Perikles'
Zeiten zuerst an, die
Redekunst zum Gegenstand eines besondern
Studiums zu machen, und zwar warfen sich insbesondere
die
Sophisten, namentlich
Gorgias, zu
Lehrern derselben auf. Nach ihnen übten den bedeutendsten Einfluß auf die
Entwickelung
der
RedekunstIsokrates, dessen
Haus gleichsam eine
Schule für ganz
Griechenland
[* 2] ward, und
Aristoteles aus:
ersterer ist wenn auch nicht Schöpfer, so doch Vollender der eigentlich oratorischen
Periode in ihrem kunstmäßigen
Bau,
letzterm verdankt die
Rhetorik ihre eigentliche wissenschaftliche Gestaltung.
Die eigentliche
Theorie der
Beredsamkeit lag bis Ende des 2. Jahrh.
v. Chr. fast ausschließlich in den
Händen der
Philosophen, namentlich der
Peripatetiker und
Stoiker; seitdem wandten sich die Redner und
Lehrer der
Beredsamkeit
mit
Eifer den theoretischen
Studien zu und suchten mit eklektischer Benutzung der
Arbeiten der
Aristotelischen und Isokratischen
Schule die
Rhetorik in
Systeme mit schulmäßiger
Terminologie zu bringen. Der bedeutendste rhetorische Schriftsteller
der Zeit war Hermagoras von Temnos (um 120
v. Chr.). Einen mächtigen Aufschwung nahm die praktische und theoretische
Rhetorik
in der römischen Zeit, ganz besonders seit dem Wiederaufleben der
Sophistik (s.
Griechische Litteratur, S. 728). Die
Römer
[* 4] lernten die eigentliche kunstgemäße
Beredsamkeit von den Griechen kennen; aber anfangs hegte man gegen
den
Unterricht der griechischen ein so ungünstiges
Vorurteil, daß man dieselben 161
v. Chr. durch einen Senatsbeschluß aus
Rom
[* 5] verbannte, und als Anfang des 1. Jahrh.
v. Chr. die ersten lateinischen Rhetoren auftraten und großen Zulauf fanden, schritten
die
Zensoren 92 gegen »die der
Sitte und
Gewohnheit der Vorfahren widerstreitende Neuerung« ein.
Doch war dieser
Versuch, sich gegen die Strömung der Zeitrichtung zu stemmen, ebenso vergeblich wie der erste; vielmehr fand
der rhetorische
Unterricht in immer weitern
Kreisen Anklang, und seit der Augustischen Zeit erteilten ihn sogar Freigeborne
ohne Anstoß, während er sich früher ausschließlich in den
Händen von Freigelassenen befunden hatte.
Außerdem besuchten die römischen
Jünglinge griechische
Städte, um dort die berühmten griechischen Redner zu hören.
Über die rhetorische Litteratur der
Römer s.
Römische Litteratur.
[* 6] Bis in die Kaiserzeit erteilten die
Lehrer der
Rhetorik
nur Privatunterricht; seit Vespasian erhielten sie von
Staats wegen
Besoldung wie die
Grammatiker (s. d.).
Der
Theorie der Alten zufolge zerfielen die
Reden dem
Stoff nach in Staatsreden, Gerichtsreden und Prunkreden. Nach dem
Stil
unterschied man eine attische, asianische und rhodische
Beredsamkeit; letztere hielt die Mitte zwischen der trocknen und nüchternen
Behandlung der sogen. Attiker und dem schwülstigen, blumenreichen
Pomp der Asiaten (Asiani).
Sammlungen der griechischen Rhetoren veröffentlichten
Walz (Stuttg. 1833-36, 9 Bde.)
und
Spengel (Leipz. 1853-56, 3 Bde.),
der lateinischen
Halm (das. 1863).
Begründer der Rhetorik als
Wissenschaft ist
Aristoteles; in der
Folge haben sie besonders
Cicero und Quintilian sowie die spätern
griechischen und römischen
Rhetoren (s. d.) mit vielem
Scharfsinn weiter entwickelt. Das verbreitetste Unterrichtsbuch für
Rhetorik waren lange Zeit
Ernestis »Initia rhetorica« (Leipz. 1750 u.
öfter).
Vgl.
Blair, Lectures on rhetoric and helles letters (1783, neue Ausg. 1874; deutsch, Liegn.
1785, 4 Bde.);
Maaß,
Grundriß der allgemeinen und besondern reinen Rhetorik (5. Aufl., Leipz.
1835);
L.
(Rhabarber),
Gattung der Polygonaceen, robuste, ausdauernde
Kräuter mit dickem, holzigem,
häufig mehrköpfigem
Rhizom,
[* 9] dicken, einjährigen, hohlen
Stengeln, zum Teil grundständigen, sehr großen, langgestielten,
ganzrandigen, buchtig gezahnten oder handförmig gelappten, am
Rand oft welligen Blättern, häutigen, verwelkenden
Tuten,
in
Rispen, seltener in
Ähren stehenden
Blüten und dreikantiger, dreiflügelige
Frucht. Etwa 20
Arten im südlichen
Sibirien,
Zentralasien,
[* 10] dem
Himalaja und Südrußland. Rheum officinale Baillon (s. Tafel
»Arzneipflanzen
[* 11] I«),
[* 12]
bis 2 m
hoch, mit 15-20
cm über den
Boden hervorragendem, mehrköpfigem
Rhizom, sehr großen, aus herzförmigem
Grund eiförmigen, zugespitzten,
handförmig, großfünf- oder siebenlappigen Blättern mit gelappten und gezahnten
Abschnitten und dichten, traubigen, zu
großen, terminalen
Rispen vereinigten Blütenständen, wurde 1867 von Dabry im südöstlichen
Tibet entdeckt,
wird dort auch kultiviert und findet sich außerdem wahrscheinlich im westlichen und nordwestlichen
China.
