Es gibt positive Refléxerscheinungen, wie die bisher erwähnten, und wenn
man so will, negative, solche, welche eine bisher vorhandene Thätigkeit
unterbrechen, Reflexhemmungen; auf gewisse sensible
Reize wird z. B. die thätige
Herz- und Atembewegung reflektorisch ganz
zum Stillstand gebracht. Die
Intensität der ist abhängig einerseits von der
Intensität der ausgeübten
Reize, anderseits von dem
Grade der Reizungsfähigkeit der betreffenden Reflexzentren, d. h. der Reflexerregbarkeit.
Letztere wird von verschiedenen Umständen beeinflußt. Die Thätigkeit des Großhirns, das thätige
Bewußtsein, setzt die
Reflexerregbarkeit herab: deshalb treten Refléxerscheinungen leichter ein im
Schlaf, bei gewissen Hirnkrankheiten;
enthauptete
Menschen und
Tiere zeigen viel leichter und lebhaftere Refléxerscheinungen als normale.
Der
Wille hat bis zu einem bestimmten
Grad einen
Einfluß auf gewisse Refléxerscheinungen; er kann das reflektorische
Zucken des
Beins, wenn die
Sohle desselben gekitzelt wird, er kann den Hustenstoß
bei Reizung der
Luftröhre ganz oder teilweise unterdrücken; andre Refléxerscheinungen, z. B.
die
Verengerung der
Pupille bei Lichteintritt, die Thränenabsonderung bei mechanischen Reizungen des Augapfels,
zu verhindern,
ist er nicht im stande. Die Reflexerregbarkeit variiert nach
Alter,
Spezies und individuellen Verschiedenheiten.
Von differenten
Stoffen wird sie am meisten herabgesetzt durch
Äther und
Chloroform, am energischten gesteigert durch
Strychnin.
Die meisten starken organischen
Gifte, namentlich die
Alkaloide,
Atropin,
Brucin, Kaffein, Morphin etc., haben
zunächst eine steigernde, in großen
Dosen eine herabsetzende
Wirkung.
Manche Refléxerscheinungen sind von einer sehr komplizierten
Beschaffenheit.
Dabei tragen die meisten Refléxerscheinungen den ausgeprägte
Charakter der Zweckmäßigkeit
an sich (geordnete
Reflexe), wie die
oben angeführten
Beispiele vom Augenlidschluß und vom Hustenstoß beweisen.
(lat.), planmäßige Umgestaltung, Veränderung, namentlich auf dem Gebiet der
Gesetzgebung und der
Staatsverfassung, während für eine Umgestaltung in kirchlicher Beziehung der
AusdruckReformation
(s. d.) gebräuchlich ist;
die
Bewegung des 16. Jahrh., welche die Entstehung der lutherischen und reformierten
Kirchen, überhaupt des
Protestantismus
(s. d.), zur
Folge hatte. Dieselbe ist eins von denjenigen weltgeschichtlichen Ereignissen, welche in alle Gebiete des Kulturlebens
der sich daran beteiligenden
Völker mächtig eingegriffen und eine lange
Reihe neuer Gestaltungen auf
dem politischen und kirchlichen
Leben angebahnt, ja die ganze moderne
EntwickelungEuropas bedingt haben.
Viele
Anzeichen kündigten schon seit langem das Herannahen einer neuen
Epoche des Menschenlebens an, und es ist die Reformation nicht
als das Werk
EinesMannes, sondern als das
Resultat vieler und bedeutsamer vermittelnder Vorgänge anzusehen.
Wir erinnern hier nur an die
Erfindung der
Buchdruckerkunst, an die Erweiterung der Weltanschauung durch die überseeischen
Entdeckungen, vornehmlich aber an das Wiederaufleben der
Künste und
Wissenschaften im 15. Jahrh., an alles, was
man in der
Regel
unter dem
KunstausdruckRenaissance (s. d.) zusammenfaßt.
Speziell die
Notwendigkeit einer »Reformation der
Kirche
an
Haupt undGliedern« war durch die großen
Kirchenversammlungen des 15. Jahrh. wiederholt anerkannt worden, und die reformatorischen
Ideen, vor allen eines Wiclef und
Huß, hatten dazu beigetragen, einen Umschwung der religiösen Grundideen anzubahnen.
worin die
Artikel der Reformation als große Volkssache dargelegt und
Fürsten und
Reichsstände aufgefordert wurden, selbst
Hand
[* 12] anzulegen, um das römische Unwesen in
Deutschland abzuschaffen. Im
Buch
»Von der babylonischen Gefangenschaft der
Kirche«
(Oktober 1520) führte er durch, wie der ganze
Ablaß eine römische Schalkheit
und das
Papsttum nur menschlichen Ursprungs sei, wie der
Kelch auch den
Laien gebühre, die
Messe nicht
Opfer, noch
gutes Werk und die neuerfundene
¶
mehr
Wandlungslehre ein schriftwidriger Irrtum sei. Die Sakramente werden auf Taufe, Buße und Abendmahl beschränkt, und gegen die
ganze Bedeutung der Kirche als äußerer Anstalt wird die Kraft
[* 14] des Glaubens geltend gemacht. Endlich schrieb er in demselben
Jahr noch, gleichsam als dritte Urkunde der Grundsätze der deutschen Reformation, das Buch »Von der Freiheit eines
Christenmenschen«, worin er vornehmlich die Lehre
[* 15] vom Glauben behandelte, durch den der Christenmensch ein Herr über alle Dinge,
ein König und Priester, keinem Gesetz unterthan und durch nichts Äußerliches gebunden, aber auch ein Knecht aller sei, sofern
er um Gottes willen jedermann diene.
