v. Harbou änderte. 1866 hielt sich Reuß
[* 2] anfangs neutral, trat aber schon durch
freiwilligen
Vertrag mit
Preußen
[* 3] dem in Aussicht genommenen Norddeutschen
Bund bei. 1867 ging infolge einer
Konvention die
Militärhoheit
auf
Preußen über. Am starb in hohem
AlterFürstHeinrich LXVII., und es folgte ihm sein geborner
Sohn
Heinrich XIV., welcher in maßvollem, bundestreuem
Sinn die
Regierung weiterleitete. Harbous Nachfolger wurde 1877 der
Staatsrat v. Beulwitz. Seit 1871 ist auch Reuß
Bundesstaat des
DeutschenReichs.
[* 2] 1)
KarlAugust von, Forstmann, geb. zu Großebersdorf, besuchte 1812 die
Forstschule in Tharandt, nahm 1813-14 als
Offizier teil an dem
Feldzug in den
Niederlanden und wurde nach der Besitzergreifung
seiner Heimatsgegend durch
Preußen Oberförster zu Burgliebenau
(Schkeuditz), 1819 Forstinspektor in
Schleusingen, 1828
Regierungs-
und Forstrat in
Gumbinnen,
[* 14] 1831
Geheimer Finanzrat im preußischen
Finanzministerium, 1836 Oberlandforstmeister,
erhielt 1840 den
Adel, ward 1843 zum Mitglied des
GeheimenStaatsrats ernannt, trat 1863 in den
Ruhestand und starb hat
sich um die strenge
Ordnung des preußischen
Staatshaushalts betreffs der Staatsforsten große
Verdienste erworben. Ausgestattet
mit bedeutendem Organisationstalent, hob er die preußische Staatsforstverwaltung zu einer der geordneten
empor und nahm regen
Anteil an jener preußischen
Finanzpolitik, welche den
Staat für die großen politischen Aufgaben der
Zukunft vorbereitete.
Außerdem gab er die »Beiträge zu den theologischen
Wissenschaften«
mit
Cunitz (1851-56, 6 Bde.) heraus. Gleichfalls mit diesem veranstaltete
er seit 1863 die Gesamtausgabe der Werke
Calvins im
»Corpus Reformatorum«. Ein großes französisches
Bibelwerk
(»La Bible, traduction nouvelle avec introductions et commentaires«, 1875-81, 19. Bde.)
faßte die Ergebnisse seiner Forschungen zusammen. -
Sein Sohn
Rudolf, geb. 1841,
Professor am protestantischen
Gymnasium und
Stadtbibliothekar in
Straßburg, veröffentlichte zahlreiche Abhandlungen, besonders über
Straßburger und elsässische Lokalgeschichte,
meist in französischer
Sprache.
[* 18]
3)
AugustEmanuel, Mineralog und Paläontolog, geb. zu
Bilin in
Böhmen,
[* 19] studierte
Medizin und war
1834-49 Badearzt in
Bilin.
Schon in dieser
Stellung mit mineralogischen und paläontologischen
Studien beschäftigt, wurde er 1849
Professor
der
Mineralogie in
Prag,
[* 20] 1863 in
Wien, wo er starb. Unter seinen zahlreichen
Arbeiten beschäftigen sich
viele mit der Foraminiferenfauna verschiedener
Formationen und Lokalitäten und führten zum
»Entwurf einer systematischen
Zusammenstellung der
Foraminiferen«
(Wien 1861). Außerdem schrieb er: »Die Kreidegebilde des westlichen
Böhmen«
(Prag 1844);
1)
Christian, nach
Zarnckes Nachweis der bisher unbekannte Verfasser des Lügenromans
»Schelmuffsky«, geb. 1665 zu
Kütten bei
Halle, studierte seit 1688 in
Leipzig
[* 25]
Theologie, später
Jurisprudenz, trat nebenbei als
Schauspieler auf und schrieb
unter dem
Namen
»Hilarius« satirische
Komödien, deren
Stoff er dem
Leben einer
LeipzigerFamilie entnahm. Von
dieser als Pasquillant verklagt, wurde er 1696 auf mehrere Jahre relegiert und 1699 mit gänzlicher Exklusion bestraft. Er
trat darauf in die
Dienste
[* 26] eines
Kammerherrn v. Seyfferditz in
Dresden
[* 27] und ist später verschollen. Reuter war ein witzigerKopf
von natürlicher Derbheit und besaß ein außergewöhnliches
Talent für Charakterzeichnung.
Seine
Lustspiele sind Charakterkomödien im
GeistMolières, z. B. »Die ehrliche
Frau zu Plissine (Pleißenstadt)« (1695), worin
bereits die
[* 1]
Figur des
Schelmuffsky als der von gefährlichen
Reisen heimkehrende Sohn der
Frau Schlampampe eingeführt wird.
Sein Hauptwerk aber ist der genannteRoman, eine
Satire auf die aufschneiderischen modischen Reiseromane
im galanten
Ton eines
Handwerksburschen und eine der vorzüglichsten
Schöpfungen der humoristischen
Poesie. Das Werkchen erschien
unter dem
Titel:
»Schelmuffskys wahrhaftige kuriöse und sehr gefährliche
Reisebeschreibung zu
Wasser und
Lande« (erster Teil,
Schelmerode 1696; andrer Teil,
Pavia 1697)
¶
mehr
und erlebte verschiedene Auflagen (Frankf. u. Leipz. 1750 u.
öfter) sowie auch neuere Bearbeitungen. Ein Neudruck der ältesten Ausgabe erschien Halle 1885.
