortzuhelfen, zunächst indem er Haydnsche
und Mozartsche
Symphonien und
Quartette aus den
Stimmen in
Partitur setzte.
Die ersten größern Kompositionsversuche bestanden in einer
Kantate: »Il pianto d'armonia«, einer
Symphonie
und mehreren
Streichquartetten (1808 u. 1809).
Sein erstes dramatische Werk, die 1810 für
Venedig
[* 5] geschriebene einaktige komische
Oper »La cambiale di matrimonio«, hatte leidlichen Erfolg. Ihr folgten
1811: »L'equivoco stravagante« (für
Bologna geschrieben) und »Demetrio e Polibio«, die zu
Rom
[* 6] aufgeführt wurde, und
in welcher namentlich ein
Quartett sehr ansprach.
Der steigende
Ruf seines
Talents verschaffte Rossini bald eine ungewöhnliche Zahl von
Bestellungen, welchen er immer in kurzer Zeit,
freilich öfters nicht ohne
Flüchtigkeit, zu entsprechen wußte. 1812 brachte er fünf
Opern auf die
Bühne, die, wenn auch
nur teilweise erfolgreich, doch sämtlich die geniale Begabung ihres
Autors unzweideutig bekundeten. Der
eigentliche
Ruhm Rossinis datiert indes erst von 1813, in welchem Jahr seine
Oper »Tancredi« zu
Venedig über die
Bühne ging
und ganz
Italien
[* 7] in einen
Rausch des
Entzückens versetzte. In demselben Jahr brachte Rossini daselbst noch die komische
Oper »L'Italiana
inAlgeri«, die nicht minder gefiel, und 1814 in
Mailand
[* 8] die
Opern: »Aureliano in
Palmira« und »Il
Turco in
Italia« (ein Seitenstück zur »Italienerin in
Algier«) ohne besondern Erfolg zur Aufführung, während die ernste
Oper »Elisabetta«,
die er 1815 für den
Impresario Barbaja in
Neapel
[* 9] schrieb, wieder ungemeines
Glück machte.
Letzterer folgte 1816 in
Rom die
Oper »Torvaldo e Dorlisca«, welche halb
Fiasko machte, und dann sein berühmtestes
Werk: »Il barbiere di Seviglia«, in welchem an Melodienreichtum, sprudelndem
Humor und dramatischer Schlagkraft sich
selbst übertroffen hat, was freilich nicht hinderte, daß die
Oper bei ihrem ersten
Erscheinen ausgepfiffen wurde, weilman es dem
Künstler als Anmaßung vorwarf, denselben
Stoff komponiert
zu haben, durch den sein Vorgänger
Paisiello (s. d.) das römische
Publikum für sich gewonnen hatte.
Von den in den nächsten
Jahren entstandene
Opern sind als die vorzüglichsten und erfolgreichen zu nennen: »Otello« (Neap.
1816);
Indessen arbeitete er sowohl für die
Italienische als für die
GroßeOper, indem er 1825 die
KrönungKarls
X. mit der
Oper »Il viaggio a
Reims«
[* 15] verherrlichte, 1826 seinen »Maometto« für die
GroßeOper umgearbeitet als »Le
[* 16] siége de
Corinthe« auf die
Bühne brachte, eine noch durchgreifendere Umarbeitung mit
»Mosè« vornahm, der 1827 als »Moise en Égypte«
mit großem Beifall aufgeführt wurde, und endlich 1829 sein reichstes und gediegenstes Werk,
»GuillaumeTell«, schuf.
Mit letzterm beschloß Rossini fast 40 Jahre vor seinem
Tode, trotz vollkommener geistiger und körperlicher
Frische, seine Laufbahn
als Opernkomponist und gab so der
Welt ein in der
Kunstgeschichte vielleicht einziges
Schauspiel von Entsagung und Selbstbeschränkung.
