Lehranstalt der
Rechtswissenschaft, wie z. B. die berühmte Rechtsschule zu
Bologna im
Mittelalter und die noch jetzt
bestehenden
Inns of Court (s. d.) in
England; dann Bezeichnung für die Anhänger eines gewissen
Systems und einer besondern
Richtung in der wissenschaftlichen Bearbeitung des
Rechts. In letzterer Beziehung traten namentlich zur Zeit des
klassischen römischen
Rechts die beiden Rechtsschulen der
Prokulianer und der
Sabinianer (s. d.) in den
Vordergrund, ebenso
im
Mittelalter die sogen. Glossatoren (s.
Glosse). Zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses
Jahrhunderts war es die historische
Rechtsschule, als deren Begründer Gust.
Hugo (s. d.) gelten kann, welche auf eine Neubelebung der
deutschen
Rechtswissenschaft durch das
Studium der
Rechtsgeschichte und Würdigung der historischen Grundlage des geltenden
Rechts hinwirkte.
Die dabei allerdings hervortretende
Einseitigkeit wurde von den Gegnern dieser an deren
SpitzeThibaut (s. d.) stand, durch
ein ebenso einseitiges
Betonen der philosophischen Grundlage des positiven
Rechts erwidert, bis, namentlich durch F. K.
v.
Savigny (s. d.) und G. F.
Puchta (s. d.), die Verschmelzung beider
Systeme in der glücklichsten
Weise herbeigeführt ward.
(Rechtsparömie), eine im
Munde des
Volkes in der Gestalt eines Sprichworts lebende Rechtsregel.
Solche
Rechtssprichwörter bilden eine wichtige Erkenntnisquelle des
Gewohnheitsrechts, wenn sie bei ihrer
Kürze
auch oft ungenau und vieldeutig sowie oft nicht sowohl der
Ausdruck einer Rechtsidee als vielmehr der einer bloßen Volkssitte
sind.
(Rechtshandel,Rechtssache, Prozeßsache), s. v. w.
Prozeß (s. d.). ^[= (lat.), in der Rechtswissenschaft das Verfahren vor Gericht, wodurch eine Rechtssache zur endgültig ...]
Verfolgung eines Rechtsanspruchs durch Anstrengung eines
Rechtsstreits oder
Prozesses (s. d.).
Vom Rechtsweg ausgeschlossen
ist eine Angelegenheit dann, wenn dieselbe nicht zum Gegenstand eines
Prozesses gemacht werden kann, wie
dies bei vielen Verwaltungssachen und namentlich da der
Fall ist, wo das Verwaltungsstreitverfahren nicht eingeführt.
Auf
den Rechtsweg verwiesen wird eine Angelegenheit dann, wenn sie sich als eine
Justizsache zur
Verhandlung vor den Verwaltungsbehörden
nicht eignet.
(Rechtsgelehrsamkeit,Jurisprudenz), im
subjektiven
Sinn die wissenschaftliche
Erkenntnis und Kenntnis
der Rechtssatzungen, im objektiven
Sinn ihre wissenschaftliche Bearbeitung und
Darstellung. Es ist die hauptsächlichste Aufgabe
des Rechtsgelehrten, die
Normen des geltenden
Rechts kennen zu lernen und wissenschaftlich festzustellen, welche Rechtssätze
die Lebensverhältnisse der
Menschen normieren, und insofern hat die Rechtswissenschaft einen vorwiegend praktischen
Charakter.
Wer sich namentlich dem praktischenDienste
[* 5] der
Rechtspflege widmet, was ja von dem größten Teil der
Juristen
gilt, hat sich vornehmlich die Kenntnis derjenigen Rechtssatzungen anzueignen, welche in dem
Staate,
dem er angehört, positive
Geltung beanspruchen und bei der
Entscheidung einzelner
Rechtsfälle zur Anwendung zu bringen sind. Jedoch durch eine wissenschaftliche
Darstellung derNormen des geltenden
Rechts allein
(Dogmatik des
Rechts) und durch eine wissenschaftliche
Gliederung und Abgrenzung der einzelnen Gebiete desselben
(Systematik des
Rechts) wird der Gegenstand der Rechtswissenschaft keineswegs erschöpft.
