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Stein- und Braunkohlen, wollene Garne, Getreide, [* 2] Obst, Leinsamen, Talg, rohe Häute, Glas, [* 3] Kolonialwaren, Modeartikel etc. In allen Landesteilen sind Kunststraßen angelegt. Von Eisenbahnen gehören den reußischen Landen eine kurze Strecke der Sächsisch-Bayrischen Staatsbahn, mit den Zweigbahnen nach Greiz [* 4] und Schleiz, [* 5] ferner ein Teil der Elsterthalbahn (Weischlitz-Wolfsgefährt), Teile der thüringischen Zweigbahnen Weißenfels-Gera und Gera-Huchstadt, der Gera-Gößnitzer, der Gera-Weimarischen und der Sächsisch-Thüringischen Staatsbahn an. Eine Handelskammer ist in Gera [* 6] errichtet, wo auch eine Reichsbankstelle, eine Gewerbebank und die Geraer Bank ihren Sitz haben.
Was die Staatsverfassung anlangt, so hat Reuß [* 7] ältere Linie seit eine Konstitution, Reuß jüngere Linie eine Repräsentativverfassung, welche auf dem Staatsgrundgesetz vom auf dem Gesetz über die Zusammensetzung und Wahl der Landesvertretung vom und auf dem Gesetz vom beruht. In beiden Fürstentümern vereinigt der Fürst alle Rechte der Staatsgewalt in sich. Der älteste regierende Fürst ist in beiden Linien Senior und leitet alle gemeinsamen Haus- und Familienangelegenheiten.
Die Regierung ist in beiden Fürstentümern im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge erblich; erlischt die eine Linie, so succediert die andre. Der Fürst wird mit zurückgelegtem 21. Lebensjahr volljährig; während seiner Minderjährigkeit führt die Mutter oder der nächste Agnat die Vormundschaft. Gegenwärtig regiert in Reuß ältere Linie Fürst Heinrich XXII. (geb. regiert seit in Reuß jüngere Linie Fürst Heinrich XIV. (geb. regiert seit Die Fürsten führen das Prädikat »Durchlaucht«.
Alle Fürsten und Prinzen des Hauses Reuß führen seit alten Zeiten den Namen »Heinrich«, wobei die ältere Linie bis 100 zählt und dann wieder mit 1 beginnt, die jüngere aber nur bis zum Ende eines Jahrhunderts fortzählt und hierauf wieder mit 1 anfängt. Die Staatsangehörigen sind gleich vor dem Gesetz. In Reuß ältere Linie besteht der Landtag aus 12 Abgeordneten, von denen 3 vom Landesherrn ernannt, die übrigen als Vertreter des Großgrundbesitzes (2), der Städte (3) und Landgemeinden (4) auf sechs Jahre direkt gewählt werden. In Reuß jüngere Linie ist der Landtag zusammengesetzt aus dem fürstlichen Besitzer des Reuß-Köstritzer Paragiums oder dessen Vertreter, aus 3 Abgeordneten der Höchstbesteuerten und 12 auf drei Jahre direkt gewählten Abgeordneten der übrigen Bevölkerung. [* 8] In jedem Fürstentum übt der Landesherr die oberste Kirchengewalt aus.
Die beiden geistlichen Oberbehörden sind das Konsistorium zu Greiz und das Ministerium, Abteilung für Kirchen- und Schulsachen, zu Gera. Was die Staatsverwaltung anlangt, so ist in Reuß ältere Linie die Landesregierung zu Greiz die oberste Behörde für alle Zweige derselben; in Reuß jüngere Linie werden alle Verwaltungsgeschäfte in oberster Instanz von dem Ministerium zu Gera wahrgenommen, welches aus fünf Abteilungen: für die Angelegenheiten des fürstlichen Hauses, für die Justiz, für das Innere, für Kirchen- und Schulsachen und für die Finanzen, besteht.
