mehr
Hierin war den Tribunen bereits der Konsul Sp. Cassius vorangegangen, aber dem Widerstand der Patrizier unterlegen; es folgte nun eine Reihe von Ackergesetzen der Tribunen, durch die jedoch ebensowenig etwas erreicht wurde. Hierauf aber nahm der Kampf 462 eine neue Richtung. Der Tribun Gajus Terentilius Arsa stellte in diesem Jahr den Antrag, daß die Konsuln, statt wie bisher nach Gutdünken und nach den innerhalb ihres Standes fortgepflanzten Satzungen ihr richterliches Urteil zu fällen, an bestimmte geschriebene Gesetze gebunden werden sollten.
Infolge hiervon wurde nach einem langen Kampf 451 unter Aufhebung aller bisherigen Magistrate eine Kommission von zehn Männern zur Aufzeichnung der Gesetze (decemviri legibus conscribendis) eingesetzt, welche zehn Gesetzestafeln zu stande brachten. Auch für das Jahr 450 wurden wieder Dezemvirn gewählt, und durch diese wurden noch zwei Tafeln hinzugefügt. Auf diese Art wurde das Zwölftafelgesetz, die Quelle [* 2] alles öffentlichen und Privatrechts, geschaffen und damit nicht nur der Willkür der Magistrate abgeholfen, sondern auch den Plebejern die Kenntnis des Rechts eröffnet.
Die zweiten Dezemvirn hatten aber die ihnen verliehene außerordentliche Gewalt in despotischer Weise ausgeübt; sie wagten es ferner, nachdem ihr Jahr abgelaufen, ihr Amt widerrechtlich fortzuführen, und hierzu fügte Appius Claudius, das Haupt derselben, noch den empörenden Frevel an der Virginia (s. d.); es erhob sich daher ein Aufstand des Volkes gegen sie, durch welchen sie gestürzt und die alten Ordnungen wiederhergestellt wurden und nun wurden, um das aufgebrachte Volk zu beruhigen, zwei volksfreundliche Männer, L. Valerius und M. Horatius, für 448 zu Konsuln ernannt.
Diese ließen durch ein besonderes Gesetz die Unverletzlichkeit der Volkstribunen von neuem bestätigen und gaben außerdem noch zwei volkstümliche Gesetze, durch welche den Tributkomitien die gleiche Geltung mit den Centuriatkomitien verliehen und für alle Zeiten die Wahl eines Magistrats ohne Provokation verboten wurde. Einen weitern Fortschritt machte dann das Volk 445. In diesem Jahr wurde durch ein Gesetz des Gajus Canulejus die Schließung vollgültiger Ehen zwischen Patriziern und Plebejern (das Conubium zwischen beiden Ständen) gestattet und von den Tribunen ein Gesetz gegeben, wonach es zulässig sein sollte, statt der Konsuln Militärtribunen mit konsularischer Gewalt (tribuni militum consulari potestate) zu wählen, und daß zu diesem Amt auch Plebejer wählbar sein sollten.
Zwar strengten die Patrizier alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel an, um entweder die Wahl von Konsulartribunen überhaupt oder wenigstens die von Plebejern zu verhindern, und es wurde hierüber eine lange Reihe von Jahren ein erbitterter Kampf geführt; auch hatten die Patrizier die Zensur (s. d.) vom Konsulat abgeschieden und für sich vorbehalten. Indessen war doch schon damit viel gewonnen, daß die Zulassung der Plebejer zu dem höchsten Amt im Prinzip anerkannt worden war, und 400 wurde wirklich die Wahl von 4, 399 von 5 plebejischen (unter 6) Konsulartribunen durchgesetzt. Schon vorher (409) waren in ein geringeres Amt, in das der Quästoren, 3 Plebejer gewählt worden.
Alle Fortschritte nach außen und die Vorbereitungen zu einer weitern Entwickelung im Innern schienen aber zerstört zu werden, als Rom 390. v. Chr. durch den Einfall der Gallier überflutet und wenigstens für den Augenblick so gut wie völlig vernichtet wurde. Die Römer [* 3] hatten dieselben, als sie in Etrurien eingefallen waren, durch eine Verletzung des Völkerrechts (s. Fabius 5) herausgefordert. Die Gallier brachen sofort gegen Rom [* 4] auf, schlugen am 16. Juli 390 (der Tag galt seitdem für unheilbringend, für einen dies ater) das eilig zusammengebrachte römische Heer an der Allia, drangen in Rom ein, zündeten die Stadt an und belagerten dann die Römer, die sich auf das Kapitol geflüchtet hatten.