Denn alles positive
Recht, wie es sich in den Gesetzbüchern eines
Volkes und in seinen
Rechtsgewohnheiten darstellt, ist historischen
Ursprungs; nur aus der Vergangenheit aber können wir die Gegenwart recht erkennen und ebendarum
Zweck
und Bedeutung und überhaupt den
Sinn einer Rechtsnorm nur dann richtig erfassen, wenn wir auf ihre historische Entstehung
und
Entwickelung zurückgehen. Wie daher die
Rechtsgeschichte ein wichtiger Teil der
Volks- und
Kulturgeschichte überhaupt ist,
so erscheint sie auch als integrierender und wesentlicher Teil der Rechtswissenschaft, und zwar
pflegt man hierbei zwischen äußerer und innerer
Rechtsgeschichte zu unterscheiden, indem man unter ersterer die chronologische
Aufzählung der Rechtsquellen eines
Volkes, seiner
Gesetze und
Rechtsbücher und die Geschichte derselben versteht, während
sich die innere
Rechtsgeschichte mit der historischen
Entwickelung der einzelnen Rechtsinstitute zu beschäftigen
hat.
Sieht man aber von dem
Recht, welches historischen Ursprungs ist, ab, also von dem
Recht, welches als der
Ausdruck des Staatswillens
erscheint und ebendarum den Einzelwillen bindet, so ist es der Vernunftthätigkeit des Einzelnen unbenommen, sich ein eignes
Rechtssystem zu konstruieren oder doch darüber nachzudenken und philosophischeErörterungen darüber
anzustellen, wie das geltende
Recht weiter auszubilden und wie es mit den menschlichen Lebensverhältnissen, aber auch mit
der Rechtsidee selbst mehr und mehr in
Einklang zu bringen sei.
Diese Geistesthätigkeit wird
Rechtsphilosophie, ihr
ResultatNatur- oder
Vernunftrecht (s. d.) genannt. Indem sie sich mit einem
der höchsten
Zwecke der Menschheit überhaupt beschäftigt, bildet die
Rechtsphilosophie einen wichtigen
Teil der allgemeinen
Philosophie, und gleichwohl ist sie doch auch von praktischem Wert für die Rechtswissenschaft. Denn sie eröffnet
dem Rechtsgelehrten den philosophischen
Sinn; sie verleiht ihm jene Unbefangenheit und
Klarheit, welche für die
Prüfung der
positiven Rechtsnormen erforderlich ist; sie ermöglicht das Eindringen in den
Geist des
Rechts und in
die logischen Grundlagen der bestehenden Rechtsordnung, fördert eine selbständige
Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit, ein Aufdecken
ihrer Mängel und eine wissenschaftliche Vorbereitung ihrer Fortentwickelung, und ebendarum soll in der Rechtswissenschaft die
philosophische
Lehr- und Lernmethode mit der historischen
Hand
[* 6] in
Hand gehen. Freilich kann das
Produkt rechtsphilosophischer
Thätigkeit allgemeine Geltung nicht
¶
mehr
beanspruchen, und hierin liegt der Hauptunterschied des philosophischen und positiven Rechts, und ebensowenig kann die Rechtswissenschaft, wie
manche meinen, aus dem bestehenden positiven Recht ganz neue Rechtssätze ableiten, neues Recht schaffen. Es gibt kein eigentliche
Recht derWissenschaft. Die Rechtswissenschaft beschränkt sich vielmehr auf die wissenschaftliche Darstellung des gegebenen Rechts,
auf die Auslegung desselben, auf die analoge Ausdehnung
[* 8] der gegebenen Rechtsnormen auf ähnliche Fälle im Sinn des Gesetzgebers
und auf die Entwickelung der leitenden Prinzipien, welche den einzelnen Gesetzesbestimmungen zu Grunde liegen. Die einzelnen
Teile der Rechtswissenschaft entsprechenden einzelnen Teilen des Rechts selbst (s. Recht).
Was die rechtswissenschaftliche Litteratur anbetrifft, so sind die schriftlichen Geisteserzeugnisse der
einzelnen Völker auf diesem Gebiet teils exegetische, d. h. der Auslegung vorhandener Rechtsquellen, teils dogmatische, d. h.
der systematischen Darlegung von geltenden Rechtsgrundsätzen gewidmet. Dazu kommt die philosophische Rechtslitteratur, die
sich mit der wissenschaftlichen Feststellung der allgemeinen Rechtsbegriffe beschäftigt, und neben dem rechtshistorischen
das rechtspolitische Gebiet mit seinen der künftigen Gesetzgebung vorarbeitenden litterarischen Leistungen.