Das Fürstentum Reuß jüngere Linie zerfällt in zwei Landratsamtsdistrikte: in den Distrikt Gera, zu welchem das Unterland und vom Oberland die Pflege Hohenleuben gehören, und in den Distrikt Schleiz, der das übrige Oberland umfaßt. Die Rechtspflege wird in Reuß ältere Linie von einem Landesgericht in Greiz und 3 Amtsgerichten wahrgenommen. In Reuß jüngere Linie bestehen ein Landgericht in Gera (zugleich für den weimarischen Kreis [* 9] Neustadt) [* 10] und 5 Amtsgerichte. In Gera werden für ganz Ostthüringen die Schwurgerichtssitzungen abgehalten. Die höhere Instanz bildet für die Fürstentümer das Oberlandesgericht zu Jena. [* 11]
Die Einnahmen und Ausgaben von Reuß ältere Linie betrugen nach dem Hauptetat für 1888 je 845,752 Mk. Unter den Einnahmen figurierten die Grundsteuer mit 95,500 Mk. und die Einkommensteuer mit 291,000 Mk., die indirekten Steuern mit 200,000 Mk., die Chausseegelder etc. mit 19,300 Mk.; unter den Ausgaben spielten diejenigen für Reichszwecke (265,401 Mk.) die Hauptrolle. In Reuß jüngere Linie beliefen sich nach dem Etat für 1888 die Einnahmen auf 1,453,363 Mk., die Ausgaben auf 1,435,053 Mk. Unter erstern waren die indirekten Steuern mit 336,500, die direkten mit 639,000 und die Chausseegelder mit 35,000 Mk. beziffert; die Ausgaben für Reichszwecke betragen 270,441 Mk. Die Staatsschuld betrug in Reuß ältere Linie 1886: 408,521 Mk. gegen ein Aktivvermögen von 1,040,283 Mk., in Reuß jüngere Linie 1887: 1,235,630 Mk. In militärischer Hinsicht bilden die Truppen der beiden Reuß mit denen von Sachsen-Altenburg und Schwarzburg-Rudolstadt das 7. thüringische Infanterieregiment Nr. 96, welches der 8. Division des 4. deutschen Armeekorps (Magdeburg) [* 12] zugewiesen ist. In Gera garnisoniert ein Bataillon dieses Regiments, von welchem allmonatlich ein kleines Detachement nach Greiz abgeschickt wird.
Das Wappen [* 13] (s. Tafel »Wappen«) beider Fürstentümer hat vier Felder, in deren erstem und viertem ein aufrecht stehender Löwe in Schwarz (wegen in deren zweitem und drittem ein goldener Kranich in Silber (wegen Kranichfeld); es ist mit drei Helmen bedeckt und wird von zwei Löwen [* 14] gehalten. Die Landesfarben sind Schwarz, Rot u. Gelb. Zur Auszeichnung für treue Dienste [* 15] bestehen in jedem der beiden Staaten ein Zivilehrenkreuz in zwei Klassen (in Gold [* 16] und Silber) und eine silberne Verdienstmedaille. Dazu ward von Heinrich XIV. 1869 ein Ehrenkreuz in drei Klassen gegründet, welches auch an Militärs und Nichtreußen verliehen wird. Die fürstlichen Residenzen sind in Reuß ältere Linie Greiz, in Reuß jüngere Linie Schloß Osterstein bei Gera und Schleiz.
Geschichte der reußischen Fürstentümer.
Das gegenwärtig reußische Gebiet war einst im Besitz der Sorben und gehörte nach deren Unterwerfung zur Mark Zeitz. [* 17] Otto III. verlieh 999 die Landschaft Gera dem Kloster Quedlinburg, [* 18] und dieses überließ später die Vogtei den Herren von Weida. Als erster dieses Geschlechts wird Erkenbert I. um 1122 genannt. Seit seinem Sohn Heinrich (dem Sachsen, [* 19] 1143-63) wird dieser Name in der Familie stehend. Sein Sohn Heinrich der Reiche (gestorben zwischen 1195 und 1209) erwarb zu der Vogtei Weida auch die von Gera u. infolge seiner Verheiratung mit Bertha, einer Markgräfin von Österreich, [* 20] die Vogteien zu Greiz, Hof [* 21] und Plauen. [* 22] Heinrichs des Reichen zweiter Sohn, Heinrich IV. (gest. 1250), Ordenslandmeister in Preußen, [* 23] setzte das Geschlecht fort. Schon bei seinen Lebzeiten teilten seine Söhne (etwa um 1244) und stifteten die drei Linien Weida, Plauen und Gera, deren jede den Vogtstitel führte.