Hier wurde den Galliern zwar ein kräftiger Widerstand geleistet;
ein Versuch, das Kapitol in der Nacht heimlich zu ersteigen, wurde durch die Wachsamkeit der heiligen Gänse und durch den Mut und die Geistesgegenwart des M. Manlius glücklich vereitelt;
endlich aber wurde die Besatzung doch durch Hunger genötigt, in Unterhandlung zu treten;
die Gallier verstanden sich dazu, gegen ein Lösegeld von 1000 Pfd. Gold [* 5] die Stadt zu räumen, und der Konsulartribun Sulpicius war eben damit beschäftigt, das Gold dem Führer der Gallier, Brennus, zuzuwägen, wobei dieser mit dem Rufe: »Vae victis!« (»Wehe den Besiegten!«) noch sein Schwert zu den Gewichten in die Wagschale warf, als Camillus mit einem mittlerweile aus den römischen Flüchtlingen gebildeten Heer erschien und den Galliern erst in der Stadt, dann noch einmal 8 römische Meilen von derselben eine völlige Niederlage beibrachte. So war zwar die Unterwerfung Roms unter die Gallier abgewendet;
allein wenn auch wirklich zuletzt jene glänzenden Siege gewonnen wurden (es gibt nämlich auch eine Überlieferung, nach welcher die Gallier mit dem ausbedungenen Lösegeld ungehindert abzogen, nur weil ihnen das ausgesogene Land den nötigen Unterhalt nicht mehr gewährte), so befand sich doch die Stadt nach dem Abzug der Feinde in der unglücklichen Lage.
Die abgebrannten Häuser mußten in aller Eile wieder aufgebaut werden, wodurch der ärmere Teil der Bevölkerung [* 6] wieder in schwere Schulden geriet, und zugleich mußten die benachbarten Völker, die sich von der ungern ertragenen Herrschaft oder Oberhoheit Roms losrissen, abgewehrt und wieder unterworfen werden; es waren daher in den nächsten Jahren schwere Kriege mit den Galliern, Etruskern, Volskern, Äquern und selbst mit einem Teil der Latiner zu führen, welche hauptsächlich durch das Feldherrntalent des Camillus zu einem glücklichen Ende gebracht wurden.
Im Innern war das Volk durch seine patrizischen Gläubiger so völlig niedergedrückt, daß es nicht wagte, den Anmaßungen der Patrizier irgend einen Widerstand entgegenzustellen. Als daher 385 M. Manlius, der Retter des Kapitols, sich zum Helfer für das arme Volk aufwarf und mit Aufopferung seines Vermögens eine große Zahl Schuldner loskaufte, wurde derselbe erst ins Gefängnis geworfen und, als er, aus demselben entlassen, in seinen edlen Bestrebungen nicht nachließ, sogar auf die Anschuldigung, daß er nach der Königskrone strebe, 384 zum Tod verurteilt.
Erst 376 wurde der Kampf von den beiden Volkstribunen Gajus Licinius Stolo und L. Sextius wieder aufgenommen. Diese stellten die drei Gesetzesanträge (leges Liciniae), 1) daß von den Schulden die gezahlten Zinsen in Abzug gebracht und der Rest binnen drei Jahren bezahlt werden, 2) daß kein Bürger mehr als 500 Morgen vom Staatsland (Ager publicus) besitzen, und 3) daß wieder Konsuln gewählt werden und einer derselben ein Plebejer sein solle. Der Kampf über diese Gesetze dauerte zehn Jahre und war überaus heftig. Allein 367 wurden diese Gesetze durchgebracht, und nun wurden auch die übrigen Ämter von den Plebejern nach und nach erobert: 356 wurde zuerst ein plebejischer Diktator, 351 ein plebejischer Zensor ernannt;
337 wurde auch die ¶
mehr
Prätur, welche 367 für die Rechtspflege eingesetzt und den Patriziern vorbehalten worden war, mit einem Plebejer besetzt, und 300 erlangten die Plebejer endlich durch die Lex Ogulnia den Zugang zu dem Augurat und Pontifikat. Hiermit war hinsichtlich sämtlicher politisch bedeutender Ämter die völlige Gleichstellung der Plebejer mit den Patriziern erreicht. Aber auch hinsichtlich der Komitien gelangten die Plebejer zum Ziel, indem schon 339 durch die Publilischen Gesetze und noch einmal 286 durch die Lex Maenia und Hortensia wie für die Centuriat- so auch für die Tributkomitien die Notwendigkeit der Bestätigung ihrer Beschlüsse seitens der Kuriatkomitien aufgehoben wurde.
