Entwurf Leo Battista Albertis 1447-50 erbaut, aber nicht vollendet, mit triumphbogenartiger Fassade, den Grabmälern des Gründers
und seiner Gemahlin Isotta etc. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: San Giuliano, mit Gemälden von Paolo Veronese;
San Girolamo,
mit dem Bilde dieses Heiligen von Guercino, u. a. Unter den weltlichen Gebäuden verdienen Erwähnung: das Kastell
der Malatesta (jetzt Gefängnis), der Palazzo del Comune mit kleiner Gemäldegalerie, das neue Theater, der Zirkus, der Uhrturm.
Die Stadt zählt (1881) 10,838, mit den Vorstädten 19,158 Einw.
Haupterwerbszweige sind: Fabrikation von Seide, Seidenwaren und Segeltuch, Schiffbau, Fischerei und Handel. An der Mündung der
kanalisierten Marecchia liegt der mit einem Leuchtturm versehene, hauptsächlich von Fischerbarken besuchte
Hafen. Unfern davon befinden sich die gut eingerichteten, stark besuchten Seebäder, mit der Stadt durch Tramway verbunden.
Oberhalb der Stadt liegt Verucchio, der Stammsitz der Malatesta. ist Sitz eines Bischofs, eines Tribunals und Handelsgerichts,
eines Hafenkapitanats, eines Hauptzollamts und einer Handelskammer; es hat ein Lyceum, ein Gymnasium, eine
technische und nautische Schule, eine Bibliothek (30,000 Bände), eine reichhaltige Naturaliensammlung und ein großes Krankenhaus.
- Rimini liegt an einem ebenso für Handel und Verkehr wie strategisch wichtigen Punkt, wie dies die Römer richtig erkannt hatten.
Hier endigt die Poebene, indem der Apennin ans Meer selbst herantritt, hier liegt demnach die Grenze von
Ober- und Mittelitalien, wie dies der Rubicon bezeichnete. Hier verzweigte sich die Flaminische Straße in die nordwärts führende
Küstenstraße und in die Via Ämilia. Zugleich war dieser Punkt der Anlage eines Hafens günstig. So wurde Ariminum, ursprünglich
Militärkolonie, Hauptstation der römischen Adriaflotte und bedeutender Handelsplatz. Damals lag
es dicht am Meer, das sich aber durch die Anschwemmungen der Flüsse von Rimini entfernt hat, so daß seine Bedeutung als Seestadt
gesunken ist. Im Mittelalter war Rimini im Besitz der Familie Malatesta, die es 1503 an die Venezianer verkaufte, welche es ihrerseits 1528 an
die Päpste verloren, zu deren Herrschaft es bis 1860 gehörte.
1) (Romnicu-Sarat) Kreishauptstadt in Rumänien (Walachei), am Fluß Rimnik und der Eisenbahn Roman-Buzau, mit 4 öffentlichen
Schulen, besuchten Jahrmärkten und 9544 Einw. Hier 1789 Sieg der Österreicher und Russen über die Türken.
- 2) (Romnicu-Vâlcei) Hauptstadt des Kreises Waltscha (Vâlcea) in Rumänien (Walachei), an der Aluta, Sitz des Präfekten, eines
griechischen Bischofs und eines Tribunals, mit geistlichem Seminar und 3746 Einw. Im Distrikt Rimnik liegen die Klöster Bistritza,
Kozia und Horez, die schönsten und reichsten der Walachei, ferner die ergiebigen Salzwerke von Okna-Mare
und das durch seine trefflichen Weine bekannte Dragaschani.
Rinaldo, ital. Bildhauer, geb. zu
Padua, war Schüler des Venezianers Matteini und Canovas in Rom und begründete seinen Ruf durch die Gruppen: Kephalos und Prokris,
Adam und Eva, Androklos von dem Löwen wiedererkannt.
Von seinen spätern Werken sind eine Melpomene und ein heimkehrender Odysseus
zu nennen,
welche wie die frühern im Stil Canovas gehalten sind. Er starb in Rom.
Johann Christian Heinrich, Orgelspieler und Komponist, geb. zu Elgersburg, bildete sich besonders unter
Bachs Schüler Kittel in Erfurt, wurde 1790 Stadtorganist zu Gießen, 1805 Stadtorganist und Musiklehrer am Lehrerseminar in
Darmstadt, 1813 Schloßorganist und Kammermusiker und starb daselbst. Rinck galt für einen der besten Organisten seiner
Zeit. Von seinen zahlreichen Kompositionen (darunter auch mehrere kirchliche Kantaten) stehen seine große »Orgelschule« (neu
hrsg. von Otto Dienel 1881),
zwei »Choralbücher« und eine große Zahl Choralvorspiele (neu hrsg. von Greif,
Essen 1874) noch jetzt in hohem Ansehen.
(Rinckhart), Martin, Dichter, geb. zu Eilenburg, studierte in Leipzig, war 1610-13 Kantor, dann Prediger
in Eisleben, wurde 1617 Archidiakonus in seiner Vaterstadt, wo er in Zeiten von Krieg, Pest und Hungersnot segensreich wirkte und starb.
Unter seinen Kirchenliedern (»Jesu Herz-Büchlein«, Leipz. 1663) findet sich das allbekannte »Nun danket
alle Gott«, das angeblich auf die Feier des Westfälischen Friedens gedichtet wurde, indessen bereits 1630 fertig vorlag und
wahrscheinlich dem 100jährigen Jubiläum der Übergabe der Augsburger Konfession seine Entstehung verdankt. Rinckart verfaßte auch
dramatische Dichtungen, darunter der »Eislebesche Ritter« ^[richtig: »Eislebische Ritter«] (eine Verherrlichung
Luthers, Eisleb. 1613; Neudruck, Halle 1884),
»Kurzweilige Komödie von einer morianischen Magd« (Magdeburg 1614) und »Monetarius
seditiosus oder Tragödie von Thomas Müntzern« (Leipz. 1625). Eine neue Ausgabe seiner »Geistlichen Lieder«, mit Biographie, veranstaltete
Linke (Gotha 1886).