In derFolge veröffentlichte er nur noch ein
»Stabat mater« (1842) und einzelne kleinere
Kompositionen,
darunter
»Soirées musicales«, eine Sammlung ein- und zweistimmiger
Gesänge. Einen
Prozeß wegen der infolge der
Julirevolution
ihm entzogenen Staatspension gewann er. Nachdem er darauf einige Jahre hindurch Mitunternehmer der
ItalienischenOper in
Paris
gewesen, wandte er sich 1836 wieder nach
Italien, wo er meist in
Bologna lebte, kehrte aber 1855 nach
Paris
zurück. Er starb auf seinem Landsitz in
Passy
sein
Leichnam wurde im
Panthéon zu
Florenz
[* 17] beigesetzt.
Um Rossini, der von einer Seite ebenso maßlos vergöttert wie von andrer Seite verdammt worden
ist, gerecht zu werden, muß man ihn aus seiner Zeit und seinem
Volk heraus beurteilen;
er ist durchaus
Italiener und zwar
nicht nur der vielseitigste, sondern zugleich der am reinsten nationale
Komponist der neuern italienischen
Oper;
er betrachtete
die
Musik nicht von jenem idealen Standpunkt eines
Händel,
Gluck, Beethoven, sondern als eine
Sache leichten,
gefälligen Genusses.
Das Gelingen seines
Strebens, durch die
Musik nur auf sinnlich angenehme
Weise zu unterhalten, dankt er
neben seiner genialen Begabung der
Stimmung der Zeit, der sogen. Restaurationsepoche (1815-30), während welcher das von den
vorangegangenen
¶
mehr
politischen Kämpfen erschlaffte Europa
[* 19] nichts weiter beanspruchte als behaglichen Lebensgenuß. Daher wird mit Recht in der
Geschichte der Musik Rossini neben Beethoven (freilich als dessen Antipode) als Hauptrepräsentant der drei ersten Dezennien des 19. Jahrh.
betrachtet. Um gründliche tonkünstlerische Ausbildung war er, wie oben schon erwähnt, wenig bekümmert; auch Ausarbeiten
und Durchbilden eines Werkes war seine Sache selten; er arbeitete meist nach einer geschickt entworfenen und glücklich auf
den Effekt berechneten Schablone und scheute sich nicht, gewisse Gänge, Harmoniefolgen, Crescendos, Kadenzen etc. immer und immer
wieder in gleicher Weise anzubringen.
Aber bei aller Flüchtigkeit der Arbeit enthalten Rossinis Opern doch Stellen von unvergänglicher Frische
und Schönheit. Seine Melodien wirken unwiderstehlich durch Anmut und sinnlichen Reiz. Dabei bekundet er den feinsten Sinn für
Wohlklang, für abgerundete, überschauliche Formen und behandelt die menschliche Stimme wie auch die Instrumente mit Meisterschaft.
Als sein eigenstes und vollendetstes, in allen Teilen harmonisch zusammenstimmendes Werk ist der »Barbier«
zu bezeichnen; als sein reichstes und gediegenstes aber der »Tell«, mit dem sich Rossini unerwarteterweise einer Richtung zuwandte,
die der bis dahin von ihm verfolgten gegenüber klassisch zu nennen ist.
Hier findet sich von allen Manieren, welche die frühern Opern Rossinis so scharf charakterisieren, wenig oder nichts, dagegen
ungemeiner Formenreichtum, großartige Anlage des Ganzen und sorgfältigste Durchbildung des Einzelnen, kurz alle Eigenschaften,
welche das Wesen der französischen großen Oper ausmachen, ein neuer Beweis für die schöpferische Kraft
[* 20] und geistige Elastizität
des Künstlers. Seine wenigen Kirchenstücke (»Stabat mater«, eine 1864 geschriebene, aber erst nach seinem Tod aufgeführt
Messe etc.) sind als solche von keiner Bedeutung. SeinLeben beschrieben Beyle-Stendhal (Par. 1823, neue
Ausg. 1854), Azevedo (das. 1865), Edwards (Lond. 1869, kürzer 1881), Montrond (3. Aufl., Par.
1887), Zanolini (Bologna 1875) und Sittard (Leipz. 1882).