Christian, verdienter Schulmann, geb. zu Großmühlingen im
FürstentumAnhalt-Zerbst, studierte
zu
Helmstädt,
Rostock
[* 7] und
Leipzig
[* 8]
Theologie und ward 1707
Rektor des
Gymnasiums zu
Weißenfels,
[* 9] wo er starb. Seine »Janua
hebraicae linguae« (Leipz. 1733; 8. Aufl. von Rehkopf,
1788) und sein
»Index memorialis, quo voces hebraicae et chaldaicae veteris testamenti omnes cum significationibus latinis
continentur« (das. 1730, neue Aufl. 1755) waren lange Zeit
vielgebrauchte Hilfsmittel der Studierenden auf
Schulen und
Universitäten. Außerdem besorgte er mehrere
Bibelausgaben.
Karl, Klavierspieler und
Komponist, geb. zu
Altona,
[* 10] war
Schüler seines dort
als Gesanglehrer wirkenden
Vaters, machte 1843 seine erste Kunstreise, die ihn über
Kopenhagen
[* 11] bis
Stockholm
[* 12] führte, und ging
dann, mit einem
Stipendium des
Königs von
Dänemark
[* 13] versehen, zu weitern
Studien nach
Leipzig, wo er bis 1846 blieb. Dann unternahm
er größere Kunstreisen, unter andern nach
Kopenhagen, wo er besondern Beifall fand, auch zum Hofpianisten
ernannt wurde, sowie 1851 nach
Paris
[* 14] und erhielt in demselben Jahr einen
Ruf an die rheinische Musikschule zu
Köln.
[* 15]
Von 1854 bis 1859 war er als Musikdirektor in
Barmen
[* 16] thätig, wurde darauf
Dirigent der Singakademie und Universitätsmusikdirektor
in
Breslau,
[* 17] folgte aber schon 1860 dem
Ruf als
Kapellmeister des Gewandhausorchesters und
Lehrer am
Konservatorium
zu
Leipzig, welche
Stellung er noch gegenwärtig bekleidet. Von seinen zahlreichen
Kompositionen, in denen er der Mendelsohn-Schumannschen
Richtung folgt, sind zu nennen: die fünfaktige
Oper »König
Manfred«, die einaktigen
Operetten: »Der vierjährige
Posten« und
»Ein
AbenteuerHandels« und die dreiaktige komische
Oper »Auf hohen Befehl«;
ferner von nicht dramatischen
Chorwerken: »Belsazar«,
»HakonJarl« (für Männerchor),
die Märchenkompositionen: »Schneewittchen« und »Dornröschen«
(für dreistimmigen Frauenchor),
(franz., spr. rähn-klóhd), s.
Pflaumenbaum, ^[= (Zwetschenbaum, Prunus Tourn.), Untergattung der Gattung Prunus (Familie der Rosaceen), Bäume ...] S. 970.
Fuchs,
[* 20] hochdeutsche Bezeichnung für die letzte bedeutende dichterische Gestaltung der deutschen
Tiersage (s. d.).
Das
Alter der letztern reicht zurück in das
Dunkel vorhistorischer Zeit. Bei den
Franken begegnen wir deutlichern
Spuren der
Tiersage bereits im 7. Jahrh.
(FredegarsChronik), bei den
Bayern
[* 21] um die
Wende des 10. ins 11. Jahrh. Von den
Franken
aus hat sie sich über den
Rhein nach
Lothringen,
Flandern und Nordfrankreich fortgepflanzt, und in diesen Gegenden ist ihre
vorzüglichsteAusbildung erfolgt, wie denselben auch die ältesten poetischen Gestaltungen der
Tiersage
angehören.
Die drei frühsten dieser Gestaltungen sind in lateinischer
Sprache
[* 22] abgefaßt, so zunächst die älteste, zugleich an Wert
geringste, mit dem
Titel: »Ecbasis captivi«, welche ein
Stück echter
Tiersage in eine andre
Fabel eingerahmt enthält und vermutlich
von einemMönch aus
Tull
(Toul)
[* 23] ungefähr gleichzeitig mit dem
»Waltharius« in
Hexametern abgefaßt ist (hrsg.
in J.