Gattung der paarzehigen Huftiere aus der Familie der Horntiere
(Cavicornia), große Tiere von schwerfälliger Statur, mit nach außen gebogenen oder gewundenen, wenigstens an der Spitze runden
Hörnern, breiter, nackter, seitlich durch die Nasenlöcher bogig begrenzter Muskel, kurzem Hals, oft mit hängender Fleischwamme,
breiten, vorn und hinten wesentlich gleichartig gebauten Hufen, langem, meist in einer Quaste endendem
Schwanz, ohne Thränengruben und Klauendrüsen, mit Afterklauen und vier Zitzen, fehlen nur in Australien und Südamerika. Man
teilt die Gattung in vier Untergattungen: eigentliche Rind (Bos), Büffel (s. d., Bubalus H. Sm.), Wisent (s. d., Bison Sund.) und
Yak (s. d., Poephagus Wagn.).
Zu den eigentlichen Rindern (Bos S. St.), charakterisiert durch die lange, flache Stirn, die am Grund nur
wenig verdickten, in gleicher Höhe mit der Stirnleiste stehenden Hörner, die ziemlich dichte, kurze Behaarung und den langen,
mit einer Quaste endenden Schwanz, gehört von gegenwärtig noch lebenden Arten der Gayal (B. frontalis Lamb.). Dieser wird 2,8
m lang, 1,6 m hoch, mit 80 cm langem Schwanz, ist sehr kräftig und ebenmäßig gebaut und durch die gewaltige
Stirn leicht kenntlich. Die sehr dicken, kegelförmigen Hörner krümmen sich im ganzen nach außen und aufwärts; die aufrecht
stehenden Ohren sind groß und spitzig, hinter dem Kinn entspringt eine kleine, doppelte Wamme, den ganzen
Oberhals, den Widerrist und die Hälfte des Rückens bedeckt eine buckelartige Auftreibung. Das Haar verlängert sich nur wenig
an der Unterseite des Halses und ist tiefschwarz,
an der Stirn bräunlich, die Haarbüschel an den Vorderbeinen sind braun, Kinn und Oberlippe weiß. Der Gayal lebt im N. und
NO. von Bengalen herdenweise in den Gebirgswäldern, ist sehr mutig, gegen den Menschen aber sanft und zutraulich und leicht
an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Die Gebirgsvölker besitzen große Herden, verwenden ihn nicht zur
Arbeit, wohl aber zu Stierkämpfen. Das Fleisch wird gegessen, einigen Hindustämmen aber gilt er als heiliges Tier. Die Kuh
bringt ein Jahr ums andre nach acht- bis neunmonatlicher Tragzeit ein Kalb.
Mit andern Rinderarten erzeugt der Gayal leicht fruchtbare Blendlinge. In heißen Landstrichen geht er zu
Grunde. Der Gaur (B. Gaurus H. Sm.), 3 m lang, 1,9 m
hoch, mit 85 cm langem Schwanz, steht dem vorigen sehr nahe und soll sich anderseits dem Wisent nähern; er ist schön dunkelbraun,
unterseits tief ockergelb, an der Stirn hell graubraun, an den Beinen schmutzig weiß. Er findet sich in
allen großen Waldungen Indiens, besonders im Bergland, lebt in kleinen Herden, weidet nur nachts, fällt oft in die Felder
u. flieht vor dem Menschen, während er anderseits den Tiger erfolgreich bekämpft und, auf der Jagd verwundet, den Jäger wütend
anfällt.
Das Fleisch ist sehr fein und schmackhaft. In der Gefangenschaft gehen Kälber bald ein. Der Banteng (B.
Banteng Raffl.), 2 m lang, 1,5 m hoch, mit 85 cm langem Schwanz, kleinem, aber breitem Kopf, sehr großer, gewölbter Muskel, großem
Ohr, unmittelbar hinter dem Kopf auffallend verschmächtigtem und dann sehr verdicktem, kurzem Hals, sehr in die Länge gezogenem,
aber nicht hohem Buckel, großer, hängender Wamme und am Grund unregelmäßig gewulsteten, stark gebogenen
Hörnern, ist dunkel graubraun mit sehr großem, weißem Spiegel, auch an der untern Hälfte der Beine weiß. Er bewohnt auf
Java, Borneo, Sumatra gebirgige Wälder, hält sich sehr verborgen, lebt in kleinen Gesellschaften, weidet hauptsächlich nachts,
flüchtet vor dem Menschen, ist aber, in die Enge getrieben, sehr wild und gefährlich.
Sein Fleisch ist wohlschmeckend. Junge Kälber werden in der Gefangenschaft vollständig zu Haustieren; man erzielt leicht Blendlinge
der Hausrinder mit dem Banteng, zum Teil von wild lebenden Stieren, indem man Kühe in die Wälder treibt. Auch in Europa pflanzt
sich der Banteng ohne weiteres fort. Der Zebu (B. indicus L.) ist durch sehr kurze, flach gedrückte Hörner und namentlich durch
einen am Widerrist sitzenden oder zwei hinteinander am Vorderrücken befindliche Höcker charakterisiert. Er stammt aus Bengalen,
hat sich aber über einen großen Teil Asiens,
auch nach Afrika verbreitet.