Nachdem die Gleichstellung der beiden Stände im wesentlichen erreicht worden war, zeigte sich das römische Volk nach außen kräftiger und mächtiger als je. Die wiederholten Angriffe der Gallier wurden siegreich zurückgeschlagen. Mit dem ersten Samniterkrieg (343-341) begannen die 70 Jahre dauernden Kriege, die von den Römern mit der größten Tapferkeit und Ausdauer geführt wurden und mit der völligen Unterwerfung von Mittel- und Unteritalien endeten. Nachdem der Konsul M. Valerius Corvus die Samniter am Berge Gaurus und bei Suessula besiegt hatte, wurde der Kampf mit ihnen durch den Latinischen Krieg (340-338) unterbrochen, in welchem die Latiner in der Schlacht am Vesuv [* 8] durch die Konsuln T. Manlius Torquatus und P. Decius Mus besiegt und als Bürger lateinischen Rechts, die das Jus sine suffragio, das Bürgerrecht ohne Stimmrecht, d. h. die Pflichten, aber nicht die Rechte eines römischen Bürgers hatten, zu Unterthanen gemacht wurden.
Mit den Samnitern brach der Krieg (zweiter Samniterkrieg) 326 von neuem aus, der sich Schritt für Schritt über die sämtlichen sabellischen Völker, über Etrurien und Umbrien verbreitete und unter mancherlei Wechselfällen bis 304 dauerte. Das Ergebnis desselben war, daß die Samniter, Lukaner, Apulier, Picenter, Päligner, Herniker, Etrusker und Umbrer unterworfen wurden und in das Verhältnis von Bundesgenossen (socii) zu Rom traten. Noch einmal kam der Krieg mit den meisten dieser Völker 298 zum Ausbruch (der dritte Samnitische Krieg, 298-290), und dieser Krieg nahm 295 eine besonders gefährliche Gestalt dadurch an, daß die Gallier sich mit den Etruskern, Samnitern und Umbrern verbanden; indessen auch diese Gefahr wurde glücklich durch die Schlacht bei Sentinum überwunden, in welcher die Römer, nachdem Decius, der Sohn des Konsuls vom J. 343, sich für das Vaterland geopfert, einen entscheidenden Sieg gewannen.
Ein letzter großer Krieg (280-272) ging von Tarent aus, in welchem der König Pyrrhos von Epirus den Tarentinern mit einem mächtigen Heer zu Hilfe kam und die Römer bei Heraklea (280) und bei Asculum (279) besiegte, aber 275 bei Beneventum unterlag, worauf er Italien [* 9] verließ und Tarent erobert wurde. Damit wurde die Unterwerfung von ganz Mittel- und Unteritalien vollendet und ein dichtes Netz von Kolonien, in denen römische Bürger und Latiner auf den Gebieten, die den besiegten Völkern abgenommen worden, angesiedelt und die durch Militärstraßen mit Rom verbunden wurden, gesichert.
Die Begründung von Roms Weltherrschaft (264-133).
Es folgte nun die Zeit der Blüte [* 10] der Republik, wo im Innern, von einigen gegen Ende des Abschnitts bemerkbar werdenden Krankheitserscheinungen abgesehen, Eintracht und Vaterlandsliebe herrschten und das Volk durch Besiegung der mächtigsten Reiche rings um das Mittelmeer seine Weltherrschaft begründete. Durch die letzten Kriege hatte Rom eine außerordentliche Streitmacht erlangt; wenige Jahrzehnte später wird die waffenfähige Mannschaft, über die es zu gebieten hatte, von einem sachkundigen und zuverlässigen Geschichtschreiber auf mehr als 700,000 Mann berechnet.