Grimms und
Schmellers »Gedichten des 10. und 11.
Jahrhunderts«; neuerlich von
Voigt, Straßb. 1875). Zu Anfang des 12. Jahrh.
entstand dann eine weitere der
Tiersage angehörige
Dichtung: der in Südflandern wahrscheinlich gleichfalls von geistlicher
Hand
[* 24] in Distichen niedergeschriebene »Isengrimus«, welcher von dem
kranken
Löwen
[* 25] und der
Betfahrt der
Gemse berichtet (s.
Isegrim).
Dieselben Begebenheiten nebst zehn andern
Abenteuern aus der Tierwelt hat, etwa um 1150, ein nordflandrischer
Magister Nivardus
in dem auch in lateinischen Distichen (6596) abgefaßten »Reinardus vulpes«
erzählt (hrsg. von
Mone, Stuttg. 1832),
Reinertrag - Reinhard
* 28 Seite 13.697.
und nicht viel später gab, französischer
Quelle
[* 26] folgend, der
Elsässer
Heinrich der Glichesäre in »Isengrîmes nôt« die erste bekannte (mittelhoch-)
deutsche Bearbeitung der
Tiersage. Das von dieser in kurzen Reimpaaren gedichteten Bearbeitung uns erhaltene Bruchstück,
etwa ein Drittel des Ganzen, ist von J.
Grimm im »Sendschreiben an
Lachmann überReinhartFuchs« (Leipz.
1840) veröffentlicht worden. Zu Anfang des 13. Jahrh. hat dann ein Ungenannter die
Version des Glichesäre ohne Änderung
des
Inhalts in die seit
Heinrich von Veldeke herrschenden reinern
Reime umgeschmolzen, welche Überarbeitung unter dem
Titel:
»Reinhart Vuhs« bis auf 140
Verse erhalten geblieben ist (zuerst hrsg. vonMailáth und Köffinger im »Koloczaer
Kodex«,
Pest 1818; in reinerer Gestalt in J.
Grimms
»ReinhartFuchs«, Berl. 1834). Während im 13. und 14. Jahrh. das
Tierepos in Nordfrankreich mannigfache Bearbeitung fand (am berühmtesten der weitschichtige, zuletzt 62,000
Verse umfassende
»Roman de Renart«, hrsg. von
Méon, Par. 1826, 4 Bde.; vonMartin, Straßb. 1881-87, 3 Bde.),
trat, wie es scheint, in
Deutschland selbst seit jener
oben erwähnten geraume Zeit hindurch keine auf. Inzwischen aber erhielt
die
Tiersage, wahrscheinlich um 1250, in
Flandern ihre vollkommenste künstlerische Gestaltung im »Reinaert de
Vos« (hrsg. von
J.
Grimm im
»ReinhartFuchs«, S. 115 ff.; vonWillems, neue Aufl.,
Gent
[* 27] 1850; von
Jonckbloet,
Groning. 1835;
von
Martin, Paderb.
¶
mehr
1874; hochdeutsch von Geyder, Bresl. 1844). Der Verfasser dieses trefflichen Werkes ist nicht
mit Gewißheit ermittelt. J. Grimm sieht ihn in einem zu Anfang des »Reinaert« genannten Willem
(de Matoc), während der niederländische HerausgeberWillems einen gewissen Willem Utenhove für den Dichter hält, jenem
Willem de Matoc aber eine gegen 1350 in schlechtem Stil abgefaßte Überarbeitung und Fortsetzung des
»Reinaert« zuschreibt. Diese letztere nun (welche im 15. Jahrh.
von Hinric von Alkmar mit einer prosaischen Glosse versehen wurde) erschien 1498 zu Lübeck
[* 29] in plattdeutscher Übertragung als
»Reynke de Vos«. Der Urheber der Übersetzung ist strittig. Nach einer Angabe G. Rollenhagens in der Vorrede
zum »Froschmäusler« galt für denselben lange Zeit NikolausBaumann, der 1526 zu Rostock als Sekretär
[* 30] des HerzogsMagnus von Mecklenburg
[* 31] starb; Zarncke hat dagegen (Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd. 9) einen Hermann Barkhusen, weiland Stadtschreiber
und Buchdrucker zu Rostock, als Verfasser des »Reineke Vos« nachzuweisen versucht.