Die Weidasche Linie, gestiftet von Heinrich VII., besaß nicht nur die Herrschaft Weida, sondern auch Greiz, die Pflegen Ronneburg und Werde, das Regnitzland, die Stadt Hof und Schloß Hirschberg [* 24] a. S., verkaufte Hof und das Regnitzland 1373 an die Burggrafen von Nürnberg [* 25] und Weida 1427 an Kursachsen, ¶
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erwarb dagegen Schloß und Herrschaft Wildenfels (1454), wovon sie den Titel Vögte von Weida und Wildenfels führte, bis sie 1535 erlosch.
Die Linie Gera wurde von Heinrich I., Sohn Heinrichs IV., gegründet, welcher bei der Teilung nur Gera und das Land westlich der Elster [* 27] erhielt, später jedoch den östlichen Teil von Weida kaufte. Seine Enkel Heinrich VI. (gestorben um 1343) und Heinrich VII. (gest. 1377) besaßen als Reichslandrichter, jener im Pleißener Land, dieser in Meißen, [* 28] Osterland und Landsberg, [* 29] einflußreiche Stellungen. Doch mußte letzterer, Haupt der Linie seit 1347, im J. 1371 die Lehnshoheit Böhmens für die Herrschaft Lobenstein, 1374 die Thüringens für Schleiz, Saalburg und Reichenfels anerkennen.
Infolge des Beistandes, welchen Heinrich XII., der jüngere, des vorigen jüngster Sohn, dem Kurfürsten Friedrich dem Sanftmütigen im sächsischen Bruderkrieg leistete, ward 1450 Gera nach harter Belagerung erobert und zerstört; Heinrich selbst wurde als Gefangener nach Böhmen [* 30] geführt, wo er bald nachher kinderlos starb. Heinrich XI., der mittlere, des vorigen älterer Bruder, setzte das Geschlecht fort; seine drei Söhne teilten, so daß der ältere Gera, der mittlere Schleiz, der jüngere Lobenstein erhielt.
Doch vereinigte Heinrich XV., der mittlere, um 1497 wieder alle Besitzungen dieser Linie. Nach seinem Tode (1502) teilten seine Söhne Heinrich XVIII. und Heinrich XIX. wiederholt, doch beerbte der jüngere 1538 den Bruder. Heinrich, der um 1543 die Reformation in seinem Land eingeführt hatte, mußte nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 seine Besitzungen von Böhmen zu Lehen nehmen und außerdem Gera an den Burggrafen zu Meißen, Heinrich von Plauen, abtreten. Mit seinem Tod 1550 erlosch die Linie Gera, und Heinrich von Plauen trat die Erbschaft an.
Die Linie Plauen hatte Heinrichs IV. mittlern Sohn, Heinrich, zum Stifter, der die Stammherrschaft Plauen mit Vogtsberg erhielt und sich daher Heinrich I., Vogt von Plauen, nannte. Seine beiden Söhne, Heinrich der Böhme und Heinrich der Reuße, sind die Stifter der Linien Plauen und Reuß von Plauen, von denen die letztere noch heute blüht.
In der ältern Linie Plauen gingen unter Heinrichs des Böhmen Nachkommen die Besitzungen fast unvermindert stets auf den ältesten Sohn über. Unter ihnen sind am bekanntesten Heinrich XI., der als Hofrichter Kaiser Siegmunds auf der Kirchenversammlung zu Konstanz [* 31] 1417 das über Huß gefällte Urteil für rechtswidrig erklärte, und sein Bruder Heinrich, der Hochmeister des Deutschen Ordens (s. Heinrich von Plauen). Nachdem Heinrich, Burggraf zu Meißen und Graf zu Hartenstein, bei Aussig geblieben war, ward Heinrich XI. vom Kaiser 1426 mit der Burggrafschaft Meißen belehnt und erhielt zugleich die fürstliche Würde nebst Sitz und Stimme auf dem Reichstag, weshalb er den Namen Heinrich I. annahm.
Sein ältester Sohn, Heinrich II. (gest. 1446), mußte gleich im Anfang seiner Regierung die Rache der Hussiten fühlen, die 1430 die Ortschaften Werdau, [* 32] Reichenbach, [* 33] Plauen, Ölsnitz, Auerbach [* 34] etc. zerstörten. Ein bald darauf ausgebrochener Streit zwischen dem Burggrafen und dem Kurfürsten von Sachsen wegen des Burggraftums ward vom König Albrecht II. 1439 dahin entschieden, daß der Burggraf an den Kurfürsten gegen eine Entschädigung von 16,000 rhein. Gulden das Burggraftum nebst allem Zubehör abtrat, doch so, daß ihm Titel und Wappen des Burggraftums verblieben. 1572 ging dann die Burggrafschaft Meißen definitiv an Kursachsen über.