Man unterscheidet mehrere Rassen, von denen der Zebu der Brahmanen groß, starkleibig und kurzbeinig ist,
einen gewaltigen Fetthöcker, lang bequasteten Schwanz, eine sehr starke Wamme und an Länge die Ohren nicht erreichende Hörner
besitzt. Er ist kurz behaart, meist hellrot oder gelbbraun, aber auch fahlgelb, weiß und gescheckt. Ähnlich ist der
afrikanische Buckelochs (B. africanus), in Abessinien und am Kap, mit sehr starkem Gehörn, welcher in verschiedenen Rassen bis
tief im Innern Afrikas gewöhnlich in ungeheuern Herden, die den eigentlichen Reichtum ganzer Stämme ausmachen, gehalten wird.
Den wilden Rindern stehen die Rassen des Hausrindes gegenüber, welche unter dem Namen Bos Taurus vereinigt
worden sind, aber keine wirkliche natürliche Art, sondern eine Menge durch Kreuzungen und ihre nur den Bedürfnissen des Menschen
folgende Zucht vielfach modifizierter Formen darstellen, deren Ursprung in mehreren Arten zu suchen ist (Benennung der einzelnen
Teile des Rindes s. Figur). Der Ur oder Auerochs (B. primigenius Bojan., s.
Auerochs), für dessen frühere große Verbreitung in Europa, namentlich in Skandinavien und Schottland, zahlreiche fossile Reste,
auch viele Ortsnamen sprechen, zeigt in allen Teilen seines Skeletts die größte Übereinstimmung mit dem zahmen Rind und gilt
daher als Stammform mehrerer jetzt verbreitete Rinderrassen.
Der Auerochs soll zuletzt in Litauen gehegt und von dort nach Schottland verbreitet worden sein, wo sogen.
wilde Rinder, die man für Abkömmlinge des Auerochsen ausgibt, noch jetzt in einigen Parken gehalten werden. Neben dem Auerochsen
lebte aber bereits zur Steinzeit ein Rind, welches mit dem noch jetzt in der Schweiz heimischen einfarbigen Vieh die größte
Ähnlichkeit gehabt haben muß. Es führt wegen seiner kurzen Hörner den Namen B. brachyceros Ow. Weitere
Forschungen über die Schädelbildung haben es als Stammform der hauptsächlich in gebirgigen Gegenden heimischen Rassen erkennen
lassen.
Weitere fossile Schädelreste führten zur Aufstellung von drei weitern ursprünglichen Formen. Von diesen kommt B. trochoceros
in Italien und in der Schweiz vor, soll aber nur eine in den Hörnern abweichende Form von B. primigenius
gewesen sein. Eine zweite Form, B. longifrons, durch die ungewöhnliche Länge der Stirn ausgezeichnet, sonst aber dem Auerochsen
sich nähernd, ist durch wohlerhaltene fossile Skelette bekannt geworden, steht aber ebenfalls in keiner nähern Beziehung
zu lebenden Rassen und muß als aus-
[* ]
^[Abb.: Benennung der einzelnen Teile des Rindes.]
mehr
gestorben betrachtet werden. Sehr verschieden vom Auerochsen erscheint endlich eine dritte Form mit sehr großer, breiter
Stirn, deren Überreste sich mit denen des letztern zusammen in Torfmooren Skandinaviens finden. Dieser großstirnige Ochs (B.frontosus Nils.) scheint auch in Deutschland heimisch gewesen, nach der Schweiz gekommen zu sein und dort Veranlassung
zur Bildung der fleckigen Rinderrasse gegeben zu haben, deren Schädelformen mit B. frontosus mehr übereinstimmen als mit
B. brachyceros. Fossile Reste von B. frontosus sind in der Schweiz nicht, wohl aber in Schottland aufgefunden worden.
Die jetzt lebenden Rinder lassen sich nach den Urtypen in drei Gruppen bringen.
I. Bos primigenius. A. Die »podolische« oder »graue«
Rasse in Rußland, den Donaufürstentümern, in Ungarn, Steiermark und als normännische Rasse in Italien, vorherrschend grau mit
einer dunklern Färbung am Kopf, Bauch und an den Beinen, gewöhnlich mit dunkler gefärbten Streifen auf der ganzen Länge des
Rückgrats. Mitunter geht die graue Farbe ins Silbergraue, Gelbliche oder Rötliche über. Die Formen des
Kopfes sind dem Auerochsenschädel ganz ähnlich, die Hörner, namentlich bei den verschnittenen Ochsen, von erheblicher Länge;
der Kopf lang und schmal, der Hals ohne Wamme, der Rumpf etwas flachrippig; die Beine ziemlich hoch, aber kräftig gestellt.
Diese Rasse, die wahrscheinlich zur Zeit der Völkerwanderung durch Europa verbreitet wurde, findet sich
vorzugsweise im südwestlichen Teil von Asien und im südöstlichen von Europa, wo die Tiere auf den ausgedehnten Steppenweiden
in großen Herden fast das ganze Jahr hindurch leben und in den heißen Sommermonaten oft Mangel an Futter und Wasser leiden.
Große Verluste entstehen in den zahlreichen Steppenherden durch die Rinderpest, welche in jenen Landstrichen
niemals vollständig aufhört.
Die Rinder der grauen Rasse haben eine starke Deckhaut, die für die Verarbeitung zu Leder sehr geeignet ist; auch sind die
Ochsen für die Arbeitsleistung brauchbar; dagegen geben die Kühe wenig, aber fettreiche Milch (s. Tafel
»Rinder«, Fig. 6, podolischer Stier;
[* ]
Fig. 7, ungarischer Ochs). Die in Italien vorkommende »romanische Rasse« ist von der Lombardei
bis nach Sizilien verbreitet; sie ist der ungarischen in den Körperformen sehr ähnlich, gelblich oder auch silbergrau gefärbt.