2) Fritz, der hervorragendste und erfolgreichste plattdeutsche Dichter neuerer Zeit, geb. zu
Stavenhagen in Mecklenburg-Schwerin, studierte zu Rostock
[* 29] und Jena
[* 30] die Rechte, beteiligte sich auf letzterer Universität an den
burschenschaftlichen Bestrebungen, ward 1833 in Berlin verhaftet, nach einjähriger Untersuchung zum Tod verurteilt, vom König
zu 30jähriger Festungshaft begnadigt, nach vierjähriger Haft in preußischen Festungen (s. »Ut mine Festungstid«) 1838 nach
Mecklenburg
[* 31] ausgeliefert und in Dömitz interniert, bis er 1840 infolge der preußischen Amnestie seine
Freiheit wiedererhielt. Er bewirtschaftete nun bis 1850 das väterliche Gut bei Stavenhagen, gab dann die Landwirtschaft auf
und ließ sich als Privatlehrer in Treptow, später als Schriftsteller in Neubrandenburg
[* 32] nieder. Seit 1864 lebte der Dichter
in Eisenach,
[* 33] wo er starb. Während seines Aufenthalts in Treptow hatte er, in engern Kreisen
längst als vorzüglicher Erzähler bekannt, begonnen, »Läuschen und Rimels« (Anklam
[* 34] 1853; 17. Aufl., Wism. 1886) in die Öffentlichkeit
zu senden. Die köstlich anschauliche und naive Weise, in der hier den ältesten und bekanntesten Scherzen
und Anekdoten zu wahrhaft neuem Leben verholfen war, ließ in Reuter alsbald ein seltenes Talent erkennen. Die folgenden poetischen
Erzählungen: »DeReis' nah Belligen« (Trept. 1858; 12. Aufl., Wism. 1884);
»Läuschen und Rimels«, neue Folge (Neubrandenb. 1858, 14. Aufl. 1884);
»Kein Hüsung« (Greifsw. 1858; 10. Aufl., Wism. 1885)
sowie »Schurr Murr« (das. 1861, 11. Aufl. 1886) verhalfen Reuter zu
einer über die Grenzen
[* 35] des niederdeutschen Sprachgebiets hinausreichenden Popularität, die nicht unerhebliche Förderung durch
eine Reihe von Recitatoren (wie Palleske, Kräpelin) fand, welche weite Kreise
[* 36] mit diesen durch den mündlichen Vortrag erst
zur Entfaltung ihrer vollen Wirkungskraft gelangenden Dichtungen bekannt machten. In ganz Deutschland
[* 37] ward
man durch seine (wie gleichzeitig durch Groths) Dichtungen auf die in der plattdeutschen Sprache liegende Fülle köstlichen
Humors, echter Naturlaute für den Ausdruck der Empfindung und wirksamer Mittel für volkstümliche Genredarstellung aufmerksam.
Die Verwendung dieser Mittel durch eine kerngesunde, tief innerliche und doch frische Natur, wie Reuter war,
wirkte erquickend. Seine Meisterleistungen gab der Dichter in der poetischen Erzählung »HanneNüte« (Wism. 1860, 13. Aufl.
1884) und den unter dem Gesamttitel: »Olle Kamellen« vereinigten Erzählungen und zwar sowohl in den köstlichen kleinern
Geschichten: »Woans ick tau 'ne Fru kamm« nebst »Ut de Franzosentid« (das. 1860, 16. Aufl.
1886) und »Ut mine Festungstid« (das. 1863, 14. Aufl. 1885),
wie vor allem in dem größern Roman »Ut mine Stromtid« (das. 1862-64, 3 Bde.; 16. Aufl.
1886), welcher den eigentümlichen und poetisch wertvollsten deutschen Schöpfungen der Neuzeit unbedingt hinzugerechnet werden
muß. Minder hoch, obschon an komischen Zügen reich, sind die nachfolgenden Erzählungen: »Dörchläuchting«
(Wism. 1866, 11. Aufl. 1886) und »De mecklenbörgschen Montecchi un Capuletti oder de Reis' nah Konstantinopel« (das. 1868, 10. Aufl.
1885). Die aus seinem Nachlaß publizierten Lustspiele: »OnkelJakob und OnkelJochen«, »FürstBlücher in Teterow« sowie
»Die drei
Langhänse« (2. Aufl., Leipz. 1875),
erwiesen, daß dem vorzüglichen Erzähler dramatisches Talent versagt
war. Reuters »Sämtliche Werke« erschienen noch bei Lebzeiten des Dichters
in 13 Bänden (Wism. 1863-68); als 14. und 15. Band
[* 38] gabAd. Wilbrandt die »Nachgelassenen Schriften«, mit Biographie (das. 1875),
heraus; eine Volksausgabe erschien in 7 Bänden (3. Aufl., das. 1885).
Vgl. außerdem Glagau, Fr. Reuter und
seine Dichtungen (2. Aufl., Berl. 1875);
Eine gleichzeitig ins Leben gerufene Brieftaubenpost zwischen Aachen und Brüssel
[* 47] sollte ihm die Nachrichten aus Paris und London
rascher als auf dem gewöhnlichen Weg zutragen. Mit der Ausdehnung
[* 48] der Telegraphenlinien verlegte er sein
Büreau nach Verviers, dann nach Quiévrain und 1851 nach London, wo sich seine Beziehungen rasch in großartigem Maß erweiterten.
Er beschaffte von allen Hauptpunkten des Kontinents kommerzielle und finanzielle Nachrichten und versorgte damit Journalisten
und Geschäftsleute.