Heinrich III., des vorigen Sohn, mußte 1482 seine vogtländischen Besitzungen an Sachsen abtreten und erhielt dafür böhmische Güter als Entschädigung. Erst sein Enkel Heinrich V., kaiserlicher Kämmerer und oberster Kanzler von Böhmen, erhielt für die Dienste, welche er dem Kaiser und dem König Ferdinand in dem Schmalkaldischen Kriege geleistet, die Sachsen entrissenen vogtländischen und böhmischen Lehen und die vogtländischen Herrschaften Vogtsberg, Plauen, Ölsnitz, Adorf, Schöneck etc. wie auch die böhmische Herrschaft Gräßlitz wieder zurück und wurde 1550 nach dem Aussterben der Linie Gera auch mit Gera, Schleiz, Lobenstein und Saalburg belehnt.
Nachdem er 1553 infolge einer Aufforderung von seiten des Königs Ferdinand einen Kriegszug gegen den Markgrafen Albrecht von Brandenburg [* 35] unternommen und bei dieser Gelegenheit die Stadt Hof erobert hatte, entschädigte man ihn für die Kriegskosten durch die Hauptmannschaft von Hof und mehrere Ämter auf dem Fichtelgebirge. Bald darauf fand er seinen Tod bei der Belagerung der Plassenburg (1554), zwei Söhne, Heinrich VI. und Heinrich VII., hinterlassend, unter deren Regierung das durch ihren Vater Erworbene wieder verloren ging. Beide Brüder starben kinderlos, der jüngere 1572; mit ihm erlosch die ältere Plauensche Linie.
Die jüngere Plauensche Linie gründete Heinrich der Reuße, der erste dieses Namens, welcher vor 1209 starb. Dessen Sohn Heinrich II. erhielt 1325 vom Kaiser Reichenbach und Mylau zu Lehen, vom Landgrafen Friedrich Meißen und das Schloß Waldeck. [* 36] Im folgenden Jahr verlieh der Kaiser allen Plauenschen Linien eine Goldene Bulle über ihre landesherrlichen Regalien. Des obigen Sohn Heinrich der Strenge (1349-59) verlor durch eine Fehde mit dem Markgrafen Friedrich dem Strengen von Meißen (1355-57) Triptis, Auma und Ziegenrück wieder.
Die drei Söhne desselben teilten das väterliche Erbe unter sich; doch starb der mittlere derselben (1372) wie der jüngere (um 1407) ohne Erben, und ihre Lande fielen als eröffnete Lehen an den Landgrafen von Thüringen. Der älteste setzte das Geschlecht fort; von seinen drei Enkeln trat der zweite in den Deutschen Orden [* 37] und wurde 1469 Hochmeister desselben, während die beiden andern (1451) die Herrschaften Ober- und Niederkranichfeld an sich brachten. Von den fünf Söhnen des ältern der letztgenannten hatte nur einer, Heinrich XVI. (gest. 1535), Nachkommen, nämlich drei Söhne, welche als Anhänger der Reformation im Schmalkaldischen Krieg fochten und infolge der Reichsacht alle sächsischen und böhmischen Lehen verloren. Später indes gelangten sie wieder zum teilweisen Besitz ihrer Länder, worauf sie sich 1564 in drei Linien spalteten.
Die ältere Linie Reuß von Plauen auf Untergreiz hatte Heinrich I. oder den ältern, der 1572 starb, zum Stifter. Nachdem 1616 die mittlere Linie (s. unten) erloschen war und deren Besitzungen dieser ältern Linie zugefallen waren, nannte sich diese von da an Reuß-Greiz, worauf Heinrichs I. Enkel Heinrich IV. und Heinrich V. 1625 ihre Lande teilten, indem Heinrich IV. das Spezialhaus Obergreiz, Heinrich V. dagegen das von Untergreiz stiftete. 1671 nahmen die sämtlichen Herren Reuß von Plauen mit Genehmigung des Kaisers den Grafentitel an. Das Spezialhaus Untergreiz erlosch 1768 mit dem Tod Heinrichs III., und seine Besitzungen fielen an Obergreiz. Der Sohn Heinrichs IV., des Stifters des Spezialhauses Obergreiz, Heinrich der ältere, unterzeichnet den Nebenrezeß mit, dem zufolge fortan ¶