Titel
Elemente zu
Reuchlin:
1) Johann (gräzisiert Kapnion)
2) Hermann, namhafter Geschichtschreiber, Nachkomme des vorigen
Basel (Stadt)
* 5
Basel .
1)
Johann (gräzisiert Kapnion), berühmter Humanist und Vorkämpfer der
Reformation , geb. 22. Febr. 1455 zu
Pforzheim ,
[* 2 ] besuchte die
Schule zu
Schlettstadt ,
[* 3 ] studierte seit 1470 in Freiburg ,
[* 4 ] ward wegen seiner schönen
Stimme in die
Kapelle des
Markgrafen
Karl
von
Baden-Durlach aufgenommen, begleitete 1473 den jungen
Markgrafen
Friedrich auf die
Pariser
Universität ,
wo er besonders
Griechisch und
Lateinisch lernte, kam 1474 nach Basel ,
[* 5 ] wurde hier 1475
Bakkalaureus und 1477
Magister , ging 1478 nach
Orléans ,
[* 6 ] um die
Rechte zu studieren, und 1479 nach
Poitiers .
Als
Lizentiat der
Rechte 1481 nach
Tübingen
[* 7 ] zurückgekehrt, trat er hier als
Lehrer der
Rechte und schönen
Wissenschaften auf, praktizierte als
Advokat und ward bald der Liebling
Eberhards des
Bärtigen von
Württemberg ,
[* 8 ] in dessen
Gefolge
(als
Geheimschreiber ) er 1482 nach
Italien
[* 9 ] kam. 1484 wurde er
Beisitzer des
Hofgerichts zu
Stuttgart
[* 10 ] und von
Eberhard zu mehreren
diplomatischen
Missionen verwandt. 1490 finden wir ihn abermals in
Italien . 1492 begleitete er
Eberhard
nach
Linz
[* 11 ] zum
Kaiser , der ihn zum
Pfalzgrafen und kaiserlichen
Reichsrat ernannte.
Köln
* 15
Köln .
Nach
Eberhards
Tod begab sich Reuchlin 1496 an den kurpfälzischen
Hof
[* 12 ] nach
Heidelberg
[* 13 ] und erwirkte 1498 als Abgesandter in
Rom
[* 14 ] die
Lossprechung des
Kurfürsten
Philipp von der
Pfalz vom
Bann . Nach
Stuttgart 1499 zurückgekehrt, widmete er
sich ganz den
Wissenschaften und dem
Unterricht . Von 1502 bis 1513 war er Vorsitzender beim schwäbischen
Bundesgericht .
Sein
Widerraten der vom
Kaiser 1509 befohlenen
Verbrennung aller nichtbiblischen hebräischen
Schriften verwickelte ihn in einen
bittern Streit mit den
Dominikanern zu
Köln ,
[* 15 ] vor allen mit
Jakob von
Hoogstraten .
Die
Universitäten
Paris ,
[* 16 ]
Löwen ,
[* 17 ]
Erfurt
[* 18 ] und
Mainz
[* 19 ] traten gegen in die
Schranken , der aber, obgleich ihm ein
Inquisitionsprozeß
gemacht wurde, zuerst in
Mainz und
Speier ,
[* 20 ] dann in
Rom seine
Sache siegreich verfocht. Zugleich wurden die blinden
Eiferer durch
die berühmten
»Epistolae obscurorum virorum « (s. d.) dem Gelächter preisgegeben.
In dem
Kampf zwischen dem
Herzog
Ulrich und dem
Schwäbischen
Bund wurde Reuchlin, obwohl er seine
Stelle als Bundesrichter
niedergelegt hatte, vom
Herzog gefangen genommen, erhielt aber durch den
Herzog
Wilhelm von
Bayern
[* 21 ] seine
Freiheit wieder und wurde 1519 zum
Professor in
Ingolstadt
[* 22 ] ernannt.
Geschichtskarten von D
* 25
Deutschland .
Einen
Ruf nach
Wittenberg
[* 23 ] schlug er aus und empfahl dafür seinen
Schüler
Melanchthon . Der
Pest halber kehrte
er schon 1521 nach
Stuttgart zurück. Er starb, nach einer kurzen Wirksamkeit an der
Universität zu
Tübingen , 30. Juni 1522 im
Bad
[* 24 ]
Liebenzell bei
Hirschau . Seine ansehnliche
Bibliothek hatte er seiner Vaterstadt
Pforzheim vermacht. Insofern Reuchlin auf die bessere
Gestaltung des
Schulwesens in
Deutschland
[* 25 ] teils durch Verbreitung liberaler
Grundsätze , teils durch das
lebendige
Wort und durch Abfassung zweckmäßiger Elementarbücher für die Erlernung der alten
Sprachen einen großen Einfluß
übte und so die Läuterung und
Reform der religiösen
Vorstellungen anbahnte,
ist er mit
Recht ein Vorkämpfer der
Reformation
zu nennen; mit ebendemselben
Recht heißt
er aber auch der Begründer der klassischen
Philologie und der
Schöpfer des
Humanismus in
Deutschland .