Bei dem ihm einwohnenden Herrschergeist konnte es nicht fehlen, daß es nach Unterwerfung Italiens [* 11] zu Kriegen mit den jenseit desselben herrschenden Reichen fortgetrieben wurde. So entstand der erste Punische Krieg (264-241) mit Karthago, [* 12] welches seit langer Zeit nach dem Besitz des benachbarten Sizilien [* 13] strebte und eben jetzt sich den größten Teil der Insel unterworfen hatte. Dieser Krieg wurde zuerst auf Sizilien zu Lande geführt;
260 aber schufen sich die Römer in kürzester Frist eine Kriegsflotte, mit der sie unter Führung des Gajus Duilius den Seesieg bei Mylä gewannen;
256 wagten sie es nach einem zweiten großen Seesieg am Berg Ecnomus, den Krieg nach Afrika [* 14] überzutragen, erlitten aber 255 eine völlige Niederlage, in der fast das ganze Heer vernichtet ward und der Anführer Regulus (s. d.) selbst in Gefangenschaft fiel;
hierauf wurde der Krieg ohne Entscheidung fortgeführt, bis durch die patriotischen Beiträge der einzelnen Bürger, da die Staatskasse erschöpft war, von den Römern eine neue Flotte ausgerüstet wurde, welche die Karthager durch den Sieg bei den Ägatischen Inseln 241 zum Frieden zwang.
Karthago mußte Sizilien abtreten und sich verpflichten, eine große Geldsumme zu bezahlen und sich jedes Angriffs auf römische Bundesgenossen zu enthalten. Die Römer machten Sizilien zu ihrer ersten Provinz, benutzten den Söldnerkrieg, in den die Karthager verwickelt waren, 238 dazu, um ihnen auch Sardinien [* 15] zu entreißen, und begründeten durch die zwei Illyrischen Kriege (229-228 und 219) ihre Herrschaft in den dortigen Küstenländern. In einem mehrjährigen Kampf (225-222) besiegten sie darauf die Gallier Oberitaliens und legten in ihrem Gebiet die Kolonien Placentia und Cremona an. Als sie 219 von der Belagerung und dann von der Eroberung und Zerstörung Sagunts durch Hannibal hörten, schickten sie eine Gesandtschaft nach Karthago, welche die Auslieferung Hannibals verlangte und, als diese verweigert wurde, den Krieg erklärte. So kam es zum zweiten Punischen Krieg (218-201). Hannibals (s. d.) Absicht war auf die Vernichtung Roms gerichtet; aber seine Pläne wurden trotz der glänzenden Siege am Ticinus und an der Trebia (218), am Trasimenischen See (217) und bei Cannä (216) teils durch die unerschütterliche Standhaftigkeit, mit der die Römer immer neue, größere Streitkräfte zur Bekämpfung Hannibals aufboten, und durch die Treue ihrer meisten Bundesgenossen, teils dadurch vereitelt, daß die Versuche, ihm ein Heer aus Spanien [* 16] zur Hilfe zuzuführen, lange Zeit scheiterten und endlich Hasdrubal, als er ein solches nach Italien gebracht hatte, 207 am Metaurus eine völlige Niederlage erlitt.
Die römischen Waffen [* 17] gewannen nun trotz aller Feldherrntalente Hannibals nach und nach auch in Italien das Übergewicht über ihn, und als P. Cornelius Scipio nach Afrika übersetzte und die bedrängten Karthager ihren großen Mitbürger aus Italien abriefen, ward dieser 202 bei Zama von Scipio völlig geschlagen. In dem Frieden, der 201 abgeschlossen wurde, mußten die Karthager auf alle Besitzungen außerhalb Afrikas, namentlich Spanien, das römische Provinz wurde, verzichten, 10,000 Talente (etwa 50 Mill. Mk.) bezahlen und alle Kriegsschiffe bis auf zehn ausliefern. ¶