Die in Steiermark verbreiteten Viehschläge sollen aus einer Vermischung der podolischen Rasse mit Schweizervieh
hervorgegangen sein. Sie sind berühmt durch ihre gute Ertragsfähigkeit. Ihre Haarfarbe, grau oder gelblich, erinnert noch
an die podolische Rasse, während der Körperbau sehr verändert ist: der Kopf ist kürzer und in der Stirn breiter, die Hörner
sind länger, der Hals ist mit einer Wamme versehen und der Rumpf gut abgerundet. Die Kühe sind zum Teil
sehr milchreich, die Ochsen zur Arbeit geeignet.
Die berühmtesten Schläge sind der dachsgraue Mürzthaler, der Murbodener und der semmelfarbige Mariahofer in Steiermark,
welchen sich der Waldlerschlag in Bayern (Fig. 11), der Lavantthaler in Kärnten und der Stockerauer in Niederösterreich anschließen.
B. Die Niederungsrasse in den Küstenländern der Nordsee und der Ostsee, umfaßt die berühmtesten Viehschläge
für Milchergiebigkeit und Mästung; für die Arbeitsleistung sind sie dagegen weniger geeignet.
Sie lassen sich in nachstehende Gruppen einteilen:
1) die Viehschläge in Holland und daran anschließend in Belgien, ferner die Schläge in Oldenburg und Ostfriesland;
2) die Schläge in Schleswig-Holstein;
3) in Westpreußen;
4)
an der Nordküste von Frankreich und 5) an der Ostküste von England. Die erste Gruppe umfaßt das milchreiche Niederungsvieh,
dessen hauptsächlichster Sitz in den weidereichen Marschen von Holland ist. Am berühmtesten sind die Viehschläge in Nord-
und Südholland sowie in Westfriesland. Das holländische Vieh ist schwarz-, braun-, auch blau- und graufleckig;
einfarbige Tiere sind selten. Die Höhe erreicht 150 cm. Der schmale und lange Kopf hat die dem Auerochsenschädel ähnlichen
Formen, der Hals ist ziemlich lang und die Brust häufig etwas eng und steil in den Schultern.
Das Lebendgewicht beträgt 600-700 kg bei den weiblichen, 800 bis 900 kg bei den männlichen Tieren. Bei
einer ausgezeichneten Milchergiebigkeit ist die Mastfähigkeit mittelmäßig
[* ]
(Fig. 4). In Belgien schließen die Schläge von
Limburg, von Furnes-Ambach und der Ardennenschlag sich nahe an, erreichen die holländischen Schläge aber nicht in ihren Vorzügen,
was dagegen mehr bei dem Viehschlag in Ostfriesland der Fall ist, der von dem holländischen hauptsächlich
durch seine braunrote Farbe mit und ohne weiße Flecke sich unterscheidet, in den Körperformen, im Lebendgewicht und den sonstigen
Eigenschaften ihm aber fast gleichsteht.
Das oldenburgische Vieh ist meisten schwarzbraun, auch einfarbig schwarz, mit derben Knochen, etwas starkem Kopf mit
starken Hörnern und von im allgemeinen kräftigem Bau, weshalb es sich besser zu Arbeitsvieh eignet als das holländische;
die Milchergiebigkeit ist beim Marschvieh sehr gut. Die Viehschläge in Schleswig-Holstein zerfallen wie die Oldenburger in
Marsch- und Geestvieh. In den Landschaften Eiderstedt und Dithmarschen, wo hauptsächlich Fettgrasung betrieben wird, ist das
Vieh vielfach mit englischen Mastviehrassen durchkreuzt, meistens schwarz- oder blaubraun, während in Wilstermarsch und
namentlich in Breitenburg das Vieh reinblütig gezüchtet wird
[* ]
(Fig. 3). Diese beiden Schläge haben als milchreiches, gut
gebautes Vieh einen großen Ruf und werden vielfach ausgeführt; die Farbe ist braunscheckig oder weiß mit braunen Flecken.
Von dem Geestvieh unterscheidet man die Schläge in Angeln, Tondern, Hadersleben und Jütland. Am meisten
bekannt als milchreiches und für den Weidebetrieb geeignetes Vieh sind die beiden erstern, besonders die Angeln, die reinblütig
gezüchtet und zahlreich ausgeführt werden. Beide Schläge sind rotbraun mit dunkel gefärbten Extremitäten. Von den Viehschlägen
in Westpreußen ist das Danziger Niederungsvieh dem holländischen nahe verwandt, aber eckig und schmal
in den Formen und von unschönem Äußern, dabei jedoch sehr milchergiebig. Meistens schwarz- und blaufleckig gefärbt, tritt
es im Körpergewicht den schwersten Schlägen an die Seite, ist aber als Arbeitsvieh wenig brauchbar.
II. Bos brachyceros. Die zu dieser Rasse gehörigen Viehschläge sind vorzugsweise in der Schweiz und in
den Bayrischen Alpen verbreitet. Die Farbe geht vom dunkeln Schwarzbraun (Braunvieh) bis zum hellen Grau; bei allen Tieren findet
sich aber eine hellere Färbung am Maul, heller gefärbte Haare umsäumen auch den innern Rand der Ohrmuschel, und auf dem Rücken
findet sich ein heller gefärbter Streifen. Auch die untern Teile des Bauches und der Füße zeigen meistens diese hellere Färbung.
