Weg.Weiterhin drückt sich nischenartig die
Straße in die schauerliche Felswand der
Schöllenen und schreitet von einem
Ufer
zum andern. Die Tiefe des Thalkessels von
Göschenen (1063 m), wo der nördliche Eingang des Gotthardtunnels liegt, ist erreicht.
Da rauscht die
Göschener Reuß
[* 2] aus ihrem
Thal
[* 3] hervor, bei Wasen (840 m) die
Mayenreuß, bei
Amsteg der
Kärstelenbach
(536 m).
Nun fängt das
Thalan sich zu erweitern, und durch ein schönes Kanalwerk gelangt die durch den Schächenbach verstärkte
in den
Vierwaldstätter See (s. d.). Bei Luzern
[* 4] (437 m) verläßt sie ihr Läuterungsbassin
und damit das Bergland; unter
Aufnahme der
KleinenEmme wendet sie sich wieder nordwärts und mündet, nachdem
die
Lorze ihr noch zugegangen, bei
Windisch in die
Aare (329 m). Die Gesamtlänge der Reuß beträgt 145,6 km.
Ihr
Flußgebiet umfaßt 3411 qkm; ihre
Gletscher nehmen 145 qkm ein, also 4,25 Proz. des
Flußgebiets.
Die bedeutendsten
Spitzen sind: der Sieglitz (747
m) und der
Kulm (779 m). Die Hauptgewässer sind: die
Saale mit der
Selbitz, Lemnitz, Friesau,
Wetterau und Sormitz im westlichen und die
WeißeElster
[* 12] mit der
Göltzsch im östlichen
Teil des
Landes. An der südlichen
Grenze entspringt die
Rodach, welche zum
Main geht. Das Oberland führt
an zahlreichen
PunktenStahlquellen, von denen die in der
Nähe von
Lobenstein gefaßt sind und
Anlaß zu der Begründung der
dortigen
Bade- und Heilanstalt gaben.
Das
Klima
[* 13] ist gemäßigt, um den
Frankenwald etwas rauh, in den Gegenden an der
Saale und um
Gera
[* 14] weit milder. Die Fürstentümer
Reuß haben einen Flächeninhalt von 1142 qkm (20,8 QM.)
mit (1885) 166,502 Einw., wovon auf Reuß ältere
Linie 316 qkm (5,8 QM.) mit 55,904 Einw.,
auf Reuß jüngere
Linie 826 qkm (15,0 QM.) mit 110,598
Einw. kommen. Reuß ältere
Linie zählt 2
Städte, 2
Marktflecken und 76
Dörfer,
Reuß jüngere
Linie 6
Städte, 4
Marktflecken und 163
Dörfer.
Städte mit über 10,000 Einw. sind
Greiz
[* 15] und
Gera.
Obgleich die reußischen
Lande wegen ihrer gebirgigen
Beschaffenheit die
Landwirtschaft nicht zu begünstigen scheinen,
so wird dieselbe doch mit großer Sorgfalt betrieben.
In Reuß ältere
Linie und Reuß jüngere
Linie entfallen auf Ackerland und
Gärten 41,2, bez. 38,9
Proz., auf
Wiesen 16,7, auf
Weiden 1,9, bez. 3,3,
auf
Wald 36, bez. 37,7 Proz.
des
Areals. Man baut allenthalben die gewöhnlichen deutschen Getreidearten; doch reicht im gebirgigen
und rauhen Oberland der
Ertrag bei weitem nicht für den
Bedarf der Bewohner hin, weshalb viel
Getreide
[* 17] aus
Bayern,
Böhmen
[* 18] und
dem Altenburgischen eingeführt werden muß.
Obst und feineres
Gemüse werden nur in Hausgärten gezogen, dagegen ist der Kartoffelbau sehr ausgebreitet und ergiebig. Sorgfältig
wird im Oberland der Flachsbau betrieben. Hopfenbau findet sich hin und wieder, Weinbau gar nicht.
Wiesen
von bester
Qualität haben alle Landesteile aufzuweisen, daher ist die
Viehzucht,
[* 19] bez. die Viehmästung in blühendem Betrieb
und haben die Viehmärkte, namentlich im Oberland, eine große Bedeutung. Dagegen ist der Bestand an
Pferden und
Schafen verhältnismäßig
gering.
Einen wesentlichen
Reichtum bilden in beiden Fürstentümern die Waldungen, von welchen in Reuß ältere
Linie 50 Proz. im
Besitz des
Staats, in Reuß jüngere
Linie 48 Proz. im
Besitz des
Fürsten sind. Sie bestehen meist aus Nadelholz.
Auch der
Bergbau
[* 20] gibt einen nicht unansehnliche
Ertrag, wenn er auch bei weitem nicht mehr in dem
Maß blüht
wie früher. Der ehedem nicht unbedeutende
Bau auf Antimonerze,
Flußspat,
[* 21]
Braunkohlen (Unterland) und
Kupfererze hat meist aufgehört;
nur der
Bau auf
Eisenerze und
Braunkohle beschäftigt noch eine größere Anzahl von
Bergleuten.
