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hinter denjenigen, welche England, Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten [* 2] ihren Sendboten zur Verfügung stellten; desto rühmenswerter ist der entsagungsfreudige Eifer, mit dem so viele tüchtige Männer sich der schwierigen und gefahrvollen Forschung widmeten. Die Hauptziele der wissenschaftlichen Reisen im 19. Jahrh. waren Innerafrika, Zentralasien, [* 3] das Innere Australiens, die Nordpolarländer. [* 4] Zur Erforschung des afrikanischen Kontinents bildeten sich in verschiedenen europäischen Ländern Afrikanische Gesellschaften (s. d.), welche zum Teil großartig ausgerüstete Expeditionen aussandten.
Durch sie wurde das große Seengebiet Afrikas entschleiert und die lang umstrittene Frage der Nilquellen endgültig gelöst. Die bedeutendste dieser Gesellschaften ist unzweifelhaft die mit den reichen Mitteln des Königs der Belgier ins Leben gerufene Internationale Afrikanische Association, aus welcher die Association du Congo und später der Congostaat hervorgegangen sind, nachdem Stanley in seinem großartigen Zug quer durch den dunkeln Kontinent den Lauf des afrikanischen Riesenstroms bestimmt hatte.
Danach sind Reisen quer durch Afrika [* 5] wiederholt gemacht worden. Nach Zentralasien richteten Engländer, Deutsche [* 6] und Russen ihre Reisen, zugleich bahnten hier die Eroberungen der letztern den Weg, während die Kolonialbestrebungen der Franzosen wesentlich zur bessern Kenntnis der hinterindischen Halbinsel beitrugen. Auch China [* 7] zeigte sich zugänglicher, so daß verschiedene Reisende dort Forschungen zu machen im stande waren. In Australien [* 8] waren es die dortigen englischen Kolonisten, welche zahlreiche Reiseunternehmungen ausrüsteten und das allerdings zum großen Teil auch heute noch wenig bekannte Innere in mehreren Routen durchschnitten.
Für Reisen in den Nordpolargebieten erweckte Petermann neues Interesse, und seiner rastlosen Agitation haben wir eine Reihe von Unternehmungen zu danken, denen man in jüngster Zeit die Anlage von dauernden Polarstationen folgen ließ. Gegenwärtig wendet sich das lebhafteste Interesse, auch der Australier, der Erforschung der Südpolargegenden zu. Die Ozeanforschung hat außer Deutschland [* 9] auch in England und Nordamerika [* 10] thätige Förderung erfahren, und die Reisen des Challenger und der Tuscarora stehen würdig neben der der Gazelle (vgl. Maritime wissenschaftliche Expeditionen).
Die Geschichte der Entdeckungsreisen behandeln: Peschel, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (2. Aufl., Stuttg. 1877);
Derselbe, Geschichte der Erdkunde [* 11] (2. Aufl., Münch. 1877);
Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (Berl. 1881);
Vivien Saint-Martin, Histoire de la géographie (Par. 1873);
Embacher, Die wichtigern Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts (Braunschw. 1880);
Derselbe, Lexikon der Reisen und Entdeckungen (Leipz. 1882).
Als Anleitungen und Führer für wissenschaftliche Reisende dienen: Neumayer (in Verbindung mit andern Gelehrten), Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen (2. Aufl., Berl. 1888, 2 Bde.);
Richthofen, Führer für Forschungsreisende (das. 1886);
Semler, Das Reisen nach und in Nordamerika, den Tropenländern etc. (Wism. 1884);
Sir John Herschel, The Admiralty manual of scientific enquiry (Lond. 1849, neubearbeitet von Reisen Main);
»Hints to travellers«, herausgegeben im Auftrag der Geographischen Gesellschaft zu London [* 12] (5. Aufl., das. 1885);
Kaltbrunner, Manuel du voyageur (2. Aufl., Zürich [* 13] 1888; auch deutsch), und für Reisen in unkultivierten Ländern: Galton, Art of travel in wild countries (5. Aufl., Lond. 1872).
Die Royal Geographical Society hat Lehrkurse veranstaltet, in welchen angehende Reisende für ihre Unternehmungen praktisch und wissenschaftlich ausgebildet werden.
Zu Handelszwecken sind Reisen von jeher unternommen worden. In neuerer Zeit sind umfassende Expeditionen auch unter der Ägide verschiedener Regierungen ausgegangen, um behufs eventueller Anknüpfung von Handelsbeziehungen die wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Länder kennen zu lernen. Solche Zwecke verfolgten neben andern die österreichische Novaraexpedition, die preußische Expedition nach Ostasien u. a. Die Expedition von Löhnis u. a. nach der Levante hatte den gleichen Zweck, dasselbe wollten auch die von Deutschland, Frankreich, Italien [* 14] ausgesandten Handelsexpeditionen auf besonders eingerichteten Schiffen mit Musterlagern.