Durch die hellere Färbung dieser Körperteile unterscheiden sich die Schläge des Braunviehs leicht von den ähnlich gefärbten
Schlägen der podolischen Rasse, bei welcher diese Teile fast immer dunkler gefärbt sind als der Hauptteil
des Körpers. Das Braunvieh hat einen
mehr
kurzen, in der Stirn breiten Kopf mit weitem Kehlgang und starker Wamme am Hals, die bereits vorn am Kehlgang beginnt und den
Kopf noch kürzer erscheinen läßt, als er in Wirklichkeit ist; der Rücken ist gerade, vor dem Becken mitunter etwas erhöht
und dann im Kreuz nach hinten abfallend; die Hüften sind breit und hoch, die Gliedmaßen kurz und kräftig
gestellt. Flotzmaul, Hörner und Klauen sind fast immer dunkel gefärbt. Die Größe ist bei den dazu gehörigen Schlägen sehr
verschieden.
Durch den Aufenthalt auf den Alpweiden sind die Tiere körperlich kräftig entwickelt; sie eignen sich für die Benutzung
zur Arbeit, nähren sich verhältnismäßig leicht und sind mittelmäßig im Milchertrag, der in der besten
Milchzeit 8-10 Lit. pro Tag beträgt; die Milch ist aber reich an festen Bestandteilen. Die Mastfähigkeit wird gerühmt. Das
Braunvieh ist früher nach den ebenen Gegenden Süddeutschlands, sogar bis nach Sachsen, ausgeführt und zur Verbesserung
der dort heimischen Landrassen verwendet worden.
Man unterscheidet folgende Schläge: in der Schweiz den großen Braunviehschlag oder die Schwyzer Rasse
[* ]
(Fig. 2), den mittlern
Braunviehschlag und den kleinen Braunviehschlag;
in Tirol den Montafuner Schlag, die im Welser und Klosterthal verbreiteten
Schläge und den Bregenzerwälder Schlag;
in Bayern den Algäuer Schlag, wegen seiner Milchergiebigkeit berühmt,
fast hellgrau, erreicht ein Gewicht bis höchstens 450 kg und ist fast durch ganz Deutschland und bis nach Schweden verbreitet.
III. Bos frontosus. Die zu dieser Rasse gehörigen Viehschläge, die in den Alpenländern des südlichen Deutschland am meisten
verbreitet sind, unterscheiden sich von dem Braunvieh durch ihren schwerern Körperbau und besonders
durch ihre gefleckte Haarfärbung (Fleckvieh). Die sehr starke und breite Stirn mit kräftigem Genick und kurzem, starkem Hals
machen die Tiere zur Arbeitsleistung mit dem Stirnjoch durch ihren überaus kräftigen Körper mit breiter Brust und kräftigen,
gut gestellten Gliedmaßen sowie durch ihre starke Konstitution besonders geeignet.
Als Arbeitsvieh werden die hierher gehörigen Schläge für Feldarbeiten und zum Schleppen von schweren
Lasten auf Wegen und Chausseen verwendet. Dabei besitzen die weiblichen Tiere eine gute Milchergiebigkeit, und die verschnittenen
Ochsen zeigen sich sehr mastfähig. Einzelne Schläge zeichnen sich durch ein hohes Körpergewicht aus, das bei erwachsenen
männlichen Tieren bis zu 1500 kg heranreicht. Man unterscheidet nachstehende Schläge:
1) in der Schweiz den Freiburger, Berner
[* ]
(Fig. 1), Simmenthaler, Emmenthaler, Schwarzenberger Schlag;
2) in den Salzburger Alpen den Pinzgauer, Pongauer, Lungauer und Landler, Brixenthaler Schlag;
3) in Tirol den Zillerthaler, Duxer, Pusterthaler, Oberinnthaler Schlag.
Vgl. Kaltenegger u. a., Die österreichischen Rinderrassen
(hrsg. vom k. k. Ackerbauministerium,
Wien 1879-84, 2 Bde.);
Nörner, Das Fleckvieh der Schweiz (Berl. 1888).
Die zu Bos brachyceros und B. frontosus gehörigen Viehschläge haben namentlich im südlichen Deutschland das ursprünglich
dort verbreitete Landvieh ganz verdrängt. Es sind sogen. Mittelrassen entstanden, welche teils
der Brachyceros-, teils der Frontosus-Rasse näher stehen
[* ]
(Fig. 10, fränkischer Zugochs).
Die Viehschläge Frankreichs lassen sich in drei Gruppen einteilen, von welchen die im nördlichen Frankreich verbreiteten der
Niederungsrasse (Bos primigenius) sich anschließen
[* ]
(Fig. 5, Bretagner Kuh) und die im mittlern und südlichen Teil dem Braunvieh
der Schweiz (Bos
brachyceros) nahetreten, während in dem östlichen Teil des Landes eine Durchkreuzung
der dort ursprünglichen Schläge mit Schweizer Fleckvieh (Bos frontosus) stattgefunden hat
[* ]
(Fig. 13, Charolaiser Stier). In neuester
Zeit wurde zur Verbesserung der Mastfähigkeit vielfach Durham-Vieh (Shorthorns) aus England benutzt.