[* 13] Diese
Pflanze¶
mehr
liefert in ihrer Wurzel
[* 15] den offizinellen Rhabarber, jedoch stammt derselbe zum Teil vielleicht auch von andern Arten. Diese
Pflanzen wachsen auf den Weiden der Hochebene in den chinesischen ProvinzenPetschili, Schansi, Schensi, Honan, Kansu, welche sich
bis zur Gobiwüste und der GrenzeTibets erstreckt, in Tsinghai und in den Gebirgen von Setschuan; Hauptstapelplatz
ist Sining. Über die Gewinnung und Zubereitung der Wurzel ist sehr wenig bekannt; sie wird wohl von sechs- bis achtjährigen
Pflanzen gesammelt, alsbald geschält (mundiert), durchbohrt, auf Fäden gereiht, getrocknet, später dann noch auf verschiedene
Weise zubereitet.
Die Stücke des Handels sind von unregelmäßiger Gestalt, etwa 10 cm lang, außen gelb, mit weißen, körnig-kristallinischen
Feldern, von glänzenden, gelben bis dunkel braunroten Adern durchzogen. Die Wurzel riecht und schmeckt eigentümlich aromatisch,
bitterlich herb, enthält Chrysophansäure, harzartige Stoffe, ein Glykosid (Chrysophan), Emodin, eigentümliche Säuren, Stärkemehl
etc., viel oxalsauren Kalk (welcher beim Kauen der Wurzel knirscht), etwa 13-14 Proz. Asche etc. Der wirksame
Bestandteil ist vielleicht die Chrysophansäure, doch ist hierüber nichts Sicheres bekannt.
Rhabarber, welcher bei uns als abführendes Mittel, auch als Stomachikum und tonisches Mittel Anwendung findet, wird in chinesischen
Werken bereits 2700 v. Chr. erwähnt und scheint auch schon dem Dioskorides bekannt gewesen zu sein. Eine WurzelRha
oder Rheon, nach dem FlußRha (Wolga) benannt, wird im 4. Jahrh. von Ammianus Marcellinus erwähnt und dürfte unser Rhabarber
gewesen sein. Die Rhacomawurzel des Plinius kam zunächst aus den Ländern am SchwarzenMeer und hieß daher Rha ponticum, während
die durch das Indusland und das Rote Meer über den alten Hafenort Barbarike zugeführte Rha barbarum hieß.
Im 12. Jahrh. wurde der Rhabarber wahrscheinlich auch von Indien aus eingeführt, und später, jedenfalls seit Anfang des 16. Jahrh.,
gelangte die Wurzel ausschließlich durch Sibirien über Moskau
[* 16] in den Handel, und seit 1804 monopolisierte die russische Regierung
den Handel, so daß Rhabarber nur über Kiachta eingeführt wurde (Kronrhabarber, moskowitischer, russischer
Rhabarber).
Auch später, nach Aufhebung des Monopols, blieb die amtliche Kontrolle zur Ausschließung schlechterer Ware inGebrauch und wurde
so streng durchgeführt, daß nach Eröffnung der chinesischen Häfen der Rhabarber mehr und mehr den Seeweg einschlug und
der Handel über Kiachta endlich ganz einging. Seit 1860 gibt es keinen Kronrhabarber mehr. Der seewärts
ausgeführte chinesische (ostindische, Kanton-) Rhabarber ist viel weniger stark beschnitten als der russische und in der Qualität
viel gemischter, oft schwärzlich, innen kernfaul.
Als Stammpflanzen des Rhabarbers wurden früher auch Rheum palmatumL.,Rheum undulatumL.,RheumcompactumL.,Rheum australeDon., sämtlich in Mittelasien, genannt; die Wurzeln derselben weichen aber von der Handelsware mehr oder weniger
ab. Rheum RhaponticumL., in Sibirien, im Altai und südlichen Ural, an der Wolgamündung, in den südkaspischen Gebirgen, in Chorasan,
am SchwarzenMeer viel kultiviert, hat eine dem chinesischen Rhabarber ähnliche Wurzel und ward früher,
in Persien
[* 17] noch jetzt, als Surrogat desselben benutzt.
Dort ist der eingemachte Rhabarber besonders beliebt, während bei uns das an den Namen sich knüpfende
Vorurteil allgemeinerer Benutzung entgegensteht. In Frankreich bringt man die Blattstiele als Tartreum auf den Markt. In England
wird aus dem Safte der Blattstiele mit Wasser, Zucker und etwas Traubenwein Champagner dargestellt; in Persien ißt man die
Blätter als Gemüse; die im Frühjahr eben aus der Erde kommende, etwa 25 cm hohe Blütenknospe gibt, wie
Blumenkohl zubereitet, eine schmackhafte Speise. Allgemein dienen die Rhabarberarten auch als Zierpflanzen.