Auch die praktische Rechtswissenschaft, welche unmittelbar die Handhabung, Anwendung und Anwendbarkeit von geltenden
Rechtsnormen in dem Rechtsleben eines Volkes unterstützen und vermitteln will, hat eine große Litteratur, und zahllose populärwissenschaftliche
Arbeiten sollen der Hebung
[* 9] des Rechtsbewußtseins und der Verbreitung der Rechtskunde im Volk dienen; ein
verhältnismäßig neuer Zweig der rechtswissenschaftlichen Litteratur, den erst das moderne Staats- und Rechtsleben zur vollen
Entfaltung brachte.
Denn Jahrhunderte hindurch, nachdem das römische Weltreich längst in Trümmer gegangen, erhielt sich die Weltherrschaft
des römischen Rechts (s. d.). Nur allmählich entwickelte sich bei den einzelnen Völkerschaften ein nationales Recht
und eine nationale Rechtswissenschaft, deren Erzeugnisse nicht bloß den juristischen Fachgelehrten zugänglich sind.
Zudem zieht der moderne Staat seine Bürger zu der Gesetzgebung wie zu der Rechtsprechung unmittelbar heran, und beide bilden
einen wichtigen Teil unsers öffentlichen Lebens überhaupt.
Die Entwickelung des konstitutionellen Verfassungslebens, die volkstümliche Gestaltung der öffentlichen Rechtspflege
und die staatliche Zusammenfassung der verschiedenen Rechtsgebiete in dem neuen Reich unter einer einheitlichen Gesetzgebung
mußten namentlich für die Entwickelung der deutschen Rechtswissenschaft von der größten Bedeutung sein (s. Deutsches Recht). Seine wissenschaftliche
Bedeutung wird das römische Recht gleichwohl für alle Zeiten behaupten, wie es denn auch Jahrhunderte hindurch nicht
nur die gesamte Rechtswissenschaft beherrscht, sondern auch als wirklich geltendes Recht bis in die neueste Zeit Gesetzeskraft gehabt hat,
wenn sich auch das Geltungsgebiet der römisch-rechtlichen Grundsätze immer mehr verengerte und diese selbst mit der fortschreitenden
Entwickelung der modernen Gesetzgebung mehr und mehr außer Geltung kamen.
Schon aus dem 13. Jahrh. datiert die Wiederbelebung der romantischen
Rechtswissenschaft durch die italienischen Rechtsgelehrten des Mittelalters. Die Glossatorenschule von Bologna sichtete das gewaltige Material
und verpflanzte das Studium der JustinianischenRechtsbücher nach Frankreich und Deutschland,
[* 10] während die sogen. Postglossatoren,
d. h. die italienischen Rechtsgelehrten bis zum 16. Jahrh.,
wie Bartolus und Baldus, bereits an eine schulmäßige Gestaltung
der juristischen Begriffe herangingen.
Im 16. und 17. Jahrh. aber fiel die wissenschaftliche Bearbeitung des römischen Rechts vornehmlich den französischen Juristen,
dem berühmten Cujacius u. a., zu, welchen sich die spanischen und holländischen Rechtsgelehrten jener
Zeit anschlossen.
Die Belebung der rechtsgeschichtlichen Wissenschaft hatte aber auch zu einem Studium der deutsch-rechtlichen Quellen angeregt.
Letztere sind nämlich immerhin für die nationale Rechtsentwickelung von großer Wichtigkeit gewesen, wenn auch das
römische Recht in Deutschland zu einer Zeit eindrang, als das deutsche Recht sich noch im Stadium der Kindheit
befand und die rechtswissenschaftlichen Arbeiten jener Zeit (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel und die sonstigen mittelalterlichen
Rechtsbücher) sich mit der römisch-rechtlichen Litteratur in konsequenter Aus- und Durchbildung des Rechtsstoffes durchaus
nicht messen konnten. Die deutsche Staats- und Rechtsgeschichte von KarlFriedrichEichhorn (gest. 1854) war in dieser Hinsicht
epochemachend.