Unter den gemischten Rassen des östlichen Frankreich ragt die weiße Rasse von Charolais
[* ]
(Fig. 13), welche sich den besten
englischen Rassen zur Seite stellt, der Stolz der französischen Züchter, besonders hervor. In Großbritannien sind seit der
Mitte des vorigen Jahrhunderts die Viehzüchter bemüht gewesen, ihre einheimischen Rinderrassen namentlich in Bezug auf die
Mastfähigkeit zu verbessern. Die Milchergiebigkeit steht in zweiter Linie, während auf die Benutzung zur Arbeit gar kein
Gewicht gelegt wird. Man unterscheidet:
1) Das Vieh auf den Kanalinseln, auf den Inseln Alderney, Jersey und Guernsey, kleines, außerordentlich milchergiebiges Vieh,
wahrscheinlich mit der Bretagner Rasse verwandt, aber seit längerer Zeit durch Inzucht in intelligenter Weise verbessert. Die
Haarfarbe ist gelblichgrau mit weißen Flecken, das Körpergewicht 310-350 kg. 2) Die langhornige Rasse
(B. primigenius?), in Lancaster und in Irland als ein grobknochiger, sehr abgehärteter Viehschlag der Niederungsrasse, dunkelbraun
mit weißem Rückenstreifen und sonstigen weißen Abzeichen sowie langen, meistens nach abwärts gerichteten Hörnern. Die
Milchergiebigkeit ist kaum mittelmäßig, besser die Mast- und Arbeitsfähigkeit.
3) Die kurzhornige Rasse, Shorthorn- und Durham-Rasse, Holderneß- und Teeswater-Vieh (B. primigenius,
[* ]
Fig.
9). In den östlichen Teilen von England, besonders in den Grafschaften Durham, York, Lincoln u. a., sind milchreiche Viehschläge
der Niederungsrasse seit langer Zeit verbreitet gewesen, welche früher durch eingeführtes Vieh aus Holland und Holstein verbessert
wurden. Sie waren zwar sehr milchreich, aber die Mastfähigkeit ließ zu wünschen übrig.
Die Brüder Colling in der Grafschaft Durham verbesserten diese Rasse mit außerordentlichem Erfolg, das Vieh wurde leicht mastfähig,
verlor die Milchergiebigkeit nicht in dem Grad wie das langhornige und wurde dadurch weit vorteilhafter für die Haltung. Die
Shorthornrasse ist jetzt die berühmteste, vereinigt Mastfähigkeit und Milchergiebigkeit, während sie
als Arbeitsvieh wenig brauchbar ist. Die gemästeten Ochsen erreichen ein Gewicht bis zu 1500 kg; die Haarfarbe ist braunrot
mit weißen Abzeichen, oder ganz weiß, oder rotschimmelig; die Hörner sind gelb, das Flotzmaul rot. Die Körperformen werden
von keinem andern Viehschlag übertroffen.
4) Die mittelhornige Rasse (B. primigenius), das eigentliche Landvieh umfassend, das aber auch sehr veredelt
ist. Hier geht das Streben der Züchter dahin, die Mastfähigkeit zu verbessern, und es ist dazu zum Teil Shorthornvieh verwendet
worden; jedoch gibt es noch milchreiche und auch für die Arbeit geeignete Schläge darunter. Man rechnet hierher besonders
das Vieh in Wales, Hereford
[* ]
(Fig. 12), Devon, Sussex, im westlichen Hochland, Ayrshire u. Kerry.
5) Die ungehörnte Rasse (B. frontosus) soll in früherer Zeit aus Skandinavien eingeführt sein; andre behaupten, daß sie
von dem Hochlandvieh abstamme und die Hornlosigkeit mit der Zeit herangezüchtet sei. Die hierher gehörigen Schläge sind
an der östlichen Küste von Schottland heimisch und von da nach einigen Grafschaften in England verbreitet,
wie die Schläge von Angus
[* ]
(Fig. 8), Aberdeen, Galloway, Norfolk und Suffolk.
mehr
[Rindviehzucht.]
Bei der Zucht der Rinder sind die Körperformen und die Konstitution der Tiere besonders zu beachten. Der Kopf
darf im Verhältnis zum Rumpf nicht zu schwer sein, die Stirn soll wenig kürzer als der untere Teil des Gesichts und nicht zurücktretend
sein. Der Hals soll beim männlichen Tier etwa ⅔, beim weiblichen 4/7 der Körperlänge, gemessen von der
Stirnbeinkante bis zum Ende des Sitzbeins, betragen. Den Rumpf teilt man, von der Seite gesehen, in folgende drei Teile, die
in der Länge möglichst gleich sein sollen, nämlich:
1) den vordern Teil, von der Spitze des Brustbeins bis hinter die Schulter, der die Respirationsorgane umfaßt;
2) den mittlern, von der Schulter bis zur Hüfte, der die Verdauungsorgane enthält, und 3) den hintern Teil, von der Hüfte
bis zum Ende des Sitzbeins, die Reproduktionsorgane umfassend. Beim Milchvieh ist der mittlere Teil zweckmäßig der etwas längere,
um größere Massen voluminösen Futters aufnehmen zu können, während bei den Mastviehrassen besonders
der hintere Teil, der das wertvollere Fleisch enthält, stark entwickelt sein muß. Die Extremitäten sollen, von der Sohle
der Klauen bis zur Spitze des Ellbogens gemessen, nicht länger sein, als die halbe Höhe des Tiers beträgt.
Für die verschiedenen Zwecke der Benutzung (Milch-, Mast- oder Arbeitsvieh) wählt man aus den Schlägen
einer Rasse einen dazu geeigneten aus und züchtet die ausgewählten Tiere in demselben Schlag weiter (Reinzucht), vermeidet
aber, blutsverwandte Tiere miteinander zu paaren, weil dadurch eine Abschwächung der Konstitution hervorgerufen wird. Man
muß daher die Zuchtstiere oder Bullen durch Ankauf aus demselben Schlag zur Blutauffrischung öfters wechseln.