Zugleich aber schritt er zur befreienden That vor, indem er, seine unwiderrufliche Lossagung vom Papsttum
besiegelnd, vor dem Elsterthor in Wittenberg die päpstliche Bulle, wodurch Leo X. den Bann gegen ihn geschleudert
hatte, samt dem kanonischen Rechtsbuch ins Feuer warf. Wie aber die päpstliche, so hatte sich alsbald auch die kaiserliche
Autorität der neuen Bewegung gegenüber in ihrer Ohnmacht erwiesen. Im März 1521 wurde Luther durch Karl V. unter Zusicherung
freien Geleits auf den Reichstag zu Worms
[* 16] entboten. Am 17. u. 18. April stand er vor der Reichsversammlung.
Gegen die ersten Folgen der nunmehr wider ihn ergehenden Reichsacht durch die ihm von seinem Kurfürsten
auferlegte Zurückgezogenheit auf der Wartburg geschützt, kehrte er, durch die Überstürzungen seiner Anhänger in Wittenberg
bewogen, dahin zurück. Der Verbreitung und Vertiefung der evangelischen Erkenntnis sollte die von ihm schon auf der Wartburg
begonnene Bibelübersetzung dienen. Vollständig erschien sie erst 1534. In der Zwischenzeit hatte die Reformation feste
Wurzeln allenthalben in Deutschland geschlagen. Aus dem Reichstag zu Nürnberg
[* 17] hatten im Dezember 1522 die Stände 100 Beschwerden
gegen den römischen Stuhl aufgesetzt, worin des Papstes Kunstgriffe, Geld zu erpressen, nachgewiesen, die menschlichen Satzungen
als der Grund alles Unheils und Verderbens aufgedeckt und zuletzt mit Eigenhilfe gedroht ward, wenn solchen
unleidlichen Übelständen nicht bald gesteuert würde.
Die süddeutschen Städte folgten übrigens bereits jetzt teilweise in Lehre und Gottesdienstordnung mehr demjenigen Typus der
Reformation, welcher in der benachbarten Schweiz
[* 32] seine Heimat hatte. Auch hier war es zunächst der Ablaßunfug gewesen, welcher schon 1518 UlrichZwingli (s. d.) zum Widerspruch gegen die päpstlichen Satzungen veranlaßt hatte. Seit 1519
erhob dieser
humanistisch gebildete Theolog in Zürich
[* 33] seine volkstümliche Rede für die Reformation der Kirche und der Sitten.
In Deutschland war das Kurfürstentum Sachsen
[* 37] das erste Land, in welchem die Reformation die gesetzliche Genehmigung
von seiten Johanns des Beständigen (1525 bis 1532) erhielt; auf Grundlage des Visitationsbüchleins erfolgte die Kirchenvisitation
1528-29. Etwa gleichzeitig führte der LandgrafPhilipp vonHessen
[* 38] 1527 sein ganzes Land durch Lambert von Avignon auf der HombergerSynode der Reformation zu. Schon 1524 aber war die lange gärende Unzufriedenheit des hart belasteten Bauernstandes,
durch die mächtige Bewegung, welche die in die niedern Schichten des Volkes brachte, gefördert, in offenen Aufstand gegen den
weltlichen und geistlichen Adel zur Erlangung von Christen- und Menschenrechten ausgebrochen und hatte blutig unterdrückt werden
müssen.
Diese Vorgänge trugen vornehmlich dazu bei, Luther in einer Richtung zu bestärken, welche schon seit
seiner Rückkehr von der Wartburg angebahnt worden war: neben die Selbstherrlichkeit des christlich-freien Bewußtseins oder
Glaubens trat wieder die Bedeutung des äußern Kirchentums;
das kühne Vorgehen wurde ermäßigt durch die Achtungvor der
Geschichte.
Leider erhob sich nun unter den Lehrern der evangelischen Kirche jener unselige Zwiespalt,
der auf Jahrhunderte hinaus einen Riß in die kaum entstandene Gemeinschaft machte, zunächst als Streit über das heilige Abendmahl
(s. d.). AlleVersuche, denselben durch Religionsgespräche beizulegen, scheiterten an Luthers leidenschaftlicher Heftigkeit.
Diese Trennung war aber um so unzeitiger, als die Existenz der evangelischen Kirche noch so wenig gesichert
war und den ersten Bündnissen, welche 1526 hauptsächlich auf Betreiben des hessischen Landgrafen unter einigen evangelischen
Reichsständen geschlossen wurden, sofort katholische Gegenallianzen gegenübertraten.
Auf dem im Sommer des gleichen Jahrs gehaltenen Reichstag zu Speier
[* 39] hielten sich beide Teile schon fast die Wagschale, so
daß der Reichsrezeß vom dahin lautete, bis zur Berufung eines allgemeinen Konzils solle sich jeglicher Stand in
Bezug auf das WormserEdikt so gegen seine Unterthanen verhalten, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne. Jedoch
schon auf dem neuen Reichstag zu Speier 1529 ward der Beschluß des vorigen wieder zurückgenommen, so
daß
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