In der
Nähe von
Köstritz befinden sich die
Saline Heinrichshall und eine chemischeFabrik. In
Saalburg verarbeitet
eine Marmorschleiferei die schönen Kalkbänke der dortigen alten
Formationen. Außerdem gibt es reiche
Schiefer- und Sandsteinbrüche,
und hier und da wird
Torf gestochen. Die gewerbliche
Industrie ist sehr lebhaft. In Reuß ältere
Linie stehen obenan die Wollwarenindustrie
in
Greiz und den umliegenden Ortschaften und die Strumpfwarenindustrie in
Zeulenroda.
Erstere liefert
Tibets, halbwollene und halbseidene
Stoffe, wollene
Decken, Baumwollzeuge etc. In
Greiz stehen jetzt
ca. 8000 mechanische
Webstühle,
[* 22] und in
Zeulenroda vermehren sich die
Stühle für mechanische
Wirkerei
[* 23] unausgesetzt. Außerdem sind mehrere Seifensiedereien
(Zeulenroda), Maschinenbauanstalten (ebendaselbst), Wollzeugdruckereien,
Stein- und Buchdruckereien,
Färbereien und Appreturanstalten
sowie
Gerbereien im Betrieb. In Reuß jüngere
Linie ist der Hauptort für die
IndustrieGera, und hier ist
es wiederum vorzugsweise die Fabrikation von Kammwollwaren, welche dominiert: es stehen daselbst
ca. 7000 mechanische
Webstühle.
Außerdem sind zu nennen: für Jutespinnerei und
-WebereiTriebes;
Endlich bestehen noch einige Eisenhütten (Oberland), eine chemische
Fabrik (Heinrichshall),
eine Porzellanfabrik (Gera-Untermhaus), Wachstuchfabriken, Maschinenbauanstalten
(Gera) etc. Was den
Handel betrifft, so
sind die wichtigsten Ausfuhrartikel der Fürstentümer: die erzeugten wollenen Webstoffe und gewirkten
Waren, Jutestoffe,
ferner
Holz,
[* 26]
Rindvieh,
Butter,
Eisen,
[* 27]
Leder,
Sandsteine und
Steingut;
AlleFürsten und Prinzen des Hauses Reuß führen seit alten Zeiten den Namen »Heinrich«, wobei die ältere Linie
bis 100 zählt und dann wieder mit 1 beginnt, die jüngere aber nur bis zum Ende eines Jahrhunderts fortzählt und hierauf
wieder mit 1 anfängt. Die Staatsangehörigen sind gleich vor dem Gesetz. In Reuß ältere Linie besteht der
Landtag aus 12 Abgeordneten, von denen 3 vom Landesherrn ernannt, die übrigen als Vertreter des Großgrundbesitzes (2), der
Städte (3) und Landgemeinden (4) auf sechs Jahre direkt gewählt werden. In Reuß jüngere Linie ist der Landtag zusammengesetzt
aus dem fürstlichen Besitzer des Reuß-Köstritzer Paragiums oder dessen Vertreter, aus 3 Abgeordneten der
Höchstbesteuerten und 12 auf drei Jahre direkt gewählten Abgeordneten der übrigen Bevölkerung.
[* 30] In jedem Fürstentum übt
der Landesherr die oberste Kirchengewalt aus.
Die Einnahmen und Ausgaben von Reuß ältere Linie betrugen nach dem Hauptetat für 1888 je 845,752 Mk. Unter
den Einnahmen figurierten die Grundsteuer mit 95,500 Mk. und die Einkommensteuer mit 291,000 Mk., die indirekten Steuern mit 200,000
Mk., die Chausseegelder etc. mit 19,300 Mk.; unter den Ausgaben spielten diejenigen für Reichszwecke (265,401 Mk.) die Hauptrolle.
In Reuß jüngere Linie beliefen sich nach dem Etat für 1888 die Einnahmen auf 1,453,363 Mk., die Ausgaben
auf 1,435,053 Mk. Unter erstern waren die indirekten Steuern mit 336,500, die direkten mit 639,000 und die Chausseegelder mit
35,000 Mk. beziffert; die Ausgaben für Reichszwecke betragen 270,441 Mk. Die Staatsschuld betrug in Reuß ältere
Linie 1886: 408,521 Mk. gegen ein Aktivvermögen von 1,040,283 Mk., in
Reuß jüngere Linie 1887: 1,235,630 Mk. In militärischer Hinsicht bilden die Truppen der beiden Reuß mit denen von Sachsen-Altenburg
und Schwarzburg-Rudolstadt das 7. thüringische Infanterieregiment Nr. 96, welches der 8. Division des 4. deutschen Armeekorps
(Magdeburg)
[* 33] zugewiesen ist. In Gera garnisoniert ein Bataillon dieses Regiments, von welchem allmonatlich
ein kleines Detachement nach Greiz abgeschickt wird.