Der Zuchtstier kann im Alter von 1½ Jahren zum Decken verwendet werden und genügt dann für eine Zahl von 40-50 Kühen, während
die Kuh ein Alter von mindestens 2 Jahren erreicht haben soll, ehe sie zur Zucht verwendet wird. Die Dauer des trächtigen Zustandes
beträgt bei der Kuh 9 Monate oder im Durchschnitt 285 Tage. Für gewöhnlich wird nur ein Kalb geboren, und 4 Wochen
nach der Geburt desselben tritt bei gut genährten, kräftigen Kühen die Brunst wieder ein, die nach Verlauf von 4 Wochen sich
wiederholt.
Beim Auftreten der zweiten oder dritten Brunst nach der Geburt des Kalbes wird die Kuh wieder zum Stier gelassen.
Das Kalb wird gewöhnlich 4-6 Wochen durch Saugen oder Tränken aus dem Kübel mit reiner, unverfälschter Milch ernährt. Vielfach
läßt man es auch am Euter der Kuh saugen. Nach 4-6 Wochen ist beim Kalb das Milchzahngebiß (die wechselnden Zähne) so
weit entwickelt, daß es feste Nahrungsstoffe zermalmen kann. Man reicht nun abgerahmte Milch, gekochtes Leinsamenmehl, Leinsamenkuchen,
Erbsen- oder Hafermehlsuppe, auch wohl saure Milch in allmählich immer größern Quantitäten, bis im Alter von 12 Wochen die
süße Milch ganz entzogen werden kann. Beim Ersatz derselben hat man aber darauf zu sehen, daß die nötigen
Nährstoffe in dem gereichten Futter genügend enthalten sind. Auf 100 kg Lebendgewicht des Kalbes hat man in der täglichen Nahrung
zu verabreichen:
Alter des Kalbes
Proteinstoffe
Fett
Stickstofffreie Teile
Verhältnis von 1:2 und 3
Im Saugalter
0.64
0.50
0.75
1:2.06
¼ Jahr alt
0.50
0.30
1.00
1:2.60
½ Jahr alt
0.40
0.20
1.10
1:3.25
¾ Jahr alt
0.35
0.12
1.22
1:3.90
1 Jahr alt
0.30
0.09
1.30
1:4.60
im 2. Jahr
0.25
0.07
1.35
1:5.66
Von
festem Futter verabreicht man Heu und Hafer, von dem erstern aber anfangs nur kleine Quantitäten, damit dadurch nicht eine
zu starke Ausdehnung der Verdauungsorgane hervorgerufen werde, welche auf die Verlängerung des mittlern
Teils des Rumpfes zum Nachteil für die Entwickelung des vordern und hintern Teils von Einfluß ist. Da dieses besonders nachteilig
ist für die zur Mästung bestimmten Tiere, so wird diesen bei der Aufzucht weniger Rauhfutter verabreicht als den später
für die Milchnutzung bestimmten, die im allgemeinen auch weniger stark ernährt werden, damit die Neigung, das gereichte
Futter in Fett anzusetzen, weniger bei ihnen geweckt werde, sondern die Verwendung für die spätere Milchproduktion die Oberhand
behalte.
Aus diesem Grund entwickeln die später für die Mästung bestimmten Kälber bei starker Ernährung sich
auch schneller und haben dadurch zur Bildung der frühreifen Rassen und Schläge Veranlassung gegeben. Je nach der schnellern
oder langsamern Entwickelung des Kalbes finden der Durchbruch und das Wechseln der Zähne wonach das Alter der Tiere bestimmt wird,
früher oder später statt. Das hat 8 Schneidezähne im Unterkiefer und 24 Backenzähne und zwar je 6 an
jeder Seite des Ober- und Unterkiefers.
Davon sind die Schneidezähne und die 3 vordern Backenzähne wechselnde, die 3 hintern Backenzähne nicht wechselnde Zähne.
Bei der Geburt hat das Kalb in der Regel 4-6 Schneidezähne, mit 14 Tagen 8 Backenzähne und mit 3 Wochen
das ganze Milchzahngebiß mit 8 Schneidezähnen und 12 Backenzähnen; dadurch ist es befähigt, feste Futterstoffe aufzunehmen.
Mit 6 Monaten erscheint der erste bleibende Backenzahn, mit 15 Monaten der zweite und mit 2 Jahren der dritte bleibende Backenzahn.
Mit 1 Jahr 9 Monaten wechseln die beiden mittelsten Schneidezähne, die sogen. Zangen, mit 2 Jahren 6 Monaten
die beiden vordern Milchbackenzähne, mit 2 Jahren 3 Monaten die innern Milchmittelzähne, mit 3 Jahren der dritte Milchbackenzahn,
mit 3 Jahren 3 Monaten die äußern Milchmittelzähne und mit 3 Jahren 10 Monaten die äußern Milcheckzähne. Nach dem zurückgelegten
ersten Lebensjahr wird das Kalb Jungvieh, das weibliche Tier Kalbe oder Färse genannt. In diesem Alter ist
die Fütterung so einzurichten, daß die Entwickelung des Skeletts sowie der Muskeln befördert wird.
Für diesen Zweck werden Leinsamen und alle Ölkuchen entzogen und dagegen an Kalksalzen und Phosphaten reiche, leichtverdauliche
Proteinstoffe gereicht, wozu sich besonders Malzkeime, gutes Heu, Kleie und während des Sommers eine grasreiche
Weide am besten eignen, die den jungen Tieren auch die notwendige Bewegung gewährt. Eine starke Fettablagerung, die durch Ruhe
bei reichlichem Futter leicht eintritt, ist bei dem jungen Tier zu vermeiden, weil die Entwickelung der Milchdrüsen hierdurch
benachteiligt wird.