Daß Handelsreisende aller Länder gegenwärtig bereits die entlegensten überseeischen Absatzgebiete aufsuchen, ist bekannt; man will jetzt junge Kaufleute für dergleichen Reisen besonders vorbereiten und zum Studium der kommerziellen Verhältnisse bestimmter Länder aussenden. In neuester Zeit sind mehrfach Reisen unternommen worden, um die Tauglichkeit bestimmter Länder für Ackerbaukolonien zu erforschen, in allerneuester Zeit endlich behufs Erwerbung von Kolonialbesitz. [* 15] - Religiöse Motive trieben und treiben noch immer in manchen Ländern zu großen Reisen, in dieser Beziehung Wallfahrten genannt.
Die Juden machten solche jährlich zum Passahfest nach Jerusalem, [* 16] die Griechen und Römer [* 17] zogen zu berühmten Tempeln, die ursprünglich auf religiöser Basis ruhenden Spiele versammelten viele Tausende von nah und fern, die Germanen zogen zu heiligen Hainen. Mit dem Christentum kamen die Pilgerfahrten zum Heiligen Land auf, aus denen sich später die Kreuzzüge entwickelten. Später traten an die Stelle von Jerusalem Rom, [* 18] Compostela u. a., in neuester Zeit Lourdes und Marpingen. Bei den Mohammedanern gehen jährlich große Pilgerkarawanen nach Mekka und Medina sowie zu heiligen Gräbern im allgemeinen. Ebenso machen die Hindu jährlich große Pilgerfahrten zu heiligen Städten (Benares u. a.) und Plätzen (Gangesquelle), die Buddhisten von Birma ziehen in großen Scharen nach Rangun [* 19] und Ceylon [* 20] (Anarâdhâpura). - Weitere Veranlassung zu Reisen gibt das Suchen nach Erwerb, das die Bewohner ärmerer, stark bevölkerter Länder zum Aufsuchen bessere Verdienstverhältnisse bietender Gebiete treibt. So gehen die Bewohner unsrer armen Gebirgsgegenden, vieler Länder Österreich-Ungarns, Italiens, [* 21] Spaniens, Chinas, Indiens u. a. fort, um nach längerer oder kürzerer Zeit wieder ihre Heimat aufzusuchen.
Umgekehrt veranlaßt größerer Wohlstand zu Vergnügungsreisen, die sich in neuester Zeit auf außerordentliche Entfernungen ausgedehnt haben, so daß selbst Reisen um die Erde unternommen werden. Gefördert wird diese Neigung durch die von Unternehmen (Stangen in Berlin, [* 22] Cook u. Sohn in London) veranstalteten Gesellschaftsreisen. Eine ganz außerordentliche Ausdehnung [* 23] haben auch die Reisen zu Gesundheitszwecken erfahren, womit die jährlich sich vermehrende Zahl von Bädern und Sommerfrischen zusammenhängt. Dabei sind die durch öffentliche Mildthätigkeit ermöglichten Ferienreisen armer, der Erholung bedürftiger Kinder, wie sie in der Schweiz [* 24] und Deutschland bestehen, zu erwähnen (s. Ferienkolonien). Erholung und Belehrung verbinden die neuerdings in Deutschland unternommenen Schülerreisen unter Führung eines Lehrers; in Frankreich hat Levasseur den Gedanken von periodischen Unterrichtsreisen um ¶
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die Welt angeregt, kleinere Schülergesellschaften zur Erlernung fremder Sprachen sind von dort bereits mehrfach in fremde Länder geschickt worden. Zur Vorbereitung für die Reise und Führung bei derselben dienen die Reisebücher, deren erste lateinisch und deutsch erschienen, und von denen namentlich zu nennen sind: »Reisbüchlein« von G. Pictorius (3. Aufl. 1565);
»Instructions and directions for farren travell by Howell« (Lond. 1650);
»M. Zeilleri getrewer Reisgefert« (Ulm [* 26] 1666);
»Unentbehrlicher dreifacher Leitstern der Reisenden« (Leipz. 1724);
Schlözer, »Entwurf zu einem Reisecollegio« (Götting. 1777);
Reichards »Guide des voyageurs en Europe« (Wien [* 27] 1793, auch deutsch als »Passagier und Tourist« in vielen Auflagen erschienen);
speziell für die Schweiz berechnet: Ebel, »Anleitung, die Schweiz zu bereisen« (Zürich 1804-1805, 4 Bde.);
vgl. Peyer, Geschichte des Reisens in der Schweiz (Basel [* 28] 1884);
Schwarz, Die Erschließung der Gebirge bis auf Saussure (Leipz. 1885).
Nach dem Vorbild der englischen Railway Library werden zur Unterhaltung der Reisenden auch in Deutschland Reisebibliotheken herausgegeben. Die besten Reisehandbücher sind in Deutschland die von Bädeker und Meyer, in England von Murray, in Frankreich von Joanne; dem Eisenbahn-, Dampfschiff- und Postverkehr dienen das »Kursbuch des Reichspostamtes« und Hendschels »Telegraph« [* 29] (Frankf.).
Vgl. Georg, Die Reiselitteratur Deutschlands [* 30] (Leipz. 1872);
Michelis, Reiseschule (3. Aufl., das. 1876).