In der griechischen
Sprache
[* 26 ] begründete er eine eigne
Aussprache der
Diphthonge , den sogen.
Itazismus (vgl.
Etazismus ). Von seinen
Werken nennen wir außer mehreren lateinischen Übersetzungen griechischer Schriftsteller die
Ausgaben von »Xenophontis Apologia,
Agesilaus,
Hiero «
(Hagenau
[* 27 ] 1520) und »Aeschinis et Demosthenis orationes adversariae«
(das. 1522);
zur lateinischen
Sprache : »Vocabularius breviloquus« (Basel
1475);
zur griechischen
Sprache : »Micropaedia sive grammatica
graeca« (um 1478 verfaßt; nicht gedruckt) und
»Synopsis grammaticae graecae« (Pforzh. 1506);
zur hebräischen
Sprache : »Rudimenta
hebraica« (das. 1506),
»De accentibus et orthographia Hebraeorum libri III« (das. 1518)
und die
Ausgabe der sieben
Bußpsalmen
(Tübing . 1512),
die als der erste hebräische
Druck in
Deutschland gilt.
Augenstein - Augenwimp
* 28
Augenspiegel .
»Der
Augenspiegel «
[* 28 ] (Pforzh. 1511; hrsg. von Mayerhoff, Berl.
1836) war gegen eine
Schmähschrift des
Kölner
[* 29 ] Obskuranten.
Pfefferkorn (s.
Epistolae obscurorum virorum ) gerichtet. Auf die
jüdische
Geheimlehre beziehen sich:
»De verbo mirifico« (Basel
1494) und
»De arte cabbalistica«
(Hagenau 1517).
In dem satirischen
Lustspiel
»Sergius , sive capitis caput« (Pforzh. 1507) geißelte Reuchlin die Pfaffenherrschaft.
Sein »Briefwechsel« wurde von L.
Geiger herausgegeben (Stuttg. 1876, Litter.
Verein ).
Vgl. L.
Geiger , J. Reuchlin, sein
Leben und seine
Werke (Leipz. 1871);
Horawitz, Zur
Biographie und
Korrespondenz J. Reuchlins
(Wien
[* 30 ] 1877);
Holstein , J. Reuchlins
Komödien
(Halle
[* 31 ] 1888).
2)
Hermann , namhafter Geschichtschreiber, Nachkomme des vorigen, geb. 9. Jan. 1810 zu
Markgröningen bei
Stuttgart , studierte in
Tübingen
Theologie , begleitete als
Hauslehrer seinen Zögling
Sieveking aus
Hamburg
[* 32 ] nach
Paris , wo er sich längere Zeit aufhielt
und sich mit der Geschichte des
Jansenismus beschäftigte, ward 1842
Pfarrer zu Pfrondorf bei
Tübingen
und privatisierte seit 1857 in
Stuttgart , wo er 14. Mai 1873 starb. Von seinen Werken sind hervorzuheben: »Geschichte von
Port
Royal « (Hamb. u. Gotha
[* 33 ] 1839-44, 2 Bde.);
»Pascals
Leben und der
Geist seiner
Schriften « (Stuttg. 1840);
»Geschichte
Italiens
[* 34 ] von
Gründung der regierenden
Dynastien bis zur Gegenwart« (Leipz. 1858-74, 4 Bde.)
und »Lebensbilder zur Geschichte des neuen
Italien «
(Graf
Balbo ,
Garibaldi ,
General
Pepe ;
Nördling . 1860-62, 3
Tle .).
Leipzig
* 35
Leipzig .
bisher stadtähnliches Dorf und
Vorort im O. von
Leipzig ,
[* 35 ] in der sächs.
Kreis - und Amtshauptmannschaft
Leipzig ,
mit
Leipzig seit
Jahren verwachsen, hat eine schöne gotische
Kirche , ein neues
Rathaus , eine
Realschule ,
das Bibliographische
Institut , Buchdruckerei, Notenstecherei,
Lampen -,
Rüschen -,
Maschinen - und Zigarrenfabrikation, eine bedeutende
chromolithographische und andre graphische Anstalten, eine renommierte Bierbrauerei
[* 36 ] und (1885)
18,824 meist evang. Einwohner. Reudnitz bildet mit den Dörfern Neureudnitz,
Thonberg ,
Volkmarsdorf ,
Anger-Krottendorf ,
Neuschönefeld ,
Neustadt ,
[* 37 ] Sellerhausen und Neusellerhausen den zusammenhängenden
Komplex der Ostvorstadtdörfer von
Leipzig .
Die beiden
Orte Reudnitz und
Anger-Krottendorf wurden 1. Jan. 1889 mit
Leipzig vereinigt.