Diese niedersächsische Fassung, welche erst in der Neuzeit, besonders durch J. Grimm (Einleitung zum »ReinhartFuchs«) und Hoffmann
von Fallersleben, als bloße, wenn auch sehr gelungene Übertragung eines fremden Originals, nämlich des »Reinaert«, dargethan
ist, hat mit letzterm die köstliche Frische und Lebendigkeit der Darstellung und die freilich zum Teil
im sprachliche Idiom liegende Naivität und Komik gemein. Sie erzählt die abenteuerlichen Handel des Fuchses mit dem Wolf, die
Begebenheiten am Hof
[* 32] König Nobels, des Löwen, die Überlistung der Hofleute und Unterthanen des Tierbeherrschers durch die
verschlagene Tücke Reinekes, welcher den biedern Vierfüßern Braun dem Bären, Hinz dem Kater, dem Hündlein
Wackerlos u. a. m. aufs ärgste mitspielt, trotzdem aber schließlich an NobelsHof zu hohen Ehren gelangt. Von dem Originaldruck
des Lübecker »Reineke Vos« ist nur noch ein einziges Exemplar (zu Wolfenbüttel)
[* 33] vorhanden. Eine zweite Ausgabe erschien 1517 zu
Rostock, und dieser folgten während des 16. und 17. Jahrh. Ausgaben in großer Menge, in denen sich der
Text zusehends verschlechtert. Den Druck von 1498 ließ Hackmann (Wolfenb. 1711) in genauer Wiederholung auflagen; die letztere
liegt der von Gottsched (Leipz. 1752) besorgten Ausgabe zu Grunde, die auch eine prosaische Übersetzung (neuer Abdruck der letztern,
Halle
[* 34] 1886) und Auslegung nebst einer Abhandlung über Urheberschaft, Alter und Wert des Gedichts enthält.
Weitere Ausgaben rühren her von Bredow (Eutin 1798), Scheller (Braunschw. 1825), Scheltema (Haarl. 1826), die aber
sämtlich an Wert weit zurückstehen hinter der mit einem trefflichen Wörterbuch versehenen von Hoffmann von Fallersleben (Bresl.
1834, 2. Aufl. 1852) sowie hinter den Ausgaben von Lübben
[* 35] (Oldenb. 1867), Schröder (Leipz. 1872), Prien
(Halle 1887). Übersetzt wurde der »Reineke Vos« ins Holländische
[* 36] (von van der Putte, Amsterd. 1694),
ins Schwedische (1621). Die erste hochdeutsche Übertragung, die, obwohl sie »schattenhaft hinter dem
Original zurückbleibt«, mehr als 20mal aufgelegt worden ist, lieferte, wunderlicherweise
als zweiten Teil zu Paulis »Schimpf und Ernst«, M. Beuther (Frankf. 1544); fernere Übersetzungen ins Hochdeutsche sind die prosaische
»Der lustige reineke Fuchs« (ohne Ort und Jahr), die schon erwähnte von Gottsched, die beiden im Versmaß des Originals abgefaßten
von Soltau (Berl. 1803; neue Ausg.,
das.
1867) und K. Simrock (2. Aufl., Frankf. 1847), endlich die von Hartmann (Leipz. 1864). Mehr aber als alle
diese Übersetzungen trug Goethes Bearbeitung des in reineke Fuchs Hexametern (zuerst Berl. 1794), zu der Kaulbach später seine genialen
Zeichnungen schuf (Münch. 1847), dazu bei, das Interesse des lebenden Geschlechts für die alte Dichtung zu
beleben.