Die Ausbildung dieser Drüsensubstanz findet bei dem jungen weiblichen Tier im zweiten und dritten Lebensjahr
statt. Wird nun während dieser Zeit die massenhafte Entwickelung des Fettgewebes durch Fütterung und Haltung befördert, so
bleiben die Organe und namentlich auch die Milchdrüsen im Wachstum zurück. Als die durchschnittliche Menge der in dem täglichen
Futter aus 1000 kg Lebendgewicht der Milchkühe zu verabreichenden Nährstoffe hat man folgende Quantitäten
festgestellt: stickstoffhaltige Bestandteile 3-3,5 kg, Fett 0,8-1,0 kg, stickstofffreie Extraktivstoffe 12,5-15 kg. Auf dasselbe
körperliche Gewicht werden 25-30 kg Trockensubstanz in der täglich verabreichten Futtermenge gegeben und das Dreifache dieser
mehr
an Tränke. Die Ernährung der Milchkühe geschieht am zweckmäßigsten auf der Weide, die aber mit Kleepflanzen und Gräsern
dicht bestanden sein und den Tieren Schutz gegen die Witterung gewähren muß; die Kuh muß auf derselben sich in kurzer Zeit
sättigen und darauf der Ruhe pflegen können, wenn sie viel Milch geben soll. Die Stallfütterung während
des Sommers ist in solchen Wirtschaften gebräuchlich, wo der Betrieb technischer Gewerbe auch für diese Zeit Futter liefert
und der ausgedehnte Ackerbau sehr viel Dünger erfordert.
Man unterscheidet trockne und grüne Stallfütterung; bei der erstern kommen getrocknete Futtermassen, namentlich Heu und Stroh,
mit Abfällen von technischen Gewerben (Biertreber, Malzkeime, Ölkuchen u. dgl.) zur Verwendung, während
bei der zweiten Grünfutter (Luzerne, Esparsette, Klee, Futterwicken, Futtermais u. dgl.) verabreicht
wird. Soll der grünen Futtermasse Kraftfutter zugesetzt werden, so eignet sich dazu am besten die Kleie von Roggen und Weizen,
wogegen Ölkuchen leicht Durchfall und Getreideschrot Störung in der Verdauung hervorrufen.
Bei der Winterfütterung der Kühe wird in ähnlicher Weise wie bei der trocknen Sommerstallfütterung verfahren; jedoch kommen
hierbei die Wurzeln und Knollenfrüchte zur Verwendung, von welchen besonders die zuckerreichen Rüben auf die Milchabsonderung
günstig wirken. Das Futter muß eine genügende Menge von Nährstoffen enthalten, um die Funktionen aller
Organe in Thätigkeit zu erhalten. Bei der Mästung sind die eiweißhaltigen Futterstoffe von noch größerer Wichtigkeit als
bei der Fütterung der Milchkühe, weil sie vornehmlich die Ablagerung von Fett veranlassen. - Die Rindviehzucht nimmt in betreff
ihrer Einträglichkeit und Wichtigkeit für den menschlichen Haushalt unbedingt die erste Stelle in der
landwirtschaftlichen Tierzucht ein. Auch alle Abfälle, wie Felle, Haare, Hörner, Klauen, und die innern Teile, wie Blut, Talg und
Eingeweide, werden zu den verschiedensten Zwecken verwendet. Die Aufmerksamkeit der Landwirte hat daher der Rindviehzucht und
Rindviehhaltung sich besonders zugewendet und zwar nicht allein in Verbesserung der Zucht, Wartung und
Pflege, sondern auch in Vervollkommnung der Milchwirtschaft und der Butter- und Käsefabrikation. Vgl. Viehhandel.
Die Krankheiten des Rindes sind sehr zahlreich. Gegen die gefährlichste Seuchen (Rinderpest, Lungenseuche, Milzbrand, Rauschbrand,
Mauke und Klauenseuche) erfolgt die Bekämpfung durch gesetzliche Abwehr- und Schutzmaßregeln. Die wichtigsten andern Krankheiten
sind: die Perlsucht (Tuberkulose), das bösartige Katarrhalfieber (Rachendiphtherie), die Knochenbrüchigkeit,
die Lecksucht, die Magen-Darmentzündungen, die akute und chronische Unverdaulichkeit, die durch innere Verwundung verursachte
(traumatische) Herzbeutelentzündung, der chronische Durchfall, die Ruhr, das Blutharnen, die chronische Nierenentzündung und
die Gebärmutterentzündung.
Vgl. Pabst, Anleitung zur Rindviehzucht (4. Aufl. von Thaer, Stuttg. 1880);
Martens, Die Rindviehzucht
in Schleswig-Holstein (3. Aufl., Oldenb.
1853; Baumeister, Anleitung zum Betrieb der Rindviehzucht (4. Aufl., Stuttg.
1863);
v. Weckherlin, Landwirtschaftliche Tierproduktion (4. Aufl., das. 1865, 3 Tle.);
Ellerbrock, Die holländische Rindviehzucht
und Milchwirtschaft (2. Aufl., Braunschw. 1870);
Kühn, Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehs (9. Aufl., Dresd. 1887);
Fürstenberg u. Rohde, Rindviehzucht (2. u. 3. Aufl.,
Berl. 1876-85, 2 Bde.);
Wilckens, Die
Rinderrassen Mitteleuropas (Wien 1876);
Lehnert, Die Rinderrassen Deutschlands, Hollands,
der Schweiz etc. (Brem. 1882);
Rütimeyer: Versuch einer natürlichen Geschichte des Rindes (Zür. 1867 u. 1869).